Diese Arbeit möchte nicht nur die Bemühungen und Versuche der tansanischen Regierung auf diesem Weg nachzeichnen, Erfolge und Fehlschläge einordnen, sondern auch nach Gründen dafür suchen, warum gerade dieser Weg gewählt wurde, warum diese oder jene Entscheidung so oder so ausfiel. Welche Strukturen, welche Art des Denkens lagen hinter dem historischen Ablauf der Ereignisse, welche Motive hatten die Akteure?
Es war vermutlich der bisher letzte Versuch einer Regierung die Gesellschaft zum Wohl der Bevölkerung radikal umzubauen. Tanganyika, das spätere Tansania, stand mit seiner Unabhängigkeit 1961 vor dem Problem, aus einem der ärmsten Gebiete Afrikas einen Nationalstaat zu formen, der seinen Bürgern einen ausreichenden Lebensstandard bieten würde. Die Schaffung eines Nationalgefühls war eine neue Aufgabe, die Bekämpfung von Armut und Unterentwicklung eine alte. Bereits die Kolonialregierung hatte es sich seit Ende des Zweiten Weltkriegs zur Aufgabe gemacht, die Entwicklung des Landes voran zu bringen. Bei der Untersuchung der Entwicklungspolitik der vor- und nachkolonialen Zeit, der 1950er bis 1970er Jahre, werden Kontinuitäten sichtbar werden, sowohl hinsichtlich der Ziele, als auch der Methoden.
Besondere Beachtung werden vermeintliche Brüche finden, Momente, in denen die programmatischen Aussagen von Präsident und Partei in einen Widerspruch zur praktischen Durchführung geraten, als z.B. ein lange gefördertes Projekt, das als Vorbild für das ganze Land diente, plötzlich zerschlagen wurde. Gründungen von Ujamaadörfern wurden seit Beginn der Unabhängigkeit propagiert, aber erst mit der Arusha Deklaration 1967 wurde der Sozialismus zum Staatsziel erklärt. Das Ende dieser Politik ist weniger eindeutig fixierbar.
Während der Höhepunkt der Dorfgründungen noch bevorstand, wurde ein zentraler Teil von Ujamaa, die gemeinschaftliche Produktion, schon 1973 fallengelassen. Als 1976 fast die gesamte ländliche Bevölkerung in Dörfern lebte, waren diese nur noch dem Namen nach Ujamaadörfer. Spätestens während der Schuldenkrise der 1980er Jahre musste Tansania auf Druck des IWF entsprechend der sogenannten Strukturanpassungsprogramme alle staatlichen Eingriffe in die Wirtschaft aufgeben, was für die Dörfer das Ende eines kostenlosen Gesundheitswesens und kostenloser Grundschulen bedeutete.
Inhalt
1. Einleitung
2. Unabhängig aber arm
2.1. Spätkoloniale Entwicklungsversuche
2.2. Der Weltbankbericht
2.3. Village Settlement Scheme, 1962-1966.8
3. Ujamaa in Kürze
4. Litowa und die Ruvuma Development Association (RDA)
4.1. Die Arusha Deklaration
4.2. Das Ende der RDA
5. Von Ujamaa Vijijini zur Large Scale Villagization
5.1. Mit Zuckerbrot und Peitsche ins Entwicklungsdorf
5.2. Vormoderne Gesellschaft und Klassenkampf
6. Sozialismus in einer Ex-Kolonie
6.1. Panafrikanismus und der afrikanische Sozialismus
6.2. Ujamaa, der tansanische Sozialismus
6.3. Die Wirklichkeit der afrikanischen Tradition und der Einfluss Europas
7. Der Diskurs von Fortschritt und Entwicklung
7.1. Die Ästhetik der Moderne
8. Fazit
9. Abkürzungen
10. Quellen und Literatur
- Citar trabajo
- Christian Neumann (Autor), 2019, Die Entwicklungspolitik und Entwicklungspraxis in Tansania zwischen 1945 und 1980, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/463775
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