Die Diskussion über das Streben nach dem rationalen Handeln im Sinne eines homo oeconomicus in der Wirtschaftswelt wird immer lauter, denn „das Modell des homo oeconomicus ist veraltet und vereinfacht“ , so Tania Singer in einem Interview mit ZEIT Online. Prof. Dr. Tania Singer ist studierte Psychologin und Professorin für soziale Neurowissenschaften. Ebenso ist sie Direktorin der Abteilung Soziale Neurowissenschaften am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften, mit Sitz in Leipzig. Die renommierte Hirnforscherin hat es sich zum Ziel gemacht, die Verbindung zwischen den Gefühlen verschiedener Menschen zu erforschen und mit den daraus gewonnenen Erkenntnissen auch die Wirtschaftswelt nachhaltig zu beeinflussen. So ist ihrer Ansicht nach die Ausblendung von Gefühlen in der Wirtschaftswelt nicht mehr zeitgemäß.
Anknüpfend an diese Ansicht, widmet sich die nachfolgende Untersuchung der näheren Betrachtung von Wut und zielt auf die Entwicklung eines konstruktiven Umgangs mit diesem Gefühl durch die Führungskraft ab. Nach wie vor zählt Wut in der allgemeinen Auffassung zu einem der „kritischeren Gefühle“ und wird daher oftmals gemieden. Welche Folgen daraus für eine Führungskraft und ihr geführtes System entstehen, wird in dieser Forschungsarbeit aufgezeigt. Bei aktiver Reflexion und Einbindung von Wut, kann sich die Funktion des Gefühls entfalten und es entsteht ein Nutzen für Führungskraft und System. Hierbei werden Funktion und Nutzen ebenfalls im Laufe der Untersuchung dargelegt.
Inhaltsverzeichnis
Geschlechtergerechte Formulierung
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Anlagenverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Problemhorizont und Motivation
1.2 Theoretische Einordnung des Forschungsthemas
1.3 Methodisches Vorgehen und Ziele der Arbeit
2. Konstruktiver Umgang mit Wut
2.1 Theoretische Hinführung
2.2 Notwendigkeit eines konstruktiven Umgangs mit Wut
2.3 Als Führungskraft Wut begegnen
2.4 Systemwirksame Integration
3. Fazit der Forschungsarbeit
3.1 Ergebnisdarstellung
3.2 Interpretation der Ergebnisse
3.3 Ausblick
Quellenverzeichnis
Anhang
Geschlechtergerechte Formulierung
Die vorgelegte Arbeit ist geschlechtergerecht formuliert. Vorhandene Zitate sind in ihrer ursprünglichen Formulierung aufgeführt und wurden nicht an die geschlechtergerechte Formulierung angepasst.
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Forever Always
Abbildung 2: Aufbau Kapitel
Abbildung 3: Kommunikations- und Informationsaustausch
Abbildung 4: Kompetenzdomänen einer Führungskraft
Abbildung 5: Konstrukt einer systemwirksamen Integration
Abbildung 6: Orientierungsstrukturen eines System
Abbildung 7: Autopoiese der Führungskraft
Abbildung 8: Informationsfluss a)
Abbildung 9: Informationsfluss b)
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Die fünf Axiome der Kommunikation
Tabelle 2: Wutneutralisierung durch maladaptive Persönlichkeit
Tabelle 3: Psychologisch-Systemische Gesetzmäßigkeiten
Tabelle 4: Drei Schritte erfolgreicher Selbstreflexion
Tabelle 5: Anlage „emotionaler Reserven“ bei Mitarbeitenden
Tabelle 6: Thesen der Gewaltfreien Kommunikation
Tabelle 7: Zehn Gebote des systemischen Denkens
Anlagenverzeichnis
Anlage 1: Interviewleitfaden für Experteninterview
Anlage 2: Transkript Experteninterview
1. Einleitung
1.1 Problemhorizont und Motivation
„Wer als Führungskraft kritische Gefühle – bei sich oder seinen Mitarbeitern – missachtet, verzichtet auf wichtige Informationen für eine konstruktive Führungsarbeit. Wer diesen emotionalen Indikatoren nicht nachgeht, reduziert zwangsläufig die Leistungsbereitschaft der Beteiligten. Im klassischen Fall wird dann die Führung den Druck auf die Mitarbeiter erhöhen. Angst und Wut auf beiden Seiten werden stärker. Resignation und innere Kündigungen sind die Folge: Die Leistung sinkt, das Team oder die Abteilung gerät in die Krise.“1
Die Diskussion über das Streben nach dem rationalen Handeln im Sinne eines homo oeconomicus in der Wirtschaftswelt wird immer lauter, denn „das Modell des homo oeconomicus ist veraltet und vereinfacht“2, so Tania Singer in einem Interview mit ZEIT Online. Prof. Dr. Tania Singer ist studierte Psychologin und Professorin für soziale Neurowissenschaften. Ebenso ist sie Direktorin der Abteilung Soziale Neurowissenschaften am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften, mit Sitz in Leipzig.3 Die renommierte Hirnforscherin hat es sich zum Ziel gemacht, die Verbindung zwischen den Gefühlen verschiedener Menschen zu erforschen und mit den daraus gewonnenen Erkenntnissen auch die Wirtschaftswelt nachhaltig zu beeinflussen. So ist ihrer Ansicht nach die Ausblendung von Gefühlen in der Wirtschaftswelt nicht mehr zeitgemäß.4
Anknüpfend an diese Ansicht, widmet sich die nachfolgende Untersuchung der näheren Betrachtung von Wut und zielt auf die Entwicklung eines konstruktiven Umgangs mit diesem Gefühl durch die Führungskraft ab. Nach wie vor zählt Wut in der allgemeinen Auffassung zu einem der „kritischeren Gefühle“ und wird daher oftmals gemieden. Welche Folgen daraus für eine Führungskraft und ihr geführtes System entstehen, wird in dieser Forschungsarbeit aufgezeigt. Bei aktiver Reflexion und Einbindung von Wut, kann sich die Funktion des Gefühls entfalten und es entsteht ein Nutzen für Führungskraft und System. Hierbei werden Funktion und Nutzen ebenfalls im Laufe der Untersuchung dargelegt. Entsprechend dem Eingangszitat ist abzuleiten, dass bei Nichtbeachtung von Wut ein Informationsverlust eingegangen wird und bei Beachtung von Wut Informationen gewonnen werden können. Es wird ein konstruktiver Umgang mit Wut angestrebt, der sich in das geführte System integriert.
Die Motivation für die Wahl des Forschungsthemas ergibt sich aus der persönlichen Auffassung, dass neben fachlicher Kompetenz, Berufserfahrung etc. das Gefühlsspektrum eines Menschen für ein erfolgreiches Arbeiten und Wirtschaften von großer Bedeutung ist. Dabei wird die Annahme zu Grunde gelegt, dass jedes Gefühl eine positive Funktion, wenn richtig genutzt, für den Menschen darstellt. Beispielsweise ist Freude im beruflichen Kontext akzeptiert, sogar gewünscht – und die positive Auswirkung auf Motivation, Leistungsbereitschaft, Arbeitsklima etc. allgemeingültig anerkannt. Doch wie sieht es mit Wut aus? Die Ansicht, dass sich Wut ebenfalls positiv auf die genannten Aspekte auswirken kann, ist eher selten verbreitet. Daher widmet sich die vorliegende Arbeit der Erarbeitung eines konstruktiven Umgangs mit Wut, welcher die Funktion des Gefühls nutzbar macht. Dieser soll durch Führungskräfte vorgelebt werden und sich in ihrem zu führenden System integrieren. Dabei zeigt sich ein konstruktiver Umgang anhand der folgenden, im bildungssprachlichen Gebrauch verankerten, Eigenschaften: „aufbauend, den sinnvollen Aufbau fördernd, entwickelnd“ und wird mit „Lösung, Gespräch, Kritik, Vorschlag, Dialog, Mitarbeit“ in Verbindung gebracht.5
1.2 Theoretische Einordnung des Forschungsthemas
Damit die Funktion von Wut im Führungskontext und System genutzt werden kann, bedarf es einer systemwirksamen Integration des konstruktiven Umgangs mit Wut. Systemtheorie und Konstruktivismus dienen als theoretisches Fundament um Organisation und Führung darzustellen. In diesem theoretischen Verständnis wird „konstruktiv“ definiert und der entstehende Nutzen aufgezeigt. Mit Hilfe der theoretischen Basis werden Wirkungsbeziehungen dargelegt, die später der Darstellung einer systemwirksamen Integration dienen. Gefühle werden systemisch in den Gesamtkontext eingebunden und das Gefühl Wut beschrieben sowie in Ursache, Funktion und Wirkung dargestellt. Die Forschungsarbeit soll eine Empfehlung für Führungskräfte sein, woraus sich der Ansatz eines konstruktiven Umgangs mit Fokus auf die Führungskraft in der „Hauptrolle“ ergibt.
1.3 Methodisches Vorgehen und Ziele der Arbeit
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Forever Always Quelle: Octavio Ocampo (Jahr unbekannt), in Mißfeldt (2008-2018)
Die Abbildung 1 zeigt das Gemälde „Forever Always“ des mexikanischen Surrealisten Octavio Ocampo. Sein Werk ist als ein Vexierbild klassifizierbar, welches die Methodik und die Ziele der vorliegenden Arbeit versinnbildlichen soll.6 Ein Vexierbild lässt sich als ein multidimensionales Bild beschreiben, welches dem Betrachter unterschiedliche Perspektiven und Wahrnehmungen ermöglicht, während das Bild selbst sich nicht verändert.7
Franz Kafka schrieb 1911 in seinem Tagebuch nieder:
„Das fremde Wesen muß dann in mir so deutlich und unsichtbar sein, wie das Versteckte in einem Vexierbild, in dem man auch niemals etwas finden würde, wenn man nicht wüßte daß es darin steckt.“8
Die Beschreibung Kafkas über ein Vexierbild ist für die vorliegende Forschungsarbeit dahingehend zutreffend, dass ein konstruktiver Umgang mit Wut nur dann möglich ist, wenn Wut im System nicht weiter als „unsichtbar“ und somit „nicht existent“ behandelt wird. Erst dann kann deutlich werden, welchen tatsächlichen Einfluss Wut auf ein System ausübt – denn entsprechend einem Vexierbilds ist die Wut bereits im System vorhanden, nur durch fehlende Aufmerksamkeit nicht aufgedeckt und somit in keinen konsistenten Zusammenhang gesetzt.
Um dies anschaulich darzustellen wird folgend das Gemälde „Forever Always“ beschrieben und die unterschiedlichen Betrachtungsebenen dargestellt: Auf den ersten Blick können zwei ältere Personen gesehen werden, die sich gegenüberstehen und ansehen. Ebenso kann zunächst ein goldener Kelch im Zentrum des Gemäldes erkannt werden. Einem anderen Betrachter könnten bspw. zunächst nur die Frau und der Mann auffallen, die an einem Art Brunnen sitzen. Er spielt Gitarre und sie hört zu. Je mehr man den Blick über das Vexierbild schweifen lässt, desto mehr Details werden sichtbar. Die Ebenen der Beobachtung und des Dargestellten lassen sich variieren und verschiedene Situationen sind wahrnehmbar. In einem einheitlichen Blick sind die zwei älteren Personen, der Kelch, die zwei Personen am Brunnen und weitere Elemente auf einmal zu erkennen.
Diese beschriebene Wirkungsweise wird folgendermaßen auf die Methodik und Ziele der Thesis übertragen:
Tritt Wut im System auf, so ist die Wahrnehmungsfähigkeit meist durch Muster und Konditionierungen der Beteiligten eingeschränkt. Das Gehirn versucht die Situation mit ähnlich bereits erlebten Situationen abzugleichen und anschließend gewohnte Verhaltensweisen zu aktivieren.9 Um als Führungskraft ein umfassendes Bild, im Falle von eigener Wut oder der der Mitarbeitenden, zu erhalten, bedarf sie möglichst vieler Informationen. Durch hinzukommende Betrachtungsweisen und Perspektivwechsel, die die vorliegende Arbeit anbietet, kann auf ein breiteres Spektrum an Möglichkeiten zugegriffen und die Wahrscheinlichkeit eines konstruktiven Umgangs mit Wut erweitert werden.
2. Konstruktiver Umgang mit Wut
Der Hauptteil der Forschungsarbeit widmet sich dem Aufzeigen eines konstruktiven Umgangs mit Wut. Hierfür findet eine theoretische Hinführung statt. Das anschließende Kapitel zeigt die Notwendigkeit auf, aus der sich die Handhabung eines konstruktiven Umgangs mit Wut im Führungskontext ergibt. Was sich eine Führungskraft für einen konstruktiven Umgang mit Wut aneignen muss und wie sie Wut begegnen kann, wird in Kapitel 2.3 dargestellt. Abschließend wird anhand eines Konstrukts eine systemwirksame Integration des konstruktiven Umgangs mit Wut aufgezeigt.
2.1 Theoretische Hinführung
Die theoretische Hinführung ist in vier Unterkapitel gegliedert: Zunächst werden in (1) Das systemisch-konstruktivistische Verständnis von Organisation und Führung die grundlegenden Annahmen der Systemtheorie und des Konstruktivismus vorgestellt und Organisation und Führung im diesem Verständnis erklärt. Wie Gefühle wirken und wie sie systemisch einzuordnen sind, widmet sich das Unterkapitel (2) Die Einordnung von Gefühlen als Verbindungsmedium. In Unterkapitel (3) Das Gefühl Wut ist Wut in seiner Ursache, Wirkung und Funktion beschrieben. Ebenfalls finden sich in dem Kapitel Umgangsformen mit Wut, die nicht zielführend sind und wie diese reguliert werden können. Hinsichtlich des konstruktiven Umgangs mit Wut werden die Aufgaben einer Führungskraft im letzten Unterkapitel, (4) Aufgaben der Führungskraft, gesammelt aufgeführt.
(1) Das systemisch-konstruktivistische Verständnis von Organisation und Führung
Für die Darstellung von Organisation und Führung wird in dieser Forschungsarbeit die moderne soziologische Systemtheorie herangezogen. Diese wurde von Niklas Luhmann, der als einer der einflussreichsten deutschen Sozilogen gilt, begründet.10 Er beschäftigte sich in seiner Theorie mit sozialen Systemen, insb. Gesellschaften und ihren Mitgliedern. Die soziologische Systemtheorie ist auf alle gesellschaftlichen Teilbereiche, und somit auch auf Organisationen, anwendbar.11
Luhmann verwendet für den Begriff des Systems die Differenz zwischen System und Umwelt.12 Ein System ist das zu betrachtende Element, welches sich zu seiner Umwelt abgrenzt.13 Somit ist die Umwelt alles, was das zu untersuchende Element, also System, nicht ist.14 Weiter wird ein System nach Luhmann durch seinen Selbstbezug sowie Selbsterhalt charakterisiert. Sprich, das System ist autopoietisch.15 Den Begriff der Autopoiese hat der Neurobiologe Humberto Maturana erklärt:
„Das gegenwärtige biochemische Wissen erlaubt es uns, lebende Systeme als sich selbst erzeugende Systeme zu bezeichnen, die ihre eigenen Grenzen bestimmen und aufbauen. […] Solche Systeme nenne ich autopoietische Systeme und die Organisation eines autopoietischen Systems nenne ich die autopoietische Organisation. Ein autopoietisches System, das durch physikalische Bestandteile verwirklicht wird, ist ein lebendes System.“16
Da Maturana sich in seiner Forschung mit Organismen beschäftigte, sind die „physikalischen Bestandteile“17 in sozialen Systemen als „ein Netzwerk von Denk- und Fühlprozessen“18 zu verstehen.
Ein weitere Eigenschaft eines sozialen Systems ist seine operationale Geschlossenheit. Das bedeutet, dass sich ein System in all seinen Aktivitäten stets auf sich selbst bezieht.19 In die operationale Schließung eines Systems wird nach Luhmann auch der Begriff konstruktiv eingeordnet. Aus Luhmanns Sicht sind die Beobachtungen, die ein System über seine Umwelt trifft, Konstrukte.20 Dieses Vorgehen bezeichnet er als „operativen Konstruktivismus“.21
„Das heißt, die aktuellen Erfahrungen werden mit bereits bekannten Vorerfahrungen identifiziert, die Wahrnehmungen werden als „bekannt“ kategorisiert, und es wird mit dem für diese bekannte Situation verfügbaren Schema reagiert (Assimilation). Auf diese Weise kommt es zu einem Anpassungsprozess, bei dem die Umwelt den kognitiven und Handlungsschemata ebenso angepasst wird, wie die Schemata der Umwelt angepasst werden.“22
Somit sind die Auswirkungen vollzogener Konstruktionen wechselseitig, doch die Art dieser Beobachtungen konstruieren nicht die Umwelt sondern vielmehr das System selbst.23
„Durch Grenzziehung und Konstituierung einer Differenz von Außen und Innen entstehen Bereiche von unterschiedlicher Komplexität. Die Welt ist stets komplexer als jedes System in der Welt; das heißt, in der Welt sind mehr Ereignisse möglich als im System; sie kann mehr Zustände annehmen als ein System. Im Vergleich zur Welt schließt ein System für sich selbst mehr Möglichkeiten aus, reduziert Komplexität und bildet dadurch eine höhere Ordnung mit weniger Möglichkeiten aus, an der sich das Erleben und Handeln besser orientieren kann.“24
Ziel dieser Beobachtungen und den daraus entstehenden Konstruktionen ist es, ein System aufrechtzuerhalten und die Komplexität zu reduzieren, damit es auf seine Umwelt eingehen kann.
Die Autonomie eines Systems ist durch seine Strukturdeterminiertheit gewährleistet, die besagt, dass die Art und Weise, wie sich ein autopoietisches System verhält, stets von seinen aktuellen internen Strukturen und Zuständen abhängig ist und von außen nur beeinflussbar, jedoch nicht steuerbar ist.25 Ein soziales System ist somit ein nichttriviales System, gekennzeichnet dadurch, dass es „analytisch unbestimmbar, vergangenheitsabhängig und nicht im Sinne geradliniger Ursache-Wirkungs-Beziehungen steuerbar“26 ist. Damit verhält sich ein soziales System nicht nach transparenten Input-Output-Gleichungen, sondern ist immer von seinen Erfahrungen und internen Kommunikationsmustern bestimmt.
Alle Operationen eines Systems sind mit Kommunikationen gleichzusetzen: „Die Operationen, die sie als Einheiten konstituieren, gegen ihre Umwelt abgrenzen und am Leben erhalten, sind Kommunikationen.“27 Luhmann definiert somit ein soziales System als ein Kommunikationssystem, in dem die Kommunikation selbst das kleinste Element eines System darstellt und dessen Einheit bildet:
„Ein Kommunikationssystem ist deshalb ein vollständig geschlossenes System, das die Komponenten, aus denen es besteht, durch die Kommunikation selbst erzeugt. In diesem Sinne ist ein Kommunikationssystem ein autopoietisches System, das alles, was für das System als Einheit fungiert, durch das System produziert und reproduziert. […] Nur Kommunikation kann Kommunikation beeinflussen; nur Kommunikation kann Einheiten der Kommunikation dekomponieren […] und nur Kommunikation kann Kommunikation kontrollieren und reparieren.“28
Folgend eine zusammenfassende Übersicht über die Eigenschaften eines sozialen Systems und somit einer Organisation im systemischen Verständnis. Eine Organisation ist:
- autopoietisch: Die Organisation erschafft und erhält sich selbst.
- operational geschlossen: Die Organisation bezieht all ihre Operationen auf sich selbst. Sie definiert sich und grenzt sich durch ihre Beobachtungen zu ihrer Umwelt ab.
- strukturdeterminiert: Das Verhalten einer Organisation ist stets von ihren internen Strukturen und Zuständen abhängig und von außen nicht steuerbar.
Alle Operationen, Beobachtungen, Verhaltensweisen sind Kommunikationen, somit ist eine Organisation auch als ein Kommunikationssystem zu behandeln. Das primäre Ziel des Systems, ist die Sicherung des (Über-)Lebens.
„Als erstes ist zu nennen, dass Organisationen […] keinen Sinn „an sich“ haben oder brauchen. Ihr Verhalten mag dem Beobachter – wie das eines lebenden Organismus – zwar als zielgerichtet erscheinen, aber die Funktion dieses Verhaltens ist erst einmal Überleben.“29
Eine Führungskraft trägt zur Sicherung des Überlebens ihres geführten Systems, und somit auch der Organisation, folgend bei: Die Führungskraft ist auf der Systemgrenze positioniert und beobachtet die Kommunikation in ihrem System und setzt diese in Beziehung mit der Umwelt.30,31 Ihr wird die Verantwortung für die Leitung des Systems zugeschrieben, welches einer Paradoxie entspricht, denn eine Führungskraft kann ein autopoietisches System nicht steuern.32 Sie kann jedoch versuchen, die Kommunikationsprozesse des Systems positiv zu beeinflussen, in dem sie die vorhandenen Kommunikationsmuster und -strukturen nutzt, um diese zu verändern.33
„Hier eröffnen sich drei strategische Optionen: (1) die bestehenden Muster (Routinen) werden unterbrochen, (2) es werden Variationen eingeführt oder (3) es werden vollkommen neue organisatorische Einheiten begründet (Neugründung).“34
Wenn eine Führungskraft nun den konstruktiven Umgang mit Wut in der Kommunikation ihres Systems etablieren möchte, um Kommunikationen zielführender zu gestalten, sollte sie sich auf das Durchbrechen der bestehenden Muster und die Einführung von Variationen konzentrieren. Dafür muss sie in Kooperation mit den beteiligten Akteuren (ihren Mitarbeitenden, Vorgesetzten, der Organisation und der Umwelt) treten.35 Eine Führungskraft gewinnt dann durch „in-Kooperation-treten“ Einfluss auf ihr System, wenn sie es schafft, das Potenzial eines konstruktiven Umgangs mit Wut nutzbar zu machen und darin die Kompetenz aufweist, „mit Nichtwissen (der Zukunft, aber auch vieler Aspekte der Gegenwart umgehen und trotzdem zu Entscheidungen kommen zu können.“36
(2) Die Einordnung von Gefühlen als Verbindungsmedium
Da es sich bei Wut um ein Gefühl handelt, müssen zunächst Gefühle allgemein in den Kontext eines Systems eingeordnet werden. In dem Verständnis Luhmanns erleichtern Gefühle die Autopoiesis des Bewusstseins.37 Das bedeutet, dass sie Bestandteile der Kommunikation hinsichtlich des Selbstbezugs und -erhalts eines Systems darstellen. Sie geben Auskunft über die internen Strukturen und Zustände eines Systems. Dabei sieht Luhmann Gefühle als ein „Verbindungsmedium“ an.38 Dies bestätigte mir die systemische Beziehungsexpertin Christiane Windhausen in einem für diese Bachelor-Thesis geführten Experteninterview (siehe Anlage 1 und 2). Sie sagt: „Und ich habe gelernt, dass Gefühle […] dafür da sind, damit sie uns verbinden, in der Arbeit und auch im privaten Leben.“39 Weiter verweist sie darauf, dass man die Logik der Gefühle verstehen muss, um sie nutzen und Verbindungen erzeugen zu können.40 Talcott Parsons hielt fest, dass Gefühle bedeutende Faktoren für die „Motivation und Selektion von Handlungen“ sind und dem Austausch dienen.41 Somit hängen Gefühle auch mit dem Treffen von Entscheidungen zusammen.
Eine genauere Einordnung von Gefühlen in Kommunikationsprozessen kann aus den fünf Axiomen der Kommunikation, nach Paul Watzlawick, Janet Beavin und Don Jackson, abgeleitet werden. Diese Axiome (Grundsätze) menschlicher Kommunikation tragen erheblich zum Verständnis der Kommunikationsprozesse bei und zeigen gleichermaßen potentielle Konfliktrisiken auf.42 Daher folgt zunächst eine Übersicht der fünf Axiome:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Die fünf Axiome der Kommunikation Quelle: Eigene Darstellung vgl. Schweer, Thies (2003), S. 71f.
Für die Bearbeitung des Forschungsthemas ist vor allem das zweite Axiom zu betrachten, welches die enge Verknüpfung zwischen den Inhalten und der Beziehung der Kommunikationsakteure aufzeigt.43 Gefühle, die wie oben beschrieben Verbindungen schaffen, sind Bestandteil von Kommunikation. Sie spielen sich auf der Beziehungsebene menschlicher Kommunikation ab. Dies wird durch das folgende Zitat untermalt, welches aufzeigt wie Gefühle entstehen und welchen Zweck sie haben:
„Gefühle entstehen durch die Interpretation, die wir über unsere Umgebung treffen. Die gewählte Interpretation definiert, wie wir uns zu einer gegebenen Situation positionieren, welche Stellung wir beziehen. Das erzeugte Gefühl hat die natürliche Funktion, der gewählten Position gerecht zu werden und uns darin zu unterstützen, diese Position zu vertreten.“44
Gefühle geben also darüber Auskunft, wie ein Akteur auf der Beziehungsebene zu einer Situation steht. Diese Positionierung ist Prozess des Fühlens an sich und Ursprung der Entstehung eines Gefühls:
„Fühlend ist der Mensch mit der Welt verflochten und engagiert sich in ihr. Dabei treten Gefühle nicht isoliert auf, sondern sind Teil eines umfassenderen Erlebens, d.h. verbunden mit Empfindungen, Begehren, Wünschen, Bedürfnissen, Vorstellungen, Phantasien, Interpretationen und Bewertungen. […] Gefühle sind somit ein empfundenes (Sinnes-)Erleben in Form eines Prozesses oder Zustandes von Jemanden, der „fühlt“ und sich dabei intentional auf etwas richtet. Fühlen ist damit eine grundlegende Funktion des psychischen Erlebens und des menschlichen Weltverhältnisses.“45
Zur Führung eines Systems ist daher die Kenntnis über den eigenen Gefühlszustand wie auch den der Mitarbeitenden von wichtiger Bedeutung, um Irritationen zu vermeiden, Verbindungen erzeugen und Kommunikationen zielführender gestalten zu können.
(3) Das Gefühl Wut
Um Wut in ihrer Funktion, Ursache und Wirkung zu verstehen, folgt in diesem Unterkapitel die genauere Beschreibung des Gefühls. Des Weiteren wird aufgezeigt, welche Mechanismen zur Unterdrückung von Wut verwendet werden und wie diese aufgeschlüsselt und in einen funktionalen Zustand transformiert werden können. Dabei verfolgt diese Arbeit die Annahme, dass in jedem Menschen Wut angelegt ist und als ein Grundgefühl betitelt werden kann. Dies wird mit dem strukturalistischen Emotionsansatz begründet, der besagt, dass Grundgefühle jene sind, die ein Mensch von Geburt an in sich trägt.46 Hierbei scheiden sich die Ansichten verschiedener strukturalistischer Emotionsansätze hinsichtlich der Benennung und Anzahl jener Grundgefühle, doch Wut wird flächendeckend aufgezählt. In der bis zu diesem Punkt erfolgten Untersuchung wurde festgestellt, dass Gefühle auf der Beziehungsebene Einfluss auf Kommunikationsprozesse nehmen. Bei einem Grundgefühl, wie der Wut, ist also davon auszugehen, dass es einen existenten Faktor für die Kommunikation eines sozialen Systems darstellt.
Zunächst wird hier eine Beschreibung von Wut aufgezeigt, die über ihr Entstehen Auskunft gibt:
„Wut ist eine Kraft, die Großes schaffen und ebenso Großes zerstören kann. Wut ist Handlungskraft Nummer Eins. […] Wut entsteht als Reaktion auf die Interpretation „Das ist falsch“. Ich kann die Interpretation „Das ist falsch“ nur dann treffen, wenn ich eine klare Position habe, da es im absoluten Sinn kein Richtig oder Falsch gibt. […] Wut ist also nicht nur auf eine Position angewiesen, sie kann diese auch definieren. Welche Position das ist, spielt für die Wutkraft keine Rolle. Ausschlaggebend ist, dass die gewählte Position klar ist und dass wir bereit sind, für sie einzustehen.“47
In einem zuvor aufgeführten Zitat zu Gefühlen im Allgemeinen zeigt sich, dass diese durch die Interpretation über die Umwelt in Bezug zur eigenen Position entstehen. Wut zeigt sich, wenn die Interpretation „Das ist falsch“ getroffen wird. Die Interpretation von „falsch“ wird bei Wut vor allem dann getätigt, wenn die eigenen Grenzen überschritten, Rechte vorenthalten, schädigende oder verletzende Handlungen an einem ausgeübt werden.48 Christiane Windhausen spricht bei Wut von „Würde-Schutz-Kraft“, die stets auftritt wenn ein Mensch in seiner Würde verletzt oder angegriffen wird.49 Denn Würde ist, nach der Definition des Dudens, ein „Achtung gebietender Wert, der einem Menschen innewohnt, und die ihm deswegen zukommende Bedeutung“ sowie das „Bewusstsein des eigenen Wertes [und dadurch bestimme Haltung]“50. Wut dient dem Menschen also grundsätzlich dazu, seine Würde zu schützen und ihn handlungsfähig zu halten.
Eine wirkvolle Schutzfunktion von Wut kann jedoch erst durch Kommunikation entstehen. Ihr Schutz zeigt sich, wenn aus den eigenen Grenzen verwiesen, Rechte eingefordert oder für das Beenden von schädigenden oder verletzenden Handlungen eingestanden wird.51 Das Entstehen sowie der Schutz durch Wut kann auch im sozialen Kontext auftreten, wenn es um eine Person geht, mit der sich der Mensch identifiziert, der Wut spürt. Das Inkrafttreten der Funktion von Wut ist abhängig von a) der Größe der verspürten Wut sowie b) der in der Intensität schnell ansteigenden, hochbleibenden bis in Aktion tretenden und schnell nachlassenden Wut, wenn diese effektiv genutzt wurde. Wut dient somit auch der Regulierung von sozialen Beziehungen.52
Körperlich zeigt sich Wut durch die Ausschüttung der Hormone Adrenalin, Noradrenalin und Kortisol, welche Stress hervorrufen. Die Herzfrequenz wie auch der Blutdruck steigen. Es ist deutlich, dass Wut immer ein Balance-Akt ist: Es ist nicht zielführend der Wut im Ausleben freien Lauf zu lassen – denn daraus entstehen Begleiterscheinungen, die das Stresslevel hochhalten und gesundheitliche Risiken mit sich bringen. Es ist ebenfalls nicht zielführend Wut zu unterdrücken, denn das Gefühl staut sich an und kann zur Entstehung psychischer Erkrankungen beitragen oder sie gar auslösen.53
Nimmt sich eine Führungskraft ihrer eigenen Wut und der, der Mitarbeitenden an, so ist es wichtig, dass sie Wut nicht mit Aggressionen verwechselt. Oftmals wird „das Gefühl der Wut mit der wütenden Handlung verwechselt“.54 Aggressionen zeigen sich durch ihren destruktiven Charakter, in dem Wut nicht Klarheit sondern meist Zerstörung auslöst.55 In einem konstruktiven Umgang mit Wut soll die Information geborgen werden, was als „falsch“ interpretiert wird, wie die Position (die eigene oder die des Mitarbeitenden) aussieht und welche Reaktion das höchste Lösungspotenzial birgt.
Weiter ist Aufmerksamkeit hinsichtlich folgender Mechanismen, die durch Wutneutralisierung auftreten, gefragt. Somit kann eine Führungskraft sich die Kompetenz aneignen, Wut schneller zu erkennen und gezielter auf sie, anstatt auf die Vermeidungsstrategien, einzugehen. Gerade hinsichtlich des Beziehungsaspekts, kann dadurch eine schnellere Klärung von Irritationen erfolgen. Diese Mechanismen sind durch ihre Dysfunktionalität gekennzeichnet, die die Funktion von Wut aushebeln:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2: Wutneutralisierung durch maladaptive Persönlichkeit Quelle: Sulz (2009), S. 163
Sulz diagnostizierte diese dysfunktionalen Persönlichkeitszüge in einer Studie, in der er zudem eine allgemeingültige „Überlebensregel“, die hinter diesen Neutralisierungsmechanismen steckt, herauskristallisierte. Diese lautet:
„Nur wenn ich immer … (bspw. dependent) bin und wenn ich niemals Wut habe bzw. zeige, bewahre ich mir … (zentrales Bedürfnis, bspw. Zuneigung) und verhindere, dass ich abgelehnt werde (zentrale Angst).“56
Diese Überlebensregel ist meist auf die Art und Weise zurückzuführen, wie einem Menschen der Umgang mit Wut in seinem Familienkontext vorgelebt wurde.57 Meist folgt dieser Mechanismus einem typischen Ablauf, der zunächst durch das primäre Gefühl (Wut), dem primären Handlungsimpuls aus dem Gefühl (bspw. Aggression ausleben), das Bedenken der Folgen des Handlungsimpulses mit anschließender Gegensteuerung durch ein sekundäres Gefühl (bspw. Schuldgefühl) gekennzeichnet ist. Es entsteht ein Begleitgefühl (bspw. Schwächegefühl) sowie das beobachtbare Verhalten (bspw. Tatenlosigkeit der Person). Eine dysfunktionale Vorgehensweise wurde entwickelt und festigt sich meist durch fortlaufende Wiederholungen.58 Die Wut wird weder gespürt, noch wird ihre Funktion der Klärung genutzt.
Wie sich ein funktionaler und dem System dienender Umgang mit Wut angeeignet werden kann, zeigt folgende Vorgehensweise aus der Wuttherapie: 1) Es wird die Erlaubnis zum Fühlen der Wut gegeben, 2) Das Gefühl entfaltet sich zunächst im Innenraum und hat keine sofortigen Auswirkungen im Außen, 3) Die konditionierten Verhaltensabläufe (beschriebene „Überlebensregel, siehe oben) werden beobachtet und ausgelassen, 4) Die Vermeidungsstrategien werden durch Training verhindert, 5) Ein neuer Umgang, welcher funktional ist, wird gebildet und 6) Der Prozess wird fortlaufend wiederholt. Dies hat zum Ziel, eine „interaktive Kompetenz“ zu entwickeln, welche zum einen zu weniger angestauter Wut und zum anderen zu einer besseren Positionierung des Systems führt.59
„Wut ist dann die Kraft, die es mir ermöglicht, für diese bezogene Position einzustehen und sie bei Bedarf auch zu verteidigen. Wut ist damit die Kraft der Klarheit. […] Durch Wutkraft wirke ich in der Welt und beeinflusse sie im Sinne meiner Einschätzung von Richtig und Falsch. Indem ich eine Position beziehe, entscheide ich auch, wer ich bin.60
(4) Aufgaben einer Führungskraft
Gesammelt sollen in diesem Unterkapitel die Aufgaben einer Führungskraft dargestellt werden – hinsichtlich der Führung eines Systems und eines konstruktiven Umgangs mit Wut.
Primäres Ziel einer Organisation ist ihr Überleben. Eine Führungskraft ist dafür verantwortlich, dass ihr geführtes System, im Sinne des Überlebens, sich selbst erschafft und reproduziert und somit zum Erhalt der Gesamtorganisation beiträgt. Nur durch einen dynamischen Prozess von sich wiederholender und funktionierender Kommunikationen ist dies möglich. Es ist abzuleiten, dass bei einem Scheitern der Kommunikationen auch das System scheitert.
Die Verantwortung für funktionierende Kommunikationen obliegt der Führungskraft aufgrund ihrer Leitungsfunktion.61 Aus der systemischer Perspektive hängen die betriebswirtschaftlichen Ziele wie Gewinnmaximierung, Innovationsfähigkeit, Produktivität etc. von einem intakten Kommunikationsfluss ab. Wie festgestellt, kann eine Führungskraft das von ihr geführte System nicht steuern, jedoch beeinflussen. Bei ungeklärter Wut können somit Störungen im Kommunikationsfluss auftreten – sie zeigen sich durch fehlerhafte Positionierungen der beteiligten Akteuren, Unstimmigkeiten auf der Beziehungsebene und dysfunktionale Verhaltensweisen. Hieraus ergibt sich die Empfehlung einen konstruktiven Umgang mit Wut in die Kommunikationsmuster des Systems einzuführen. Durch die Entscheidungen und Beobachtungen einer Führungskraft, nimmt sie Einfluss auf das von ihr geführte System, da sich die Mitglieder des Systems (Mitarbeitenden) an ihr orientieren.62 Sie konstruiert daher die Wirklichkeit des Systems und die Wahrnehmung seiner Umwelt aktiv mit.
Um einen konstruktiven Umgang mit Wut im System zu etablieren, müssen vorhandene Kommunikationsmuster unterbrochen oder verändert werden. Hierfür bedarf es einer Führungskraft, die:
- Gefühle, insb. Wut, als Bestandteil von Kommunikation anerkennt
- Verbindungen erzeugen kann und in Kooperation tritt
- mit Nichtwissen Entscheidungen trifft
- Kommunikationsmuster beobachten kann und sich ihrem Einfluss auf sie bewusst ist
Der erste Schritt um ein Verständnis für die Wirkung von Wut zu erlangen ist die Selbstreflexion der eigenen Wut und ein Aktivwerden im Sinne der Klärung und klaren Positionierung der Führungskraft. Nur durch ein vorhandenes Selbstmanagement kann eine Führungskraft den Rahmen für ihre Mitarbeitenden schaffen, in dem sie ihre Wut ausdrücken können (siehe Vorgehensweise in der Wuttherapie). Wie genau dieser Rahmen institutionell aussieht, ist der jeweiligen Führungskraft überlassen – ein zu empfehlendes Beispiel ist das Einführen regelmäßiger Gespräche mit den Mitarbeitenden. Eine Führungskraft kann dadurch verstärkt in Kommunikation und Kooperation mit ihren Mitarbeitenden treten und begünstigt den Informationsfluss. Dafür benötigt eine Führungskraft Bereitschaft, Zeit, Reflexionsfähigkeit und die Fähigkeit des Perspektivwechsels. Sie dient dann als vermittelnde Person, die sich selbst steuern kann und Menschen so miteinander verbindet, dass das höchste Lösungspotenzial entsteht.63
Wird ein konstruktiver Umgang mit Wut angeboten, so lässt sich folgender Nutzen für die Führungskraft sowie ihr System ableiten:
- Komplexität wird durch die Verminderung von Irritationen und Blockaden auf der Beziehungsebene in der Kommunikation reduziert
- Die Integration von Wut erleichtert die Autopoiese des Systems aufgrund eines bewussten Umgangs mit ihr
- Die Einschätzungen und Positionen sowie Informationen über die Interpretation von Situationen werden gewonnen – hinsichtlich Vorstellungen, Wünschen, Bedürfnissen, Bewertungen, etc.
- Verbindungen werden erzeugt und Beziehungen reguliert
- Mechanismen zur „Neutralisierung“ der Wut werden ausgehebelt
- Entscheidungen können aufgrund eines höheren Informationsgehalts zielführender getroffen werden
Aus den Erkenntnissen der systemischen Coachingarbeit sind folgende psychologisch-systemische Gesetzmäßigkeiten aufzuzeigen, die einen konstruktiven Umgang mit Wut begünstigen. Diese sind allgemeingültig anwendbar und wirksam – unabhängig von einem herrschenden Bewusstsein über sie.64 In der folgenden Tabelle werden die psychologisch-systemischen Gesetzmäßigkeiten in Bezug auf den Umgang mit Wut dargestellt. Bei Beachtung dieser, kann eine Führungskraft wirkvoller kommunizieren und in Austausch treten:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 3 : Psychologisch-Systemische Gesetzmäßigkeiten Quelle: Vgl. Tormin (2013) und Leu (2004)
[...]
1 Blochberger (2010), S. 12
2 Singer, zitiert in Reich (2015)
3 Vgl. Singer und Ricard (2015), Einband
4 Vgl. Jensen (2016)
5 Duden (2018), Stichwort: konstruktiv
6 Vgl. Mißfeldt (2008-2018)
7 Vgl. Schönhammer (2011), S. 2
8 Kafka, zitiert in Schneider (2008), S. 15
9 Vgl. Osterath (2018)
10 Vgl. Stichweh (2012), S. 1
11 Vgl. Luhmann (2017)
12 Vgl. Lehner und Wilms (2002), S. 92
13 Vgl. Luhmann (2017)
14 Vgl. Rastelli (2008)
15 Vgl. Rastelli (2008)
16 Maturana, zitiert in Simon (2010), S. 25
17 Simon (2010), S. 26
18 Ebd.
19 Vgl. Simon (2017), S. 47
20 Vgl. Luhmann (2000), S. 52
21 Vgl. Beushausen (2007), S. 3
22 Simon (2017), S. 69
23 Vgl. ebd., S. 51
24 Luhmann, zitiert in Tomaschek (2007), S. 196
25 Vgl. Simon (2017), S. 52 f.
26 Ebd., S. 40
27 Ebd., S. 88
28 Luhmann, zitiert in Simon (2017), S. 89
29 Simon (2007), S. 27 f.
30 Vgl. Webers (2018), S. 2
31 Vgl. Simon (2013), S. 322
32 Vgl. Simon (2007), S. 108
33 Vgl. ebd., S. 110
34 Ebd.
35 Vgl. Simon (2013), S. 322
36 Vgl. ebd., S. 323
37 Vgl. Baecker (2004), S. 10
38 Luhmann, zitiert in Baecker (2004), S. 10
39 Transkript Experteninterview (2018), S. 3
40 Vgl. ebd.
41 Vgl. Baecker (2004), S. 5
42 Vgl. Schweer und Thies ( 2003), S. 71 ff.
43 Vgl. Geipel (2017)
44 Dittmar (2017), S. 30
45 Küpers und Weibler (2005), S. 40
46 Vgl. Stangl (2018)
47 Dittmar (2017), S. 32 f.
48 Vgl. Sulz (2009), S. 135
49 Vgl. Transkript Experteninterview (2018), S. 8
50 Duden (2018), Stichwort: Würde
51 Vgl. Sulz (2009), S. 135
52 Vgl. ebd.
53 Vgl. Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz (2018)
54 Sulz (2009), S. 163
55 Vgl. Dittmar (2017), S. 36
56 Vgl. Sulz (2009), S. 138
57 Vgl. ebd., S. 133
58 Vgl. Sulz (2013), S. 8
59 Vgl. Sulz (2009), S. 139
60 Dittmar (2017), S. 34
61 Vgl. Simon (2007), S. 108
62 Vgl. ebd., S. 89
63 Vgl. Transkript Experteninterview (2018), S. 4, 13
64 Vgl. Tormin (2013), S.4
- Quote paper
- Isabel Sophie Zaiss (Author), 2018, Konstruktiver Umgang mit Wut. Eine systemisch basierte Empfehlung für Führungskräfte, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/462690
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