Je stärker sich der Prozess der Konzentration im Einzelhandel in der Bundesrepublik Deutschland entwickelt, desto häufiger müssen kleinere (Traditions-) Geschäfte schließen. Insgesamt nimmt die Anzahl von Lebensmittelgeschäften in der Bundesrepublik Deutschland seit 1962 kontinuierlich ab (vgl. Abbildung 1). Dieser Vorgang nimmt insbesondere in den neuen Bundesländern dramatische Züge an, und die Abkopplung von der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung ist in manchen Dörfern nur noch eine Frage der Zeit (vgl. Hofmann 1997 und Abbildung 2). Doch der von Haack proklamierte „Schließungsrausch“ (Haack 1996: 101) durchrollt die gesamte Republik. „Dabei stehen wir nicht am Ende, sondern am Anfang der Entwicklung, und deshalb sind alle Überlegungen, die die Entleerung des ländlichen Raumes betreffen, heute von so großer Wichtigkeit, um dieser Entwicklung gegensteuern zu können“ (Haack 1996: 101). In gerade diese Versorgungslücke stoßen wiederum neue kleine Läden. „Die ersetzen die Tante Emma, haben aber eine bessere Zukunft als sie“, erklärt Lothar Kempermann, geschäftsführender Inhaber der Sügro Weser-Ems (vgl. Rueß 1995: 93). Neben einer besseren Zukunft unterscheiden sich die zuletzt genannten Läden, die so genannten Nachbarschaftsläden, von ihren Vorgängern auch dadurch, dass sie ein anderes Konzept verfolgen und andere Kriterien erfüllen müssen, um wirtschaftlich rentabel zu sein. Was steht hinter dem Konzept des Nachbarschaftsladens? Welche Aspekte machen einen Nachbarschaftsladen zu einem Nachbarschaftsladen? Welche Kriterien müssen erfüllt sein, um auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten unter einem enormen Konkurrenzdruck bestehen zu können? Wie sieht die Zukunft dieser Läden wirklich aus?
Dieses sind nur einige Punkte, die ich im Folgenden untersuchen möchte und auf die ich versuchen werde, Antworten zu finden. Der Leser soll einen Einblick bekommen, wie sich ein Nachbarschaftsladen definiert, durch welche Merkmale er sich auszeichnet und welche ökonomischen Kriterien eine bedeutende Rolle für seine Existenz spielen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Definition „Nachbarschaftsladen“
3. Dienstleistungen eines Nachbarschaftsladens
3.1 Lebensmitteleinzelhandel
3.2 Postdienstleistungen
3.3 Lotto-Toto-Annahmestellen
3.4 Versandhandelsagentur
3.5 Annahmedienstleistungen
3.6 Nutzung von Fotokopier- und Faxgeräten
4. Der Nachbarschaftsladen unter sozialen und ökonomischen Aspekten
4.1 Arbeitszeit und Personal
4.2 Räumlichkeiten und Raumkosten
4.3 Investitionskosten
4.4 Kunden
5. Konzept des „Nachbarschaftsladen 2000“
6. Ausgewählte Beispiele
6.1 Nachbarschaftsladen im ländlichen Raum (aktuelles Fallbeispiel) anhand des Konzeptes „Nachbarschaftsladen 2000“
6.2 Nachbarschaftsladen im städtischen Raum (aktuelles Fallbeispiel)
6.3 Vergleich der beiden Nachbarschaftsläden
7. Fazit/Ausblick
8. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Je stärker sich der Prozess der Konzentration im Einzelhandel in der Bundesrepublik Deutschland entwickelt, desto häufiger müssen kleinere (Traditions-) Geschäfte schließen. Insgesamt nimmt die Anzahl von Lebensmittelgeschäften in der Bundesrepublik Deutschland seit 1962 kontinuierlich ab (vgl. Abbildung 1). Dieser Vorgang nimmt insbesondere in den neuen Bundesländern dramatische Züge an, und die Abkopplung von der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung ist in manchen Dörfern nur noch eine Frage der Zeit (vgl. Hofmann 1997 und Abbildung 2). Doch der von Haack proklamierte „Schließungsrausch“ (Haack 1996: 101) durchrollt die gesamte Republik. „Dabei stehen wir nicht am Ende, sondern am Anfang der Entwicklung, und deshalb sind alle Überlegungen, die die Entleerung des ländlichen Raumes betreffen, heute von so großer Wichtigkeit, um dieser Entwicklung gegensteuern zu können“ (Haack 1996: 101). In gerade diese Versorgungslücke stoßen wiederum neue kleine Läden. „Die ersetzen die Tante Emma, haben aber eine bessere Zukunft als sie“, erklärt Lothar Kempermann, geschäftsführender Inhaber der Sügro Weser-Ems (vgl. Rueß 1995: 93). Neben einer besseren Zukunft unterscheiden sich die zuletzt genannten Läden, die sogenannten Nachbarschaftsläden, von ihren Vorgängern auch dadurch, dass sie ein anderes Konzept verfolgen und andere Kriterien erfüllen müssen, um wirtschaftlich rentabel zu sein. Was steht hinter dem Konzept des Nachbarschaftsladens? Welche Aspekte machen einen Nachbarschaftsladen zu einem Nachbarschaftsladen? Welche Kriterien müssen erfüllt sein, um auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten unter einem enormen Konkurrenzdruck bestehen zu können? Wie sieht die Zukunft dieser Läden wirklich aus?
Dieses sind nur einige Punkte, die ich im Folgenden untersuchen möchte und auf die ich versuchen werde, Antworten zu finden. Der Leser soll einen Einblick bekommen, wie sich ein Nachbarschaftsladen definiert, durch welche Merkmale er sich auszeichnet und welche ökonomischen Kriterien eine bedeutende Rolle für seine Existenz spielen. Des Weiteren erfährt der Leser, was sich hinter dem Konzept des „Nachbarschaftsladen 2000“ verbirgt. Bevor ich die Historie der Nachbarschaftsladen in einer mitteldeutschen Großstadt mit einbeziehe, gehe ich auf zwei exemplarisch ausgewählte Nachbarschaftsläden ein. Dabei ist es mir wichtig, den Leser mit einem Vergleich des Nachbarschaftsladens in ländlichen Strukturen und einem Nachbarschaftsladen mit städtischen Strukturen zu sensibilisieren und ihm die Problematik dieses Unterschiedes aufzuzeigen. Zuletzt werde ich in einem Fazit meine Schlussfolgerungen präsentieren und einen kurzen Ausblick auf die Zukunft des Nachbarschaftsladens geben.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1 (Quelle: Klaus-Stöhner; Graß 1990: 34): Lebensmittelgeschäfte in der BRD – Entwicklung 1962 – 2000 (Prognose)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2 (Quelle: Klaus-Stöhner; Graß 1990: 35): Gewinner und Verlierer im Lebensmitteleinzelhandel 1988 - 2000
2. Definition „Nachbarschaftsladen“
Der Nachbarschaftsladen – auch Convenience-Shop genannt – bietet ein spezielles Sortiment, indem zusätzliche Dienstleistungen in einen Lebensmittelladen mit eingebunden werden.
Als Grundbasis dienen Lebensmittel sowie Produkte für den kleinen Hunger und den schnellen Verzehr. Neben Snacks, Süßigkeiten, gekühlten Getränken, Tiefkühlkost, Zeitungen, Hygieneartikel, findet der Kunde auch mehrere Dienstleistungen wie Fotokopierservice oder eine Reinigung vor. Die persönliche Beziehung zwischen dem Inhaber und dem Kunden ist hierbei besonders hervorzuheben.
Auch wenn der tägliche Grundbedarf im Vordergrund steht, sind Frischprodukte unabdingbar. Besonders stark vertreten ist der Nachbarschaftsladen in ländlichen Strukturen, meistens in Dörfern, die eine geringe Einwohnerzahl aufweisen und mehrere Kilometer von den nächsten Ortschaften mit besseren Einkaufsmöglichkeiten entfernt sind (vgl. Rueß 1995: 93).
In typisch ländlich geprägten Gebieten profitieren überwiegend ältere Menschen von Nachbarschaftsläden. Jüngere Mitbürger wandern zunehmend auf Grund geringer Beschäftigungschancen ab; sie nehmen das Angebot des Nachbarschaftsladens somit weniger in Anspruch. Rentner dagegen, die in der Regel als weniger mobil gelten, sind auf die Nähe solcher Einkaufsstätten zum Teil angewiesen (vgl. Fobe 1999). Der Nachbarschaftsladen als sozialer Treffpunkt und Ort der Kommunikation in dieser Altersgruppe ist zwar bedeutend, soll aber an dieser Stelle nicht weiter bearbeitet werden.
Fälschlicherweise werden Nachbarschaftsläden immer wieder als „Tante-Emma-Läden“ bezeichnet. Bis auf das persönliche Verhältnis zwischen Betreiber und Kunden sind aber keine Gemeinsamkeiten festzustellen. Um unter wirtschaftlichen Aspekten in der heutigen Zeit bestehen zu können, müssen sich Nachbarschaftsläden an gewisse Anforderungen hinsichtlich der Ladengestaltung, des Sortiments oder der Warenpräsentation halten (vgl. Platz 1995). Auf die zuletzt genannten Aspekte möchte ich nicht näher eingehen, da die Dienstleistungen bzw. das Angebot sowie die wirtschaftliche Situation des Nachbarschaftsladens im Fokus meiner Ausarbeitung stehen sollen.
Galten in der früheren Größenordnung eines Nachbarschaftsladens Richtlinien von ca. 100 m² bis ca. 500 m², so ist in der heutigen Zeit die Größe kein entscheidendes Kriterium für die Definition. In einem Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Koblenz vom 2.3.2001 heißt es, dass „eine Verkaufsfläche von ca. 802 m² [...] heutzutage bei einem SB-Lebensmittelmarkt nicht gegen die Annahme eines sog. Nachbarschaftsladens zur wohnungsnahen Versorgung“ (o. V. 2001: 239-240) spricht.
3. Dienstleistungen eines Nachbarschaftsladens
Im Folgenden handelt es sich lediglich um eine Auswahl von Merkmalen, die noch beliebig erweitert werden könnten. Gerade in jüngster Vergangenheit treten häufig kommunale Dienstleistungen (wie etwa das Austeilen von gelben Säcken o.ä.) oder Bringdienste in Erscheinung. Ebenfalls ist auch die Integration eines Imbiß in einen Nachbarschaftsladen vorstellbar. Ich beschränke mich dagegen auf eine Auswahl, die in ihrer Häufigkeit in den meisten meiner herangezogenen Fallbeispiele vorzufinden war.
3.1 Lebensmitteleinzelhandel
Das Sortiment an Lebensmitteln stellt die Grundbasis für einen Nachbarschaftsladen. Allerdings zählen zu Lebensmitteln auch Tabakwaren oder Zeitschriften, die in dem Sortiment mit angeboten werden. Die Größe und Auswahl eines jeweiligen Sortiments hängt von der Größe des Nachbarschaftsladens ab, ist aber auf jeden Fall deutlich geringer als bei in der Nähe gelegenen Discountern oder SB-Märkten. Die meisten Nachbarschaftsläden haben Verträge mit Lebensmittelhändlern, die diese wöchentlich mit Waren beliefern. Frischwaren dagegen werden teilweise bis zu dreimal die Woche geliefert. Größere Einkaufsorte mit jenen erwähnten Discountern, SB-Märkten oder Einkaufszentren befinden sich in der Regel mehrere Kilometer entfernt. Geringere Entfernungen führen für Nachbarschaftsläden nicht selten zu einem Wettbewerbsdruck gerade im Lebensmittelbereich (siehe unten aufgeführtes Beispiel im ländlichen Raum).
Immer häufiger gibt es im Nachbarschaftsladen den Service eines Online-Terminals. Mit Hilfe eines Touch-Screens wird dem Kunden ermöglicht, im mehrere Kilometer entfernten Supermarkt virtuell einzukaufen, wenn seine Wünsche über das vor Ort angebotene Grundsortiment an Lebensmitteln hinaus gehen. Wenige Stunden später wird dem Kunden, der auf seine soziale Interaktion nicht verzichten muss, der bestellte Einkauf in den Nachbarschaftsladen geliefert (vgl. o. V. 1999: 45).
3.2 Postdienstleistungen
Gerade im Zusammenhang mit der Schließung diverser Filialen der Deutschen Post AG im ländlichen Raum, ist mit der Integration dieser Dienstleistung in einen Nachbarschaftsladen sowohl dem Unternehmen als auch den Kunden geholfen. Das Angebot von Postdienstleistungen darf inzwischen fast schon als Eckpfeiler eines Nachbarschaftsladens angesehen werden. Jedoch gibt es im Betreiben drei unterschiedliche Varianten, in denen das Angebot dem Kunden offeriert wird. Zunächst gibt es die Möglichkeit der Agentur der Deutsche Post AG. Diese Agentur umfasst das gesamte Leistungsspektrum einer kleinen Filiale in dörflich-strukturierten Gebieten. Vorteile der Integration in einen Nachbarschaftsladen gibt es viele: Neben längeren Öffnungszeiten und einer zentralen Lage im Dorfkern wird auch die Freundlichkeit und die Identifikation mit dem Betreiber dieser Agentur hervorgehoben. Handelte es sich bei den ehemaligen Angestellten der Postfilialen meist um Auswärtige oder Zugereiste, so finden die Kunden jetzt in einem Mitglied ihrer Dorfgemeinschaft kompetente und freundliche Beratung.
Die zweite Möglichkeit, die Deutsche Post AG in einen Nachbarschaftsladen zu integrieren, ist dadurch gegeben, dass eine Abgabestelle für Postwertzeichen eingerichtet wird. Diese Variante wird zum Beispiel in Anspruch genommen, wenn der Nachbarschaftsladen Post- oder Glückwunschkarten in seinem Sortiment anbietet, eine herkömmliche Postfiliale jedoch im Dorf ebenfalls vorhanden ist. Diese Möglichkeit, die indirekt zur Kundenbindung beitragen soll, ist aus Sicht des Betreibers als Serviceleistung zu verstehen. Eine Vergütung für den Verkauf von Briefmarken durch die Deutsche Post AG ist nicht vorgesehen, so dass für den Betreiber keine direkten, finanziellen Vorteile entstehen.
Zuletzt soll noch auf die Möglichkeit von privaten Paketdiensten hingewiesen werden. Diese Variante ist nur dort ernsthaft zu verfolgen, wo keine Postfilialen im Dorf existieren. Das fehlende erweiterte Angebot wird aus Kundensicht jedoch oft bemängelt, auch wenn diese Dienstleistung an sich meistens sehr gut in Anspruch genommen wird (vgl. Fobe 1999; Niedersächsischer Städte- und Gemeindebund 1999 und Jäger 1994).
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- Citation du texte
- Jens Finger (Auteur), 2005, Konzept des Nachbarschaftsladens, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/46244
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