Ziel der vorliegenden Diplomarbeit ist es, dem Leser einen Überblick über das Berichtsinstrument des Konzernlageberichts im Kontext der nationalen und internationalen Entwicklungen und deren Anforderungen zu geben. Schwerpunkt der Ausführungen zur Konzernlageberichterstattung nach deutschen Rechnungslegungsstandards liegt klar auf den Berichterstattungserfordernissen des DRS 15. An einigen Stellen (vergleichend oder zum besseren Verständnis) wird auch auf die Stellungnahme zur Rechungslegung (RS) des Hauptfachausschusses (HFA) des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) Nr. 1 (IDW RS HFA 1) eingegangen, da diese bis zur Veröffentlichung des DRS 15 die deutsche Lageberichterstattung nach den §§ 289 und 315 HGB näher konkretisierte und sozusagen die offizielle Fundstelle zu Fragen bzgl. der Lageberichterstattung vor DRS 15 war. Schwerpunkt der Ausführungen zur amerikanischen MD&A liegt auf den Berichterstattungserfordernissen der Securities and Exchange Commission (SEC), die für die MD&A in Regulation S-K Item 303 geregelt ist. Im folgenden Kapitel wird zu Beginn die historische Entwicklung des Konzernlageberichts und dessen Einordnung als Rechnungslegungsinstrument in Deutschland geschildert, um die Grundlage für die anschließende Konkretisierung der Konzernlageberichtsinhalte nach DRS 15 zu legen. Zum näheren Verständnis und um einen Eindruck der aktuellen Lageberichtspraxis zu geben, wird nach jedem Punkt des 2. Kapitels auf die Lageberichte von sechs Unternehmen eingegangen. Kapitel 3 behandelt die entsprechenden amerikanischen Publizitätsvorschriften. Dazu wird zunächst die Systematisierung der nicht-finanziellen Berichterstattung nach US-amerikanischen Vorschriften untersucht, um anschließend näher auf die Berichtsinhalte, die in der MD&A gefordert werden, einzugehen. In Kapitel 4 soll der derzeitige Stand bei der Erarbeitung eines europäischen Standards zu einem „Management Commentary“ verdeutlicht werden, um einen Einblick in die Entwicklungen beim International Accounting Standards Board (IASB) zu geben. In Kapitel 5 erfolgt eine synoptische Gegenüberstellung der Berichterstattung von DRS 15 und der MD&A mit einer Erläuterung der wesentlichen Unterschiede dieser beiden Berichtsinstrumente. Die Diplomarbeit schließt mit einer Zusammenfassung und kritischen Würdigung von DRS 15 im Kontext internationaler Entwicklungen.
Inhaltsverzeichnis
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
1. EINLEITUNG
1.1 PROBLEMSTELLUNG
1.2 ZIEL UND AUFBAU DER ARBEIT
1.3 NOTWENDIGKEIT NICHT-FINANZIELLER BERICHTERSTATTUNG
2. DER KONZERNLAGEBERICHT NACH DEUTSCHEN RECHNUNGSLEGUNGSSTANDARDS
2.1 DIE ENTWICKLUNG DER GESETZLICHEN REGELUNGEN ZUM KONZERNLAGEBERICHT
2.1.1 Der Konzernlagebericht im Aktiengesetz von 1965
2.1.2 Der Konzernlagebericht nach dem Bilanzrichtlinien-Gesetz
2.1.3 Der Konzernlagebericht nach dem Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich
2.1.4 Anerkennung des Deutschen Rechnungslegungs Standards Committees
2.1.5 Der Konzernlagebericht nach dem Bilanzrechtsreformgesetz
2.2 RAHMENBEDINGUNGEN FÜR DIE AUFSTELLUNG DES KONZERNLAGEBERICHTS
2.2.1 Aufstellung des Konzernlageberichts
2.2.2 Zweck der Konzernlageberichterstattung
2.2.3 Grundsätze der Lageberichterstattung
2.2.3.1 Grundsatz der Vollständigkeit
2.2.3.2 Grundsatz der Verlässlichkeit
2.2.3.3 Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit
2.2.3.4 Grundsatz der Vermittlung der Sicht der Unternehmensleitung
2.2.3.5 Grundsatz der Konzentration auf die nachhaltige Wertschaffung
2.2.3.6 Zusammenfassender Überblick
2.3 INHALT DES KONZERNLAGEBERICHTS
2.3.1 Auswahl des Unternehmenssamples
2.3.2 Einleitender Überblick
2.3.2 Geschäft und Rahmenbedingungen
2.3.2.1 Überblick über den Konzern
2.3.2.2 Darstellung des Geschäftsverlaufs
2.3.2.3 Darstellung der Unternehmenssteuerung
2.3.2.4 Forschung und Entwicklung
2.3.3 Ertrags-, Finanz- und Vermögenslage
2.3.4 Ertragslage
2.3.4.1 Einleitender Überblick
2.3.4.2 Ergebnisquellenanalyse
2.3.4.3 Ergebnisstrukturanalyse
2.3.5 Finanzlage
2.3.5.1 Kapitalstruktur
2.3.5.2 Außerbilanzielle Finanzierungsinstrumente
2.3.5.3 Investitionsanalyse
2.3.5.3 Liquiditätsanalyse
2.3.6 Vermögenslage
2.3.6.1 Materielle Werte des Konzerns
2.3.6.2 Immaterielle Werte des Konzerns
2.3.7 Nachtragsbericht
2.3.8 Risikobericht
2.3.8.1 Gesetzliche Regelungen
2.3.8.2 Gegenstand des Risikoberichts
2.3.8.3 Inhalt des Risikoberichts
2.3.8.6 Zeitlicher Rahmen
2.3.9 Prognosebericht
3. DIE MANAGEMENT’S DISCUSSION AND ANALYSIS OF FINANCIAL CONDITION AND RESULTS OF OPERATIONS
3.1 GRUNDLEGENDE SYSTEMATISIERUNG NICHT-FINANZIELLER BERICHTERSTATTUNG
3.1.1 Abgrenzung des Untersuchungsgegenstands
3.1.2 Entwicklung der Vorschriften zur MD&A
3.1.3 Eingliederung und Zweck der MD&A in der nichtfinanziellen Berichterstattung
3.2 RAHMENBEDINGUNGEN ZUR AUFSTELLUNG DER MD&A
3.2.1 Aufstellung der MD&A
3.2.2 Allgemeine Grundsätze
3.2.3 Aufbau, Umfang und zeitlicher Rahmen der MD&A
3.3 INHALT DER MD&A
3.3.1 Finanzlage
3.3.1.1 Liquidität und Kapitalausstattung
3.3.1.2 Tabellarische Offenlegung von vertraglichen Verpflichtungen
3.3.2 Ertragslage
3.3.3 Kritische Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden
3.3.3.1 Hintergrund
3.3.3.2 Geplante Vorschriften
3.3.4 Off-balance sheet arrangements
3.3.5 Vorschriften der MD&A zur Zwischenberichterstattung
3.3.6 Prognoseinformationen in der MD&A
4. MANAGEMENT COMMENTARY NACH IFRS
4.1 HINTERGRUND
4.2 VORLÄUFIGE SICHTWEISE DES IASB
5. UNTERSCHIEDE DER BERICHTERSTATTUNG DER MD&A IM VERGLEICH ZUM HANDELRECHTLICHEN KONZERNLAGEBERICHT NACH DRS
5.1 BESPRECHUNG DER VERMÖGENSLAGE IN DER MD&A
5.2 FEHLENDER NACHTRAGSBERICHT DER MD&A
5.3 ANGABEN ZU FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG
5.4 GESCHÄFT UND RAHMENBEDINGUNGEN
5.5 UNTERSCHIEDE IN DER RISIKOBERICHTERSTATTUNG
5.6 UNTERSCHIEDE IM ZEITLICHEN UMFANG DER BERICHTERSTATTUNG
6. WÜRDIGUNG DES DRS 15 VOR DEM HINTERGRUND INTERNATIONALER
ENTWICKLUNGEN
LITERATURVERZEICHNIS
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1 : Die externen Rechnungslegungsinstrumente nach dem AktG 1965
Abbildung 2 : Die externen Rechnungslegungsinstrumente nach dem BiRiLiG
Abbildung 3 : Das Zwecksystem der Lageberichterstattung
Abbildung 4 : Die Grunds ä tze der (Konzern-)Lageberichterstattung nach DRS 15
Abbildung 5 : Auswahl des Unternehmenssamples
Abbildung 6 : Auftragsbestand der IWKA-Gruppe
Abbildung 7 : Umsatzentwicklung der Hornbach-Gruppe
Abbildung 8 : Konzernumsatz der Deutschen Telekom nach Divisionen
Abbildung 9 : Konzern-Bilanzstruktur Hornbach Holding AG
Abbildung 10 : Sachinvestitionen der IWKA nach Gesch ä ftsbereichen
Abbildung 11 : Kurzfassung der Kapitalflussrechnung der Deutschen Telekom AG
Abbildung 12 : Der Risikomanagementprozess
Abbildung 13 : St ä rken und Schw ä chen der Risikoberichte der Automobilindustrie
Abbildung 14 : Informationskategorien in Anlehnung an FASB, SFAC Nr. 5, 1984
Abbildung 15 : Inhalte j ä hrlicher Berichterstattungspflichten in den USA
Abbildung 16 : Hierarchie der „ accounting qualities “ nach FASB, SFAC Nr. 2, 1980
Abbildung 17 : Contractual Obligations
Abbildung 18 : Synoptische Gegen ü berstellung von MD&A und DRS 15
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
1.1 Problemstellung
Auf nationaler und internationaler Ebene befindet sich die Rechnungslegung seit eini- gen Jahren in einem Wandel. Die sog. IAS-Verordnung1 des Europäischen Parlamentes und des Rates in bezug auf die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards verpflichtet Unternehmen, die dem Recht eines Mitgliedstaates unterliegen und deren Wertpapiere zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen sind, für Geschäftsjah- re, die nach dem 31.12.2004 beginnen, ihren Konzernabschluss nach IFRS aufzustellen. War die kontinentaleuropäische Rechnungslegung bisher sehr vom Gläubigerschutzge- danken geprägt, findet nun ein Paradigmawechsel hin zu internationalen Bilanznormen statt, deren Ziel die Bereitstellung entscheidungsrelevanter Informationen ist.2 Im Rah- men dieser weitreichenden Änderungen erfolgen zurzeit Neuregelungen über die gesetz- lichen Publizitätsumfänge und -anforderungen. Insbesondere die am 6.5.2003 vom Mi- nisterrat der EU verabschiedete Modernisierungsrichtlinie3 reformiert die bisherigen Bi- lanzrichtlinien und trägt damit der Forderung nach weiterer Harmonisierung Rechnung. Um den Standort Deutschland im internationalen Wettbewerb um Kapital und Investo- ren attraktiver zu gestalten, nahm der Gesetzgeber die europäischen Vorgaben zum An- lass, das Bilanzrecht weitreichend zu reformieren. Vor diesem Hintergrund spielen die Neuregelungen zum Konzernlagebericht eine bedeutende Rolle, die das Deutsche Rech- nungslegungs Standards Committee (DRSC) zur Erarbeitung des Deutschen Rech- nungslegungs Standards (DRS) Nr. 15 „Lageberichterstattung“4 (im folgenden DRS 15) veranlassten. Der Lagebericht wird zu einem zukunfts- und wertorientierten Berichtsin- strument erweitert, um den Shareholdern, Stakeholdern und potentiellen Investoren (Adressaten) entscheidungsrelevante Informationen zur Verfügung zu stellen. Doch nicht nur in Deutschland hat dieses wichtige Informationsmedium an Bedeutung ge- wonnen. Das US-amerikanische Pendant dazu ist die sog. Management’s Discussion and Analysis of Financial Condition and Results of Operations (MD&A). Die entspre- chenden Vorschriften dazu haben als Folge von Bilanzskandalen der jüngsten Vergan- genheit im Rahmen des Sarbanes-Oxley Acts von 2002 weitreichende Neuerungen er- fahren. Auf europäischer Ebene schließlich ist das International Accounting Standards Board (IASB) gerade dabei, einen Standard zu einem „Management Commentary“ zu erarbeiten. In diesem Kontext bieten sich interessante Diskussionsgrundlagen, um die internationale Angleichung der Lageberichtsinstrumente zu diskutieren und bestehende Unterschiede hervorzuheben.
1.2 Ziel und Aufbau der Arbeit
Ziel der vorliegenden Diplomarbeit ist es, dem Leser einen Überblick über das Berichts- instrument des Konzernlageberichts im Kontext der nationalen und internationalen Entwicklungen und deren Anforderungen zu geben. Schwerpunkt der Ausführungen zur Konzernlageberichterstattung nach deutschen Rechnungslegungsstandards liegt klar auf den Berichterstattungserfordernissen des DRS 15. An einigen Stellen (vergleichend o- der zum besseren Verständnis) wird auch auf die Stellungnahme zur Rechungslegung
(RS) des Hauptfachausschusses (HFA) des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) Nr. 1 (IDW RS HFA 1)5 eingegangen, da diese bis zur Veröffentlichung des DRS 15 die deutsche Lageberichterstattung nach den §§ 289 und 315 HGB näher konkretisierte und sozusagen die offizielle Fundstelle zu Fragen bzgl. der Lageberichterstattung vor DRS 15 war. Schwerpunkt der Ausführungen zur amerikanischen MD&A liegt auf den Be- richterstattungserfordernissen der Securities and Exchange Commission (SEC), die für die MD&A in Regulation S-K Item 303 geregelt ist. Im folgenden Kapitel wird zu Be- ginn die historische Entwicklung des Konzernlageberichts und dessen Einordnung als Rechnungslegungsinstrument in Deutschland geschildert, um die Grundlage für die an- schließende Konkretisierung der Konzernlageberichtsinhalte nach DRS 15 zu legen. Zum näheren Verständnis und um einen Eindruck der aktuellen Lageberichtspraxis zu geben, wird nach jedem Punkt des 2. Kapitels auf die Lageberichte von sechs Unter- nehmen eingegangen. Kapitel 3 behandelt die entsprechenden amerikanischen Publizi- tätsvorschriften. Dazu wird zunächst die Systematisierung der nicht-finanziellen Be- richterstattung nach US-amerikanischen Vorschriften untersucht, um anschließend nä- her auf die Berichtsinhalte, die in der MD&A gefordert werden, einzugehen. In Kapitel 4 soll der derzeitige Stand bei der Erarbeitung eines europäischen Standards zu einem „Management Commentary“ verdeutlicht werden, um einen Einblick in die Entwicklungen beim International Accounting Standards Board (IASB) zu geben. In Kapitel 5 erfolgt eine synoptische Gegenüberstellung der Berichterstattung von DRS 15 und der MD&A mit einer Erläuterung der wesentlichen Unterschiede dieser beiden Berichtsinstrumente. Die Diplomarbeit schließt mit einer Zusammenfassung und kritischen Würdigung von DRS 15 im Kontext internationaler Entwicklungen.
1.3 Notwendigkeit nicht-finanzieller Berichterstattung
Der Jahresabschluss versucht die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens durch mone- täre Größen abzubilden. Diese einwertige monetäre Abbildung führt jedoch in mehrfa- cher Hinsicht zu Informationsverlusten.6 Um sich ein Urteil über Produktprogramme, die Marktstellung, die Innovationskraft, die Kundentreue, die Fähigkeiten der Beleg- schaft, die Organisation oder die Leistung- und Leitungsfähigkeit des Managements zu machen, hat es wenig Sinn, eine Bilanz oder eine GuV durchzulesen. Die meisten dieser Potentiale bleiben verborgen. Einflussfaktoren der künftigen finanziellen Entwicklung werden nur dann erfasst, wenn sie Güter- oder Geldbewegungen oder Wertveränderun- gen von Vermögensgegenständen auslösen und buchungspflichtige Geschäftsvorfälle darstellen. Ein großer Teil inner- und außerbetrieblicher Vorgänge, wie z. B. drohende Umsatzeinbußen wegen der Markteinführung von Konkurrenzprodukten, ein Durch- bruch in der Forschung und Entwicklung neuer Technologien oder der Abschluss von Kooperationsvereinbarungen, die die erwarteten Ein- und Auszahlungen positiv oder negativ beeinflussen können, bleibt unberücksichtigt. Des weiteren sind die Daten in der Bilanz vorwiegend vergangenheitsbezogen und spiegeln nur in geringem Maße (z. B. über die Wertansätze der Abschreibungen oder Rückstellungen) zukunftsbezogene In- formationen wieder. Unabhängig davon, ob die finanzielle Berichterstattung zur Prog- nose künftiger Erfolge oder Cashflows geeignet ist, wird der direktere Zusammenhang zwischen qualitativen Einflussfaktoren und künftigen finanziellen Auswirkungen dem Leser nicht nutzbar gemacht. Dieses Informationsdefizit der Finanzberichterstattung i. e. S. muss um qualitative und erläuternde Berichtspflichten ergänzt werden, um die geforderte Darstellung der für die Entwicklungsmöglichkeiten und Ertragsaussichten des Unternehmens bedeutsamen Einflussfaktoren nicht auf die Entwicklung des Buchvermögens zu reduzieren. Die Wichtigkeit von Interpretationen und Erläuterungen zum Jahresabschluss wird auch im internationalen Kontext hervorgehoben:
“Management knows more about the enterprise and its affairs than investors, creditors, or ‘other outsiders‘ and can often increase the usefulness of financial information by identifying certain transactions, other events, and circumstances that affect the enterprise and explaining their financial impact on it. … Moreover, financial reporting often provides information that depends on, or is affected by, management‘s estimates and judgement. Investors, creditors, and others are aided in evaluating estimates and judgemental information by explanations of underlying assumptions or methods used, including disclosure of sig- nificant uncertainties about principal underlying assumptions or estimates”7.
2. Der Konzernlagebericht nach deutschen Rechnungslegungsstandards
2.1 Die Entwicklung der gesetzlichen Regelungen zum Konzernlagebericht
2.1.1 Der Konzernlagebericht im Aktiengesetz von 1965
Durch das Aktiengesetz von 19658 (AktG 1965) mussten Konzernobergesellschaften der Rechtsform Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien erstmals nach § 329 AktG 1965 neben dem Jahresabschluss, bestehend aus Konzernbilanz und Konzern-GuV, einen Geschäftsbericht gem. § 334 AktG 1965 erstellen, der auch der Konzernabschlussprüfung gem. § 336 unterlag. Im ersten Teil war gem. § 334 Abs. 1 AktG 1965 der Umfang des Konzerns und des Konsolidierungskreises darzustellen. Gem. Abs. 2 war der Geschäftsverlauf und die Lage des Konzerns und der in den Kon- zernabschluss einbezogenen Unternehmen darzulegen und über Vorgänge von besonde- rer Bedeutung zu berichten, die nach dem Stichtag des Konzernabschlusses eingetreten waren. Gem. Abs. 3 sollte der Konzerngeschäftsbericht ferner den Konzernabschluss er- läutern und weitere zusätzliche Angaben machen. Die Berichterstattung hatte gem. Abs 4 den Grundsätzen einer gewissenhaften und getreuen Rechenschaft zu entsprechen und sollte insgesamt „einen umfassenden Überblick über die wirtschaftliche Situation des
Konzerns geben“9. In der Praxis hat sich für den Konzerngeschäftsbericht eine Dreitei- lung in einen „Bericht über den Umfang des Konzerns und des Konsolidierungskreises“ nach § 334 Abs. 1 AktG 1965, den „Konzernlagebericht“ gem. § 334 Abs. 2 AktG 1965 und einen „Konzernabschluss-Erläuterungsbericht“ gem. § 334 Abs. 3 AktG 1965 erge- ben.10 Der Konzerngeschäftsbericht war gem. § 336 Abs. 2 AktG 1965 daraufhin zu prüfen, ob § 334 Abs. 1, 3 und 4 AktG 1965 beachtet wurden und ob die sonstigen An- gaben im Bericht nicht eine falsche Vorstellung von der Lage des Konzerns und der Konzernunternehmen erweckten. Abbildung 1 zeigt die Stellung des Konzernlagebe- richts im Rahmen der externen Rechnungslegungsinstrumente nach dem Aktienrecht von 1965.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an SELCH, Lagebericht, 2003, S. 10 Abbildung 1: Die externen Rechnungslegungsinstrumente nach dem AktG 1965
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass dem Konzernlagebericht im Aktien- gesetz 1965 durch die betriebswirtschaftliche Fachliteratur nahezu keine Beachtung ge- schenkt11 und auch in der Praxis ihm mehrheitlich eine geringe Bedeutung beigemessen wurde12.
2.1.2 Der Konzernlagebericht nach dem Bilanzrichtlinien-Gesetz
Mit dem Inkrafttreten des Bilanzrichtlinien-Gesetzes (BiRiLiG)13 änderte sich die for- male Zuordnung der Rechnungslegungsinstrumente.14 Sie wurden vom AktG 1965 in das HGB verlagert und somit rechtsformunabhängig für alle Kapitalgesellschaften gem.
§ 264 Abs. 1 HGB zur Pflicht. Der Konzernlagebericht war bis dahin Teil des Konzerngeschäftsberichts. Durch das BiRiLiG wurden die Angaben gem. § 334 Abs. 1, 3 und 4 AktG 1965 in den Konzernanhang übernommen und der Konzernlagebericht trat nun an die Stelle des Konzerngeschäftsberichts. Der Begriff des „Lageberichts“ wurde aus der vorherrschenden Praxis übernommen und erstmals gesetzlich kodifiziert. Bei der Pflichtprüfung erfuhr er dieselbe Behandlung wie im Geschäftsbericht nach §334 Abs. 2 AktG 1965. Abbildung 2 zeigt die Stellung des Konzernlageberichts im Rahmen der externen Rechnungslegungsinstrumente nach dem BiRiLiG.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an SELCH, Lagebericht, 2003, S. 12 Abbildung 2: Die externen Rechnungslegungsinstrumente nach dem BiRiLiG
2.1.3 Der Konzernlagebericht nach dem Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich
Das KonTraG15 war eine Reaktion des Gesetzgebers auf spektakuläre Unternehmenskri- sen (Schneider, Balsam, Metallgesellschaft) Anfang der 90er Jahre. Es sollte das deut- sche Aktienrecht durch eine Verbesserung des Kontrollsystems der Unternehmens- überwachung (Kontrolle) sowie durch Erhöhung der Unternehmenspublizität (Transpa- renz) modernisieren, internationalisieren und die Unternehmensstrategie stärker auf eine langfristige Wertsteigerung für Anteilseigner ausrichten.16 Durch das KonTraG werden die Vorstände von Aktiengesellschaften verpflichtet, ein Risikomanagementsystem konzernweit zu implementieren (§ 91 Abs. 2 AktG), das bei börsennotierten Aktienge- sellschaften auch der Prüfung durch den Abschlussprüfer unterliegt (§ 317 Abs. 4 HGB). Die Vorschrift zum Lagebericht sowie Konzernlagebericht wird im Rahmen der Darstellung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens bzw. des Konzerns um die „Risiken der künftigen Entwicklung“ ergänzt. Fast zeitgleich verabschiedet der HFA des IDW die Stellungnahme zur Rechnungslegung, den IDW RS HFA 1 zur Aufstellung des Lageberichts, der sozusagen den ersten Standard zur Lageberichterstattung darstellt.
2.1.4 Anerkennung des Deutschen Rechnungslegungs Standards Committees
Getrieben durch die Internationalisierung der Rechnungslegung wurde 1998, auch im Rahmen des KonTraG durch §§ 342 und 342 a HGB erstmals die Möglichkeit eines privatrechtlichen Rechnungslegungsgremiums geschaffen. Durch den Standardisie- rungsvertrag17 vom 3.9.1998 zwischen dem Bundesministerium der Justiz (BMJ) und dem DRSC bzw. German Accounting Standards Committee (GASC) erfolgte die Aner- kennung eines privatrechtlich organisierten Standardisierungsgremiums zur Auslegung von Vorschriften zur Konzernrechnungslegung. Unabhängiges Standardisierungsgremi- um unter dem Dach des DRSC ist der Deutsche Standardisierungsrat (DSR). Ihm wer- den gem. § 342 Abs. 1 Nr. 1-3 die folgenden drei Aufgaben zugesprochen. Die erste Aufgabe besteht in der „Entwicklung von Empfehlungen zur Anwendung der Grundsät- ze über die Konzernrechnungslegung“, die durch das BMJ unter dem Titel „Deutsche Rechnungslegungs Standards“ (DRS) bekannt gemacht werden.18 Die erarbeiteten DRS sind den gesetzlichen Bilanzierungsvorschriften unterstellt und dürfen „nicht im Wider- spruch zu Rechtsvorschriften stehen“19 Wenn die Standards in deutschsprachiger Fas- sung vom BMJ bekannt gemacht worden sind, haben sie die Vermutung für sich, Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) der Konzernrechnungslegung zu sein. Den DRS obliegt auch die Aufgabe, die oftmals sehr allgemein gehaltenen Geset- zesregelungen inhaltlich auszufüllen und detaillierte Anforderungen für deren Ausges- taltung zu formulieren.20 Die Beratung des BMJ bei Gesetzgebungsvorhaben zu Rech- nungslegungsvorschriften ist eng mit dem ersten Auftrag verbunden und beschränkt sich nicht nur auf den Konzernabschluss. Darüber hinaus wird dem DRSC die Vertre- tung der Bundesrepublik Deutschland in internationalen Standardisierungsgremien zu- gestanden. Dies versetzt Deutschland in die Lage, aktiv an dem internationalen Standar- disierungsprozess der Rechnungslegung teilzunehmen. Der Verbindlichkeitscharakter der DRS wird allerdings noch diskutiert, da der Gesetzeswortlaut ihnen lediglich einen
Empfehlungscharakter zukommen lässt. Die Vorschriften des DRSC waren daher bis jetzt nicht rechtsverpflichtend und es ergaben sich für die berichtenden Unternehmen keine Konsequenzen bei Nichtbeachten der DRS.21 Durch die Gründung der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung könnte sich das jedoch sehr bald ändern. Diese als un- abhängiger Verein gegründete Enforcementstelle, die am 30.03.2005 durch das BMJ anerkannt wurde, hat u. a. die Aufgabe, die Einhaltung der für die Rechnungslegung geltenden gesetzlichen Vorschriften einschließlich der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung und der sonstigen durch Gesetz zugelassenen nationalen und internationa- len Rechnungslegungsstandards (§ 342b Abs. 2 S. 1 und 2 HGB) zu prüfen. Davon be- troffen sind Unternehmen, deren Wertpapiere im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 1 des Wertpa- pierhandelsgesetzes an einer inländischen Börse zum Handel im amtlichen oder geregel- ten Markt zugelassen sind. 2001 verabschiedete das DRSC den ersten Standard zum Lagebericht, den DRS 522, der die Berichterstattung über die Risiken der künftigen Entwicklung des Konzerns im Konzernlagebericht weiter vereinheitlichen soll. Im Rahmen dieser Neuerungen erfährt der Lagebericht eine erhebliche Aufwertung und auch die Fachliteratur widmet ihm in der Diskussion um das „Risk Management“ und „Risk Reporting“ deutlich mehr Aufmerksamkeit.
2.1.5 Der Konzernlagebericht nach dem Bilanzrechtsreformgesetz
Eine weitere wesentliche Modernisierung und Aufwertung erhält der Lage- und der Konzernlagebericht durch das Bilanzrechtsreformgesetz (BilReG)23. Er soll den Ge- schäftsverlauf und die Lage umfassend analysieren, wobei neben finanziellen und nicht- finanziellen Leistungsindikatoren auch die Ziele und Erwartungen der Unternehmenslei- tung einzubeziehen sind. Diese nationalen Vorgaben gelten auch für die von der IAS- Verordnung24 erfassten Unternehmen über 2005 hinaus, da bisher kein IAS zum Lage- bericht oder ähnlichen Berichtsinstrumenten existiert25. Kurz nach der Bekanntgabe der offiziellen Fassung des BilReg verabschiedet das DRSC den DRS 15, Lageberichterstattung, dessen Ziel es ist, die großen Unterschiede in Umfang, Inhalt und Struktur der Lageberichterstattung deutscher Unternehmen zu reduzieren.26
2.2 Rahmenbedingungen für die Aufstellung des Konzernlageberichts
2.2.1 Aufstellung des Konzernlageberichts
Gem. § 290 HGB haben die gesetzlichen Vertreter eines Mutterunternehmens in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft27 in den ersten fünf Monaten des Konzernge- schäftsjahrs einen Konzernabschluss sowie einen Konzernlagebericht für das vorange- gangene Konzerngeschäftsjahr aufzustellen, sofern die Bedingungen der Absätze 1 oder 2 des § 290 HGB erfüllt sind. Die grundsätzliche Aufstellungspflicht wird durch die §§ 291 bis 293 HGB relativiert. § 291 befreit Mutterunternehmen, die zugleich Tochterun- ternehmen eines Mutterunternehmens mit Sitz in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirt- schaftsraum sind, von der Aufstellung eines Konzernabschlusses und eines Konzernla- geberichts, wenn das übergeordnete Mutterunternehmen einen befreienden Konzernab- schluss und einen befreienden Konzernlagebericht erstellt und ihn einschließlich des Bestätigungsvermerks oder des Vermerks über dessen Versagung in deutscher Sprache offen legt. Die an den befreienden Konzernabschluss und den befreienden Konzernla- gebericht zu stellenden Anforderungen regelt § 291 Abs. 2 HGB. Gem. § 291 Abs. 3 HGB kann die Befreiungsregelung des § 291 Abs. 1 HGB jedoch trotz des Vorliegens der Voraussetzungen nach § 291 Abs. 2 HGB nicht in Anspruch genommen werden, wenn Minderheitsaktionäre des zu befreienden Mutterunternehmens spätestens sechs Monate vor Ablauf des Geschäftsjahrs die Erstellung eines (Teil-) Konzernabschlusses sowie eines (Teil-) Konzernlageberichts verlangen oder von dem zu befreienden Mut- terunternehmen ausgegebene Wertpapiere am Abschlussstichtag in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen sind. § 292 Abs. 1 HGB befreit Mutterunternehmen, die zugleich Tochterunternehmen eines Mutterunternehmens sind, dessen Sitz nicht in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union und nicht in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäi- schen Wirtschaftsraum liegt, von der Aufstellung eines Konzernabschlusses und eines Konzernlageberichts, sofern das übergeordnete Mutterunternehmen einen den Anforde- rungen des § 292 HGB genügenden befreienden Konzernabschluss und befreienden Konzernlagebericht erstellt. § 293 HGB enthält schließlich größenabhängige Befreiun- gen. Ein Mutterunternehmen ist von der Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlus- ses und eines Konzernlageberichts befreit, wenn am Abschlussstichtag seines Jahresab- schlusses und am vorhergehenden Abschlussstichtag mindestens zwei der in § 293 Abs.
1 Satz 1 Nr. 1 HGB (Bruttomethode) bzw. § 293 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB (Nettome- thode) für die Bilanzsumme, die Umsatzerlöse sowie die durchschnittliche Zahl der Ar- beitnehmer festgelegten Größenkriterien nicht überschritten werden. Gem. § 293 Abs. 4 HGB führt erst ein zweimaliges Überschreiten der Grenzwerte zur Konzernrechnungs- legungspflicht. Die größenabhängigen Befreiungen des § 293 HGB sind gem. § 293 Abs. 5 nicht anzuwenden, wenn das Mutterunternehmen oder ein in den Konzernab- schluss des Mutterunternehmens einbezogenes Tochterunternehmen am Abschlussstich- tag einen organisierten Markt im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 des Wertpapierhandelsge- setzes in Anspruch nimmt oder die Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt beantragt hat. Die gesetzlichen Anforderungen an den Konzernlagebericht regelt § 315 HGB. Für mittelgroße und große Kapitalgesellschaften (§ 264 Abs. 1 HGB) und diesen gleichgestellte Unternehmen (§ 264a HGB) besteht die Pflicht zur Erstellung ei- nes Lageberichts nach § 289 HGB.28 Folglich ist der Lagebericht, welcher Informatio- nen sowohl für Shareholder als auch für Stakeholder zur Verfügung stellt, unabhängig von der Inanspruchnahme des Kapitalmarkts zu erstellen. Der Wortlaut der §§ 315 und 289 HGB ist bis auf die Erörterungen zu den bestehenden Zweigniederlassungen gem. § 289 Abs. 2 Nr. 4 vollkommen identisch. Die Ausführungen in dieser Arbeit beziehen sich zwar auf die Konzernlageberichterstattung, die durch DRS 15 konkretisiert wird, eine entsprechende Anwendung des Standards auf den Lagebericht gem. § 289 HGB wird jedoch angeregt.29
2.2.2 Zweck der Konzernlageberichterstattung
Der Konzernlagebericht ist gem. § 290 Abs. 1 HGB ein eigenständiges Rechnungsle- gungsinstrument und nicht Bestandteil des Konzernabschlusses. Konzernlagebericht und Konzernabschluss sind aber trotz der Trennung inhaltlich nicht voneinander isoliert, denn die Aufgaben des Konzernlageberichts bestehen zum einen in der Verdichtung der Konzernabschlussinformationen und zum anderen in der zeitlichen und sachlichen Er- gänzung des Konzernabschlusses.30 Die Verdichtungsaufgabe des Konzernlageberichts kommt in der Zusammenfassung der im Konzernabschluss abgebildeten Vermögens-, Finanz- und Ertragslage zur Gesamtlage des Konzerns zum Ausdruck. Die Ergänzungs- aufgabe wird einerseits zeitlich durch die Einbeziehung von Prognosen in den Konzern- lagebericht und andererseits sachlich durch die Berichterstattung über die gesamte Lage des Konzerns, die etwa auch die Personal- und Absatzlage umfasst, deutlich. Die Ver- bindung zwischen Konzernabschluss und Konzernlagebericht zeigt sich aber auch noch in einem Vergleich der für beide Rechnungslegungsinstrumente geltenden Generalnorm des „true and fair view“. Der Konzernlagebericht muss nach § 315 Abs. 1 ein den tat- sächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild des Geschäftsverlaufs einschließlich des Geschäftsergebnisses und der Lage des Konzerns vermitteln. Die Generalnorm für den Konzernabschluss gem. § 297 Abs. 1 HGB fordert ein - unter Beachtung der GoB - den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens, Finanz- und Ertragsla- ge des Konzerns. Die fast wortgleiche Kernaussage beider Generalnormen verdeutlicht, dass der aus der Generalnorm des Konzernabschlusses abgeleitete Rechenschaftszweck auch für den Konzernlagebericht gilt.31 Rechenschaft kann aber nur über Vergangenes abgelegt werden und da der Konzernlagebericht auch einen Prognoseteil über die vor- aussichtliche Entwicklung mit ihren wesentlichen Chancen und Risiken enthält, lässt sich der Zweck des Konzernlageberichts treffender als Informationsvermittlung i. w. S. kennzeichnen.32 Nach DRS 15, Tz. 2 dient die Lageberichterstattung zudem der Erläute- rung des Jahresabschlusses. Unter Erläuterung ist gem. DRS 15, Tz. 8 „die weiterge- hende Erklärung, Kommentierung und Interpretation eines Sachverhalts über die reine Darstellung hinaus [zu verstehen, Anm. d. Verf.]. Sie dient der Information über Vor- aussetzungen, Ursachen oder Konsequenzen von Sachverhalten oder Maßnahmen und werden in der Regel verbal gegeben.“ Der Zweck des Konzernlageberichts nach DRS 15 erhält durch die Empfehlung zur analogen Anwendung auf die Zwischenberichter- stattung darüber hinaus noch eine Erweiterung. Hinsichtlich der Quartalsberichterstat- tung wird zwar nicht ein vollständiger Bericht empfohlen, jedoch sollen die Vorschrif- ten des DRS 15, soweit wesentliche Ereignisse oder Veränderungen des Geschäftsver- laufs und der Lage bzw. der voraussichtlichen Entwicklung eingetreten sind, auch für die Erläuterung zu diesen Ereignissen oder Veränderungen entsprechend angewendet werden. Der Zweck der Quartals-Konzernlageberichterstattung ist folglich, dem voll- ständigen Konzernlagebericht ein „Update“ zu geben und den Adressaten über ent- scheidungsrelevante Veränderungen zu informieren. Abbildung 3 veranschaulicht das Zwecksystem der Lageberichterstattung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an SELCH, Lagebericht, 2003, S. 39 Abbildung 3: Das Zwecksystem der Lageberichterstattung
2.2.3 Grundsätze der Lageberichterstattung
§ 315 HGB regelt den Mindestinhalt des Konzernlageberichts. Über den erforderlichen Berichtsumfang, die Berichtstiefe, die Form und den Zeitbezug trifft das Gesetz wenige Aussagen. Mangels weiterer Konkretisierung hat das Schrifttum auf die Grundsätze ei- ner gewissenhaften und getreuen Rechenschaft aus dem alten Aktienrecht von 1965 zu- rückgegriffen und zweckentsprechend auf die heutige Lageberichterstattung übertra- gen.33 Am weitesten verbreitet im Schrifttum findet sich die zweckentsprechende Über- tragung der Rechenschaftsgrundsätze, Grundsatz der Richtigkeit, der Vollständigkeit, der Klarheit, der Stetigkeit und der Grundsatz der Wesentlichkeit.34 BAETGE, FI- SCHER und PASKERT haben Ende der 80er Jahre eigene Berichterstattungsgrundsätze für den Lagebericht formuliert, die sog. Grundsätze ordnungsmäßiger Lageberichterstat- tung (GoL), die auch noch den Grundsatz der Vergleichbarkeit, der Vorsicht, der Wirt- schaftlichkeit und die Informationsabstufung nach Art und Größe des Unternehmens aufführen. Folgende Ausführungen beziehen sich auf die Grundsätze, die durch DRS 15 formuliert werden.
2.2.3.1 Grundsatz der Vollständigkeit
Der Grundsatz der Vollständigkeit sowie der Grundsatz der Richtigkeit lassen sich aus dem § 328 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 HGB ableiten, in dem der Gesetzgeber fordert, dass Abschlüsse so wiederzugeben sind, dass sie den für ihre Aufstellung maßgeblichen Vorschriften entsprechen und in diesem Rahmen vollständig und richtig zu sein haben. In § 328 Abs. 3 wird explizit erwähnt, dass dies auch für den Lagebericht und den Kon- zernlagebericht gilt. Gem. DRS 15, Tz. 9 muss der Konzernlagebericht aus Sicht der Unternehmensleitung sämtliche Informationen vermitteln, die ein verständiger Adressat benötigt, um den Geschäftsverlauf im abgelaufenen Geschäftsjahr und die Lage des Konzerns sowie die voraussichtliche Entwicklung unter Einfluss der wesentlichen Chancen und Risiken beurteilen zu können. Dazu gehören insbesondere auch segment- bezogene Informationen35, da die Chancen und Risiken je nach Segment erheblich vari- ieren können und der Leser sich nur ein Gesamtbild des Konzerns machen kann, wenn er auch Informationen zu den Segmentrisiken und -chancen erhält. Nur über einige aus- gewählte Sachverhalte zu berichten, würde dem Grundsatz der Vollständigkeitsgedan- ken widersprechen.36 Er erfordert jedoch auch keinen lückenlosen Bericht über alle Ge- schäftsvorfälle, sondern verlangt von der Unternehmensleitung, sich bei der Auswahl der Themen und Einzelsachverhalte an deren Bedeutung für die Lage des Unternehmens und an den Interessen der Adressaten des Lageberichts zu orientieren.37 Des weiteren regelt DRS 15, Tz. 12, dass Chancen und Risiken nicht gegeneinander aufgerechnet werden dürfen. Diesen Sachverhalt - in der Literatur als Saldierungsverbot bezeichnet, umschreibt die Stellungnahme des IDW mit Kompensationsverbot.38 Der Grundsatz der Vollständigkeit umfasst zudem, dass die Darstellung und Analyse des Geschäftsverlaufs und der wirtschaftlichen Lage des Konzerns auch ohne Rückgriff auf die Angaben im Konzernabschluss verständlich sein müssen39 und eine „Vermittlung von Informationen an anderer Stelle, beispielsweise im Rahmen der kapitalmarktrechtlichen Berichterstat- tung oder in Presseinformationen .. nicht von der Berichterstattung im Konzernlagebe- richt [befreit, Anm. d. Verf.]“40. Es kann jedoch auf detailliertere Informationen im Konzernabschluss verwiesen werden, sofern der Verweis eindeutig ist.41 In DRS 15 wie auch im IDW RS HFA 1 werden unter dem Grundsatz der Vollständigkeit die bisher in der Fachliteratur gefundenen Grundsätze der Wesentlichkeit und der Informationsabstu- fung nach Art und Größe des Unternehmens subsumiert.42 Dadurch soll die Informati- onskomplexität reduziert und die Konzentration auf entscheidungsrelevante Informatio- nen gefördert werden.43 Der Grundsatz der Vollständigkeit hat im Zweifel durch die Schutzklausel des § 286 HGB ihre Grenzen, wonach die Berichterstattung insoweit zu unterbleiben hat, als es für das Wohl der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder erforderlich ist. § 286 HGB bezieht sich zwar explizit nur auf den Anhang, das Schutzinteresse kann jedoch nicht von der Publizitätsform abhängig gemacht werden.44
2.2.3.2 Grundsatz der Verlässlichkeit
Was DRS 15 den Grundsatz der Verlässlichkeit nennt, war in der bisherigen Fachlitera- tur unter dem Grundsatz der Richtigkeit bekannt.45 Da es ein absolutes „richtig“ oder „falsch“ nicht gibt, ist „als Maßstab für die Richtigkeit .. die Sorgfalt eines gewissenhaf- ten und ordentlichen Geschäftsführers heranzuziehen“46. Unter dem Aspekt der Unsi- cherheit und Subjektivität von prospektiven Informationen erscheint eine Umbenennung daher sachgerecht. Der Grundsatz der Verlässlichkeit kann auf zukünftige Wertungen und Beurteilungen aber auch nur bedingt angewandt werden, sondern muss um den Grundsatz der Willkürfreiheit ergänzt werden.47 Daher müssen zukunftsbezogenen Aus- sagen von stichtags- und vergangenheitsbezogenen Informationen klar unterschieden48 und deren wesentliche Prämissen, angewandte Schätz- oder Prognoseverfahren offenge- legt und beschrieben werden49, um dem Adressaten Rückschlüsse auf die Plausibilität und Objektivität der Managementangaben zu erlauben. Die Informationen und Angaben im Konzernlagebericht müssen des weiteren zutreffend, nachvollziehbar50, plausibel, konsistent, schlüssig und frei von Widersprüchen gegenüber dem Konzernabschluss sein51. Chancen und Risiken sind in einem ausgewogenen Maß zu berücksichtigen.52
2.2.3.3 Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit
Der Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit regelt im wesentlichen die formalen Gestaltungskriterien des Konzernlageberichts, damit - trotz Vollständigkeit und Verläss- lichkeit - kein falscher Eindruck von der Lage des Konzerns vermittelt wird. Der Kon- zernlagebericht ist eindeutig vom Konzernabschluss zu trennen und unter der Über- schrift „Konzernlagebericht“ aufzustellen und offen zu legen.53 Er muss - um die zeitli- che sowie zwischenbetriebliche Vergleichbarkeit zu gewährleisten - in formeller und materieller Hinsicht den Grundsatz der Stetigkeit erfüllen. In formeller Hinsicht sollte sich die Gliederung des Konzernlageberichts nach der Empfehlung der Anlage54 rich- ten55 und durch Überschriften innerhalb des Konzernlageberichts deutlich werden56. In materieller Hinsicht sind alle Angaben in ihrer Systematik und Darstellungsform im Zeitablauf stetig fortzuführen57 und müssen in sachlicher, zeitlicher und formaler Hin- sicht vergleichbar sein58. Zur Qualität der verbalen Ausführungen macht DRS 15 beim Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit keine Aussagen. Diese müssen aber laut IDW RS HFA 1, Tz. 14 klar, eindeutig und in verständlicher Form gemacht werden. Sie dürfen weder vage, weitschweifig noch oder anderer Stelle des Lageberichts relativiert werden.
2.2.3.4 Grundsatz der Vermittlung der Sicht der Unternehmensleitung
Weder der IDW noch die bisherige Fachliteratur führten den Grundsatz der Vermittlung der Sicht der Unternehmensleitung als einen der Grundsätze der Lageberichterstattung auf. Eine der Anforderungen (requirements) an die amerikanische Management’s Dis- cussion and Analysis of Financial Condition and Results of Operations (MD&A) ist “to provide a narrative explanation of a company’s financial statements that enables inves- tors to see the company through the eyes of management”59. Der Konzernlagebericht soll somit analog zur MD&A die einzigartige Sicht (unique perspective) der Unterneh- mensleitung vermitteln und somit dazu beitragen, die bestehenden Informationsasym- metrien zwischen den Aufstellern und den Adressaten des Konzernlageberichts zu be- seitigen. Dieser Grundsatz verdeutlicht die Ausrichtung an den international anerkann- ten „Management Approach“, der gewährleisten soll, dass das berichtende Unterneh- men Informationen bereitstellt, die auch intern vom Management zur Unternehmens- steuerung verwendet werden.60
2.2.3.5 Grundsatz der Konzentration auf die nachhaltige Wertschaffung
Mit dem Grundsatz der Konzentration auf die nachhaltige Wertschaffung interpretiert das DRSC die gesetzlichen Bestandteile des Konzernlageberichts im Sinne einer wert- orientierten Unternehmensberichterstattung61 (Value Reporting), die zum Ziel hat, „dem Investor eine verbesserte Einschätzung des Unternehmenswerts zu ermöglichen“62. Dies geschieht unter Angabe und Erläuterung aller „zum Berichtszeitpunkt bekannten Ereig- nisse, Entscheidungen und Faktoren ..., die aus Sicht der Unternehmensleitung einen wesentlichen Einfluss auf die weitere Wertentwicklung haben können“63. Dieser Zu- kunftsbezug zielt darauf ab, „vergangenheitsbezogene Informationen im Rahmen der wertorientierten Berichterstattung so aufzubereiten, dass sie als Basis für Zukunftsprog- nosen geeignet sind“64. Dies soll sich nicht nur auf finanzielle Leistungsindikatoren be- schränken, sondern auch auf nicht-finanzielle, sofern diese wesentlich sind.65 Der Grundsatz der Konzentration auf die nachhaltige Wertschaffung unterscheidet klar zwi- schen den zum Berichtszeitpunkt bekannten Einflussgrößen auf die weitere Entwick- lung und die bestehenden Planungen und Erwartungen der Unternehmensleitung hin- sichtlich der nächsten zwei Geschäftsjahre.66 Diese Unterscheidung findet sich bei den Trendangaben zur Ertrags-, Finanz- und Vermögenslage (Tz. 48 ff.) und dem Prognose- bericht (Tz. 84 ff.) wieder und wird als kurz- bzw. langfristige Perspektive beschrieben. Dabei sind bei letzterem qualitative Informationen im Zusammenhang mit den wesent- lichen Rahmenbedingungen ausreichend. Um die Qualität der Prognosen des Manage- ments beurteilen zu können, müssen auch wesentliche Abweichungen der wirtschaftli- chen Lage gegenüber der im vorangegangenen Konzernlagebericht prognostizierten Entwicklung dargestellt und erläutert werden.67 Die Einfügung des in der bisherigen Fachliteratur nicht zu findenden Grundsatzes der Konzentration auf die nachhaltige Wertschaffung ist, neben den Bestrebungen zur internationalen Harmonisierung, auch eine Reaktion des DRSC auf empirische Untersuchungen68 über die wertorientierte Be- richterstattung börsennotierter Unternehmen, die deutliche Differenzen im Qualitätsni- veau feststellten.69
2.2.3.6 Zusammenfassender Überblick
Im GoL-System von BAETGE/FISCHER/PASKERT wird auch noch der Grundsatz der Vorsicht aufgeführt. Demnach sollen im Zweifel negative Angaben im Interesse der Ad- ressaten stärker gewichtet werden als positive, damit diese nicht durch eine zu positive Darstellung in ihren Dispositionen fehlgeleitet werden.70 Dieser Grundsatz ist jedoch unter der Generalnorm des „true and fair view“ des Konzernlageberichts abzulehnen. Zudem hat der Gesetzgeber durch die Änderung der §§ 289 und 315 HGB im Rahmen des BilReG klar gestellt, dass über Chancen und Risiken ausgewogen zu berichten ist. Beim DRSC wurde auch diskutiert, den Grundsatz der Wesentlichkeit und den Grund- satz der Informationsabstufung nach Art und Größe in DRS 15 aufzunehmen.71 Schließ- lich entschied man sich jedoch, vielen differenzierten Regelungen einem Verweis des Wesentlichkeitsgrundsatzes vorzuziehen, mitunter weil auch befürchtet wurde, dass der Wesentlichkeitsgrundsatz zu einer detaillierteren Berichterstattung kleinerer Unterneh- men und zu einer groben Berichterstattung großer Unternehmen führen könnte. Der Grundsatz der Informationsabstufung wurde weggelassen, um die Gleichartigkeit von Konzernabschlüssen sicherzustellen. Folgende Abbildung soll einen Überblick über die Grundsätze nach DRS 15 geben und über weitere Grundsätze, die von der Kommentar- literatur formuliert wurden und an manchen Stellen des DRS 15 zu finden sind.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: eigene Darstellung
Abbildung 4: Die Grundsätze der (Konzern-)Lageberichterstattung nach DRS 15
2.3 Inhalt des Konzernlageberichts
2.3.1 Auswahl des Unternehmenssamples
Im folgenden sollen die Anforderungen an den Konzernlageberichtsinhalt konkretisiert werden. Begleitend zu den Ausführungen soll die Praxis der Konzernlageberichterstat- tung anhand der Geschäftsberichte für 2004 von folgenden Konzerne ausgewertet wer- den:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Auswahl des Unternehmenssamples
Aufgrund des bisherigen Fehlens eines europäischen Lageberichtsstandards haben auch die Konzerne, die ihren Jahresabschluss nach IFRS aufstellen, die deutschen Vorschrif- ten zu beachten. Das Sample, das nach dem Zufallsprinzip ausgewählt wurde, soll einen Ausschnitt der aktuellen Lageberichtspraxis liefern. Da DRS 15 erstmals für das nach dem 31. Dezember 2004 beginnende Geschäftsjahr anzuwenden ist, müssten die Kon- zernlageberichte des Samples bereits nach diesen Vorschriften aufgestellt worden sein.
2.3.2 Einleitender Überblick
§ 315 HGB hat mit Inkrafttreten des BilReG folgenden Wortlaut:
DRS 15 empfiehlt in seiner Anlage, dass dem Konzernlagebericht eine Gliederung vor- angestellt werden soll, die mindestens die Berichtsteile Geschäft- und Rahmenbedin- gungen, Ertragslage, Finanzlage, Vermögenslage, Nachtragsbericht, Risikobericht und Prognosebericht enthält. Praktische Ausgestaltung findet sich dahingehend, dass von den sechs Unternehmen nur Schering dem Konzernlagebericht eine Gliederung voran- stellt, bei der auch noch die Vermögenslage und die Ertragslage nicht separat aufgeführt sind.72 Bevor die einzelnen Berichtsinhalte konkretisiert werden, soll zunächst der un- bestimmte Rechtsbegriff der wirtschaftlichen Lage definiert werden. In der betriebswirt- schaftlichen Literatur wird die wirtschaftliche Lage von LEFFSON sehr weit umschrie- ben „als die Fähigkeit der Unternehmung, ihre Aufgaben in der Zukunft zu erfüllen“73.
Im wesentlichen setzt sich der Begriff der wirtschaftlichen Lage demnach aus zwei Komponenten zusammen:
(1) die wirtschaftliche Stellung des Unternehmens im Augenblick, die sich aus der Entwick- lung der Vergangenheit ergibt
(2) die künftige wirtschaftliche Leistungsfähigkeit
Aus Sicht der Adressaten drückt sich die wirtschaftliche Lage des Unternehmens durch die Fähigkeit, in Zukunft Auszahlungen in Form von Ausschüttungen, Dividenden, Zinsen und Tilgungen zu gewährleisten74, aus und soll im Rahmen des Konzernlageberichts durch die Teillagen Ertrags-, Finanz- und Vermögenslage erläutert werden.
2.3.2 Geschäft und Rahmenbedingungen
In dem Entwurf zu DRS 15 (E-DRS 20) sollte dieser Gliederungspunkt „Geschäft und Strategie“ heißen. Darunter sollten u. a. die Ziele der Unternehmensleitung und die Stra- tegien für deren Erreichung anhand von finanziellen Größen dargestellt werden, um de- ren langfristige Entwicklung, Wirkung und Prognosesicherheiten aufzuzeigen.75 Auf- grund der Stellungnahmen zum Entwurf wurde „Strategie“ umgeändert in „Rahmenbe- dingungen“ und die Punkte, zu denen strategische Angaben gefordert waren, gänzlich gestrichen.76
2.3.2.1 Überblick über den Konzern
Ausgangspunkt für die Analyse des Geschäftsverlaufs und der wirtschaftlichen Lage soll die Darstellung des Konzerns, seine Geschäftstätigkeit und deren Rahmenbedin- gungen sein.77 Dabei soll, in Abhängigkeit von den spezifischen Gegebenheiten, auf die organisatorische und rechtliche Struktur des Konzerns und seiner Gesellschaften sowie die Organisation seiner Leitung und Kontrolle, die Segmente und die wesentlichen Standorte, die wichtigsten Produkte und Dienstleistungen, wesentliche Absatzmärkte und die dort erreichte Wettbewerbsposition und die wesentlichen rechtlichen und wirt- schaftlichen Einflussfaktoren für das Geschäft eingegangen werden. Dieser Gliede- rungspunkt dient in dem Sinne einer Einleitung, damit der Leser des Konzernlagebe- richts sich zunächst eine Vorstellung über den Konzern machen kann und ihm das Ver- ständnis der Darstellung des Geschäftsverlaufs und der Lage erleichtern soll.78 In der Praxis erfolgt der Überblick über den Konzern oft nicht nur im Lagebericht, sondern auch an anderen Stellen des Geschäftsberichts. Unter dem sehr allgemeinen Punkt „Strategie“, der nicht Teil des Lageberichts ist, macht Fielmann auf elf Seiten umfang- reiche Angaben zu seiner Strategie, der Branche, den rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussfaktoren und den Absatzmärkten.79 Der eine halbe Seite umfassende Lagebe- richtspunkt „Die Rahmenbedingungen“ kann in dieser Hinsicht nur als sehr kompri- mierte Zusammenfassung gesehen werden. Informationen zu den Marktanteilen findet man im Vorwort an die Aktionäre sowie im Lagebericht. Die IWKA-Gruppe stellt zu Beginn des Geschäftsberichts unter dem Punkt „Strategie“ allgemeine Angaben zu den Kernkompetenzen und seinen drei wesentlichen Segmenten Automobiltechnik, Verpa- ckungstechnik und Robotertechnik bereit. Eingehendere Informationen zur Entwicklung der Weltwirtschaft und den Rahmenbedingungen der Maschinenbauindustrie finden sich dann im Lagebericht.80 Hornbach erläutert auf der vierten Seite des Geschäftsbe- richts unter dem Punkt „Unternehmensprofil“ die Historie des Unternehmens, macht Angaben zu seiner Expansionsstrategie und seinen Märkten. Detailliertere Angaben zum wirtschaftlichen Umfeld, den wesentlichen Einflussfaktoren, die Strategie, die Segmente und die Marktanteile findet man zu Beginn im Lagebericht auf ca. fünf Sei- ten.81 Auch Schering gibt unter dem Punkt „Unternehmensprofil“ zunächst einen groben Überblick über seine vier Kernkompetenzen und den wichtigsten Markteinführungen, um dann im Lagebericht konkreter auf die einzelnen Segmente, die Absatzmärkte und deren rechtliche und wirtschaftliche Einflussfaktoren einzugehen. In einem eigenen Ab- schnitt im Geschäftsbericht unter der Überschrift „Märkte und Produkte“ stellt Schering auf 14 Seiten seine wichtigsten Produkte, Märkte und strategischen Ausrichtungen dar.82 In einem Produktglossar findet man zudem noch detailliertere Angaben zu den einzelnen Medikamenten. Die deutsche Telekom geht im Lagebericht unter dem Punkt „Wirtschaftliches Umfeld“ auf die Konjunktur, die Telekommunikationsbranche und deren rechtliche und wirtschaftliche Einflussfaktoren sowie die Segmente ein. Im Ver- gleich zu den anderen Geschäftsberichten fällt dagegen der Punkt „Das Geschäftsjahr 2004“ der BHW (nicht Teil des Lageberichts) recht knapp aus. Auf einer Seite wird ein kurzer Überblick gegeben über die rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingun- gen der Branche, die wesentlichen Geschäftsbereiche sowie die Länder, in denen die BHW tätig ist. Im Lagebericht finden sich keine weiteren Angaben, die als „Überblick“ bezeichnet werden könnten. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der Konzernüberblick in der Praxis recht unterschiedlich ausfällt, den individuellen Eigen- schaften der Unternehmen durchaus gerecht wird und der Leser zumindest eine grobe Vorstellung der Rahmenbedingungen bekommt. Angaben zur Organisation der Leitung und Kontrolle und zur organisatorischen und rechtlichen Struktur des Konzerns finden sich leider nur wenige in den Lageberichten. Hornbach stellt in einer sehr anschaulichen Graphik, die direkt vor dem Lagebericht platziert ist, die Konzern- und Aktionärsstruk- tur sowie die rechtliche Ausgestaltung des Konzerns dar. Telekom stellt ganz zu Beginn des Geschäftsberichts eine Graphik bereit, die die Struktur des Konzerns veranschau- licht.
2.3.2.2 Darstellung des Geschäftsverlaufs
Der gem. § 315 Abs. 1 geregelte Teil des Konzernlageberichts umfasst zwei Elemente:
(1) Darstellung des Geschäftsverlaufs (einschließlich des Geschäftsergebnisses)
(2) Darstellung der Lage des Konzerns
Unter dem Begriff Geschäftsverlauf wird „die vergangenheitsorientierte und zeitraum- bezogene Entwicklung der Geschäftstätigkeit im abgelaufenen Geschäftsjahr einschließ- lich der hierfür ursächlichen Ereignisse“83 definiert. Das Gesetz fordert eine ausgewo- gene und umfassende, dem Umfang und der Komplexität der Geschäftstätigkeit ent- sprechende Analyse des Geschäftsverlaufs und der Lage des Konzerns, in die die be- deutsamsten finanziellen und - falls diese für das Verständnis von Geschäftsverlauf und Lage von Bedeutung sind - auch nichtfinanziellen Leistungsindikatoren einzubeziehen sind. Die Angaben zum Geschäftsverlauf und zur Lage sind sehr eng miteinander ver- knüpft, da der historische Geschäftsverlauf zwangsläufig Ursache für die Lage des Kon- zerns am Ende des Geschäftsjahrs ist.84
Der IDW RS HFA 1 formuliert unter dem Punkt „Darstellung des Geschäftsverlaufs“ (Tz. 24) eine nicht abschließende Aufzählung über zu berichtende Gegenstände, sofern diese wesentlich sind. Unter anderem ist über Umsatz- und Auftragsentwicklung, Pro- duktion, Beschaffung, Investition, Finanzierungsmaßnahmen- bzw. vorhaben, den Per- sonal- und Sozialbereich, Umweltschutz und sonstige wichtige Vorgänge (Veränderung der rechtlichen Rahmenbedingungen, Abschluss wichtiger Verträge) zu berichten. Me- thodisch sind diese Darstellungen und Erläuterungen in DRS 15 unter den Angaben zur Ertrags-, Finanz- und Vermögenslage aufzuführen. In der Begründung zu E-DRS 20 heißt es: „Die Berichtsgegenstände Geschäftsverlauf und Lage weisen in der Regel ei- nen sehr engen Zusammenhang auf, so dass sie für die Teil-Lagen gemeinsam darge- stellt werden sollen“85. Dies ist m. E. sehr zu befürworten, da eine getrennte Darstellung beider Berichtsgegenstände das Verständnis beeinträchtigen und zu doppelten Ausfüh- rungen und Querverweisen führen könnte. Der Schwerpunkt der Ausführungen liegt gem. DRS 15, Tz. 43 folglich in einem Überblick über den Geschäftsverlauf vor dem Hintergrund der gesamtwirtschaftlichen und branchenspezifischen Rahmenbedingun- gen. An dieser Stelle sollen nur die wesentlichen Ereignisse, die den Geschäftsverlauf geprägt haben erläutert werden. Eine detailliertere Berichterstattung erfolgt dann im Rahmen der drei Teillagen.86 Insbesondere ist hier die Einschätzung der Unternehmens- leitung gefordert, inwieweit sich die gesamtwirtschaftliche und branchenspezifische Entwicklung auf den Geschäftsverlauf ausgewirkt hat. Sie muss auch beurteilen, ob die Geschäftsentwicklung insgesamt günstig oder ungünstig verlaufen ist.87 Dazu sind ins- besondere Erläuterungen zu machen über die Wettbewerbssituation, die Marktstellung des Konzerns und seiner Segmente, die Veränderung von Marktanteilen, die Entwick- lung des Konzerns und seiner Segmente in Relation zur Branchen- und Marktentwick- lung und Abweichungen der tatsächlichen Geschäftsentwicklung von früher berichteten Erwartungen. Die Angaben zum Geschäftsverlauf finden sich in den Lageberichten des Samples an sehr unterschiedlichen Stellen. Fielmann behandelt dieses Thema unter dem Punkt „Eckdaten der Branche“, der nicht Teil des Lageberichts ist.88
1 Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 vom 19. Juli 2002.
2 Vgl. COENENBERG, Jahresabschluss, 2003, S. 20 f.
3 EU-Richtlinie 2003/51/EG.
4 Deutscher Rechnungslegungs Standard Nr. 15 (DRS 15) - Lageberichterstattung, verabschiedet vom Deutschen Standardisierungsrat am 7.12.2004. Der Standard ist erstmals für die nach dem 31.12.2004 beginnenden Geschäftsjahre anzuwenden.
5 IDW Stellungnahme zur Rechnungslegung: Aufstellung des Lageberichts, verabschiedet vom Hauptfachausschuss am 26.6.1998, Redaktionelle Anpassung am 11.9.2000, ergänzt am 4.12.2001.
6 Vgl. HAUSSCHILD, Erfolgs- und Finanz-Analyse, 1987, S. 1 f. und BROTTE, Geschäftsberichte, 1997, S. 36 ff. zu den Informationsverlusten der finanziellen Berichterstattung.
7 FASB, SFAC Nr. 1, Tz. 54.
8 AktG i.d.F. vom 6.9.1965, in Kraft getreten am 1.1.1966.
9 ADS, Kommentar AktG 1965, 1972, S. 328.
10 Vgl. ADS, Kommentar AktG 1965, 1972, S. 327.
11 Vgl. BAUCHOWITZ, Lageberichtspublizität, 1979, S. 1
12 Vgl. SELCH, Lagebericht, 2003, S. 11.
13 Gesetz zur Durchführung der Vierten, Siebten und Achten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts (Bilanzrichtlinien-Gesetz - BiRiLiG) v. 19.12.1985.
14 Vgl. BIENER/BERNEKE, BiRiLiG, 1986 zu den Veränderungen durch das BiRiLiG.
15 Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich v. 27.4.1998, in Kraft getreten am 1.5.1998.
16 Ausführlich zum KonTraG vgl. STREIßLE, Gestalt des KonTraG, 2001, S. 34 ff.
17 Der Standardisierungsvertrag ist unter http://www.standardsetter.de/drsc/docs/fmj_contract.html ab- rufbar.
18 Vgl. § 342 Abs. 2 HGB.
19 § 4 Abs. 3 Standardisierungsvertrag.
20 Vgl. KÜTING/WEBER, Bilanzanalyse, 2004, S. 146.
21 Vgl. PELLENS, Internationale Rechnungslegung, 2001, S. 579.
22 Deutscher Rechnungslegungs Standard Nr. 5 (DRS 5) - Risikoberichterstattung, verabschiedet vom Deutschen Standardisierungsrat am 3.4.2001.Der Standard ist erstmals für das nach dem 31.12.2000 beginnende Geschäftsjahr anzuwenden.
23 Gesetz zur Einführung internationaler Rechnungslegungsstandards und zur Sicherung der Qualität der Abschlussprüfung (Bilanzrechtsreformgesetz - BilReG) - BGBl I 2004 Nr. 65, S. 3166 ff. vom 9.12.2004, verabschiedet am 4.12.2004, in Kraft getreten am 1.1.2005.
24 Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Juli 2002 be- treffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards.
25 Vgl. KÜTING/HÜTTEN, Befreiender Konzernlagebericht, 1999, S. 12.
26 Vgl. DRSC, Begründung, 2003, S. 29.
27 Durch das Inkrafttreten des KapCoRiLiG sind die Vorschriften zum Konzernabschluss und Kon- zernlagebericht für Geschäftsjahre, die nach dem 31. Dezember 1999 beginnen, auch auf Personen- handelsgesellschaften i. S. d. § 264 a Abs. 1 HGB entsprechend anzuwenden.
28 Auch Genossenschaften (§ 336 Abs. 1 HGB) und nach § 5 PublG rechnungslegungspflichtige Un- ternehmen müssen einen Lagebericht erstellen.
29 Vgl. DRS 15, Tz. 5.
30 Vgl. BAETGE/FISCHER/PASKERT, Der Lagebericht, 1989, S. 9.
31 Die Generalnorm des "true and fair view" ist im Konzernlagebericht jedoch nicht durch die poten- tiell verzerrenden GoB eingeschränkt.
32 Vgl. BAETGE/FISCHER/PASKERT, Der Lagebericht, 1989, S. 8.
33 Vgl. MÜLLER, Einführung, 1997, Rn. 8, 4-6; MÜLLER, Inhalt, 1997, Rn. 27.
34 Vgl. SELCH, Lagebericht, 2003, S. 44.
35 Vgl. DRS 15, Tz. 13.
36 BAETGE/FISCHER/PASKERT, Der Lagebericht, 1989, S. 18.
37 Vgl. IDW RS HFA 1, Tz. 9.
38 Vgl. IDW RS HFA 1, Tz 9.
39 Vgl. DRS 15, Tz. 10; IDW RS HFA 1, Tz. 12 formuliert, dass Angaben im Anhang nicht von einer Darstellung im Lagebericht entheben, wenn erst durch diese ein den tatsächlichen Verhältnissen ent- sprechendes Gesamtbild des Geschäftsverlaufs und der Lage vermittelt werden kann.
40 DRS 15, Tz. 11.
41 Vgl. DRS 15, Tz. 11.
42 Vgl. DRS 15, Tz. 10; IDW RS HFA 1, Tz. 9.
43 Vgl. DRSC, Begründung, 2003, S. 31.
44 Vgl. BROTTE, Geschäftsberichte, 1997, S. 216.
45 So auch: BAETGE/FISCHER/PASKERT, Der Lagebericht, 1989, S. 17; SELCH, Lagebericht, 2003, S. 45.
46 IDW RS HFA 1, Tz. 13.
47 Vgl. SELCH, Lagebericht, 2003, S. 45; IDW RS HFA 1, Tz. 13.
48 Vgl. DRS 15, Tz. 15.
49 Vgl. DRS 15, Tz. 17.
50 Vgl. DRS 15, Tz. 14.
51 Vgl. DRS 15, Tz. 15.
52 Vgl. DRS 15, Tz. 14.
53 Vgl. DRS 15, Tz. 20.
54 Die Anlage (DRS 15, Tz. 93-123) ist Bestandteil des Standards und macht detailliertere Empfehlun- gen zu den behandelten Themenbereichen.
55 Vgl. DRS 15, Tz.93.
56 Vgl. DRS 15, Tz. 22.
57 Vgl. DRS 15, Tz. 23.
58 Vgl. DRS 15, Tz. 24.
59 SEC, FRR Nr. 72, 2003, Sec. I B.
60 Vgl. AKEU, Value Reporting, 2002, S. 2339.
61 Vgl. DRSC, Begründung, 2003, S. 34.
62 AKEU, Value Reporting, 2002, S. 2337.
63 DRS 15, Tz. 30.
64 AKEU, Value Reporting, 2002, S. 2337; Fast wortgleich vgl. DRS 15, Tz. 30.
65 Vgl. DRS 15, Tz. 31.
66 Vgl. DRS 15, Tz. 30 u. 34.
67 Vgl. DRS 15, Tz. 33; Auch: AKEU, Value Reporting, 2002, S. 2338.
68 Vgl. zu den empirischen Untersuchungen FISCHER/WENZEL/KÜHN, Wertorientierte Berichter- stattung, 2001, S. 1209-1216; FISCHER/WENZEL/BECKER, Vergleich, 2002, S. 14-25.
69 Vgl. DRSC, Begründung, 2003, S. 29.
70 Vgl. BAETGE/FISCHER/PASKERT, Der Lagebericht, 1989, S. 25-26
71 Vgl. DRSC, Protokoll, 2004, Frage 1).
72 Vgl. SCHERING, Geschäftsbericht, 2004, S. 27.
73 LEFFSON, Bilanzanalyse, 1984, S. 36.
74 Vgl. LUDEWIG, Jahresabschlussprüfung, 1955, S. 34
75 Vgl. DRSC, Begründung, 2003, Tz. 36-38.
76 Vgl. z. B. VDEW, Stellungnahme, 2004, der sich gegen eine Veröffentlichung derart detaillierter Angaben zur Unternehmensstrategie ausspricht, da diese der geplanten Zielerreichung entgegen- stehen und die Gefahr bergen, dass Betriebsgeheimnisse zu veröffentlichen seien.
77 Vgl. DRS 15, Tz. 36 f.
78 Vgl. BAUCHOWITZ, Lageberichtspublizität, 1979, S. 95.
79 Vgl. FIELMANN, Geschäftsbericht, 2004, S. 9-16.
80 Vgl. IWKA, Geschäftsbericht, 2004, S. 24-27.
81 Vgl. HORNBACH, Geschäftsbericht, 2004, S. 18-23.
82 Vgl. SCHERING, Geschäftsbericht, 2004, S. 58-72.
83 DRS 15, Tz. 8.
84 Vgl. BAETGE/FISCHER/PASKERT, Der Lagebericht, 1989, S. 31 f.
85 Vgl. DRSC, Begründung, 2003, S. 35.
86 Vgl. DRSC, Begründung, 2003, S. 35.
87 Vgl. DRS 15, Tz. 44.
88 Vgl. FIELMANN, Geschäftsbericht, 2004, S. 20-23.
- Citar trabajo
- Gerhard Glatz (Autor), 2005, Der Konzernlagebericht nach deutschen und internationalen Rechnungslegungsstandards (MD&A), Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/46355
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