Diese Arbeit gibt detaillierten Einblick in die Kohärenzgefühl steigernden PPI sowie den erfolgsrelevanten Wirkfaktoren in der Umsetzung mittels Coaching.
Die WHO konstatiert, dass bereits in 10 Jahren psychische Belastungen die Hauptursache von Krankheit sind. Negative Stressoren von Führungskräften sind vorwiegend Arbeitsverdichtung, gesteigerter Leistungs- und Termindruck. Insbesondere Mittelmanager aufgrund ihrer Sandwichposition, eingebettet zwischen Unternehmensleitung und operativer Ebene unterliegen einem stressauslösenden Dilemma: Rollenparadoxien, inkongruente Anweisungen, Komplexität, Informations-mangel oder Loyalitätskonflikte. Ziel der Arbeit war es für Mittelmanager salutogenetische Stressbewältigungsmöglichkeiten aus dem Bereich der Positiven Psychologie sowie deren optimale Umsetzungsstrategien mittels präventiven Coaching aufzuzeigen basierend auf einer Triade gesundheitsfördernder Konzepte: Salutogenese-Stresstheorie, Positive Psychologie und Coaching. Die Salutogenese fokussiert auf Schutzfaktoren und Widerstandsressourcen durch Stärkung des Kohärenzgefühls, welches durch Sinnhaftigkeit, Verstehbarkeit und Handhabbarkeit ausgebildet wird. Die Positive Psychologie mit ihren Interventionen (PPI) richtet den Blick auf das, was gesund hält, und Coaching ist respektive Beratung Gesunder. Aufgrund der jungen Forschungsdisziplinen wurde explorativ vorgegangen. Empirisch validierte PPI wurden aus Metaanalysen und einschlägigen Literaturwerken extrahiert und qualitativ nach ihrer salutogenetischen, Kohärenzgefühl steigernden Wirkung bewertet und punktemäßig quantifiziert. Mittels systematischer Literaturreview wurden Studien zu PPI im Kontext von Stress und Coaching zur Eruierung optimaler Umsetzungsstrategien recherchiert. Die Ergebnisse zeigen, dass das Kohärenzgefühl durch PPI gestärkt wird, es jedoch an selektiver Wahl bedarf. Kohärenzgefühl steigernde PPI haben das Potenzial persönliche Bewältigungsmechanismen zu stärken, Dauerstress von Mittelmanagern präventiv zu entgegnen und Gesundheit zu festigen und sind durch Coaching vermittelbar. Dabei bedarf es der Berücksichtigung spezifisch relevanter Wirkfaktoren, welche erfolgsrelevant sind.
Inhaltsverzeichnis
Abstract
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Förderungsnotwendigkeit der Stressprävention von Führungskräften
2 Theoretische Grundlagen – empirischer Forschungsstand
2.1 Stresstheorien und salutogenetisches Präventionsmodell
2.1.1 Begriffliche Abgrenzung und stresstheoretische Konzepte
2.1.2 Das Salutogenese-Modell: Prävention durch Kohärenzgefühlsicherung
2.2 Positive Psychologie und Coaching: Symbiose von Theorie und Praxis
2.2.1 Positive Psychologie und Coaching - Konzepteinblicke
2.2.2 Positive Psychologie Interventionen
2.3 Milieueinblick: Zielgruppe Führungskräfte Mittelmanagement
3 Forschungsmethodisches Vorgehen
3.1 Überblick des qualitativen Forschungsprozesses
3.2 Recherche, Induktive Selektion und systematische Literaturreview
3.3 PPI-Bewertungsverfahren (B)
3.4 Synthese der Erkenntnisse (C), Diskussion (D), Praktische Implikation (E)
4 Erkenntnisse
4.1 Teil A: Nutzwertanalyse
4.1.1 Erkenntnisse aus PPI-Selektionsverfahren und Datenaufbereitung
4.1.2 Erkenntnisse des qualitativ / quantitativen Bewertungsverfahrens
4.2 Teil B: Studienerkenntnisse zu den Umsetzungsstrategien
4.2.1 Detaillierter Einblick in die Studienerkenntnisse
4.2.2 Narrative Synthese der vorliegenden Studienergebnisse.
4.3 Diskussion der Erkenntnisse
4.3.1 Teil A: Erkenntnisse aus der Kohärenzgefühlbewertung von PPI
4.3.2 Teil B: Erkenntnisse zu den Umsetzungsstrategien
4.4 Einschränkungen der Arbeit
4.5 Praktische Implikationen
5 Fazit und Ausblick
6 Literaturverzeichnis
7 Anhang
Anhang A Metaanalysen: Suchergebnisse und Selektion
Anhang B Studien: Literatursuche Überblick
Anhang C Studienüberblick: Coaching-Stress-PPI
Anhang D Übersichtsliste finalselektierter PPI
Anhang E Kategorisierungsdetails der PPI
Anhang F Nutzwertanalyse Bewertungsverfahren
Anhang G Character Strengths and Virtues (CSV)
Abstract
Die WHO konstatiert, dass bereits in 10 Jahren psychische Belastungen die Hauptursache von Krankheit sind. Negative Stressoren von Führungskräften sind vorwiegend Arbeitsverdichtung, gesteigerter Leistungs- und Termindruck. Insbesondere Mittelmanager aufgrund ihrer Sandwichposition, eingebettet zwischen Unternehmensleitung und operativer Ebene unterliegen einem stressauslösenden Dilemma: Rollenparadoxien, inkongruente Anweisungen, Komplexität, Informations-mangel oder Loyalitätskonflikte. Ziel der Arbeit war es für Mittelmanager salutogenetische Stressbewältigungsmöglichkeiten aus dem Bereich der Positiven Psychologie sowie deren optimale Umsetzungsstrategien mittels präventiven Coaching aufzuzeigen basierend auf einer Triade gesundheitsfördernder Konzepte: Salutogenese-Stresstheorie, Positive Psychologie und Coaching. Die Salutogenese fokussiert auf Schutzfaktoren und Widerstandsressourcen durch Stärkung des Kohärenzgefühls, welches durch Sinnhaftigkeit, Verstehbarkeit und Handhabbarkeit ausgebildet wird. Die Positive Psychologie mit ihren Interventionen (PPI) richtet den Blick auf das, was gesund hält, und Coaching ist respektive Beratung Gesunder. Aufgrund der jungen Forschungsdisziplinen wurde explorativ vorgegangen. Empirisch validierte PPI wurden aus Metaanalysen und einschlägigen Literaturwerken extrahiert und qualitativ nach ihrer salutogenetischen, Kohärenzgefühl steigernden Wirkung bewertet und punktemäßig quantifiziert. Mittels systematischer Literaturreview wurden Studien zu PPI im Kontext von Stress und Coaching zur Eruierung optimaler Umsetzungsstrategien recherchiert. Die Ergebnisse zeigen, dass das Kohärenzgefühl durch PPI, welche Sinn fördern und Aktivator des Kohärenzgefühls sind, intrinsisch motivierte Ziele ausbilden und Hoffnung stärken, höchst anwendungsrelevant sind. Um die Verstehbarkeit zu stützen, bedarf es an PPI der Kognitiven Attributionen und der Selbstregulation. Die Handhabbarkeit wird durch PPI der Signaturstärken, welche Ressourcen stärken, Flow und Resilienz fördern, angesprochen. In der Umsetzung bedarf es der individuellen, persönlichen Ausrichtung, welches Coaching sicherstellt. Ferner ist ein zeitlich andauerndes Coaching von Relevanz, welches in den Führungsalltag terminlich integrierbar ist. Die Freiwilligkeit, Motivation und das Ausdauerpotenzial sowie die Offenheit gegenüber PPI von Mittelmanagern sind Erfolgsfaktoren. In der Vermittlung ist ein Set an PPI aus oben angeführten Bereichen vorteilhaft. Kohärenzgefühl steigernde PPI haben das Potenzial persönliche Bewältigungsmechanismen zu stärken, Dauerstress von Mittelmanagern präventiv zu entgegnen und Gesundheit zu festigen.
Abbildungsverzeichnis
Abb. 2.1 Stress-Ampel (eigene Darstellung in Anlehnung an Kaluza, 2015, S. 15 f.)
Abb. 2.2 Interdependenter, sukzessiver Stressoren-Bewältigungsmechanismus (eigene Darstellung)
Abb. 2.3 Mechanismus Kohärenzgefühl (eigene Darstellung)
Abb. 2.4 Positionierung von Managementebenen (in Anlehnung an Mintzberg, 1979)
Abb. 3.1 Prozess des methodischen Vorgehens (eigene Darstellung)
Abb. 4.1 Anzahl empirisch validierter PPI je Selektionsquelle (eigene Darstellung)
Abb. 4.2 Kategorisierung der PPI (eigene Darstellung)
Abb. 4.3 Überblick der Kategorisierung der PPI (eigene Darstellung)
Abb. 4.4 Anzahl der selektierten S-PPI nach kategorisierten Hauptinterventions-bereichen (eigene Darstellung)
Abb. 4.5 Nutzwertanalyse Synthese Ergebnis (eigene Darstellung)
Abb. 4.6 PPI nach Relevanz der Kohärenzgefühlstärkung (eigene Darstellung)
Abb. 4.7 Mittelwerte Interventionsbereiche und Kohärenzgefühl (eigene Darstellung)
Abb. 4.8 Modell der Kohärenzgefühl salutogenetisch wirkender PPI für die Coaching-praxis zur Stressprävention für Manager im Mittelmanagement (eigene Darstellung)
Abb. 4.9 Umsetzungsempfehlung (eigene Darstellung)
Tabellenverzeichnis
Tab. 3.1 Bewertungsmatrix (eigene Darstellung)
Tab. 3.2 Unipolare Ratingskala – verbal/quantifiziert (eigene Darstellung)
Tab. 4.1 PPI-Wirksamkeits-Metaanalysen: Finale Suchergebnisse (eigene Darstellung)
Tab. 4.2 PPI-Sammlungen Literaturwerke (eigene Darstellung)
Tab. 4.3 PPI-Bereiche mit stärkster Wirkung auf das Kohärenzgefühl (eigene Darstellung)
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
1.1 Förderungsnotwendigkeit der Stressprävention von Führungskräften
Ein Umbruch einer monetären Wirtschaft hin zu einer Wellbeing1 Ökonomie ist seit den letzten zwei Jahrzehnten sichtbar geworden (vgl. Seligman, 2003, S. 263 f.; Diener et al., 2015, S. 234 ff.). Der Strukturwandel durch den technologischen Fortschritt und die damit einhergehende Beschleunigung der politischen, sozialen und ökonomischen Globalisierung führen zu geänderten Lebens- und Arbeitsbedingungen. Diese Änderungen tragen zu verbesserten Lebensstandards bei (vgl. Troger, 2014, S. V; Hünefeld, 2016, S. 53 ff.), sind aber bipolar, haben also auch eine Kehrseite (vgl. Struhs-Wehr, 2017, S. 61; Steiger, Lippmann, 2013, S. 146). Psychische Krankheiten werden in zehn Jahren weltweit die Hauptursache von Krankheit sein (vgl. WHO, 2008, S. 51). Laut Weltgesundheitsorganisation ist die größte Gesundheitsgefahr der nahen Zukunft negativer Stress. Wittchen et al. (2011) zeigen auf, dass mehr als ein Drittel der europäischen Bevölkerung an psychischen Krankheiten leidet (vgl. ebd., S. 655). Gemäß Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin sind psychische Erkrankungen bereits heute die häufigste Ursache von Frühberentungen in Deutschland (vgl. BAuA, 2014). Der Anstieg psychisch bedingter Krankheiten ist umfassend bestätigt (vgl. DGFP, 2011, S. 3; TK, 2013, S. 4 ff.; RKI, 2015, S. 112). Sie resultieren aus gesteigertem Leistungsdruck, Angst und Überforderung (vgl. Troger, 2014, S. V; TK, 2013, S. 4 ff.; Zimber, Hentrich, 2015, S. 2). Bereits in zwei Jahren scheint jeder zweite arbeitsbedingte Fehltag in Deutschland auf Stress zurückführbar zu sein (vgl. Poulsen, 2012, S. 13; DAK, 2018, S. 16 f.).
Nicht punktueller Stress sondern andauernder, chronischer Stress beeinflusst die Gesundheit negativ (vgl. DGFP, 2011, S. 13 ff.). Gemäß der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1) sind mehr als 10% der Befragten chronischen Dauerstressbelastungen ausgesetzt (vgl. Hapke et al., 2013, S. 749 ff.). Die SHAPE-Studie (vgl. Kromm, Frank, 2009, S. 19) erfasste umfangreich die Stresssituation von Führungskräften im deutschsprachigen Raum. Diese sind demnach weit mehr erschöpfter, ausgebrannter und abgespannter als der Rest der deutschen Bevölkerung, was impliziert, dass der Führungsrolle ein höheres Stresspotenzial innewohnt (vgl. von Mayen, 2017, S. 16; Tomoff, 2017, S. 169). Gemäß der TK-Studie „Bleib locker, Deutschland!“ fühlen sich 80% der deutschen leitenden Angestellten gestresst und ein Drittel steht unter Dauerstress (vgl. TK, 2013, S. 20). Die häufigsten Ursachen, welche zu psychischen Belastungen der Führungskräfte führen sind Erfolgs- und Zeitdruck, ständige Erreichbarkeit, Arbeitsverdichtung und Mangel an Ausgleichsmöglichkeiten (vgl. DGFP, 2011, S. 14), des Weiteren lange Arbeitszeiten, häufige Arbeitsunterbrechungen und rasante Veränderungen. All dies wirkt auf das Stressempfinden (vgl. Regnet, 2014, S. 29). Die Studie „Psychische Gesundheit von Managern“ zeigt ebenfalls, dass Führungskräfte, welche vor allem Leistungs- und Termindruck sowie höheren emotionalen Anforderungen ausgesetzt sind, einem erhöhten Risiko für psychische Krankheiten unterliegen und dies langfristig zu schwerwiegenden negativen Folgen für die Gesundheit führen kann (vgl. Zimber, Hentrich, 2015, S. 6 f.). Andauernde Arbeitsüberlastung zeigt sich anfangs in Müdigkeit, Mattigkeit und Überlastung (vgl. BAuA, 2017, S. 29ff; TK, 2016, S. 10). Diese Vorboten psychischer Belastungsüberschreitungen können beispielsweise in Burnout münden (vgl. RKI, 2015, S. 114 f.). Die Studie von Bossmann et al. (2016) zeigt, dass speziell Mittelmanager einem Dilemma, aufgrund ihrer Sandwichposition, ausgesetzt sind (vgl. ebd., S. 9 ff.), da sie zwischen der Unternehmensspitze und der Mitarbeiterebene positioniert sind und kontroversen Anforderungen unterliegen: Druck von oben und Kritik von unten (vgl. Zwack et al., 2016, S. 139). Diese spezifische Positionierung führt ebenfalls zu Belastung und zu psychischen Krankheiten (vgl. Prins et al., 2015, S. 1353 ff.). Die Gesundheit der Führungskräfte wurde bisher wenig untersucht und Studienerkenntnisse scheinen noch zu heterogen, um eindeutige Trends in der Situation gestresster Führungskräfte ableiten zu können (Zimber et al., 2015, S. 1 ff.; Zimber, Hentrich, 2015, S. 2). Ferner sind speziell Studien, welche auf die paradoxe Situation von Mittelmanagern und den Umgang mit den daraus resultierenden Herausforderungen fokussieren, rar (vgl. Bossmann et al., 2016, S. 11).
In Anbetracht der einleitend aufgezeigten Umstände nimmt sich die vorliegende Arbeit diesen Entwicklungen an und hat zum Ziel, Stresspräventionsmöglichkeiten für Führungskräfte des Mittelmanagements aufzuzeigen, da der Erhalt der Gesundheit zentral ist. Dabei werden folgende drei Konzepte, welche naturgemäß grundsätzlich gesundheitsförderlich ausgerichtet sind, herangezogen: die Salutogenese-Stresstheorie als Basis, welche auf Schutzfaktorenförderung und Kohärenzgefühlstärkung fokussiert, Interventionen der Positiven Psychologie als Werkzeug, um Schutzfaktoren zur Stressbewältigung auszubilden und Coaching, als Beratung Gesunder, zur Umsetzungs-unterstützung.
In den vergangenen Jahren rückt immer mehr der Fokus auf präventive Maßnahmen und auch das Stärken von eigenen Ressourcen ins Zentrum (vgl. RKI, 2015, S. 120; Kernen, Meier, 2013, S. 136). Verhaltenspräventive Maßnahmen können dabei unterstützen, aus eigenen Kräften und aus eigener Motivation, in einem gegebenen stressvollen Umfeld, effektive Strategien zu entwickeln, um das eigene Belastungsrisiko, trotz widriger Umstände, zu adressieren (vgl. Zimber et al., 2015, S. 16). Die Adaptierung des Präventionsgesetzes im Jahr 2015 (§§ 20d und 20e SGB V2 ) durch Aufnahme von neuen Maßnahmen im Bereich der Vorbeugung, Gesundheitsförderung und Früherkennung und die Ausrichtung an Gesundheitszielen zeigt die Aktualität des Präventionsgedankens. Durch das Vermitteln von präventiven Stressbewältigungs-techniken an Führungskräfte kann deren Gesundheitsverhalten positiv gefördert und ein Puffer gegen negativen Dauerstress ausgebildet werden (vgl. RKI, 2015, S. 241). Dies ist aber noch ein junges Forschungsgebiet (vgl. McQuaid, 2017, S. 284). Individuell zugeschnittene Konzepte ermöglichen bessere Resultate (vgl. McQuaid, 2017, S. 286). Es mangelt jedoch an nuancierten, auf den Betroffenen persönlich abgestimmten Verhaltensinterventionen (vgl. Biswas-Diener et al., 2011, S. 108; McQuaid, 2017, S. 286). Die Zielgruppe der Führungskräfte ist in Bezug auf Gesundheitsförderprogramme nicht im Fokus (vgl. Zimber, Hentrich, 2015, S. 2), wenngleich ein Bedarf zu bestehen scheint. Die Suche nach professioneller Hilfe ist bereits sichtbar (vgl. TK, 2016, S. 2): zwei Drittel, welche extremen Stresssituationen ausgesetzt waren, suchten auch entsprechende Unterstützung (vgl. DGFP, 2011, S. 53). Die Beratung durch Experten wird empfohlen (vgl. DGFP, 2011, S. 25). Gemäß 3. Marburger Coaching Studie 2013 ist die Coachingzielgruppe schwerpunktmäßig die Führungsebene (vgl. DBVC, 2013, S. 20; Gross, Stephan, 2015, S. 20). Ressourcen- und stärkenorientierte Coaching-Werkzeuge sind bereits vielzählig im Einsatz (vgl. Biswas-Diener et al., 2011, S. 106 ff.) Heutzutage gibt es jedoch kaum Übereinstimmung darüber, wie theoretische Konzepte, Forschungserkenntnisse und Interventionen optimal anzuwenden sind, um den negativen Dauerstresskonsequenzen zu begegnen (vgl. RKI, 2015, S. 120; Biswas-Diener et al., 2011, S. 106 ff.). Wissenschaftlich fundierte Stressbewältigungsprogram-me sind vielzählig (vgl. Kaluza, 1997; Hampel, Petermann, 1997, S. 83) umfassen jedoch kaum Interventionen der Positiven Psychologie (PPI) (vgl. Bodenmann, Gmelch, 2009, 624 ff.) wenngleich die Nachfrage steigt (vgl. Tomoff, 2017, S. 34). Es mangelt an Evaluation und empirischer Belegung von angewandten Coaching-Praktiken, welche auf der Philosophie der Positiven Psychologie fußen (vgl. Junker, 2018, S. 1).
Ziel der Positiven Psychologie ist die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Psychologie, mit dem Fokus auf das Kranke durch den Fokus auf das Gesunde zu komplettieren (vgl. Seligman et al., 2005, S. 410 f.). Sie richtet den Blick auf das, was das Leben lebenswert macht und Wohlbefinden fördert (vgl. Blickhan, 2015, S. 18). Wellbeing, respektive Wohlbefinden, ist mehr ein “state of mind3 “, also eine Geisteshaltung beziehungsweise ein psychischer Zustand und die Art und Weise wie wir reagieren und weniger die Konsequenz aus externen Umständen (vgl. Diener et al., 1997, S.27).
Zur Umsetzung theoretischer Erkenntnisse bedarf es der praktischen Anwendung, welches durch PPI realisierbar wird (vgl. Blickhan, 2015, S. 324), denn bloßes wissenschaftliches Forschen trägt nicht zur umfassenden positiven Entwicklung der Gesellschaft bei (vgl. Biswas-Diener, 2007, Pos. 114). Das Anwendungswerkzeug der Positiven Psychologie sind respektive ihre Interventionen, welche im Bereich der Pädagogik, Arbeits- und Organisationspsychologie und Psychotherapie praktische Verwendung finden (vgl. ebd., S. 117). Die Präventionsarbeit kann dabei einen weiteren Anwendungsbereich darstellen (vgl. Blickhan, 2015, S. 20) und helfen vorbeugend einzugreifen (vgl. Seligman, 2003, S. 56).
Zentraler Aspekt der Salutogenese ist die Erhaltung und Förderung der Gesundheit. Das Modell der Salutogenese ist eine relevante theoretische Basis in der Gesundheitsförderung und nimmt dort einen essenziellen Stellenwert ein (vgl. Blättner, 2007, S. 67). Es bedarf an Bewältigungsressourcen, um mit permanentem Stress umzugehen (vgl. Struhs-Wehr, 2017, S. 7). Die Bewältigung von Stressoren ist aufgrund individueller Widerstandsressourcen unterschiedlich und führt entweder zu Krankheit oder Gesundheit. Das Potenzial der persönlichen Bewältigungsressourcen führt Antonovsky auf das Kohärenzgefühl zurück (vgl. Blickhan, 2015, S. 37), welches eine gesundheitsförderliche personale bedeutsame Ressource darstellt (vgl. Struhs-Wehr, 2017, S.11). Zentraler Faktor zur Erhaltung der Gesundheit ist gemäß Salutogenese-Konzeptes die Ausprägung des Kohärenzgefühls. Dieses drückt eine Zuversicht aus, Anforderungen, welche persönlich Sinn ergeben und verstehbar sind, mit eigenen Ressourcen bewältigen zu können (vgl. Bengel et al., 2001, S. 35). Wirkfaktoren des Kohärenzgefühls sind demnach die Sinnhaftigkeit, Verstehbarkeit und die Handhab-barkeit (vgl. Antonovsky, 1987a, S. 19).
Die Symbiose von Salutogenese und Coaching, zwei Konzepte die den Erhalt von Gesundheit anstreben, ist theoretisch und methodisch, kaum ausgearbeitet (vgl. Fengler, 2006, S. 393; Mittelmark et al., 2017, S. 84). Coaching und salutogenetisch relevante PPI, welche das Kohärenzgefühl steigern, können der Transmitter sein, um Stressprävention zu vermitteln (vgl. Blickhan, 2015, S. 28) und psychischen negativen Belastungen von Mittelmanagement-Führungskräften präventiv zu entgegnen.
Um aufzuzeigen, wie persönliche Stressbewältigungskompetenzen von Mittelmanagern durch empirisch fundierte Interventionen der Positiven Psychologie mittels individuellem Coaching gestärkt und somit negative Stressauswirkungen präventiv vermieden werden können bedarf es einerseits der Feststellung, welche empirisch validierten PPI, salutogenetisches, respektive Kohärenzgefühl steigerndes Potenzial aufweisen. Dies wird mittels qualitativer Bewertung eruiert. Als Bewertungskriterien fungieren die Wirkfaktoren des Kohärenzgefühls. Andererseits bedarf es dem Aufzeigen von Strategien, die bei der Vermittlung mittels Coaching bedacht werden sollen, um eine optimale Anwendung zu sichern und Wirkung erzielen zu können. Dies wird anhand von Studien, welche Stressbewältigung im Kontext von Coaching und PPI adressieren, aufgezeigt. Demnach werden zur Eruierung dieser salutogenetisch relevanten PPI und ihrer optimalen Bedingungen in der Vermittlung mittels Coaching an Mittelmanagern, folgende zwei Forschungsfragen gestellt:
Forschungsfrage 1: „Welche empirisch gesicherten Positiven Psychologie Inter-ventionen sind salutogenetisch relevant, steigern das Kohärenzgefühl und haben Stresspräventionspotenzial?
Forschungsfrage 2: Worauf ist bei der Vermittlung von PPI durch Coaching für Führungskräfte des Mittelmanagements Bedacht zu nehmen?
Die vorliegende Arbeit integriert wissenschaftliche, theoretische und methodische Erkenntnisse aus der Stressforschung und der Positiven Psychologie und verbindet diese mit dem Praxisfeld des Coachings und der Prävention. Bindeglied stellt das Konzept der Salutogenese dar. Das folgende Kapitel gibt diesbezüglich vorab einen theoretischen, orientierenden Einblick.
2 Theoretische Grundlagen – empirischer Forschungsstand
2.1 Stresstheorien und salutogenetisches Präventionsmodell
2.1.1 Begriffliche Abgrenzung und stresstheoretische Konzepte
Der Begriff „stress“ entstammt dem Lateinischen „strinctum“, welches Druck oder Anspannung bedeutet. Der Stressbegriff wird heute für unterschiedlichste belastende Umstände verwendet (vgl. Neuner, 2016, S. 7) und ist alltäglich umfassend präsent (vgl. ebd., S. 15). Trotz der breiten begrifflichen Präsenz und eingehenden wissenschaftlichen Forschung findet sich keine allgemein anerkannte Definition (vgl. Plaumann et al., 2006, S. 63; Kury, 2012, S. 11). Grundsätzlich bezeichnet Stress die Reaktion eines Organismus auf einen Reiz oder eine Belastung, die zu erhöhten Anforderungen führt, mit welchen der Organismus entsprechend seiner Ressourcen umgeht. Zur Orientierung wird das Stressgeschehen, sein Reiz-Reaktionsprozess und seine Komponenten, mittels Stress-Ampel nach Kaluza (vgl. ebd., 2015, S.15 f.) grafisch dargestellt (Abbildung 2.1) und anschließend erläutert:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2.1 Stress-Ampel (eigene Darstellung in Anlehnung an Kaluza, 2015, S. 15 f.).
Die Stressoren sind Umweltreize, die auf einen Organismus einwirken. Die darauffolgenden Stressreaktionen sind die physische, psychische sowie mentale oder verhaltensbasierte Antwort des Organismus darauf. Belastungsfaktoren des beruflichen Führungsalltages wirken auf jede Führungskraft anders (vgl. Struhs-Wehr, 2017, S. 46), denn die Stress-Sensibilität, also die Anpassungsreaktion darauf, ist unterschiedlich und hängt vom Individuum ab: seiner Genetik, Persönlichkeit, Erfahrung und Bewältigungskompetenz (vgl. Rensing et al., 2013). Diese Komponenten werden als Stressverstärker definiert (vgl. Neuner, 2016, S. 7). Ausschlaggebend dabei ist die individuelle subjektive Bewältigungsfähigkeit, da unzureichende Bewältigungskompe-tenz in negativen Stress münden kann (vgl. ebd., S. 7f; vgl. Kaluza, 2015). Ljubomirsky et al. (2005) zeigen auf, dass 50% unserer Bewältigungsreaktionen auf genetische Prädisposition und 10% auf externe Umwelteinflüsse zurückführbar sind. Die restlichen 40% bleiben persönlich steuerbar (vgl. ebd., S. 121).
Neben verhältnispräventiven, das heißt externe Einflüsse betreffenden, Interventionen, welche beispielsweise das betriebliche Arbeitsumfeld der Führungskräfte darstellen, scheint ein Fokus auf verhaltenspräventive Maßnahmen für Führungskräfte sinnvoll (vgl. Struhs-Wehr, 2017, S. 27), da diese die individuelle Bewältigungskompetenz adressieren und selbst beeinflussbar und steuerbar sind.
Einschlägige Stresstheorien betrachten die Stressbewältigung aus verschiedenen Perspektiven. Diese Stressmodelle adressieren jeweils unterschiedliche Aspekte. Sie ergänzen sich jedoch gegenseitig (vgl. Neuner, 2016, S. 9; Busse et al., 2006, S. 63 ff.). Gemeinsamer Nenner dieser Modelle ist, dass zu hohe Anforderungen die Bewältigungsmechanismen in Dysbalance bringen, welche physische und psychische pathologische Auswirkungen auf den Organismus nach sich ziehen können (vgl. Busse et al., 2006, S. 63; Cohen et al., 1995, S. 3; von Mayen, 2017, S. 10). Der folgende Kurzeinblick in die breite Palette von Stresstheorien zeigt die Komplexität und die Vielfältigkeit in den Stellschrauben des Stressgeschehens (vgl. Kaluza, 2015; Busse et al., 2006, S. 64.), und stellt abschließend jene Stresstheorie vor, welche der Forschungsarbeit zugrunde gelegt wird.
Die biologische Sicht fußt auf den Änderungen im Gleichgewicht des Organismus, welche unter Stress routinemäßig nicht ausbalanciert werden können (vgl. Kaluza, 2015, S. 18 ff.; Busse et al., 2006, S. 63 f.). Die biologische, reaktionsorientierte Stresstheorie (vgl. Selye, 1983, S. 1 ff.) zeigt die rein körperlichen messbaren Auswirkungen von Stressoren auf den Organismus auf, welche sich beispielsweise in Änderungen der Herzfrequenz, des Hormonhaushaltes, des Pulses oder des Immunsystems manifestieren. Selye lässt interindividuelle, subjektive Komponenten und Unterschiede im Stresserleben unberücksichtigt (vgl. ebd., S. 1 ff.).
Die soziologische reizorientierte Perspektive fokussiert auf subjektive Abweichungen in Bezug auf psychische Bedürfnisse, wie beispielsweise Sicherheit. Jegliche Abweichung führt zu unterschiedlichen verhaltensrelevanten Stressreaktionen. Soziologische Stress-theorien sehen externe Bedingungen, also gesellschaftliche und soziale Umstände, wie beispielsweise Termin- und Leistungsdruck, als Belastungskomponenten an (vgl. Kaluza, 2015, S. 36 ff.).
Die kognitive und emotionale Verarbeitung von belastenden Situationen findet sich in der psychologischen Betrachtungsweise. Von Relevanz sind die subjektive Wahrnehmung, individuelle Interpretation und persönliche Bewertung (vgl. Kaluza, 2015, S. 43 ff.). Das psychologische Stressmodel von Lazarus (vgl. Lazarus, Folkman, 1984) fokussiert auf diese individuellen, subjektiven Bewältigungsmechanismen und -ressourcen. Stress entsteht folglich aufgrund eines Ungleichgewichtes in der Anforderung und der kognitiven Einschätzung der persönlichen Bewältigungskapazität (vgl. Faltermaier, 2017, S. 88 ff.). Ziel ist die Homöostase, also die Balance zwischen Anforderung und Bewältigungskompetenz.
Ferner finden sich arbeitsweltbezogene Ansätze, welche Fokus auf das Arbeitsumfeld, seine Anforderungen und die möglichen Kontrollmechanismen oder das erhaltende Feedback legen (vgl. Busse et al., 2006, S. 63 ff.). Das Anforderungs-Kontroll-Modell (Karasek, 1979) zeigt auf, ob hohe Jobanforderungen psychische Belastung aufgrund mangelnder Ressourcen nach sich ziehen. Hohe Anforderung mit geringem persönlichen Handlungsspielraum können psychisch belastend sein (vgl. Neuner, 2016, S. 13 f.). Das Modell der beruflichen Gratifikationskrisen4 von Siegrist (1996) zeigt auf, dass Distress aufgrund wiederholter hoher Anstrengungen ohne entsprechende materielle oder immaterielle Belohnung entsteht, welches eine Gratifikationskrise als Konsequenz hat (vgl. Neuner, 2016, S. 14 f.).
Einen systemischen, holistischen Ansatz bietet das biopsychosoziale Modell von Engel (1977) und Adler et al. (2003), welches sowohl Körper, Psyche und Umwelt einbezieht und geht davon aus, dass Stress durch deren negative Interaktion entsteht (vgl. Busse et al., 2006, S. 64 ff.).
Im Fokus der salutogenetischen, ressourcenorientierten Perspektive stehen Schutz-faktoren, welche als Verarbeitungsmechanismus in einer Stresssituation zur Verfügung stehen. Stresskonzepte, welche auf Ressourcen fokussieren, betonen, dass Stress entsteht, wenn individuelle Ressourcen, wie beispielsweise seelische Gesundheit oder Privilegien, bedroht scheinen. Antonovsky (1987a), der Vertreter der Salutogenese, geht der Frage nach was gesund hält und sieht das Fördern von Schutzfaktoren bezie-hungsweise das Aufbauen von Widerstandsressourcen, als Antwort auf den Umgang mit belastenden Stressoren an (vgl. Kaluza, 2015, S. 51 ff.; Busse et al., S. 64 ff.).
Im Sinne des Anliegens der Prävention und Gesundheitsförderung wird die Stresstheorie des Salutogenese-Konzeptes der vorliegenden Arbeit zugrunde gelegt und folgend näher ausgeführt.
2.1.2 Das Salutogenese-Modell: Prävention durch Kohärenzgefühlsicherung
Das Leben ist von Natur aus voll von Stressoren. Stressoren sind prinzipiell jedoch nicht pathologisch, sondern es liegt im individuellen Bewältigungsmechanismus (vgl. Antonovsky, 1992, S. 48). Antonovsky (1987a) geht davon aus, dass jede Arbeitsumgebung ein gewisses Stresspotenzial innehat, und es unabdingbar ist, damit entsprechend umgehen zu müssen (vgl. ebd., S. 154). Im Sinne von Hans Seyles (1978) Zitat: “It is not stress that kills us, it is our reaction to it5 ”. Stressoren sind demnach keine objektiven Faktoren, sondern sind von individuellen subjektiven Größen abhängig (vgl. BzgA, 1996, S. 145). Durch den erfolgreichen Umgang mit Stressoren, kann Gesundheit erhalten bleiben (vgl. Antonovsky, 1991, S. 127).
Gemäß Salutogenese-Konzept hängen die Auswirkungen von Stressoren von der Bewältigung der Spannung, die durch Stress ausgelöst wird, ab. Die Bewältigungsfähigkeit resultiert von den Widerstandsressourcen und deren Applikation in der spezifischen Stresssituation. Das Nutzen dieser Widerstandsressourcen selbst hängt wiederum vom Kohärenzgefühl (vgl. Blättner, 2007, S. 67 f.), also dem Potenzial der Bewältigungskapazität (vgl. Blickhan, 2015, S. 37), ab. Dieser interdependente, sukzessiv wirkende Bewältigungsmechanismus im Umgang mit Stressoren ist in Abbildung 2.2 grafisch dargestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2.2 Interdependenter, sukzessiver Stressoren-Bewältigungsmechanismus (eigene Darstellung)
Antonovsky (1987a) definiert das Kohärenzgefühl als eine Art Urvertrauen. Ein globales persönliches Vertrauen darauf, dass externe und interne Lebensreize erklärbar, strukturiert und somit vorhersehbar also verstehbar sind. Ferner, dass persönliche Bewältigungsressourcen, um mit diesen Lebensreizen umgehen zu können, verfügbar sind und schließlich die Auseinandersetzung mit ihnen lohnend ist, also Sinn ergibt (vgl. ebd., S. 19; Petzold, 2012, S. 15). Das Kohärenzgefühl basiert auf 3 Komponenten: Handhabbarkeit, Verstehbarkeit, Sinnhaftigkeit. Zur Orientierung wird der Kohärenz-gefühlmechanismus in Abbildung 2.3 grafisch skizziert und folgend näher ausgeführt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2.3 Mechanismus Kohärenzgefühl (eigene Darstellung)
Die Handhabbarkeit fokussiert auf die eigenen Ressourcen, zur Beeinflussung und Bewältigung von Stressoren, welche das konkrete Verhalten betrifft, und der Frage nachgeht, ob und wie mit dem Stressor umgegangen werden kann, ist demnach instrumentell- und verhaltensorientiert. Der Faktor der Verstehbarkeit zielt auf das Verstehen unbewusster Vorgänge und die Kognitionsmuster ab, also die kognitive Erklärung eines Stressors durch subjektives Verstehen. Die Sinnhaftigkeit entspricht der Kongruenz mit seinen eigenen Bedürfnissen und dem „Willen zum Sinn“, in Anlehnung an Viktor Frankl6. Diese persönliche Sinnhaftigkeit gestützt auf intrinsischer Motivation, ordnet die Stresserfahrung in einen persönlichen Bedeutungszusammenhang ein (vgl. Antonovsky, Franke, 1997, S. 34 ff.; Antonovsky, 1993, S. 725 ff.; Fengler, 2006, S. 393 f.). Die einzelnen Komponenten des Konzeptes sind interdependent. Übertragen bedeutet dies, dass Vorgänge transparent sind. Das Handeln mittels eigenen Fähigkeiten und Wissen ausführbar ist und Kongruenz mit dem subjektiven Lebenssinn besteht. Dies motiviert und lässt Stressoren bewältigen (vgl. Neuner, 2016, S. 82). Entscheidend ist somit die subjektive Komponente, da Stressoren unterschiedlich empfunden werden und aufgrund von unterschiedlichen Ressourcen, Fertigkeiten und Fähigkeiten bewältigt werden (vgl. Steiger, Lippmann, 2013, S. 132). Menschen, mit einer starken Ressourcenbasis sind im Arbeitsalltag stresstoleranter (vgl. Kernen, 1999). Das Stärken der persönlichen Ressourcen, um mit den externen Umfeldbedingungen gesund umzugehen, ist im Sinne des Kohärenzgefühls von Bedeutung. Schutzfaktoren wirken der Entstehung von Krankheiten entgegen. Je stärker das Kohärenzgefühl, desto effizienter findet die Stressbewältigung statt (vgl. Feldt, 1997, S. 134 ff.; Van der Colff, Rothmann, 2009, S. 1 ff.), welches einen Puffer gegen Burnout hat (vgl. Kalimo et al., 2010, S. 109 ff.). Das Kohärenzgefühl beeinflusst die Stresswahrnehmung und die Stressorenbewertung (vgl. BzgA, 1996, S. 147) und ist somit ein protektiver Faktor und von entscheidender Bedeutung im Umgang mit Stressoren (vgl. Hänsel, 2017, S. 68), da es gesundheitserhaltendes Potenzial besitzt (vgl. Fichte, 2017, S. 100; RKI, 2015, S. 424). Es weist einen engen Zusammenhang mit Gesundheit, insbesondere der psychischen, auf (vgl. Eriksson, Lindström, S. 376 ff.). Dieses hat das Potenzial, Auswirkungen von Stress auf die subjektive Gesundheit einzudämmen (vgl. Richardson, Ratner, 2005, S. 983). Um Gesundheit zu erhalten bedarf es der Förderung der persönlichen Stresssensibilität und dem erfolgreichen persönlichen Umgang mit Stressoren (vgl. Antonovsky, 1991, S. 127).
Pathogenese und Psychotherapie fokussieren grundsätzlich auf das Krankhafte, bereits Geschehene, welches nicht mehr ungeschehen gemacht werden kann (vgl. Blickhan, 2015, S. 18). Die Salutogenese hingegen wendet sich gegen das Pathogenese-Konzept. Sie richtet den Blick von den Risiko- zu den Schutzfaktoren und adressiert kognitive subjektive Bewertungsmuster im Umgang mit psychischen Belastungen (vgl. Seligman et al., 2005, S. 410 ff.). Das Kohärenzgefühl kann bis ins hohe Alter geformt (vgl. BZgA, 1996, S. 148; Bengel et al., 2001, S. 143 f.; Mittelmark et al., 2017, S. 102) und mittels therapeutischer Interventionen angehoben werden (vgl. Jahrreis, 1996, S. 3 ff.; Sack, Lamprecht, 1997). Salutogenese, der Fokus auf Prävention und psychische Gesundheit von Führungskräften anstatt auf Burnout oder Depression in Betrieben ist eine vernünftige Strategie (vgl. Tomoff, 2018, S. 41). Das Konzept der Salutogenese in der Stressprävention lässt sich folglich heranziehen, um den einleitend aufgezeigten Entwicklungen psychischer Krankheiten zu begegnen.
Das anschließende Kapitel gibt einen entsprechenden Einblick in das Feld der Positiven Psychologie, des Positiven Psychologie Coachings und dessen Interventions-möglichkeiten.
2.2 Positive Psychologie und Coaching: Symbiose von Theorie und Praxis
2.2.1 Positive Psychologie und Coaching - Konzepteinblicke
“Psychology is not just the study of disease, weakness, and damage; it also is the study of happiness, strength, and virtue7 ” (Seligman, 2002, S. 14). Laut Seligman ist Positive Psychologie die Wissenschaft von positiven subjektiven Erfahrungen, positiven individuellen Eigenschaften und positiven Institutionen (vgl. Seligman, Csikszentmihályi, 2000; zitiert nach Junker, 2018, S. 3). Subjektives Wohlbefinden kann aus drei Perspektiven betrachtet werden (vgl. Biswas-Diener, Dean, 2007, S. 41 f.) und resultiert aus: Erstens: externen Lebens- und Umweltbedingungen, wie beispielsweise Termin- und Leistungsdruck oder Arbeitsverdichtungen von Mittelmanagern; Zweitens: internen psychologische Mechanismen, wie Genetik, Evolution und Kognition jeder individuellen Führungskraft; Drittens: persönlichen Vorlieben, wie persönliche Ziele und individuelle emotionale Reaktionen. Nach Diener ist subjektives Wohlbefinden die Summe aus kognitiven Bewertungen und affektiv, emotionalen Reaktionen (vgl. ebd., 1984, S. 542). Subjektives Wellbeing zeigt seltenere negative Affekte wie beispielsweise Stress (vgl. ebd., S. 25ff). Das Kennen der eigenen Stärken korreliert mit subjektivem Wohlbefinden.
Die Positive Psychologie hat Persönlichkeitsentwicklung zum Ziel und fokussiert folglich auf die optimistische, persönliche, subjektive Einschätzung der eigenen Fähigkeiten. Zentrales Konzept der Positiven Psychologie sind Charakterstärken, welche Stärken darstellen, die das Potenzial besitzen, menschliche Entwicklung optimal zu fördern. Sie sind universell gültig, moralisch wertvoll, fördern das Wohlbefinden und sind wesenszugartig (vgl. Blickhan, 2015, S. 157 ff.). Die Klassifikation der 24 Charakterstärken nach Peterson und Seligman (vgl. ebd., 2004), welche nach 6 Tugenden (Weisheit, Wissen, Mut, Humanität, Gerechtigkeit und Transzendenz) kategorisiert sind, findet sich zur Orientierung im Anhang G „Character Strengths and Virtues (CSV)8 “ (vgl. Seligman et al., 2005, S. 410 ff.). Die Zuordnung einer Charakterstärke zu einer Tugend basiert auf ihren Förderungsgrad dieser, also je nachdem welche Tugend sie am ehesten fördert (vgl. Peterson, Seligman, 2004, S. 13; Blickhan, 2015, S. 162 f.; Parks, Schueller, 2014, Pos. 2413). Charakterstärken scheinen eine Pufferwirkung gegen Stress zu haben (vgl. Park et al., 2009, S. 273 ff.). Studien zeigen, dass Menschen, die ihre Stärken einsetzen, weniger Stress erfahren. Dies resultiert einerseits aus positivem Umgang mit Stressoren, welcher als Puffer gegen negative Stress-Effekte fungiert. Andererseits tendieren Menschen, aufgrund des Einsetzens ihrer Stärken zu gesteigerter Zufriedenheit, und scheinen so resistenter gegen Stress zu sein (vgl. McQuaid, 2017, S. 286 f.).
Die Wissenschaft der Positiven Psychologie hat neben der Erkenntnisgewinnung auch zum Ziel, Interventionen für bestimmte Kontexte praktisch anwendbar zu machen (vgl. Tomoff, 2017, S. 36). Naturgemäß findet die Positive Psychologie somit auch mehr und mehr Einzug in das Praxisfeld der Beratung (vgl. Möller, Harzer, 2017, S. 247; Biswas-Diener, Dean, 2007, S. 2; 11; Kauffman, 2006, S. 221). Das praktische Feld des Coachings, als Beratung Gesunder, und das theoretische Konzept der Positiven Psychologie, welches wissenschaftlich das Wohlbefinden manifestiert und Gesundheitsförderung anstrebt, scheinen sich naturgemäß zu ergänzen (vgl. Grant, 2009, S. 426; Biswas-Diener, Dean, 2007, S. 5), denn die Positive Psychologie strebt nach Erkenntnissen zu positiver Entwicklung von Menschen, Organisationen, respektive der Gesellschaft als Ganzes. Die Umsetzung im Sinne von praktischer Anwendung kann insbesondere durch professionelles Coaching gestützt werden. Coaching ist Unterstützungs- und Entwicklungsberatung Gesunder und nimmt im Gegensatz zur pathologischen Ausrichtung der Psychotherapie eine optimale Transmitterrolle ein (vgl. ebd., S. 325). Seligman beispielsweise, schaffte das Authentic Happiness Coaching ProgramTM, um weltweit professionelle Coaches im Bereich der Positiven Psychologie auszubilden, da speziell Coaching dafür geeignet scheint (vgl. Biswas-Diener, 2007, Pos. 127). Die Wissenschaft der Positiven Psychologie offeriert somit Theorien und Interventionen, welche einen Mehrwert für das praktische nicht wissenschaftlich basierte Anwendungsfeld des Coachings darstellen (vgl. Biswas-Diener, 2007, S. 5).
Coaching Dachverbände skizzieren Coaching als lösungs- und zielorientierte Beratung von gesunden Menschen, die individuell ausgerichtet Unterstützung bei der Adressierung persönlicher, beruflicher und/oder privater Herausforderungen bietet (vgl. ECA, 2017) und ferner als eine partnerschaftliche Beziehung zwischen Coach und Coachee in der ein kognitiver Prozess angestoßen wird, welcher den Coachee unterstützt, sein Potenzial zu entfalten (vgl. ICF, o.J.). Der interaktive Prozess fördert die Selbstreflexion, subjektive Wahrnehmung und Selbsthilfe (vgl. ACC, 2017). Coaching ermöglicht eine Ressourcenaktivierung und das Anstoßen von kognitiven Denkprozessen, mittels konversationsgesteuerter und stärkenfördernder Intervention. Ein eklektischer Mix von unterschiedlichen Coachingtools kommt dabei zum Einsatz (vgl. ICF, o.J.). Eine wissenschaftliche Coachingprozess Definition findet sich bis dato nicht. Aus einer vereinfachten Metaperspektive kann der Prozess der Beratung in eine Einstiegs-, Haupt- und Abschlussphase eingeteilt werden. Im Einstieg geht es vorwiegend um die Gestaltung des Erstkontaktes, das Setzen des Rahmens und der Auftragsklärung und der Etablierung einer positiven, wertschätzenden Beziehung. In der Hauptphase bedarf es der Zielerarbeitung, Klärung der Ausgangslage, dem Eruieren möglicher Lösungswege und der Umsetzungsunterstützung. Zum Abschluss sind ein Rückblick auf das Coaching, die gewünschte Zielerreichung und die zukünftigen Umsetzungsschritte zu integrieren (vgl. Ianiro, Kauffeld, 2018, S. 41 ff.). Coaching fußt auf psychologischer Therapie, deren Wirkfaktoren (vgl. Greif, 2015, S. 52) Einzug ins beratende Coaching fanden (vgl. Biswas-Diener, Dean, 2007, S. 29; Greif, 2015, S. 52; Valeska-Dörrich, 2017, S. 85). Greif (2015) listet respektive sieben Wirkfaktoren: Wertschätzung, Affektaktivierung, Problemanalyse, Selbstreflexion, Zielklärung, Ressourcenaktivierung und Umsetzungsunterstützung (vgl. ebd., S. 53 f.; S. 61 f.). Diese Wirkfaktoren sind von grundsätzlicher Bedeutung für einen optimalen Coachingerfolg. Coachingthemen des Mittelmanagements sind neben Selbstmanagement, Selbst- und Fremdbild oder Biografie und persönliche Probleme auch das Stressmanagement (vgl. Böning, 2018, S. 69 f.). Um mit belastenden Situationen entsprechend umzugehen, ist Coaching folglich ein Mittel, auf die persönliche subjektive Komponente von Führungskräften einzuwirken, da diese kurzfristig leichter und schneller beeinflussbar scheint (vgl. Biswas-Diener, 2007, S. 55), im Vergleich zur etablierten genetischen Präposition oder zu den gegebenen externen Lebens- und Arbeitsumständen.
2.2.2 Positive Psychologie Interventionen
Positive Psychologie Interventionen (PPI) sind mögliche Strategien zur Förderung von Wohlbefinden, mit dem Anspruch der Förderung von positiven Gedanken, Gefühlen oder Handlungen (vgl. Blickhan, 2015, S. 292). Sie haben einerseits das Potenzial Schutzfaktoren auszubilden und anderseits Wohlbefinden zu steigern (vgl. Blickhan, 2015, S. 292) und sind ein Mittel, Stressoren positiv zu begegnen. PPI haben das Potenzial, Umlernen zu fördern, im Sinne einer „reeducation of attention and memory9 “ (Rashid, 2009, S. 463). Positives Erleben und positive Emotionen können durch entsprechende Interventionen gefördert werden (vgl. Ruch, Proyer, 2017, S. 111 ff.). Seligman, welcher sämtliche Interventionen, rückreichend bis Buddha bis hin zu den 90-er Jahren der Selbstverwirklichungsindustrie aufzeigte, konstatiert, dass weit über 100 unterschiedliche Interventionen den Anspruch erheben, Wohlbefinden zu fördern (vgl. Seligman et al. 2005, S. 414; Tomoff, 2017, S. 33). Die genaue Anzahl von PPI ist nicht festmachbar. Die Grundlagenforschung ist einerseits zu heterogen, und das Feld der Positiven Psychologie andererseits jung, welches stets neue Interventionen hervorbringt (vgl. Blickhan, 2015, S. 292). Die Anzahl von Interventionen ist weniger wichtig (vgl. Blickhan, 2015, S. 292). Bedeutend ist ihre empirische Evidenzbasierung der Wirksamkeiten (vgl. Seligman et al., 2005, S. 410; Ruch, Proyer, 2017, S. 111 f.), das Aufzeigen erfolgsrelevanter Umsetzungsstrategien, die praktische Anwendung und entsprechende Evaluation.
Der folgende Einblick in das Milieu der Zielgruppe „Führungskräfte des Mittelmanagements“ schließt den theoretischen Überblick ab.
2.3 Milieueinblick: Zielgruppe Führungskräfte Mittelmanagement
Grundsätzlich bedeutet Führung Einflussnahme mit der Intention ein Ziel zu erreichen (vgl. Neuberger, 2002, S. 11ff). In Bezug auf die Tätigkeit der Führung findet eine Einteilung in direkt (personal) und indirekt (strukturell) statt (vgl. Wunderer, Grunwald, 1980), welche in Unternehmen somit durch Strukturen sowie Personen stattfindet (von Rosenstiel, 2014, S. 26). Die strukturelle Führung meint das Setzen von Rahmenbedin-gungen, wie beispielsweise Zielvereinbarungen, Verantwortungsbereichabgrenzung, Aufgabenplanung respektive das Folgen von Reglementierungen (vgl. Puckett, 2016, S. 21). Die personale, direkte Führung fokussiert auf die Interaktion mit Menschen, welche in der Organisationsforschung die gerichtete intentionale auf Kommunikation basierende zielorientierte Einflussnahme einer Führungskraft auf den Mitarbeiter bedeutet und somit die Interaktion von mindestens zwei Personen darstellt (von Rosenstiel, 2014, S. 3 ff.). Management kann als Leitung sozioorganisatorischer Unternehmen mit Hilfe von managementtechnischen Methoden definiert werden (vgl. Simon, 2009), welche in der Managementlehre aus zwei Blickwinkeln betrachtet wird: die institutionelle Perspektive meint einen Führungsstab an anweisungsbefugten Personen und die funktionelle Perspektive umfasst die Steuerungsaufgaben des Unternehmens (vgl. Steinmann, Schreyögg, 2005, S. 6). Grundsätzlich meint Führung als auch Management das Bewältigen von Aufgaben und das Führen von Personen. Die Begriffe Führung(skraft) und Manage(r)ment werden folglich synonym verwendet.
Die Person des Führenden in der vorliegenden Arbeit orientiert sich an der Definition des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI), welche eine Führungskraft, als eine Person mit Personal- und/oder Budgetverantwortung bezeichnet (vgl. ebd., 2008, S. 5). Des Weiteren an jener des Deutschen Institutes für Wissenschaftsforschung (DIW), welche diese als eine Person in einem Angestelltenverhältnis, welche hochqualifizierten Führungsaufgaben nachgeht und Leitungsfunktion innehat, definiert (vgl. ebd., 2010, S. 16). Eine grundsätzliche Einteilung von Führungskräften kann mittels des Indikators der Managementebene grob in Oberes Management, auch als Top-Management oder Exekutives bezeichnet, in Mittelmanagement und Unteres Management samt Mitarbeiter durchgeführt werden (vgl. Weihrauch et al., 2018, S. 210; DIW, 2010, S. 21 f.). Top-Manager sind Führungskräfte der höchsten Managementebene, also die Geschäftsleitung beziehungsweise der Vorstand (vgl. DIW, 2010, S. 22). Sie tragen Verantwortung über das gesamte Management (vgl. Böning, 2018, S. 64) mit der vorwiegenden Aufgabe der Unternehmensführung und strategischen Entscheidungen. Die unterste Ebene umfasst die Mitarbeiter bzw. das Untere Management, welche Teil der operativen Ebene sind. Die Führungsebene zwischen strategischer und operativer Ebene kann als Mittelmanagement bezeichnet werden (vgl. DIW, 2010, S. 22). Führungskräfte dieser Ebene sind mit der taktischen Führung betraut. Eingebettet zwischen Unternehmensleitung und der operativen Ebene können sich unterschiedlich viele Führungsebenen befinden, da die organisatorische Leitungstiefe je nach Unternehmensgröße und -aufbau verschieden ist (vgl. Böning, 2015, S. 40 ff.). Abbildung 2.4 zeigt grafisch die Anordnung der Managementebenen zur Orientierung.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2.4 Positionierung von Managementebenen (in Anlehnung an Mintzberg, 1979)
Die vorliegende Arbeit fokussiert auf Führungskräfte des Mittelmanagements, welche der taktischen Ebene zugeordnet sind. Mittelmanager haben sich rasant geänderten Arbeitsbedingungen zu stellen (vgl. Regnet, 2014, S. 32). Ferner ist die Position des Mittelmanagers aufgrund kontroverser Anforderungen speziell belastend. Diese Führungskräfte sind angehalten ambitionierte Unternehmensstrategien umzusetzen und Entscheidungen mit großer Tragweite zu treffen. Komplexität und gleichzeitiger Mangel an Informationen können Stress verursachen (vgl. Vetter, Mussmann, 2013, S. 286). Außerdem sind sie mit personaler Führung betraut, welche beispielsweise Aufgaben der Motivation und der Mitarbeiterentwicklung umfassen (vgl. ebd., S. 308). Das Umsetzen von strategischen Plänen bei gleichzeitiger Berücksichtigung von konträren operativen Umständen und Mitarbeiteranliegen bergen ein Risiko von mentalen Dissonanzen und können andauernden Stress zur Folge haben (vgl. Bossmann et al., 2016, S. 10). Insbesondere das Mittelmanagement, am Knotenpunkt aller Ansprechgruppen, hat in ihrer Sandwichposition den Druck aufgrund widersprüchlicher Anforderungen, unterschiedlicher Interessen und paradoxer Aufgaben zu bewältigen (vgl. Hänsel, Kaz, 2016, S. V; Zwack et al., 2016, S. 139; Fischer, 2017, S. 4 f.). Vom Top-Management geforderte Kosteneinsparungen, rasche Umsetzungsverpflichtungen, Limitierung der Ressourcen einerseits und Wohlbefinden und bedürfnisgerechtes Handeln in Bezug auf ihre Mitarbeiter andererseits führen zu Rollenparadoxien und Zielkonflikten. Die Dilemmasituation von Mittelmanagern führt zu Loyalitätskonflikten und mündet in negativen Stress und Gefühlen des Kontrollverlustes (vgl. Bossmann et al., 2016, S. 17). Die Multitude dieser widersprüchlichen Anforderungen kann nicht lediglich mit rationalen Wegen gelöst werden (vgl. ebd., 2016, S. 10), es bedarf an persönlichen Bewältigungsstrategien.
Nach Abschluss der theoretischen Ausführungen, gibt das folgende Kapitel einen Einblick in das forschungsmethodische Vorgehen.
3 Forschungsmethodisches Vorgehen
3.1 Überblick des qualitativen Forschungsprozesses
Aufgrund der jungen Disziplin der Positiven Psychologie und des Mangels an relevanten Studien, welche Positive Psychologie Interventionen, Coaching und Stress verbinden, bedarf es einer explorativen Vorgehensweise. Abbildung 3.1 gibt einen grafischen Überblick des methodischen Forschungsprozesses zur Orientierung, welcher nachfolgend ausgeführt wird.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3.1 Prozess des methodischen Vorgehens (eigene Darstellung)
3.2 Recherche, Induktive Selektion und systematische Literaturreview
Zur Beantwortung der beiden Forschungsfragen bedarf es zweier unterschiedlicher Recherchemethoden (vgl. Abbildung 3.1 A:). Zur Beantwortung der Frage „Welche empirisch gesicherten PPI sind salutogenetisch relevant, steigern das Kohärenzgefühl und haben Stresspräventionspotenzial?“ werden vorab empirisch belegte PPI selektiert (a). Um den Anspruch hoher empirischer Belegung zu genügen werden lediglich PPI aus Metaanalysen herangezogen. Metaanalysen zeigen den aggregierten Gesamteffekt mehrerer Studien (vgl. Döring, Bortz, 2016, S. 20). Erkenntnisse weisen dadurch einen tendenziell hohen empirischen Bewährungsgrad auf, da sie auf einer umfassenden Zahl von theorieprüfenden Studien basieren (vgl. ebd, S. 57), welches die externe Validität (vgl. ebd., S. 95) und Objektivität erhöht (vgl. ebd., S. 899). Erkenntnisse aus Metaanalysen zu PPI ermöglichen folglich evidenzbasierte Interventionen zu sichten. Zur Sichtung von Metaanalysen zu PPI wird eine systematische, begrifflich bewusst eng angelegte Literaturrecherche durchgeführt. Dies ermöglicht das Aufzeigen von Metaanalysen zu PPI. Internationale, europäische und deutsche Datenbanken werden systematisch durchsucht: EBSCO, scopus, APA Psyc Net, Pub Med, google scholar, Pub Psych ZPID, science direct, livivio, worldcat, Springer Link und Base. Der Begriff „Positive Psychologie (psychologische) Intervention(en)“ wurde in englischer und deutscher Sprache mit Meta(-)analyse kombiniert. Die Suche wurde auf Titelinhalte eingeschränkt. Zur umfassenden Eruierung von Metaanalysen fand keine Einschränkung des Suchzeitraumes statt. Die Suche wurde im Zeitraum von 3 Monaten, respektive Oktober bis Dezember 2018, durchgeführt. Die gelisteten Suchergebnisse befinden sich im Anhang A „Metaanalysen: Suchergebnisse und Selektion“.
Ferner ist das Wiley-Blackwell Handbook of Positive Psychological Interventions von Parks und Schueller, welches einen erstmaligen umfassenden Überblick des aktuellen Theorie- und Forschungsstandes an PPI zeigt, eine umfassende Auswahlquelle (vgl. ebd., 2014, Pos. 704 ff.). A. Parks, Ph. D. Psychologie (Pennsylvania USA) konzentriert ihre Forschungen auf die Wirksamkeit von PPI. S. Schueller, Ph. D. Präventionsmedizin (Pennsylvania, USA) fokussiert seine Forschungen auf die Entwicklung, Implementierung und Evaluation von Internet- und mobilen PPI.
Ergänzend wurde das Fachbuch „Positive Psychologie – Ein Handbuch für die Praxis“ von Blickhan (2015) als Selektionsquelle herangenommen. D. Blickhan ist Erste Vorsitzende des deutschsprachigen Dachverbandes für Positive Psychologie, Psychologin und Coach, und gibt einen aktuellen umfassenden Einblick der Befunde der Positiven Psychologie und ihrer Nutzung, respektive der praktischen Anwendung.
Dies ermöglicht das Sichern des aktuellen Forschungsstandes und das Abdecken der amerikanischen Sichtweisen, dem Ursprung der Positiven Psychologie aber auch der deutschsprachigen Beiträge, wo Positive Psychologie noch weniger etabliert ist (vgl. Blickhan, 2015, S. 9) und ein möglichst breites Abdecken von empirisch validierten PPI.
Zur Beantwortung der Frage: „Worauf ist bei der Vermittlung von PPI durch Coaching für Führungskräfte des Mittelmanagements Bedacht zu nehmen?“ wird zur Eruierung umsetzungsrelevanter Empfehlungen eine systematische, begrifflich bewusst eng angelegte Literaturrecherche durchgeführt (b). Dies ermöglicht das Aufzeigen themenspezifischer Forschungserkenntnisse ganz speziell in Bezug auf Positive Psychologie Interventionen im Kontext des Stressmanagements und des Coachings. Die vorab erwähnten Datenbanken werden systematisch, nach wissenschaftlichen Publikationen, durchsucht. Ferner werden Bibliothekskataloge, respektive der GVK, KVK – Karlsruher Virtueller Katalog, KIT – Karlsruher Institut für Technologie und Uni Wien Psychologie und das soziale Forschernetzwerk Research Gate recherchiert. In englischer und deutscher Sprache wurde der Begriff „Positive Psychologie (psychologische) Intervention(en)“ mit Coach(ing) und/oder Stress kombiniert. Die Suche wurde auf Titelinhalte eingeschränkt. Der Suchzeitraum wurde aufgrund der begrifflichen Enge nicht eingeschränkt, um den spezifischen Erkenntnisstand umfassend aufzuzeigen. Die Suche wurde ebenfalls im Zeitraum von 3 Monaten, respektive Oktober bis Dezember 2018, durchgeführt. Die Suchergebnisse werden auf Duplikate gesichtet, und entsprechend aussortiert. Die Abstracte der verbleibenden Publikationen werden gelesen, und jene, die keinen relevanten Bezug zum Thema aufweisen, entfernt. Publikationen, welche bei der Schneeballsystem-Sichtung relevant scheinen, werden aufgenommen. Die Dokumentation der Suche und die Literaturliste der recherchierten Dokumente sind im Anhang B „Studien: Literatursuche Überblick“ dokumentiert.
Abschließend werden ebenfalls mögliche Erkenntnisse aus den Metaanalysen und einschlägigen Literaturwerken in Bezug auf optimale Umsetzungsstrategien gesichtet, um in der Betrachtung einzufließen.
3.3 PPI-Bewertungsverfahren (B)
Sämtliche PPI, welche den Literaturwerken und jenen aus den Metaanalysen entnommen sind, wurden in einer Excel-Tabelle alphabetisch in Zeilen gelistet. Duplikate werden herausgenommen. Die selektierten, gelisteten PPI dienen als Forschungs-grundlage und werden gemäß ihrer salutogenetischen Relevanz bewertet.
Dabei werden die Kohärenzgefühlkomponenten der Handhabbarkeit, Verstehbarkeit und Sinnhaftigkeit als Bewertungskriterien herangezogen. Da es sich bei den Bewertungskriterien um keine monetären, sondern subjektive Größen handelt, ist eine quantitative Bewertung nicht möglich. Zur Einschränkung der Subjektivität werden die qualitativen Beschreibungen mittels Punktewerten quantifiziert. Diese Vorgehensweise entspricht der Philosophie der Nutzwertanalyse nach Zangenmeister (2014), basierend auf der Entscheidungsfindungstheorie und ermöglicht die Erhöhung der externen Validität und Objektivität. Tabelle 3.1 zeigt die Bewertungsmatrix zur Orientierung und wird anschließend näher erläutert.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 3.1 Bewertungsmatrix (eigene Darstellung)
Die Tabelle mit in Zeilen gelisteten PPI wird durch die in Spalten festgelegten Bewertungskriterien (Handhabbarkeit, Verstehbarkeit und Sinnhaftigkeit) ergänzt. Die qualitative beschreibende Bewertung gemäß der salutogenetischen Relevanz der einzelnen PPI wird stichpunktartig in der vorliegenden Zeilen- (PPI) / Spalten (Kriterien) Matrix an den jeweiligen Schnittpunkten eingetragen. Im zweiten Schritt werden die subjektiven stichpunktartigen Beschreibungen mittels Vergabe von Punkten quantifiziert. Die Quantifizierung der qualitativen Bewertung wird mittels unipolarer, verbaler Ratingskala durchgeführt, um die Intensität des Zutreffens quantitativ abzubilden. Dadurch werden die inhaltlichen Interpretationen wertmäßig untermauert und die Nachvollziehbarkeit gefördert. Die Punktebewertung ermöglicht, die verbalen Interpretationen mittels Reihung nach Intensitäten darzustellen. Dies dient lediglich der Übersichtlichkeit, Orientierung und gestützten narrativen Interpretation der qualitativen Bewertung. Die zugrundeliegende Punkteskala reicht von 1 bis 10 Punkten, wobei beispielsweise 1 und 2 Punkte „trifft nicht zu“ und 9 bis 10 Punkte „trifft völlig zu“ entsprechen. Tabelle 3.2 zeigt die unipolare, verbale Punkte-Ratingskala im Detail.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 3.2 Unipolare Ratingskala – verbal/quantifiziert (eigene Darstellung)
Die prozentuelle Einteilung und die verbale Beschreibung der zu vergebenden Zutreffen-Punkte dienen zur Unterstützung der Punktebewertung und fördern die Lesbarkeit der subjektiven Auslegungen der verbalen Bewertung von „Trifft gar nicht zu“ bis „Trifft völlig zu“. Die Bewertungsskala weist einen mittleren Umfang von Abstufungen auf. Eine breite abgestufte Bewertung (beispielsweise 15 Abstufungen) würde die Differenzierbarkeit erschweren, wohingegen eine sehr gering abgestufte Bewertung (beispielsweise 3 Abstufungen), eine Differenzierung kaum zulassen würde. Abschließend werden Punktesummen der Zeilen und Spalten ermittelt. Je höher die Zeilenpunkteanzahl, desto höher die salutogenetische Relevanz der jeweiligen PPI in der Stresspräventions-anwendung. Die Maximalsumme einer bewerteten PPI von 30 (3 Kriterien x 10 Punkte) entspricht völliger Übereinstimmung, im Sinne hoher Relevanz, wohingegen die Minimalsumme von 3 Punkten (3 Kriterien x 1 Punkt) keiner Übereinstimmung entsprechen würde. Die Spaltensummen geben Aufschluss darüber, welche Komponente des Kohärenzgefühls aller bewerteten PPI am stärksten beziehungsweise am wenigsten stark angesprochen wird.
Jene PPI, welche das Kohärenzgefühl überwiegend ansprechen, werden ausgewählt. Diese entsprechen der qualitativen Bewertung von „Trifft völlig zu“ und „Trifft ziemlich zu“. Quantifiziert bedeutet dies, dass alle PPI, welche eine Relevanz von >=70% aufweisen, selektiert werden und in die Konsolidierung der Erkenntnisse und die praktische Implikation einfließen.
3.4 Synthese der Erkenntnisse (C), Diskussion (D), Praktische Implikation (E)
Die Erkenntnisse aus den wissenschaftlichen Dokumenten zu optimalen Umsetzungswegen werden aufgezeigt, narrativ ausgeführt und mit jenen Erkenntnissen aus den Metaanalysen zu etwaigen optimalen Umsetzungsstrategien ergänzt.
Im Diskussionsteil werden die Bewertungs- und Studienerkenntnisse mittels logischen Schlüssen und Analogien interpretiert, deduktiv aus der wissenschaftlichen Theorie gefestigt und kritisch reflektiert. Des Weiteren werden die Grenzen des methodischen Vorgehens aufgezeigt. Folgend werden die Erkenntnisse gemäß den Coachingwirkfaktoren im Coachingprozess eingeordnet und im Sinne der Angewandten Positiven Psychologie der Gesundheitsförderung eine mögliche Umsetzungsemp-fehlung aufgezeigt, die auf wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen beruht. Diese kann zur Stressprävention im Führungskräftecoaching für das Mittelmanagement herange-zogen werden. Ein Ausblick für zukünftigen Forschungsbedarf und ein Fazit runden die Arbeit ab.
4 Erkenntnisse
4.1 Teil A: Nutzwertanalyse
4.1.1 Erkenntnisse aus PPI-Selektionsverfahren und Datenaufbereitung
Zur Selektion von PPI wurden im ersten Schritt relevante PPI-Wirksamkeits-Metaanalysen recherchiert und im zweiten Schritt die beiden der Arbeit zugrunde gelegten PPI-Literaturwerke eingehend gesichtet. Die Suche nach Metaanalysen zur Wirksamkeitsprüfung von PPI ergab nach Elimination von Duplikaten in den Suchergebnissen 6 Treffer. Tabelle 4.1 zeigt diese 6 Metaanalysen samt Kurz-beschreibung und Selektionsentscheidung.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 4.1 PPI-Wirksamkeits-Metaanalysen: Finale Suchergebnisse (eigene Darstellung)
Nach Sichten der Abstracte und Inhalte dieser Metaanalysen wurden 2 ausgeschieden. Die Metaanalyse von White (2016) stellt eine Replikation der beiden selektierten Metaanalysen von Sin und Ljubomirsky (2009) und Boiler et al. (2013) dar, welche somit bereits die PPI dieser beiden Metaanalysen enthalten. Die Metaanalyse von Versluis et al. (2016) adressiert das Konzept von Ökologischen Momentan-Interventionen (EMIs)10, welche nicht respektive dem Konzept von PPI entsprechen. EMIs sind Behandlungen beziehungsweise Therapien, welche speziell im realen Alltag und der natürlichen Umgebung von Personen umgesetzt werden. Die PPI für das Bewertungsverfahren werden schließlich aus den 4 final relevanten Metaanalysen zur Wirksamkeit von PPI von Sin und Ljubomirsky (2009), Boiler et al. (2013), Chakhssi et al. (2018) und Pavlacic et al. (2018) aufbereitet. Die erste umfassende Metaanalyse von Sin und Ljubomirsky stammt aus dem Jahr 2009 gefolgt von Boiler et al. im Jahr 2013. Aus 2018 stammen jene von Pavlacic et al. und Chakhssi et al. Diese werden folgend kurz vorgestellt.
[...]
1 Wellbeing: Wohlbefinden, Wohlergehen (deutsche Übersetzung durch die Autorin)
2 Präventionsgesetz (PrävG) (2015) Gesetz zur Stärkung der Prävention und Gesundheitsförderung. Vom 17. Juli 2015. Bundesgesetzblatt Jahrgang 2015 Teil I Nr. 31, ausgegeben zu Bonn 24. Juli 2015, Bundesanzeiger Verlag.
3 State of mind: a person's mood and the effect that mood has on the person’s thinking and behavior (Cambridge dictionary) – die Stimmung einer Person, und der Effekt, welcher diese Stimmung auf das Denken und Verhalten dieser Person, hat (deutsche Übersetzung durch die Autorin)
4 Effort-Reward-Imbalance Modell (ERI-Modell)
5 „Es ist nicht der Stress, welcher uns umbringt, es ist unsere Reaktion darauf.“ (deutsche Übersetzung durch die Autorin)
6 Viktor Frankl „Der Wille zum Sinn“: psychologisch-philosophisches Konzept der Logotherapie
7 “Psychologie ist nicht bloß das Studium von Krankheit, Schwäche und Schädigung; sie ist auch das Studium vom Glücklichsein, Stärke und Tugend“ (deutsche Übersetzung durch die Autorin)
8 Charakterstärken und Tugenden (deutsche Übersetzung durch die Autorin)
9 Umschulung von Aufmerksamkeit und Gedächtnis (deutsche Übersetzung durch die Autorin)
10 EMI – Ecological Momentary Intervention
- Citar trabajo
- Michaela Perteneder-Goll (Autor), 2019, Salutogenese, Coaching und Positive Psychologie. Eine triadische Reziprozität, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/463974
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