Im Vergleich zu Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor können Elektrofahrzeuge ohne Differentialgetriebe und Schaltgetriebe auskommen. Der Grund dafür ist, dass sie im Rad eingebaute Maschinen besitzen und radselektiv die Räder antreiben. Dieses Dokument beschreibt diese Antriebskonzepte, die die Automobilwelt verändern sollen.
Dazu wird schrittweise die Elektrifizierung des Antriebsstranges erklärt. Am Anfang werden die Komponenten des Antriebsstranges eines herkömmlichen Verbrennungsfahrzeuges beschrieben. Darauf aufbauend wird der Zentralantrieb mit und ohne Schaltgetriebe, der FRID, der radnahe und der Radnabenantrieb erläutert. Zu jeder Topologie werden der Wirkungsgrad, Sicherheitsaspekte, sowie allgemeine Vor- und Nachteile behandelt. Die Arbeit wird mit einer Übersicht abgeschlossen, die die Antriebstopologien untereinander vergleicht.
Antriebstopologien
Dominik Demetz
Abstract —Elektrofahrzeuge ko¨ nnen, im Vergleich zu Fahrzeu- gen mit Verbrennungsmotor, ohne Differentialgetriebe und Schaltgetriebe auskommen, im Rad eingebaute Maschinen be- sitzen und radselektiv die Räder antreiben. Dieses Doku- ment beschreibt diese Antriebskonzepte, die die Automobil- welt verändern sollen. Es wird schrittweise die Elektrifizierung des Antriebsstranges erkla¨ rt: Am Anfang werden die Kom- ponenten des Antriebsstranges eines herkömmlichen Verbren- nungsfahrzeuges beschrieben. Darauf aufbauend wird der Zen- tralantrieb mit und ohne Schaltgetriebe, der FRID, der radnahe und der Radnabenantrieb erla¨ utert. Zu jeder Topologie werden der Wirkungsgrad, Sicherheitsaspekte sowie allgemeine Vor- und Nachteile behandelt. Das Ganze wird mit einer U¨ bersicht abgeschlossen, die die Antriebstopologien untereinander vergle- icht.
Index Terms —Antriebstopologien, Elektrofahrzeug, Zen- tralantrieb, FRID, Radnabenantrieb, Radnaher Antrieb.
I. EINFÜHRUNG
BEIM Auslegen des Antriebsstranges eines reinen Elektro- fahrzeuges bieten sich im Vergleich zum Verbrenner viele neue Möglichkeiten. Da Elektromaschinen bis zur Nennleistung konstantüber den ganzen Drehzahl-Bereich ungef¨ahr das gleiche Drehmoment liefern, sind Getriebe nicht mehr notwendig [1]. Zudem wiegen Elektromaschinen weniger und nehmen viel weniger Volumen als Verbrennungsmotoren ein [8]. Dazu kommt noch, dass die meisten Verbindungen und Kopplungen elektrische Bauteile sind. Diese k¨onnen, im Vergleich zu mechanischen Bauteilen, flexibel platziert werden. Das Schaltgetriebe muss in einem herk¨ommlichen Fahrzeug direkt auf der Achse (Kopplung: Achse) liegen, der Umrichter in einem E-Fahrzeug jedoch nicht (Kopplung: Kabel).
Wegen dieser Flexibilita¨t der Positionierung der Bauteile, der pra¨zisen Regelung und der Erschwinglichkeit von Elektro- maschinen [11], sind, im Vergleich zu ”Verbrennerfahrzeuge”, Konfigurationen von mehreren Maschinen mo¨ glich [3]. Aus diesen Gru¨ nden wird bei Elektrofahrzeugen von Antriebsty- pologien gesprochen. Diese unterscheiden sich hauptsa¨chlich in den verwendeten mechanischen Bauteilen und in der Anzahl und Anordnung der Maschinen im Antriebsstrang.
II. ZENTRALANTRIEB
Der Zentralantrieb ist der am meisten verbreitete Antrieb bei Kraftfahrzeugen [2]. Er besteht bei einem herko¨ mmlichen Verbrenner aus einem Motor, einer Kupplung, einem Schalt- getriebe und einem Achsgetriebe mit Differential [1].
Motor: Der Motor treibt die Welle in der Mitte an. Ein Anlasser hilft dem Verbrennungsmotor beim Starten, da dieser bei niedrigen Drehzahlen nicht funktioniert.
Kupplung: Die Kupplung koppelt oder entkoppelt den Motor vom restlichen Antriebsstrang
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1. Antriebstrang eines herko¨ mmlichen Verbrennungsfahrzeugs [19]
Schaltgetriebe: Ein Otto- oder Dieselmotor la¨uft nicht u¨ ber den ganzen Drehzahl- und Drehmomentbereich mit gleichem Wirkungsgrad. Dies wird am Verbrauchskennfeld wie in Abb. 2 veranschaulicht. Die Ho¨ henlinien beschreiben den Verbrauch bei einer bestimmten Drehzahl und einer bestimmten Leistung. Die rote Kurve beschreibt die Maximalleistung. Ein Schaltgetriebe wird verwendet, um sowohl bei kleinen, als auch bei großen Antriebsdrehzahlen durch geeignete Umsetzung den Motor m¨oglichst nah dem effizientesten Betriebszustand zu betreiben [1]. Zahnr¨ader wandeln die Motordrehzahl in die
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Abb. 2. Verbraucherkennfeld des Smart Forfour Dreizylinder-Dieselmotors [20]
Antriebsdrehzahl [12]. Die Leistung bleibt bei der Übersetzung konstant, Drehmoment und Drehzahl vera¨ndern sich:
P = M * n (1)
Durch Erho¨ hung der Drehzahl wird das Drehmoment verringert. Durch Änderung der Ga¨nge und dadurch der Übersetzung kann je nach Bedarf eine kleinere Drehzahl und mehr Drehmoment (z.B. beim Beschleunigen) oder eine größere Drehzahl und weniger Drehmoment (z.B. konstant Fahren auf der Autobahn) eingestellt werden. Anstelle eines Schaltgetriebes gibt es in manchen Fahrzeugen ein Au- tomatikgetriebe oder ein stufenloses Getriebe, welche aber grundsa¨tzlich die gleiche Funktion erfüllen.
Differentialgetriebe: Ein Differentialgetriebe ist wie in Abbildung 3 aufgebaut. Beim Kurvenfahren muss das äußere Rad eine größere Strecke als das innere zurücklegen. Das Differentialgetriebe gleicht dies mechanisch aus, indem es das a¨ußere Rad schneller laufen lässt und das innere langsamer. Das Drehmoment wird hingegen bei gleicher Bodenhaftung auf beiden Ra¨dern 50 zu 50 verteilt [10].
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3. Innenaufbau Differentialgetriebe [21]
Bei Zentralantrieben wird zwischen Heckantrieb, Frontantrieb und Allradantrieb unterschieden. Beim Heckantrieb befindet sich der Motor hinten im Fahrzeug und treibt die Hinterachse an. Beim Frontantrieb befindet sich der Motor vorne und treibt die Vorderachse an. Das gleiche wie beim Frontantrieb gilt für den Allradantrieb, wobei jedoch zusa¨tzlich die Hinterachse angetrieben wird, sodass die Antriebskraft auf allen Ra¨dern verteilt wird.
Heutzutage besitzen die meisten Elektrofahrzeuge einen Zentralantrieb [2]. Es werden zwischen 2 Formen unter- schieden: Zentralmotor mit Schaltgetriebe und Zentralmotor ohne Schaltgetriebe.
A. Zentralantrieb mit Schaltgetriebe
Das Schaltgetriebe ermöglicht es, die Elektromaschine in den üblichen Drehzahlbereichen (0-12000 U/min) zu betreiben; das heißt, es können Standardelektromaschinen verwendet werden. Das Schaltgetriebe erlaubt auch die Anpassung von Drehzahl und Drehmoment an die aktuelle Fahrsituation.
Der größte Nachteil des Schaltgetriebes ist dessen Wirkungsgrad. Dieser schwankt lastpunktabh¨angig zwischen 80% und 95%. Andere Nachteile sind: beim Beschleunigen muss die Massentr¨agheit der Getriebeteile nicht verwendeter G¨ange ¨uberwunden werden und das Getriebe erh¨oht das Gesamtgewicht des Fahrzeugs [2]. Da Elektromaschinen viel leiser als Verbrenner sind, dominiert das Schaltgetriebe die Ger¨auschkulisse [3].
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Abb. 4. Zentralantrieb mit Schaltgetriebe [2]
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Abb. 5. Zentralantrieb ohne Schaltgetriebe [2]
B. Zentralantrieb ohne Schaltgetriebe
Beim Antriebsstrang ohne Differentialgetriebe treibt die Elektromaschinen das Differential mit fester Untersetzung an. Je nach Maschinentyp kann es bei hohen Drehzahlen zu ho¨ heren Verlusten und negativen akustischen Einflu¨ ssen kommen [8]. Der Wirkungsgrad des Untersetzungsgetriebes liegt bei 93-98%, ist also im Vergleich zum Schaltgetriebe (80-95%) besser.
Beispiel für ein Zentralmotor ohne Schaltgetriebe ist der Nissan Leaf [24].
III. FRONT AND REAR WHEEL INDEPENDENT DRIVE(FRID)
Der FRID besteht aus 2 Maschinen: Eine vorne und eine hinten. Das Differentialgetriebe bleibt bei beiden Achsen ererhalten. Vorteil im Vergleich zum Zentralantrieb und den radindividuellen Antrieben ist die Sicherheit, die dieses System anbietet. Im Falle eines Fehlers der Elektronik und dadurch Ausfalls oder negativen Drehmoments der Maschine kann das Fahrzeug noch immer ohne plötzliche Stopps weiterfahren (Abb. 6). Es besteht auch nicht die Gefahr, dass das Fahrzeug plötzlich Fahrtrichtung, wie beim radindividuellen Antrieb, ¨andert (Abb. 7).
Zudem bietet das FRID effizienteres Beschleunigen und Verlangsamen durch anpassendes Verteilen des Drehmoments auf die Achsen. Dabei kann auch auf vereisten Straßen durch gleichzeitiges Kontrollieren des Schlupfverha¨ltnisses der bei- den Achsen besseres Fahrverhalten erzielt werden [6].
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Abb. 6. Fehlerfall bei einem Antrieb mit einer Maschine [6]
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Abb. 7. Fehlerfall bei einem Antrieb mit mehreren Einzelradantrieben [6]
Nachteilig bei 2 Maschinen ist, dass der Antriebsstrang großteils doppelt gebraucht wird; das bedeutet: mehr Kosten, größerer Platzverbrauch und höheres Gesamtgewicht.
Berühmtes Beispiel aus dem Alltag: das Tesla Model S P100D besitzt ein FRID Antrieb mit Asynchronmaschinen und Untersetzung auf beiden Achsen [13]. Der Audi E-Tron und der kommende Mercedes EQC basieren auch auf dem FRID mit Asynchronmaschinen [14] [15]. Der Jaguar I-pace hinge- gen hat ein FRID mit permanenterregten Synchronmaschinen [16].
IV. RADNAHER ANTRIEB
Im Vergleich zum Zentralantrieb und FRID fa¨llt beim radnahen Antrieb das Differentialgetriebe weg. Stattdessen werden für die antreibenden Achsen 2 einzelne Motoren eingesetzt (Abb. 8). Dieser radindividuelle Antrieb ermo¨ glicht eine flexible, elektronisch gesteuerte Drehmomentverteilung auf allen Ra¨dern (torque vectoring) und damit verbessertes und effizienteres Fahrverhalten [3]. Das ist hauptsa¨chlich in den Kurven, wo dadurch der Winkel verkleinert und mehr Grip erzielt werden kann, relevant. Torque vectoring bietet auch die
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Abb. 8. Radnaher Antrieb [2]
Möglichkeit von personalisierten Fahrmodi: Durch gezieltes Verteilen des Drehmoments kann dem Fahrzeug vorgegeben werden, wie viel es unter oder u¨ bersteuert. Diese Funktion ist im Rimac Concept One eingebaut [9]. Durch das Wegfallen des Differentials mit Wirkungsgraden zwischen 92% und 98% erho¨ ht sich der Gesamtwirkungsgrad. Zusa¨tzlich gilt: Fahr- dynamische Regelungen bestehen heutzutage aus gezielten Bremseingriffen an den einzelnen Ra¨dern. Diese kinetische Energie ko¨ nnte durch elektrische Steuerung wiedergewonnen oder gar nicht verbraucht werden. Deshalb ko¨ nnten Kom- ponenten, die beim Zentralmotor fu¨ r Fahrdnamikreguelung sorgen, beim radindividuellen Antrieb vereinfacht oder sogar ersetzt werden [8].
Da jedoch noch immer ein Untersetzungsgetriebe vorhanden ist, sind Drehmoment und Drehzahl vergleichbar zu denen vom Zentralmotor, die Leistung wird jedoch auf allen Mo- toren verteilt [2]. Die Teilung des Motors erschafft höhere Flexibilität bei der Anordnung der Komponenten. Nachteile dieser Topologie sind: Mehr Raumbedarf, mehr Gewicht und höhere Kosten. Zwei Maschinen nehmen mehr Volumen ein und erfordern mehr Leistungselektronik als eine Maschine auf der gleichen Achse [2].
Beispiel: Mercedes-Benz SLS AMG E-CELL [17].
V. RADNABENANTRIEB
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 9. Radnabenantrieb [2]
Da eine Elektromaschine mit gleicher Leistung viel kompakter als ein Verbrennungsmotor ist, bietet sich die Mo¨ glichkeit, Motoren direkt in die Felgen einzubauen. Bei diesen Radnabenmotoren liegt die Fahrleistung also direkt am Rad (Abb. 9). Es wird zwischen Radnabenmotor mit Unterset- zungsgetriebe und Direktantrieb unterschieden. Beide Topolo- gien haben gegenu¨ ber radnahen Motoren den Vorteil, dass alle Wellen zum Rad wegfallen und somit weniger Massentra¨gheit beschleunigt werden muss. Weniger Massentra¨gheit bedeutet verringerte Reaktionszeiten und ho¨ here Dynamik [4].
Eine Spezialform ist der Wheel Hub Motor, bei dem neben dem Motor versucht wird, den ganzen Antriebsstrang in das Rad einzubauen. Dadurch kann eine fahrzeugunabhängige Plattform erstellt, oder mehr Innenraum gewonnen werden, was die Türen zu neuen Fahrzeugkonzepte wie z.B. das Local Motors ”Olli” [18]. Hauptsächlich Stadtfahrzeuge, bei denen Innenraum und Effizienz wichtiger ist als Fahrdynamik, könnten von diesem System sehr profitieren. Ein Beispiel für ein solcher Wheel-Hub Motor ist der Protean Pd18 (Abb. 10).
[...]
- Arbeit zitieren
- Dominik Demetz (Autor:in), 2019, Antriebstopologien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/465936
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