Die vorliegende Arbeit bezieht sich auf die Mitarbeiterstudie und versucht, folgende Forschungsfrage zu beantworten: "Wie ist die subjektive Bedeutung und individuelle Struktur von Religiosität der Mitarbeitenden einer diakonischen Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung und welche Vorstellungen über den Umgang mit religiöser Pluralität und einer möglichen interreligiösen Öffnung der Diakonie gibt es?" Theoretisch werden die Forschungsergebnisse mit den Arbeiten der Theologin Manuela Kalsky verbunden. In ihren Publikationen drängt sie auf die Notwendigkeit eines neuen Wir-Bewusstseins, welches in Anerkennung der religiösen und nicht-religiösen Vielfalt in der Gesellschaft ein gutes Leben für alle ermöglicht.
Diakonische Unternehmen stehen vor großen Herausforderungen: Die Kirchenzugehörigkeit ihrer Mitarbeitenden ist nicht mehr selbstverständlich, eine interkulturelle und interreligiöse Öffnung ist notwendig. Damit sind auf der einen Seite viele Chancen verbunden, aber gleichzeitig stehen die Unternehmen der Herausforderung gegenüber, das christliche Profil der Diakonie zu wahren bzw. weiter zu entwickeln. Es bedarf sorgfältiger Analysen und Überlegungen, um für eine Aufhebung der Kirchenzugehörigkeit in bestimmten Bereichen der diakonischen Arbeit zu plädieren (im Dezember 2016 gab es hierzu entsprechende Änderungen in der Loyalitätsrichtlinie der EKD, die die Anforderungen an die Mitarbeitenden formuliert). Entscheidend ist dabei auch die Haltung der Mitarbeitenden diakonischer Einrichtungen. Wenn die Diakonie sich in die religiöse Pluralität der Gesellschaft hinsichtlich der Mitarbeiterschaft öffnen soll, ist es wertvoll, Aufschluss über ihre Einstellungen bezüglich der eigenen Religiosität und religiöser Pluralisierung zu bekommen.
Im Rahmen des Projekts "Religions- und Kultursensibilität als Schwerpunkt der ressourcenorientierten Pädagogik" eines diakonischen Kinder- und Jugendhilfeträgers einer norddeutschen Großstadt, wurde in Zusammenarbeit mit der Akademie der Weltreligionen der Universität Hamburg zwischen 2012 und 2014 eine qualitativ-empirische Studie sowohl mit Jugendlichen als auch mit den Mitarbeitenden des Trägers durchgeführt.
Inhaltsverzeichnis
I . Einleitung
1.1 Relevanz des Themas
1.2 Stand der Forschung
1.2.1 Interkulturelle Öffnung der Diakonie in der Binnen- und
Außenperspektive
1.2.2 Mitarbeiterstudien in Wohlfahrtsverbänden zum Thema Religiosität
1.3 Ziel der Arbeit, Vorgehensweise und Aufbau der Arbeit
II . Theoretisch-theologischer Rahmen
2.1 Manuela Kalsky: Die Vision eines guten Lebens für alle im Bewusstsein eines
„neuen Wir“ indem religiöse Vielfalt genutzt wird
2.2 Zwischenfazit und Exkurse
2.2.1 Ephraim Meir: Martin Bubers dialogisches Beziehungsmodell
2.2.2 Paul Knitter: Das Modell der Akzeptanz
2.2.3 Richard Traunmüller: Die Kontakthypothese
III . Mitarbeiterstudie eines diakonischen Kinder- und Jugendhilfeträgers im Rahmen des Projekts “Religionssensible Pädagogik”
1. Überblick über das Projekt „Religions- und Kultursensibilität als Schwerpunkt
der ressourcenorientierten Pädagogik“
1.1 Martin Lechner und Angelika Gabriel: Ein dreistufiger Religionsbegriff
1.2 Modell des dreistufigen Religionsbegriffs nach Lechner und Gabriel
2. Methodologischer Rahmen der Mitarbeiterbefragung
2.1 Qualitativ-heuristische Methodologie
2.2 Sample, Erhebungsmethode, Erhebungszeitraum und Auswertungsmethoden
3. Auswertung der empirischen Studie
3.1. Existenzglaube
3.1.1 Religionsverständnis, individuelle Deutungen des Begriffs Religion
3.1.2 Religion in der Biographie der Befragten
3.1.3.Veränderungen der Rolle von Religion im Laufe des Lebens
3.1.4 Schöne und schwere Phasen im Leben der Befragten
3.1.4.1 Schöne Phasen
3.1.4.2 Schwere Phasen
3.1.5. Glauben als Ressource
3.1.6 Weitere Ressourcen im Umgang mit Belastungen
3.1.7 Begegnungen mit Religion im beruflichen Alltag
3.2 Transzendenzglaube
3.2.1 Glaubensvorstellungen
3.2.2 Erfahrung und Verbundenheit mit einer höheren Macht
3.2.3 Zur Bedeutung von Gebeten
3.3 Konfessionsglaube
3.3.1 Bedeutung der konfessionellen Zugehörigkeit
3.3.2 Bedeutung des Christseins
3.3.3 Bedeutung von Kirchen- und Gottesdienstbesuchen
3.3.4 Einstellung zu anderen Religionen
3.3.4.1 Möglichkeiten eines friedlichen Zusammenlebens
3.3.5 Alternative bzw. populäre Religion
4. Wünsche und Erwartungen der Mitarbeitenden an das Konzept „Religionssensible Pädagogik“
I V. Schlussteil
1. Zusammenfassung der Ergebnisse mit theoretisch-theologischer Reflexion
2. Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Internetquellen
Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
Anhang
Interviewleitfaden Mitarbeiterbefragung
I . Einleitung
1.1 Relevanz des Themas
In den letzten Jahren war die Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland säkular orientiert. Im Zuge der gesellschaftlichen Veränderungen erlebt sie jetzt eine Wendung hin zur religiösen Pluralität. Die betreuten jungen Menschen sind ein Spiegelbild der deutschen Gesellschaft. Sie haben unterschiedliche kulturelle und religiöse Hintergründe und sind auf der Suche nach ihrer eigenen Identität. Möchte man sie dabei begleiten, müssen auch Themen ihrer Religiosität und ihres Glaubens berücksichtigt werden. Seit kurzem findet das Thema Religion in der Jugendhilfe auch in der wissenschaftlichen Religionspädagogik Beachtung.
Für lange Zeit galt gerade für Deutschland die Säkularisierungsthese als zutreffend, die besagt, dass die Modernität zu einem Rückgang der Religionen führt. Inzwischen haben sich jedoch viele ihrer Vertreter von dieser Annahme distanziert. Religion gewinnt an Aufmerksamkeit und ist wieder ein Teil des gesellschaftlichen Diskurses: Es vergeht kaum ein Tag, an dem in den Medien nicht über ein religiöses Thema berichtet wird, sei es ein Bericht über den Papst, den Besuch des Dalai Lama in Hamburg, die Entwicklung des Hamburger Religionsunterrichts für Alle, Kirchenasyl oder den Beginn des Fastenmonats Ramadan. Peter L. Berger, selbst ein ehemaliger Vertreter der Säkularisierungsthese, vertritt heute die Meinung, dass Modernität nicht zwangsläufig in die Säkularisierung, sondern in die Pluralität führt (vgl. Berger & Weiße 2010: 19f). So ist in Deutschland eine zunehmende Veränderung der religiösen Landschaft spürbar: Auf der einen Seite bringen Migranten und Flüchtlinge ihre Religion mit, auf der anderen Seite leiden die Katholische und die Evangelische Kirche unter schwindenden Mitgliederzahlen, die Kirchenaustritte steigen auf ein Rekordniveau (vgl. Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 03.08.2014, [online]). Individualisierung und Pluralisierung bestimmen die heutige Religiosität der Menschen und es lässt sich erkennen, dass mit der religiösen Vielfalt eine Relativierung der traditionellen religiösen Inhalte einhergeht (vgl. Berger & Weiße 2010: 19). Kirchliche Institutionen und die damit verbundenen Dogmen verlieren ihre Bedeutung im persönlichen Leben, Glaubensvorstellungen werden individuell angepasst und geformt. „Bricolage“, also das Zusammenbasteln einer individuellen Religion, Hybridität und multiple religiöse Identitäten nehmen zu, unter anderem wird vom „Supermarkt der Religionen“ gesprochen (vgl. Graf 2014). In dieser Entwicklung dürfen aber auch extremistische und fundamentalistische Strömungen in den Religionen nicht übersehen werden. Vor diesem Hintergrund, der von Diversität geprägt ist, wird es zunehmend schwieriger, wenn kirchliche Arbeitgeber wie die Diakonie und die Caritas eine Zugehörigkeit zu einer christlichen Kirche bei ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern voraussetzen. In dem Selbstverständnis der Diakonie „Anwältin der Schwachen [zu sein] und […] öffentlich die Ursachen von sozialer Not gegenüber der Politik und Gesellschaft [zu benennen]“ (Diakonie: Selbstverständnis, [online]), ist eine interkulturelle und interreligiöse Öffnung für die Klienten selbstverständlich. Dies gilt jedoch nicht für die Mitarbeiterschaft, denn für sie kommt die ACK- Klausel1 zur Anwendung. Mit dem steigenden Zuzug von minderjährigen Flüchtlingen wächst jedoch der Bedarf an diakonischer Arbeit im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe. Gleichzeitig erschwert der zunehmende Fachkräftemangel auf dem deutschen Arbeitsmarkt die Einhaltung der ACK-Klausel. Gerade in der Betreuung von Migranten und Flüchtlingen ist ein besonderes kulturelles und religiöses Feingefühl erforderlich, das durch entsprechend multi-religiöse Teams gewährleistet werden könnte (vgl. Albrecht 2013: 4). Hier baut sich ein Spannungsfeld auf: Eine potentielle interreligiöse Öffnung der Diakonie, verbunden mit den sich daraus entwickelnden Chancen und Ressourcen, steht der Herausforderung gegenüber, das christliche Profil der Diakonie zu wahren. Es bedarf sorgfältiger Analysen und Überlegungen, um für eine Lockerung der ACK-Klausel in bestimmten Bereichen der diakonischen Arbeit zu plädieren. Entscheidend ist dabei auch die Haltung der Mitarbeitenden der entsprechenden Träger oder Arbeitsbereiche. Wenn die Diakonie sich in die religiöse Pluralität der Gesellschaft hinsichtlich der Mitarbeiterschaft öffnen soll, ist es wertvoll, Aufschluss über die Einstellungen der Mitarbeitenden bezüglich der eigenen Religiosität und religiöser Pluralisierung zu bekommen.
Im Rahmen des Projekts „Religions- und Kultursensibilität als Schwerpunkt der ressourcenorientierten Pädagogik“ eines diakonischen Kinder- und Jugendhilfeträgers einer norddeutschen Großstadt, wurde in Zusammenarbeit mit der Akademie der Weltreligionen der Universität Hamburg eine empirische Studie sowohl mit Jugendlichen als auch mit den Mitarbeitenden des Trägers durchgeführt. Die vorliegende Arbeit2 bezieht sich auf die Mitarbeiterstudie und versucht folgende Forschungsfrage zu beantworten:
„ Wie ist die subjektive Bedeutung und individuelle Struktur von Religiosität der Mitarbeitenden einer diakonischen Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung und welche Vorstellungen über den Umgang mit religiöser Pluralität und einer möglichen interreligiösen Öffnung der Diakonie gibt es?“
Damit die Auswertungsergebnisse der Studie nicht für sich stehen bleiben, sondern eine wissenschaftliche Erklärung und Unterstützung bekommen, wird ein theoretisch-theologischer Rahmen entfaltet. Dieser basiert auf den Forschungsarbeiten der Theologin Prof. Dr. Manuela Kalsky. In ihren Publikationen drängt sie auf die Notwendigkeit eines neuen Wir-Bewusstseins, welches in Anerkennung der religiösen und nicht-religiösen Vielfalt ein gutes Leben für alle ermöglicht. Die Aktualität des Themas zeigt sich unter anderem in der Überschrift der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 23. Mai 2014: „Das neue deutsche Wir. Zur Einbürgerungsfeier ins Schloss Bellevue.“ Bundespräsident Joachim Gauck „plädiert dafür, aufzuhören, von ‚Wir‘ und ‚denen‘ zu reden, stattdessen spricht er von ‚einem neuen deutschen ‚Wir‘, von einer ‚Einheit der Verschiedenen‘“ (Satter 2014).
1.2 Stand der Forschung
Der im folgenden Abschnitt aufgezeigte Forschungsstand zeigt zum einen die Auseinandersetzung der Diakonie mit den Anforderungen einer kulturell und religiös pluralen Gesellschaft aus der Binnen- und Außenperspektive. Zum anderen ermöglichen erste Mitarbeiterstudien der Diakonie und des Dortmunder Anna- Zillken-Berufskolleg in Zusammenarbeit mit der Dortmunder Fachhochschule Einblicke in die Haltung von Mitarbeitenden aus Wohlfahrtsverbänden zu Religion als Resilienz-Faktor bei Mitarbeitenden in Pflegeberufen und bei Kindern und Jugendlichen in Betreuung.
1.2.1 Interkulturelle Öffnung der Diakonie in der Binnen- und Außenperspektive
Das Diakonische Werk der EKD hat in den letzten Jahren vier große Texte veröffentlicht, die sich mit dem Thema der interkulturellen Öffnung der Diakonie beschäftigen (vgl. Albrecht 2013: 1). Dabei zeigt sich, dass eine interreligiöse Öffnung selten angesprochen wird und wenn, wird Religion als Unterkategorie von Kultur verstanden. Im Jahr 2007 erschien die Ausarbeitung „Diakonie in der Einwanderungsgesellschaft. Mitten im Leben“ (Diakonisches Werk 2007, [online]). In dieser Rahmenkonzeption werden vor allem Fragen der Teilhabe und Chancengleichheit von Migranten und Migrantinnen in der deutschen Gesellschaft betrachtet (vgl. ebd.: 5). Diesem Text folgte die Handreichung zur „Interkulturellen Öffnung in den Arbeitsfeldern der Diakonie“ (Diakonisches Werk 2008, [online]) im Jahr 2008. Eine interkulturelle Öffnung hinsichtlich der Vielfalt unter den Mitarbeitenden wird hier begrüßt (vgl. ebd.: 6), aber es bleibt bei der Richtlinie nach der „die in Kirche und Diakonie beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einer Landeskirche angehören sollen“ (ebd.: 7). Zwei Jahre später veröffentlichte das Diakonische Werk eine „Zusammenstellung von Stellungnahmen und Arbeitshilfen zum Thema interkultureller Öffnung“ (Diakonisches Werk 2010, [online]), um eine Übersicht über die zahlreichen Veröffentlichungen zu ermöglichen. Ergänzt wurde diese durch eine Zusammenstellung verschiedener Kooperationsprojekte (vgl. Diakonisches Werk 2011, [online]). Auch aus der Außenperspektive gibt es Publikationen zum Thema. Im Jahr 2012 erschien die Promotionsarbeit „Interkulturalität. Eine aktuelle Herausforderung für Kirche und Diakonie“ (Heinemann 2012) von Stefan Heinemann. Aus seinen Überlegungen zu einer Theologie des Fremden formuliert er darin Perspektiven für diakonisches und kirchliches Handeln in Migrationskontexten. Die von Heinemann entwickelten „Leitlinien für diakonisches und kirchliches Handeln in Migrationskontexten“ (Heinemann 2012: 193) beziehen sich vor allem auf die Herausforderungen und Zukunftsperspektiven im Umgang mit den Migrationskirchen, die mehrheitlich der Pfingstbewegung angehören (vgl. ebd.: 208f, 246f). Damit bleibt der Aspekt der interreligiösen Öffnung weitgehend unbeachtet. Im 2. Quartal 2014 ist in der „Zeitschrift für Evangelische Ethik“ der Artikel „Diakonische Identität in einer pluralen Gesellschaft. Zwischen kirchlichem Selbstbestimmungsrecht und interkultureller und interreligiöser Öffnung der diakonischen Arbeit“ (Starnitzke 2014) erschienen. Dierk Starnitzke betrachtet die Diakonie im Kontext einer pluralen, globalisierten Gesellschaft und nennt Bedingungen für eine interreligiöse und interkulturelle Öffnung der Diakonie für Mitarbeitende nicht-christlicher Religionen und Weltanschauungen. Für nicht-christliche Mitarbeitende bedeutet dies, unabhängig von der eigenen religiösen Überzeugung im Handeln und in der Kommunikation dem diakonischen Selbstverständnis zu entsprechen und die daraus abgeleiteten Kriterien einzuhalten. Auf Seiten der konfessionell gebundenen Arbeitgeber muss sich das Verständnis entwickeln, dass konfessionelle und theologische Profilierung nicht von der religiösen Zugehörigkeit der Mitarbeitenden abhängt, sondern von deren Handeln (vgl. Starnitzke 2014: 120f).
Einmal im Jahr treffen sich führende Vertreter der Diakonie zu einer Tagung, um grundsätzliche Fragen der diakonischen Arbeit zu überdenken. Das Treffen im Jahr 2012 war der Frage nach der Pluralitätsfähigkeit der Diakonie gewidmet. Im Anschluss erschien 2013 der Sammelband „Wieviel Pluralität verträgt die Diakonie?“ (Albrecht 2013). Hierin wird aus religionssoziologischer und aus kirchenrechtlicher Perspektive die Frage nach kultureller und religiöser Pluralität in der Diakonie erörtert. Ergänzt werden die Ausführungen durch die theologischen Überlegungen zum Selbstverständnis der Diakonie innerhalb einer religiös pluralisierten Gesellschaft und durch eine Diskussion zum Begriff der Diakonie als „Dienstgemeinschaft“ (vgl. ebd: 9f). Der Herausgeber Christian Albrecht legt dar, dass kulturelle und religiöse Pluralität weitere Herausforderungen auch hinsichtlich der Mitarbeitenden und Kooperationspartner bedeutet: „Das Thema kultureller und religiöser Pluralität taucht für die Diakonie nicht nur im Blick auf Migranten auf […], es ist ein Thema auch im Verhältnis zu Mitarbeitern und zu Kooperationspartnern“ (ebd.: 6). In seinem Artikel „Pluralisierung als Chance“ (Nagel 2013) stellt Alexander-Kenneth Nagel die These auf, „dass die Diakonie aus der religiösen Pluralisierung einen Nutzen ziehen kann, wenn und soweit sie religiöse Vielfalt und Religionskontakte durch interreligiöse Arbeit aktiv mitgestaltet“ (ebd.: 11). Nagel benennt zwei zentrale Instrumente, um eine interkulturelle Öffnung der Diakonie umzusetzen. Zum einen den Einsatz interkultureller und interreligiöser Teams auf Seiten der Diakonie und zum anderen eine Zusammenarbeit mit religiösen Migrantenorganisationen. Vor allem bei interreligiösen Teams innerhalb der Diakonie würde der Erhalt des christlichen Profils als besondere Herausforderung bestehen bleiben. In einem mit dieser Aufgabe verbundenen Pilotprojekt hat Nagel gemeinsam mit studentischen Mitarbeitern eine Befragung bei Teilnehmenden und Anbietern von Integrationskursen der Diakonie durchgeführt. Die Beantwortung der Forschungsfrage, inwieweit die christliche Identität der Träger im Rahmen der Arbeit mit den Migranten thematisiert wird und wie sich die nichtchristlichen Teilnehmer dazu verhalten, lasse zwei Erkenntnisse zu. Die christliche Identität der Träger wird von den Teilnehmenden durchaus wahrgenommen und sie wird weder als problematisch noch als hilfreich bewertet (vgl. Nagel 2013: 28f).
1.2.2 Mitarbeiterstudien in Wohlfahrtsverbänden zum Thema Religiosität
Bisher sind keine qualitativen Studien zum Thema Religion, Religiosität und Spiritualität von Mitarbeitenden in Wohlfahrtsverbänden erschienen. Allerdings hat die Diakonie im September 2012 als erster Wohlfahrtsverband eine umfangreiche Befragung unter den Mitarbeitenden zu den Arbeitsverhältnissen in diakonischen Einrichtungen durchgeführt und veröffentlicht. Da bei der Studie „Arbeitsverhältnisse in der Diakonie“ der Fokus auf Zeitarbeit, Outsourcing und Tarifbindung liegt und den Komplex Glauben und Religiosität nicht berücksichtigt, soll sie hier nur kurz als Mitarbeiterstudie erwähnt werden (vgl. EKD Presse 2012, [online]).
Im gleichen Jahr erschien die Studie „Führung macht den Unterschied. Arbeitsbedingungen diakonischer Pflege im Krankenhaus“ (Lubatsch 2012). Zwischen Dezember 2009 und Februar 2012 wurden in einer schriftlichen Befragung Pflegende in diakonischen Krankenhäusern Niedersachsens um ihre Meinung gebeten. Um Vergleichsgruppen zu erhalten, wurden zudem Fragebögen an Pflegende in diakonischen Krankenhäusern der neuen Bundesländer und in städtischen Krankenhäusern Niedersachsens verteilt. Die quantitative Studie verfolgte zwei Fragenkomplexe: Neben der Frage, wie es den Pflegenden in diakonischen Krankenhäusern Niedersachsens geht, wird untersucht, ob Glaube eine Kraftquelle für sie ist. Hierfür wurde unter anderem die Religiosität der Befragten betrachtet und in die Zentralität der Religiosität eingeordnet. Es wird zwischen „Hochreligiösen“, „Religiösen“ und „Nichtreligiösen“ unterschieden. Als „hochreligiös“ werden Personen bezeichnet, bei denen die Religiosität so stark in der Persönlichkeit verankert ist, dass sie die Verarbeitungs- und Handlungsweisen der Betreffenden beeinflusst und ihr Erleben prägt. „Religiös“ bedeutet, dass Religiosität in der Persönlichkeitsstruktur keine zentrale Rolle einnimmt, der Einfluss auf das Erleben und Handeln gering ist. Bei „Nichtreligiösen“ kommen religiöse Inhalte und Praktiken im individuellen Lebenshorizont nicht vor (vgl. ebd.: 13). Die Studie zeigt einen deutlichen Unterschied zwischen hochreligiösen und nichtreligiösen Pflegekräften hinsichtlich der Anfälligkeit für Burnout, das Sinnerleben und die Arbeitszufriedenheit im Beruf (vgl. Lubatsch 2012: 66). Pflegekräfte, deren Glaube eine zentrale Rolle im Leben spielt und denen damit andere Verarbeitungs- und Handlungsweisen als Nichtreligiösen zur Verfügung stehen, sind mit ihrer Arbeit zufriedener als Nichtreligiöse. Zudem zeigen Hochreligiöse seltener Burnout- Symptome als Nichtreligiöse. Ein Großteil der an der Studie beteiligten hochreligiösen Pflegekräfte erlebt seinen Glauben als große Kraftquelle im Beruf, hingegen kennen fast alle Befragten, die als nichtreligiös erfasst sind, diese Ressource gar nicht (vgl. ebd.: 69).
Im Frühjahr 2014 ist eine quantitative Studie zu „Religiosität und Spiritualität als protektive Faktoren in der Heimerziehung“ publiziert worden. Hierfür wurden 51 Erzieher und Erzieherinnen aus 45 stationären Jugendhilfe-Einrichtungen in freier Trägerschaft durch das Dortmunder Anna-Zillken-Berufskolleg in Zusammenarbeit mit der Dortmunder Fachhochschule befragt. Von diesen 45 Einrichtungen befindet sich die Hälfte in konfessioneller Trägerschaft (vgl. Lütkemeier 2014: 12). Ziel dieser Befragung war es, Aufschluss darüber zu bekommen, ob und inwieweit Religiosität und Spiritualität als Resilienz-Faktoren in der pädagogischen Arbeit wirken können (vgl. ebd.: 9). Dabei zeigt sich, dass es 2/3 der Erzieher und Erzieherinnen als hilfreich erachten, wenn Kinder religiöse Erfahrungen machen. Einen Zusammenhang zwischen der eigenen Glaubenshaltung und den von den Erzieherinnen und Erziehern vermittelten Werten bestätigten fast alle Befragten. Es zeigt sich jedoch auch, dass die Mehrheit der Befragten kein Bedürfnis nach einer Auseinandersetzung mit Glaubensfragen hat (vgl. ebd.: 12f). In Bezug auf die interkulturelle und interreligiöse Ausrichtung wird deutlich, dass die Mitarbeitenden sich mehr Grundwissen über andere Religionen wünschen, da die Anzahl minderjähriger unbegleiteter Flüchtlinge in Deutschland, die betreut werden müssen, zunimmt. Zurzeit kann noch eine große Unsicherheit bei den Mitarbeitenden bei der Gestaltung interreligiöser und interkultureller Feste und Riten erkannt werden (vgl. ebd.: 15). Das Thema der eigenen Religiosität der Mitarbeitenden erfährt bei dieser Studie geringe Beachtung.
Der dargelegte Forschungsstand zeigt, dass es wenig Material über die individuelle Struktur der Religiosität und Spiritualität von Mitarbeitenden konfessionell gebundener Wohlfahrtsverbänden gibt und keine Studien zur Einstellung der Mitarbeitenden hinsichtlich einer möglichen Öffnung der Diakonie für nichtchristliche Kolleginnen und Kollegen. Die Überlegungen, Religion als Resilienz- Faktor für Kinder und Jugendliche in prekären Lebensumständen zu beachten, entwickeln sich langsam weiter. Es ist ein Thema, das in Zukunft sicher stärker beachtet werden sollte. Da es die Mitarbeitenden sind, die religiöse Inhalte in die pädagogische Arbeit einbauen, ist es notwendig, Einblicke in die Struktur ihrer eigenen Religiosität zu bekommen. Des Weiteren ist es hilfreich, ihre Einstellungen zur Rolle von Religion als Bestandteil der professionellen pädagogischen Arbeit der Mitarbeitenden zu erkennen und zu erfassen. Mit der Einordnung der persönlichen Religiosität und der vielfältigen Einbindung in die christliche Gemeinschaft wird eine Einsicht in die Haltung der Mitarbeitenden anderen Religionen gegenüber möglich. Diesen Fragen geht die Mitarbeiterstudie der vorliegenden Arbeit nach.
Der Forschungsstand zur interkulturellen und interreligiösen Öffnung der Diakonie zeigt, dass aus der Außenperspektive eine interreligiöse Öffnung für Mitarbeitende als erforderlich erachtet wird, dies jedoch nicht so schnell umsetzbar sein wird. Für die Diakonie selbst ist derzeit eine interkulturelle Öffnung durchaus denkbar, eine interreligiöse jedoch nur in Ausnahmefällen.
1.3 Ziel der Arbeit, Vorgehensweise und Aufbau der Arbeit
Die Verbindung der Analyse der Mitarbeiterstudie zur individuellen Struktur der Religiosität und Spiritualität von Mitarbeitenden des diakonischen Kinder- und Jugendhilfe-Trägers mit dem theoretisch-theologischen Rahmen dieser Arbeit versucht eine Möglichkeit aufzuzeigen, die Spannung zwischen konfessioneller Gebundenheit und religiöser Pluralität bei den Mitarbeitenden diakonischer Arbeitgeber zu verringern. Somit wurde, abweichend von der ursprünglichen Forschungsfrage der Mitarbeiterstudie, im Forschungsprozess folgende Forschungsfrage entwickelt:
„ W ie ist die subjektive Bedeutung und individuelle Struktur von Religiosität der Mitarbeitenden einer diakonischen Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung und welche Vorstellungen über den Umgang mit religiöser Pluralität und einer möglichen interreligiösen Öffnung der Diakonie gibt es?“
Die Annäherung an das Thema des Umgangs mit religiöser Pluralität der Mitarbeitenden erfolgte über drei Fragenkomplexe:
- Wie ist die persönliche Einstellung zu Religion oder Spiritualität der
Mitarbeitenden und wo begegnet ihnen Religion im beruflichen Alltag?
- Welche persönlichen Glaubensvorstellungen haben die Befragten?
- Was bedeutet den Befragten die konfessionelle Zugehörigkeit zu einer Kirche und wie schätzen die Befragten andere Religionen ein?
Das Werk der Theologin Manuela Kalsky, auf dem der theoretisch-theologische Rahmen basiert, bietet einen guten Anknüpfungspunkt an die Studie. Kalsky verfolgt das Ziel, Perspektiven für eine Transformation von „uns“ und „den Anderen“ einer Gesellschaft zu einem gemeinsamen „neuen Wir“ zu entwickeln. Mit Hilfe der paradigmatischen Verschiebung von einem entweder/oder hin zu einem beide/und, bzw. sowohl als auch bezüglich des religiös Anderen3 soll die Vision eines guten Lebens für alle, das heißt eines Lebens in Frieden und Gerechtigkeit für alle Menschen ungeachtet ihrer religiösen Tradition oder Weltanschauung, umgesetzt werden (vgl. Kalsky 2014a: 38). Dieses Ziel entspricht dem Leitbild der Diakonie, in dem es unter anderem heißt, dass die Diakonie in ihrem Einsatz für die Schwachen und Armen an der Verheißung von Frieden und Gerechtigkeit festhält (vgl. Diakonie: Leitbild, [online]). Mit der Verbindung des theoretisch-theologischen Rahmens und den Ergebnissen der Studie im Schlussteil der Arbeit soll versucht werden, aus den beiden unterschiedlichen Herangehensweisen von Manuela Kalsky und der Diakonie für die Umsetzung eines guten Lebens für alle eine Synthese zu bilden. Der Weg in das gute Leben für alle ist bisher eine Vision. Die Umsetzung könnte überhaupt nur gelingen, wenn alle Ressourcen, die einer Gesellschaft zur Verfügung stehen, ausgenutzt werden. Die Notwendigkeit einer entsprechenden Neuausrichtung lässt sich gerade in dieser Zeit, in der immer mehr Flüchtlinge nach Europa drängen und schneller und kompetenter Hilfe bedürfen, deutlich erkennen. Durch den Rekurs auf die Arbeiten von Kalsky werden neue Aspekte aufgeworfen, die unter anderem die Erörterung der Frage nach einer interreligiösen Öffnung diakonischer Einrichtungen für Mitarbeitende nicht-christlicher Religionen ermöglichen. Für ihre Forschung verlässt Kalsky die binnentheologische Forschung und stellt interdisziplinäre Verbindungen her, um die Zeichen der Zeit in Religion und Gesellschaft zu deuten (vgl. Kalsky 2012: 214).
In der theologischen Betrachtung bietet Kalskys Arbeit eine Ergänzung zu den am häufigsten herangezogenen Gründen für eine interkulturelle Öffnung der Diakonie, die diese mittels des Gebots des Eintretens für den Fremden theologisch begründet (vgl. Diakonisches Werk 2008: 6, [online]). Kalsky bezieht sich auf die biblische Vorstellung des Reiches Gottes, wobei für sie der Glaube mit Jesus an das Reich Gottes im Vordergrund steht (vgl. Kalsky 2006: 68).
Der Arbeit liegt ein induktives Vorgehen zu Grunde, da durch die Einbindung in das Projekt „Religionssensible Pädagogik der Kinder- und Jugendhilfe“ des Auftrag gebenden Trägers die ursprüngliche Fragestellung und die Methodologie der Erhebung der empirischen Daten vorgegeben waren. Die Forschungsfrage dieser Arbeit und der damit verbundene theoretisch-theologische Rahmen entwickelten sich aus der Erhebung der Daten und ihrer Auswertung. Dafür wurden in der Studie offene Leitfadeninterviews4 als Erhebungsinstrument eingesetzt, die sich primär an den kommunikativen Ordnungsmustern der Befragten und der inhaltlichen Relevanzstruktur orientierten (vgl. Przyborski/Wohlrab-Sahr 2010: 139). Die Durchführung und Auswertung der Interviews stützt sich auf den qualitativ- heuristischen Forschungsansatz des Sozialwissenschaftlers Gerhard Kleining (vgl. Kleining 1982; 1995).
Die Arbeit unterteilt sich in vier Abschnitte. Dem vorherigen einleitenden Abschnitt mit dem Forschungsstand und dem Ziel der Arbeit folgt im zweiten Teil der theoretisch-theologische Rahmen. Die Entfaltung erfolgt unter Berücksichtigung von zwei Aspekten: Zum einen dem Entwurf Kalskys zu einem Bewusstsein eines „neuen Wir“, das auf einem beziehungsorientierten Identitätskonzept beruht, welches Differenzen konstruktiv verbindet und nutzt. Zum anderen wird Kalskys Verständnis des guten Lebens für Alle dargelegt. Die Darstellung der biblischen Vorstellung des Reiches Gottes, an die das Verständnis des guten Lebens für alle von Manuela Kalsky geknüpft ist, beendet diesen Teil mit einem Rekurs auf die Monographie „Reich Gottes“ von Prof. Dr. Wolfram Weiße (Weiße 1997). Nach einem kurzen Zwischenfazit erfolgt zur Vertiefung des beziehungsorientierten Identitätskonzepts ein Exkurs zu den Ausführungen von Prof. Dr. Ephraim Meir zu Martin Bubers „Ich und Du“ (Meir 2011). Das „Modell der Akzeptanz“ von Prof. Dr. Paul Knitter (Knitter 2002) und die sozialpsychologische Kontakthypothese (Traunmüller 2012) zeigen weitere Facetten in der positiven Deutung der religiösen Diversität.
Der Fokus der Arbeit liegt auf dem dritten Abschnitt, der sich mit der Auswertung der Mitarbeiterstudie beschäftigt. Eine Einführung in das Projekt mit der notwendigen Erklärung des verwendeten Religionsbegriffs und der Erläuterung des methodologischen Rahmens, geht der Auswertung der Ergebnisse voraus. Die Auswertung der Studie selbst unterteilt sich in drei Abschnitte, entsprechend dem dreistufigen Religionsbegriff von Lechner und Gabriel (Lechner/Gabriel 2009). Im Schlussteil der Arbeit werden die Ergebnisse der Mitarbeiterstudie zusammengefasst und theoretisch-theologisch reflektiert. Das Fazit und der Ausblick auf weitere Forschungsfelder bilden den Schluss der Arbeit.
II . Theoretisch-theologischer Rahmen
Bei der Entfaltung des theoretisch-theologischen Rahmens beziehe ich mich hauptsächlich auf die deutsch- und englischsprachige Literatur der evangelischen Theologin Prof. Dr. Manuela Kalsky, die an der Freien Universität Amsterdam forscht und lehrt. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Religiöse Diversität, Cross- Kulturelle Theologie, Migration, Gender und Postkoloniale Studien. Als evangelische Direktorin des katholischen „Dominikanischen Studienzentrums für Theologie und Gesellschaft“5 verantwortet sie das Projekt „W!J“ (nieuwwij, [online]). Das Forschungszentrum wurde 1988 mit dem Auftrag eingerichtet, einen Beitrag zu einer zeitgemäßen befreienden Theologie zu leisten (vgl. Kalsky 2012: 213). Bei der dortigen interdisziplinären Arbeit fließen religionswissenschaftliche, soziologische, kulturphilosophische, religions-philosophische und literaturwissenschaftliche Studien mit ein. Im Vordergrund der Untersuchungen stehen am Leben und Glauben de r Menschen orientierte Fragen und die Alltagserfahrungen, die sie in einer multireligiösen und multikulturellen Gesellschaft machen (vgl. ebd.: 214). Diese Thematik spiegelt den empirischen Teil dieser Arbeit wider, der ebenfalls nach den Glaubensvorstellungen der Mitarbeitenden fragt. In diesem Ansatz geht es nicht darum, sich mit der Wahrheitsfrage in den Religionen zu beschäftigen, sondern Differenzen und damit auch verschiedene Wahrheiten zu akzeptieren und anzuerkennen, um daraus gesellschaftlich etwas Neues entstehen zu lassen. Dabei stellt Kalsky sich kritisch, aber auch konstruktiv gegenüber der Institution Kirche auf. Sie sieht die Chancen für eine Neuausrichtung in der Suche nach dem guten Leben für alle darin, dass Kirchen von exklusiven Wahrheitsansprüchen und Heilsvorstellungen Abstand nehmen (vgl. Kalsky 2010: 107). Ihr Vorschlag, die Forschungsergebnisse und Überlegungen des Projekts „W!J“ über die Grenzen der Niederlande hinauszutragen (vgl. Kalsky 2014a: 38), wird mit dieser Arbeit gerne aufgenommen.
Die Präsenz des Themas eines „neuen Wir“ in den deutschen Medien und in der Politik zeigt die Notwendigkeit, die gesellschaftliche Umsetzung zu forcieren. Im Anschluss an Rede des Bundespräsidenten bei der Einbürgerungsfeier im Mai 2014 fragte Lenz Jacobsen am 21. August 2014 im Zeit-Artikel „Und im Stillen brennen die Moscheen“ „Wo ist das große ‚wir‘?“ (Jacobsen 2014, [online]). Er bezieht sich damit auf die Forderung von Leitartiklern und Politikern, dass Christen und Muslime in Deutschland zusammenstehen sollten, es stattdessen jedoch zu Moscheebränden kommt, die von den Medien und der Politik wenig beachtet werden.
2.1 Manuela Kalsky: Die Vision eines guten Lebens für alle im Bewusstsein eines „neuen Wir“ indem religiöse Vielfalt genutzt wird
Zum Umgang mit religiöser Pluralität gibt es zahlreiche Publikationen. D ie unterschiedlichen Bezeichnungen einer Theologie, die sich mit den Inhalten und Wahrheitsansprüchen der verschiedenen Religionen beschäftigt, machen dies deutlich: Pluralistische Theologie der Religionen, Komparative Theologie, Interkulturelle Theologie, Interreligiöse Theologie, Cross-Kulturelle Theologie oder auch Dialogische Theologie. Gemeinsam ist allen das Erkennen der Notwendigkeit auf die Veränderungen und Fragen, die eine religiös-plurale Gesellschaft mit sich bringt, Antworten zu suchen.
Die Idee und Vision einer Gemeinschaft, die sich ungeachtet der Religion oder Weltanschauung ihrer Mitglieder für Frieden und Gerechtigkeit einsetzt, hatte schon Mahatma Gandhi und auch der Dalai Lama spricht von einem „Big We“ (vgl. Dalai Lama 2013, [online]). Das gemeinsame „Wir“ von Gandhi, das auch seine Feinde und Gegner mit einschloss, war die Basis für sein Verständnis von ahimsa, dem Gebot der Gewaltlosigkeit. Die amerikanische Religionswissenschaftlerin Diana L. Eck hat dieses in ihrem Buch „Encountering God: a spiritual journey from Bozeman to Banaras“ weiter ausgeführt. Wie Manuela Kalsky verweist sie auf die Schwierigkeit, dass der Gebrauch des Wortes „Wir“ meist dazu führt, „den Anderen“ auszugrenzen. In ihrer imaginierten Gemeinschaft wird die Trennlinie zwischen „wir“ und „den Anderen“ aufgehoben, damit sich alle gemeinsamen für das gute Leben für alle einsetzen (vgl. Eck 1993: 203, 228).
Sehr eindeutig fordert die Theologin Manuela Kalsky in ihren Publikationen dieses Bewusstsein eines „neuen Wir“ in religiös-pluralen Gesellschaften, um den Problemen unserer Zeit angemessen begegnen zu können. Das „neue Wir“ kann nicht in einem Schritt als Ganzes entstehen, sondern es wird sich aus vielen kleinen einzelnen Gruppen zusammensetzen. Auf die Kirchen und die kirchlichen Institutionen kommt hier eine besondere Herausforderung zu, indem sie auf die religiöse und kulturelle Vielfalt reagieren müssen. Dazu gehört nach Manuela Kalsky, dass die Kirchen das Bedürfnis der Menschen nach Transzendenz ernst nehmen. Dabei soll darauf geachtet werden, die christliche Botschaft den Gläubigen in einer zeitgemäßen Art und Weise zu vermitteln. Kalsky drängt darauf, dogmatisch-apologetische Haltungen aufzugeben und sich den vielfältigen gesellschaftlichen Glaubensvorstellungen zu öffnen. Anstatt an exklusiven Heilsvorstellung festzuhalten, solle man sich gemeinsam mit Menschen anderer Religionen und Weltanschauungen auf die Suche nach dem guten Leben für alle machen, was in der christlichen Vorstellung dem Reich Gottes entspräche (vgl. Kalsky 2010: 106f). Dabei würden sich Momente göttlicher Wahrheit in den Begegnungen der Menschen unterschiedlicher religiöser Traditionen und ihren Erfahrungen göttlicher Gegenwart zeigen (vgl. ebd.: 110).
Im Rahmen der Forschungen zum Leben in einer religiös pluralen Gesellschaft beschäftigt sich Manuela Kalsky mit den Biographien und Glaubensvorstellungen von Menschen mit hybriden religiösen Einstellungen. Hybridität bedeutet in diesem Zusammenhang eine Verbindung von verschiedenen Religionen in der eigenen Religiosität. Es entwickelt sich eine religiöse Einstellung, die sich aus zweierlei Herkunft und aus verschiedenen Elementen entwickelt (vgl. Kalsky 2006: 61). Um dieses Phänomen darzustellen, wurde unter dem Forschungstitel: „Looking for a new we in the Netherlands“ die ehemalige Internetplattform Reliflex.nl6 entwickelt. Es wurden sechs Niederländer verschiedener religiöser Traditionen portraitiert, die berichteten, in welcher Art und Weise Religion ihr alltägliches Leben beeinflusst. So wurde veranschaulicht, dass die religiöse Einstellung keine statische Haltung sei, sondern eine durch Einflussnahme anderer religiöser Traditionen flexible Glaubensvorstellung. Zusätzlich wurden Informationen bereitgestellt, die einen tieferen Einblick in die jeweilige Thematik und religiöse Tradition ermöglichten. Ziel der Darstellungen auf reliflex.nl war es, die Öffentlichkeit auf das Phänomen „Multiple religiöse Identitäten“ und die damit verbundene Individualisierung, Flexibilität und Durchlässigkeit in der religiösen Einstellung von Menschen hinzuweisen (vgl. Kalsky 2014: 160f). Die Leser und Leserinnen von reliflex wurden ermutigt, ihr Denken und ihre Einstellungen von einem entweder/oder hin zu einem beide/und bezüglich des religiös Anderen zu verschieben (vgl. Kalsky 2014: 162). Für eine theologische Herleitung dieser Verschiebung bedarf es einer grenzüberschreitenden Theologie, postuliert Kalsky 2004 in dem Artikel „Die Suche nach einem multikulturellen ‚Wir‘“ (Kalsky 2004). Sie findet diese in der Cross- kulturellen Theologie, wobei der Begriff von ihr synonym für den Begriff Interkulturelle Theologie gebraucht wird (vgl. ebd: 116). Die Bezeichnung „Cross“ weise jedoch stärker „auf die Grenzen hin, mit denen eine Theologie konfrontiert wird, die sich auf die Verständigung mit den Anderen, den Fremden und den Versuch, einander zu verstehen, einlässt“ (ebd.: 109). Der Ausdruck dient dazu, deutlich zu machen, dass es Schwierigkeiten und Widerstände geben kann, wenn es darum geht, den Anderen zu verstehen. In einer Grenzüberschreitung - im „Crossingin“ in das Denken und die Welt des Anderen hinein liegt ein Wagnis, das bereichernd sein kann und das unbedingt notwendig ist, um die Herausforderungen der pluralen Gesellschaften anzunehmen. Dabei wird das Anderssein des Anderen sowohl als Herausforderung als auch als Horizonterweiterung für die eigene Theologie betrachtet. Mit der Cross-kulturellen Theologie wird ein Identitätskonzept entwickelt, das auf einer beziehungsorientierten Identitätssuche aufbaut. Dabei wird Identität nicht in Abgrenzung zum Anderen formuliert, sondern im Anerkennen der Diversität, die als Bereicherung für die eigene Identität aufgefasst wird (vgl. ebd.: 116). Die Schwierigkeit liegt vor allem darin, dass jede Seite etwas von dem, was ihr vertraut ist, aufgeben muss. Dies bedeutet nicht mehr in Abgrenzung zu denken, sondern in Beziehung und gemeinsamem Handeln. Eine beziehungsorientierte Identitätssuche heißt, die Differenzen und Spannungen in der Beziehung zum Anderen wahrzunehmen, sie anzuerkennen und zu kommunizieren und darüber zu sehen, was das für die eigene Identität bedeutet und welche Bereicherung sich erfahren lässt. Die eigene Identität wird nicht mehr nur über das Wiedererkennen im Anderen geformt, sondern in der Distanz zu den benannten und anerkannten Unterschieden (vgl. Kalsky 2004: 116f und Kalsky 2000: 313f). In der Konsequenz kann Manuela Kalsky feststellen, dass im heutigen Europa interreligiöse Gemeinschaften gebraucht werden, die sich im Alltag begegnen und sich über ihre Einstellungen zu Heil und Unheil austauschen (vgl. Kalsky 2006: 69). Das eigene Verständnis von Heil und Unheil muss eventuell verändert werden, denn möglicherweise werden die eigenen Heilsvorstellungen kritisiert und als unzulänglich für das gute Leben für alle enttarnt. Aber nur indem die religiöse und kulturelle Vielfalt begrüßt und positiv gewertet wird, kann dauerhaft Frieden, Stabilität und Gerechtigkeit hergestellt bzw. erhalten werden (vgl. Kalsky 2006: 61).
Eine grenzüberschreitende Theologie ist vonnöten. Eine Theologie, die ihre mondiale Verantwortung erkennt und die Diversität und das Anderssein der Anderen in Europa als Anfrage, Herausforderung und Horizonterweiterung für die eigene Theologieausübung entdeckt (Kalsky 2004: 108).
Der Grundgedanke einer beziehungsorientierten Identitätssuche - die paradigmatische Verschiebung von entweder/oder zu beide/und in der Begegnung mit dem Anderen - ist ein zentraler Gedanke in Kalskys Überlegungen (vgl. Kalsky 2000: 313, 328)7. Diese paradigmatische Verschiebung ist notwendig, wenn es darum geht, ein Bewusstsein für ein „neues Wir“, und damit für ein neues Zusammengehörigkeitsgefühl in der Gesellschaft, entstehen zu lassen. In der Akzeptanz der Unterschiede ist das Aufzeigen von Gemeinsamkeiten nicht mehr eine notwendige Voraussetzung für ein gleichberechtigtes Zusammenleben im Bewusstsein des „neuen Wir“ (vgl. Kalsky 2014: 165). Kalsky bezeichnet das dafür notwendige „Lernen im Plural zu denken“ (Kalsky 2014a: 38) als Europas große Herausforderung.
Häufig geht die Anerkennung und Forderung nach Gleichberechtigung unter den Religionen jedoch mit dem Vorwurf des Relativismus‘ und dem Verlust der Identität einher. Die Anerkennung der Vielfalt bedeutet jedoch nicht, Differenzen zu relativieren und Identitäten aufzugeben (vgl. Kalsky 2014: 165f). Gerade das Aufzeigen der Differenzen im religiösen und kulturellen Bereich und der Dialog darüber ist heilsam für das Zusammenleben in einer Gesellschaft. Der Reichtum, der sich in der Vielfalt der Religionen darstellt, kann zum Tragen kommen und es ist gut darauf zu vertrauen, dass Diversität einen Identitätsgewinn mit sich bringt (vgl. Kalsky 2004: 111f).
Dabei darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Begegnung mit religiöser und kultureller Pluralität bei den Menschen zu Unsicherheiten führen kann. In Krisenzeiten entwickelt sich ein Unbehagen dem Fremden gegenüber und es kommt zu einer Besinnung auf die eigenen Traditionen, zu einer Abgrenzung gegenüber dem Anderen: „Wir leben in einer Krisensituation […]. In solchen Momenten greifen Menschen zurück auf das zuvor beschriebene moderne Kultur- bzw. Identitätskonzept, das sich von anderen abgrenzt“ (Kalsky 2004: 116). In einem positiven Verständnis von religiöser Pluralität kann es gelingen, Identität nicht in Abgrenzung zu formulieren, sondern sich auf das beziehungsorientierte Identitätskonzept einzulassen, bei dem man sich vom jeweils Anderen inspirieren und verwundern lässt (vgl. Kalsky 2006a: 50).
Gerade in der Entwicklung der eigenen Identität junger Menschen ist es von Bedeutung, dass sie die religiöse und kulturelle Vielfalt mit ihren Gemeinsamkeite n und Differenzen kennenlernen. Manuela Kalsky empfiehlt, junge Menschen anzuregen, ihre kulturelle und religiöse Identität in der Begegnung zu suchen und auf ein beziehungsorientiertes Identitätskonzept zu vertrauen (vgl. Kalsky 2008: 24, [online]). Die Begegnung mit der Vielfalt der Religionen bietet jedem Menschen die Möglichkeit, auch über den eigenen Glauben und die eigene Religion nachzudenken. Dadurch kann es sowohl zu einer Vertiefung des Glaubens kommen als auch zu einer möglichen Transformation. Für das Christentum würde das unter anderem bedeuteten, dass die christliche Identität nicht von dem Glauben an die Einzigartigkeit Jesu bestimmt wird, sondern durch „[einen] Glauben mit ihm an ein Reich des Friedens und der Gerechtigkeit, welches das gute Leben für alle Menschen vor Augen hat.“ (Kalsky 2006: 68). Aus der Perspektive einer feministischen Theologie, bei der Manuela Kalsky christologische Entwürfe aus verschiedenen Kulturkreisen berücksichtigt, führt sie ihre Gedanken zu einer Re-Vision8 der Christologie aus. In Anlehnung an Albert Schweitzer hält sie fest, dass die verschiedenen Jesusbilder zeit- und ortsgebundene Konstruktionen sind, die entsprechend variieren. Die unterschiedlichen feministischen Entwürfe zu einer anderen, neuen Christologie zeigen ein Verlangen nach Heilwerden. In das Zentrum dieser christologischen Überlegungen rückt das gute Leben für alle. Durch die Abwendung von christologisch-dogmatischen Aussagen, durch die Jesus zum exklusiven Heilssymbol erklärt wird, tritt eine beziehungsorientierte Weltsicht in die feministische Theologie. Es wird ein Identitäts- und Universalkonzept entwickelt, das „das Kontrastdenken des ‚ich/wir und die Anderen‘ zugunsten eines inter- subjektiven Differenzdenkens durchbricht“ (Kalsky 2000: 329). In diesem stehen sich Gott und Mensch nicht gegenüber, sondern sie sind verbunden durch die Vision des Reichs Gottes. Als Erlösungsmodell dient nicht mehr Tod und Auferstehung Jesu, sondern sein Leben in Gerechtigkeit. In einer weniger auf die Einzigartigkeit Jesu Christi bezogenen Christologie werden die Differenzen in den zeitgemäßen Bedeutungen von Heil und Unheil heilsam genutzt (vgl. Kalsky 2002: 7, [online]). Jesus verliert dabei nicht an Bedeutung. Sein Glaube an das Reich Gottes rückt ins Zentrum und gewinnt an Wichtigkeit. „Er ist ein Exponent in der Hoffnung auf und im Glauben an die verheißene messianische Zeit, ein Wegweiser Gottes, gebunden an einen bestimmten Ort, eine bestimmte Zeit und ein bestimmtes Geschlecht“ (Kalsky 2000: 329). Nicht das Festhalten an den dogmatischen Ansprüchen, sondern die Begegnung mit dem Anderen wird zum Ort des Wahrheitsgeschehens, indem eine auf Einheit fokussierte Christologie keinen Platz findet (vgl. Kalsky 2002: 7, [online]). Gerade die Herausarbeitung und Anerkennung der Differenzen zwischen den Religionen bedeutet für das Christentum eine Entzerrung der Logik der Einheit.
Die Hoffnung auf Verschmelzung, auf eine paradiesische Harmonie, in der alle Unterschiede zugunsten der Gemeinsamkeit aufgehoben werden, macht Platz für die reale Konfrontation mit dem Anderssein der Anderen, mit denen, die nie völlig transparent werden, nicht dasselbe denken, fühlen, erleben wie ich , die meine Geschichte unterbrechen, meine Ruhe stören und mein Denken und Handeln in Verwirrung bringen (Kalsky 2000: 326).
Einheit ist im Christentum ein wesentlicher Gedanke, wie z.B. in 1. Kor 12,12f:
Denn wie der Leib einer ist und doch viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obwohl sie viele sind, doch ein Leib sind: so auch Christus. Denn wir sind durch einen Geist alle zu einem Leib getauft, wir seien Juden oder Griechen, Sklaven oder Freie, und sind alle mit einem Geist getränkt.9
Jedoch sorgt Einheit nicht nur für den Zusammenhalt einer Gemeinschaft, so wie es für die ersten christlichen Gemeinden notwendig war, sondern sie grenzt den Anderen auch aus (vgl. Kalsky 2014: 164).
Bei der Umsetzung eines gesellschaftlichen Bewusstseins für ein „neues Wir“ steht für Kalsky die alltägliche Begegnung zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft, Geschlecht, Weltanschauung oder Religion im Vordergrund. Hier werden verschiedene Biographien, Vorstellungen vom guten Leben und Glaubensvorstellungen thematisiert. Über das Zusammenarbeiten mit „dem Anderen“ können Grenzen überwunden und Vorurteile abgebaut werden. Es kann eine neue Perspektive entstehen, indem man den eignen Blickwinkel ändert und versucht, mit den Augen des Anderen zu sehen. Verzichten muss man auf den Anspruch des vollkommenen Verstehens. Der Andere kann nie ganz durchdrungen werden und bleibt immer von einer gewissen Opazität umgeben (vgl. Kalsky 2000: 328).
Manuela Kalsky fordert die Entwicklung einer gemeinsamen Ethik, bei der gerechte globale Beziehungen aufgebaut und eine Spiritualität des guten Lebens für alle entwickelt würde. So hätte die Gesellschaft den Herausforderungen unserer Zeit etwas entgegenzusetzen, und die Vorstellungen vom Reich Gottes in der christlichen Theologie erhielte schon heute die Möglichkeit des Entstehens (vgl. Kalsky 2014a: 38). Unter Berücksichtigung der verschiedenen religiösen und kulturellen Hintergründe muss gemeinsam herausgefunden werden, was unter dem guten Leben für alle zu verstehen sei. Dies ist eine der Aufgaben der Cross-kulturellen Theologie, die, wie beschrieben, Grenzüberschreitungen in der kulturellen und religiösen Thematik ermöglicht und deren Vertreter global denken und lokal handeln. Um die Aufgabe anzunehmen, bedarf es zum einen Wissen über den Anderen. Sowohl in Gesprächen als auch in der Berichterstattung erzeugen zu viele Vorurteile, zurzeit vor allem gegenüber „dem Islam“ und „den Muslimen“, Misstrauen und Unverständnis (vgl. Kalsky 2004: 111). Gegenseitiges Vertrauen und Kenntnis voneinander erlauben einen empathischen, aber auch kritischen Blick auf die eigene und die andere Religion. Hierfür wird die Bereitschaft vorausgesetzt, auch ohne das Zurückgreifen auf gemeinsame Traditionen den anderen verstehen zu wollen. „Das Gemeinsame ist nicht in Dogmen festgelegt. Vielmehr muss es sich in der Suche nach dem, was ‚Heil von Gott‘ und ‚das gute Leben für alle‘ in den jeweiligen religiösen und kulturellen Kontexten bedeuten, bewähren“ (Kalsky 2004: 110). Zum anderen wird für die Cross-kulturelle Theologie eine interdisziplinäre und (selbst)kritische Kulturanalyse benötigt, bei der Theologie und Kultur zueinander in Beziehung stehen und nicht mehr als zwei unterschiedliche Größen betrachtet werden. Diese Vorgehensweise basiert auf der These, dass Theologie orts- und zeitgebunden ist und damit der kulturelle Kontext Einfluss auf die Theologie hat und einer entsprechenden Analyse bedarf (vgl. ebd.: 113). In der globalisierten Welt bedeutet dies, dass der kulturell und religiös Andere sich nicht mehr in einem gewissen Abstand befindet, sondern ganz nah kommt. Die Konfrontation mit der Pluralität und Diversität führt nicht nur zu der Frage nach der eigenen Identität, sondern auch zu einem Gefühl der Unsicherheit. Um Identität nicht in Abgrenzung zu erfahren, wird in der Cross-kulturellen Theologie die Notwendigkeit einer beziehungsorientierten Identitätssuche betont (vgl. ebd.: 115f).
Als Herausgeberin hat Manuela Kalsky mit Doris Strahm das Buch „Damit es anders wird zwischen uns: Interreligiöser Dialog aus der Sicht von Frauen“ (Strahm/Kalsky 2006) veröffentlicht. In einem Gespräch stellen die Islamwissenschaftlerin Amira Hafner-Al Jabaji, die Religionspädagogin Eva Pruschy und die Theologin Doris Strahm aus Sicht der drei abrahamitischen Religionen Überlegungen um das gute Leben für alle an (vgl. Hafner-Al Jabaji et al. 2006: 134). Amira Hafner-Al Jabaji hält aus muslimischer Perspektive fest, dass es nicht unterschiedliche Formen von Gerechtigkeit gäbe, die je nach religiöser Zugehörigkeit wandelbar sind. Alle Menschen seien gefordert, gegen jede Form der Ungerechtigkeit vorzugehen. Sie sieht die Gefahr, dass andernfalls der Einzelne nur innerhalb seiner eigenen Gemeinschaft agiert, anstatt sich für gesamtgesellschaftliche Fragen und Probleme einzusetzen. Sie nimmt Abstand von einem gemeinsamen Begriff für das gute Leben für alle und wünscht sich:
für meine Mitmenschen- egal welchen Glauben und welches Geschlecht sie haben oder zu welcher sozialen Gruppe sie gehören -, dass alle gefördert und befähigt werden, von ihrem Verstand Gebrauch zu machen, dass sie sich geistig entfalten und nach ihrem Vermögen Verantwortung übernehmen können (ebd.).
Doris Strahm weist aus christlicher Perspektive darauf hin, dass bei der Frage, was gerecht ist, überlegt werden müsse, wer zu Gehör kommt. Gerade Minderheiten einer Gesellschaft dürften nicht überhört werden (vgl. ebd.: 148). Unter einem guten Leben für alle versteht sie:
[ … ] ein Leben, das mehr ist als Überleben und über formale Gerechtigkeit hinaus geht: ein Leben in Freiheit und Würde, in dem Menschen auch ihre persönlichen Bedürfnisse nach Liebe, Anerkennung und Zuwendung stillen und all ihre intellektuellen und emotionalen Fähigkeiten und Potentiale entfalten können (ebd.: 154).
Aus jüdischer Perspektive zieht Eva Pruschy den Vergleich zum kabbalistischen Konzept des „Tikkun Olam“: „‘Tikkun Olam‘ ist eine Aufforderung zu soziale m Handeln und gesellschaftlichem Engagement zum Streben nach Gerechtigkeit, Mitmenschlichkeit und Frieden“ (ebd.: 155).
Die Vorstellung des guten Lebens für alle von Manuela Kalsky ist eng mit der biblischen Vorstellung des Reiches Gottes verbunden. Das Reich Gottes nimmt eine zentrale Stellung in der Lehre Jesu ein. Im Neuen Testament wird der Begriff 122- mal erwähnt, davon allein in den synoptischen Evangelien 99-mal. Der griechische Begriff basileia tou theou kann auch mit „Herrschaft Gottes“ oder „Königreich Gottes“ übersetzt werden (vgl. Weiße 1997: 15). Jesus hat das Reich Gottes mit Gleichnissen, die er aus Bildern und Erfahrungen seines Alltags nahm, umschrieben. Damit ist eine eindeutige Definition, wie das Reich Gottes aussieht oder beschaffen ist, nicht gegeben. Die verschiedenen Aspekte zeigen sich in den unterschiedlichen Gleichnissen, in denen das Reich Gottes oder die Herrschaft Gottes umschrieben wird (vgl. ebd.: 16). Die Wachstumsgleichnisse „Vom Wachsen der Saat“ (Mk 4, 26- 29) oder „Vom Senfkorn“ (Mk 4,30-34) verweisen auf das noch kommende Reich Gottes. Es zeigt sich als etwas Unerwartetes, etwas, was von selbst kommt: „Denn von selbst bringt die Erde Frucht, zuerst den Halm, danach die Ähre, danach den vollen Weizen in der Ähre“ (Mk 4, 28). Andere Gleichnisse verdeutlichen vor allem den Bezug zu den Adressaten, häufig ausgedrückt in der Tischgemeinschaft mit Jesus. Das Gleichnis vom großen Abendmahl (Lk 14, 15-24) zeigt, dass die Regeln, denen eine Tischgemeinschaft damals – und sicher vielerorts auch noch heute – unterliegt, in der Reich Gottes Botschaft aufgehoben sind. Die Gemeinschaft, in der die Armen und Ausgestoßenen ihren Platz finden, steht im Vordergrund (vgl. Halbfas 2013: 201). Für die Reichen wird es schwer werden, das Reich Gottes zu erreichen: „Liebe Kinder, wie schwer ist’s, ins Reich Gottes zu kommen! Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher ins Reich Gottes komme“ (Mk 10,24-25). Durch Jesus wird weder die Frage nach einem Ort des Reiches Gottes beantwortet, noch wird es konkreter beschrieben. Diese Unklarheit lässt zwei verschiedene Interpretationen in der christlichen Theologie zu. Zum einen wird das Reich Gottes als zukünftige und als eine nur durch Gott herbeizuführende Größe betrachtet. Zum anderen gibt es die Position, dass sich das Reich Gottes auch durch menschliche Aktivitäten im Diesseits manifestieren kann (vgl. Weiße 1997: 14). Markiert werden die unterschiedlichen Haltungen durch die Reich-Gottes-Theologien von Albrecht Ritschl (1822-1889) und Johannes Weiß (1863-1914). Ritschl hatte im Rahmen einer liberalen Theologie die Position einer innerweltlichen, aufsteigenden Entwicklung des Reiches Gottes entwickelt. Er forderte die Christen und Christinnen dazu auf, an dessen Verwirklichung mit zu arbeiten. Sein Schwiegersohn Johannes Weiß hingegen verwarf diesen Ansatz und vertrat die Position, dass das Reich Gottes allein durch Gott herbeigeführt werden könne (vgl. Weiße 1997: 40f).
Die Evangelische Kirche Deutschland hält heute fest: „Das Reich Gottes ist schon jetzt angebrochen, aber der Gebetsruf des Vaterunser - „dein Reich komme“ - weist daraufhin, dass es noch nicht vollendet ist“ (EKD, Glaubens-ABC, [online]). In dem Forschungsansatz des Dominican Study Centre for Theology and Society zeigt sich das Verständnis, dass das Reich Gottes in der diesseitigen Welt zu suchen ist : „Es geht darum eine Wahrheit zu verkünden, die nicht uniform und dogmatisch festgelegt ist, sondern die inmitten einer komplexen Welt leidenschaftlich nach Spuren des Reiches Gottes sucht“ (Kalsky 2012: 215). Dabei bleibt es in der gelebten Nachfolge in Jesus Christus unbedeutend, welcher Kultur, Religion oder Weltanschauung ein Mensch angehört. Die religiösen Differenzen sollen fruchtbar gemacht und genutzt werden, Manuela Kalsky nennt diese Herangehensweise „Vielfalt umarmen“ (Kalsky 2006). Wenn es nicht mehr darum geht, Gemeinsamkeiten zu betonen, sondern Differenzen zu erkennen, zu benennen und anzuerkennen, entsteht hier ein prosperierender Raum. In diesem können Menschen unterschiedlicher religiöser und kultureller Prägung und Zugehörigkeit sich gemeinsam für die Bewältigung der Probleme der globalisierten Welt einsetzen, um für Frieden und soziale Gerechtigkeit zu kämpfen (vgl. Knitter 2002: 244).
2.2 Zwischenfazit und Exkurse
Die Ausführungen von Manuela Kalsky folgen einer konsequenten Argumentation: Die religiöse Pluralität ist sichtbar und spürbar in unserer Gesellschaft . Daher bedarf es neuer Konzepte des Miteinanders. Gegenseitige Abgrenzung ist die Entwicklung, die verhindert werden muss, hin zu einem gemeinsamen Einsatz aller Menschen für ein Leben in Frieden und Gerechtigkeit. Für dieses Ziel gibt es keine einfachen Lösungen. Das von ihr geforderte „neue Wir“ kann nur in der Zusammensetzung einzelner Gemeinschaften, die sich entsprechend neu ausrichten, entstehen.
Nicht nur für die Vertiefung des Themas, sondern auch um dem möglichen Vorwurf einer für sich allein stehenden Theorie zu begegnen, sind weitere Perspektiven notwendig. Manuela Kalsky bezieht sich auf das Konzept des Ich und Du von Martin Buber, bei dem durch die Begegnung zwischen Ich und Du das Zwischen das Ich transzendiert „und beide […] als Andere aus dieser Begegnung zum Vorschein [kommen], ohne dass ihre Eigenheit dabei aufgehoben wird“ (Kalsky 2000: 315). Der jüdische Philosoph Ephraim Meir hat sich mit dem Konzept Bubers vertiefend auseinandergesetzt. Ein Teil dieser Überlegungen werden in Ergänzung zu Kalsky dargelegt, damit die Gründe und Vorteile einer beziehungsorientierten Identitätssuche verdeutlicht werden können. Dass die Vielfalt der Einheit gegenüber als überlegen angesehen werden kann, zeigt unter anderem das Modell der Akzeptanz des Theologen Paul Knitter (Knitter 2002), auf den sich Manuela Kalsky ebenfalls bezieht. Warum gerade die alltägliche Begegnung bei der gemeinsamen Arbeit den geregelten interreligiösen Dialog10 sinnvoll ergänzt, soll in dem Abschnitt dargestellt werden. Um dies weiter zu begründen und um den interdisziplinären Ansatz von Kalsky zu ergänzen, wird im dritten Rekurs die in der sozialpsychologischen Vorurteilsforschung entwickelte Kontakthypothese in der Ausführung von Richard Traunmüller (Traunmüller 2012) dargestellt.
2.2.1 Ephraim Meir: Martin Bubers dialogisches Beziehungsmodell
Der jüdische Denker Martin Buber beschäftigte sich mit einer beziehungsorient ierten Identitätssuche, die der Philosoph Prof. Ephraim Meir „dialogisches Beziehungsmodell“ (Meir 2011: 103) nennt. Zwar steht in dem Kapitel „Martin Bubers Ich und Du als Anleitung zum Konfliktmanagement und zu sozialer Transformation“ (ebd.: 103-113) die Verwirklichung des Friedens nach Konflikten im Zentrum der Überlegung, die Ausführungen bieten aber meines Erachtens auch eine weitere Perspektive für eine beziehungsorientierte Identitätssuche. Die Verbindung zu Kalskys Vorstellung vom „neuen Wir“ liegt in dem Ziel, ein harmonisches und zivilisiertes Leben, ein friedliches Miteinanderleben durch einen Wandel der Gesellschaft zu ermöglichen. Auch im dialogischen Modell werden Differenzen nicht übersehen, sondern sie dienen dem Schaffen einer gemeinsamen Welt. Durch eine Hinwendung zum Anderen, in der Sprache Martin Bubers ist dies die Entwicklung des Ich-Du, wird es möglich, die Kluft zwischen Menschen zu überwinden, „indem man den Anderen gegenwärtig und dadurch wirklich macht“ (ebd.: 104). Diese Hinwendung zum Du, zum Anderen, bedeutet eine wirkliche Begegnung und nicht nur eine kognitive Auseinandersetzung. In der Begegnung orientiert sich das Ich hin zum Du, wobei die Beziehung, die aufgebaut wird, Gegenseitigkeit beinhaltet (vgl. ebd.: 105). Buber schreibt „Der Mensch wird am Du zum Ich“ (Buber 1957: 36) und anders herum „[s]tehe ich einem Menschen als meinem Du gegenüber, spreche das Grundwort Ich-Du zu ihm, ist er kein Ding unter Dingen und nicht aus Dingen bestehend“ (Buber 1957: 15). Aus der Beziehung und der Begegnung von Ich und Du entsteht in Bubers Perspektive ein locus theologicus, ein Ort, an dem die Begegnung zwischen Gott und Mensch stattfindet. Gott wäre nicht mehr im Außen zu suchen, in der Unerreichbarkeit, sondern in der Gegenwart, in der Beziehung mit dem Anderen (vgl. Meir 2011: 105f). Wird der Mensch am Du zum Ich bedeutet dies für die eigene Identität, dass sie wirklicher und gestärkt wird in der Begegnung mit dem Du. Es ist eine holistische Sichtweise, das Ich im Verhältnis zum Du, zum Anderen, entstehen zu lassen. Erst in der Beziehung wird das Ich „ganz“ „[d]as Ich ist […] dazu bestimmt […] mit seinem ganzen Sein ein Ich-Du zu werden“ (ebd.: 109). Meir weist in seinen Ausführungen darauf hin, dass es Buber nicht um die institutionelle Seite der menschlichen Existenz geht. Strategische Rationalität läge ihm fern, aber trotzdem fänden seine Gedanken und Worte, die die zwischenmenschliche Begegnung betonen, ihren Platz in einer Welt, die von Realpolitik, globalem Kapitalismus und ökonomischer Diskriminierung geprägt ist. „Die Rationalität des Herzens, wie sie in Ich und Du zum Ausdruck kommt, kann Gedanken vorbringen, die Alternativen zu den gewohnten Herangehensweisen an regionale und internationale Konflikte bieten“ (Meir 2011: 107). Wird der Begriff „Konflikte“ ersetzt durch „Differenzen“, zeigt Ich und Du Wege in ein „neues Wir“ in Verbindung der Differenzen oder wie es Manuela Kalsky ausgedrückt: Durch Umarmung der Vielfalt. Mit seiner Idee von Ich und Du zeigt auch Buber, dass Beziehungen zum Anderen das Ich nicht ärmer machen, sondern es bereichern und die Möglichkeit geschaffen wird, authentisch in der Beziehung zum Nicht-Ich zu werden (vgl. ebd.: 113).
[...]
1 Die ACK-Klausel besagt, dass bei Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Diakonie die Zugehörigkeit zu einer Mitgliedskirche der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland e.V. vorausgesetzt wird. Die Regel ist sowohl theologisch als auch kirchenrechtlich begründet.
2 Die vorliegende Ausgabe ist eine durchgesehene Ausgabe der Masterarbeit. Stand 19.1.2015.
3 Für die bessere Lesbarkeit verwende ich „den Anderen“ in einer neutralen Geschlechterrolle. „Der Andere“ bezieht immer auch „die Andere“ mit ein.
4 Der Leitfaden ist im Anhang dieser Arbeit beigefügt.
5 Mehr Informationen zu der Arbeit des DSTS unter www.dsts.nl.
6 Die Seite ist mittlerweile in die Website www.nieuwwij.nl übergegangen, ein Trailer existiert noch auf youtube unter: https://www.youtube.com/watch?v=AMWoWvdOjIk [abgerufen am 30.8.2014].
7 Vgl. auch: Kalsky 2004: 116; 2006: 63; 2008: 23; 2010: 111; 2012: 73; 2014a: 38.
8 Diese Schreibweise entspricht dem Titel „Christaphanien. Die Re-Vision der Christologie aus der Sicht von Frauen in unterschiedlichen Kulturen“ (Kalsky 2000).
9 Die aufgeführten Bibelstellen sind der Bibelübersetzung Martin Luthers in der revidierten Fassung von 1984 (hg. v.d.Ev. Kirche in Deutschland) entnommen.
10 Unter einem geregelten interreligiösen Dialog verstehe ich Dialoggruppen, die sich mehr oder weniger regelmäßig an vorab festgelegten Terminen treffen und sich gezielt mit interreligiösen und interkulturellen Themen befassen.
- Arbeit zitieren
- Ulrike Caspar-Seeger (Autor:in), 2014, Zwischen konfessioneller Gebundenheit und religiöser Pluralität, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/465463
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