Der digitale Wandel schreitet voran. Dadurch entstehen auf allen Gebieten der sozialen Arbeit neue Herausforderungen. Kinder, Jugendliche und Erwachsene müssen auf die digitale Zukunft vorbereitet und mit Kompetenzen für die Nutzung von digitalen Medien ausgestattet werden, um auch künftig ihre gesellschaftliche Partizipation zu gewährleisten.
In der vorliegenden Arbeit wird der Frage nachgegangen, ob die soziale Herkunft eine Korrelation mit Nutzungskompetenzen für digitale Medien aufweist. Hierzu werden zunächst zentrale Begriffe der Untersuchung umrissen und anschließend für eine quantitative Umfrage operationalisiert.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkurzungsverzeichnis
1. Einfuhrung und Problem Darstellung
2. Soziale Herkunft
2.1 Definition und Begriffsbestimmung
2.2 Kritik
2.3 SINUS-Milieus
2.3.1 Konservativ-etabliertes Milieu
2.3.2 Liberal-intellektuelles Milieu
2.3.3 MilieuderPerformer
2.3.4 ExpeditivesMilieu
2.3.5 BurgerlicheMitte
2.3.6 Adaptiv-pragmatisches Milieu
2.3.7 Sozialokologisches Milieu
2.3.8 TraditionellesMilieu
2.3.9 PrekaresMilieu
2.3.10 HedonistischesMilieu
2.4 DIVSIlnternetmilieus
2.4.1 Netz-Enthusiasten
2.4.2 SouveraneRealisten
2.4.3 Effizienzorientierte Performer
2.4.4 UnbekummerteHedonisten
2.4.5 Verantwortungsbedachte Etablierte
2.4.6 VorsichtigeSkeptike
2.4.7 Internetferne Verunsicherte
2.5 DIVSIU25-Milieus
2.5.1 Souverane
2.5.2 Pragmatische
2.5.3 Unbekummerte
2.5.4 Skeptiker
2.5.5 Verantwortungsbedachte
2.5.6 Vorsichtige
2.5.7 Verunsicherte
2.6 KombinationSINUSundDIVSI
3. Digitale Medien
3.1 Definition und Begriffsbestimmung
3.2 KritikundRisiken
3.3 MoglichkeitenderAnwendung
3.3.1 DigitaleMedienimAlltag
3.3.2 Digitale Medien in Schule und Ausbildung
3.4 Zusammenfassung digitale Medien
4. Fragestellung und Operationalisierung
4.1 Nutzen der Fragestellung und Relevanz
4.2 Verwendung der Ergebnisse in der Praxis
5. Vermutungen, Hypothesen und Operationalisierung
5.1 Hypothesenbildung
5.2 Operationalisierung
6. Methodik
6.1 Forschungsfeld
6.2 Studiendesign
6.3 Vorbereitungsphase
6.4 Planungsphase
6.5 Stichprobenbildung
6.6 Erhebungsmethode
6.7 EthischeUberlegungen
7. Durchfuhrungsphase
8. Auswertung und Ergebnisdarstellung
8.1 BerechnungderErgebnisse
8.1.1 SozialeHerkunft
8.1.2 DigitaleMedien
8.1.2.1 Item 28 - Selbsteinschatzung Medienkompetenz
8.1.2.2 Item 17 - Nutzung von digitalen Medien zur Recherche in der Freizeit
8.1.2.3 Item 13 - Nutzung sozialer Netzwerke
8.1.2.4 Iteml4-Medienbesitz
8.1.2.5 Item 15 - Nutzungsdauer digitaler Medien
8.1.3 Kumulation
8.2 AuswertungderStichprobe
8.2.1 Herkunftsverteilung
8.2.2 NutzungdigitalerMedien
8.3 Ergebnisdarstellung
9. Interpretation, Diskussion und Hypothesenprufung
10. Bedeutung und Handlungsanlass fur die soziale Arbeit
11. Zusammenfassung und Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
Abbildungen
Anhange
Anhang 1: Auswertung Item Ibis 6
Anhang 2: Auswertung Item 7 bis 10
Anhang 3: Auswertung Item 11 bis 12
Anhang 4: Auswertung Item 13
Anhang 5: Auswertung Item 14
Anhang 6: Auswertung Item 15 bis 17
Anhang 7: Auswertung Item 18 bis 20
Anhang 8: Auswertung Item 21 bis 22
Anhang 9: Auswertung Item 23 bis 24
Anhang 10: Auswertung Item 25 bis 26
Anhang 11: Auswertung Item 27 bis 28
Anhang 12: Auswertung Item 29 bis 30
Anhang 13: Auswertung Item 31 bis 32
Anhang 14: Auswertung - SINUS - Gehobene Milieus
Anhang 15: Auswertung - SINUS - Milieus der Mitte und Untere Milieus
Anhang 16: Auswertung - DIVSI-Milieus
Anhang 17: Auswertung - SINUS & DIVSI in Worten und Zahlen
Anhang 18: Zuordnung der abhangigen Variable in die Milieus
Anhang 19: Zuordnung der SINUS-Milieus im Fragebogen
Anhang 20: Zuordnung der DIVSI-Milieus im Fragebogen
Anhang 21: Fragebogen in der ersten Version
Anhang 22: EFS - Online Fragebogen
Anhang 23: Mindmap zum Fragebogen
Executive Summary
Der digitale Wandel schreitet voran. Dadurch entstehen auf alien Gebieten der sozialen Arbeit neue Herausforderungen. Kinder, Jugendliche und Erwachsene mussen auf die digitale Zukunft vorbereitet und mit Kompetenzen fur die Nutzung von digitalen Medien aus- gestattet werden, um auch kunftig ihre gesellschaftliche Partizipation zu gewahrleisten. Al- lerdings sind die Voraussetzungen und Chancen auf eine Teilhabe nicht fur alle Menschen gleichermaRen gegeben.
In dervorliegenden Arbeit wird der Frage nachgegangen, ob die soziale Herkunft eine Kor- relation mit Nutzungskompetenzen fur digitale Medien aufweist. Hierzu werden zunachst zentrale Begriffe der Untersuchung umrissen und anschlieRend fur eine quantitative Um- frage operationalisiert.
Die dafur notigen Daten werden mittels eines Fragebogens erhoben. Zur Bestimmung der sozialen Herkunft werden in einem ersten Teil des Fragebogens die DIVSI-Milieus des Deut- schen Instituts fur Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI), und zur weiteren Differen- zierung der Milieuzugehorigkeit die DIVSI-U-25-Milieus und die SINUS-Milieus herangezo- gen und ausfuhrlich erlautert. Im zweiten Teil werden Selbsteinschatzungen uber Medien- Nutzungsverhalten und Medienkompetenz der Probanden1 abgefragt.
Die Ergebnisse werden zeigen, dass sich die Forschungsfrage im Rahmen einer begrenzten Einzelfallstudie mit 50 Probanden, die zum Untersuchungszeitpunkt eine Ausbildung an der Berufsfachschule fur Notfallsanitater des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) in Bayreuth ab- solvierten, positiv beantworten lasst.
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1 - Die SINUS-Milieus 2017 Kartoffelgrafik (SINUS, 2017, S. 14)
Abbildung 2 - Die DIVSI-Internet-Milieus 2016 (DIVSI, 2016, S. 31)
Abbildung 3 - Die DIVSI U25-lnternet-Milieus der 14 bis 24-Jahrigen (DIVSI, 2014, S. 26)
Abbildung 4 - Kombination SINUS-, DIVSI- und U25-Milieus
Abbildung 5 - „Medienzeitkuchen" von Jugendlichen (DIVSI, 2014, S. 23-24)
Abbildung 6 - Verwendete Gerate fur die Internetnutzung (DIVSI, 2016, S. 16)
Abbildung 7 - Talent Shortage Survey 2017 (Manpowergroup, 2016-2017)
Abbildung 8 - „High-Score" der DIVSI-Milieus (Excel, eigene Darstellung)
Abbildung 9 - Item 28 (Unipark)
Abbildung 10 - Item 17 (Unipark)
Abbildung 11 - Item 13 (Unipark)
Abbildung 12 - Item 14 (Unipark)
Abbildung 13 - Item 15 (Unipark)
Abbildung 14 - Auswertung UV in Worten (links) und in Zahlen (rechts) (eigene Darstellung)
Abbildung 15 - Zuordnung der Zahlen (Excel, eigene Darstellung)
Abbildung 16 - Verteilung digitaler Medien bei der Recherche unterrichtsbez. Inhalte in der Freizeit
Abbildung 17-Selbsteinschatzung Medienkompetenz Endgerate
Abbildung 18 - die abhangige Variable (pi) in der SINUS Kartoffel Grafik (SINUS, 2017, S. 14)
Abbildung 19 - die abhangige Variable (pi) in den DIVSI-Internet-Milieus (DIVSI, 2016, S. 31)
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1- Beispielitem (eigene Darstellung)
Tabelle 2 - Kategorien des Fragebogens (eigene Darstellung)
Tabelle 3 - 6-stufige Skala (eigene Darstellung)
Tabelle 4 - 4-stufige Skala (eigene Darstellung)
Tabelle 5 -Ausbildungsjahr 2016 (eigene Darstellung)
Tabelle 6-Ausbildungsjahr 2015 (eigene Darstellung)
Tabelle 7-Ausbildungsjahr 2014 (eigene Darstellung)
Tabelle 8- Excel Auswertung Item 28 (eigene Darstellung)
Tabelle 9 - Auswertung Item 17 in der Excel Tabelle (eigene Darstellung)
Tabelle 10 - ausgewertete Anzahl soz. Netzwerke (eigene Darstellung)
Tabelle 11 - Auswertung Item 14 (Excel, eigene Darstellung)
Tabelle 12-Auswertung Item 15 (eigene Darstellung)
Tabelle 13 - Verteilung der Probanden auf die Jahrgange (eigene Darstellung)
Tabelle 14 - Geschlechterverteilung (eigene Darstellung)
Tabelle 15 - Schulabschlusse (eigene Darstellung)
Tabelle 16 - Verteilung der Probanden in den SINUS-Milieus (eigene Darstellung)
Tabelle 17 - Verteilung der Probanden in den DIVSI-Internet-Milieus (eigene Darstellung)
Tabelle 18 - Besitz digitaler Medien (eigene Darstellung)
Tabelle 19 - Nutzung sozialer Netzwerke (eigene Darstellung)
Tabelle 20 - Auswertung der Gesamt-Scores in den SINUS-Milieus (eigene Darstellung)
Tabelle 21 - Auswertung der Gesamt-Scores in den DIVSI-Internet-Milieus (eigene Darstellung)
Tabelle 22 - Haufigste Schulabschlusse (eigene Darstellung)
Abkurzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
l.AEinfuhrung und Problem Darstellung
,,lch glaube an das Pferd! Das Auto ist eine vorubergehende Erscheinung!"
- Kaiser Wilhelm II, ca. um 1900.
Die Digitalisierung nimmt weltweit, spatestens seit dem Beginn der 2000er Jahre massiv zu. Besonders Industrie und Wirtschaft sind Vorreiter auf diesem Gebiet. Intelligente Sys- teme ubernehmen immer mehr Funktionen. Digitale neuronale Netze, die der Funktion des menschlichen Gehirns nachempfunden sind, selbst lernen und fast intuitiv handeln, wer- den derzeit noch erforscht und voraussichtlich zu komplex werden, als dass wir noch ver- stehen konnten, nach welchen Kriterien, Dimensionen und Kategorien sie funktionieren (vgl. Kuhn, 2016, S. 38ff).
Dabei verandern sich gelernte Rituale, traditionelle Geschaftspraktiken sowie bekannte Ar- beitsablaufe und Arbeitsplatze losen sich auf (vgl. Yogeshwar, 2015, S. 33). Daher wird der Erwerb digitaler Kompetenzen in Bezug auf Industrie 4.02, Arbeit 4.03 und das Internet der Dinge4 eine zentrale Voraussetzung fur eine erfolgreiche Bildung in samtlichen Altersstufen und Stufen der Bildungspyramide werden (vgl. NMF, 2016, S. 1). Fahigkeiten und Berufe, die heute noch hoch im Kurs stehen, werden aufgrund von zunehmender Automatisierung an Relevanz verlieren. Dementsprechend werden bekannte Berufe verschwinden und neue Berufe entstehen, an die wir heute noch nicht einmal denken. Laut Kuhn (2016) wird von den Forschern der Universitat Oxford Osbourne und Frey (2013) in einer Studie prognosti- ziert, dass bis 2033 ganze 58% aller Jobs in Deutschland gefahrdet sein konnten (vgl. Kuhn, 2016, S. 38 ff).
Allerdings scheinen diese Prognosen keine wesentlichen Veranderungen im schulischen, studentischen, ausbildenden und beruflichen Bereich anzustoRen. Das Bundesministerium fur Wirtschaft und Energie (BMWi) fordert daher
„neue Lerninhalte und eine bessere Ausstattung an Schulen und in der Ausbildung. [...] [In diesem Bereich] besteht Nachholbedarf [, denn] bei der Nutzung digitaler Gerate an Schulen liegt Deutschland im internationalen Vergleich im hinteren Drittel" (BMWi, 2017, S. S12).
Die entsprechende Ausstattung der Bildungsstatten ist jedoch nur ein Schritt auf dem Weg in die neue digitalisierte Welt der nahen Zukunft. Daruber hinaus fordert beispielsweise Kuhn, dass Schulern geholfen wird, ihr Lernumfeld zu organisieren und ihre eigenen Lern- prozesse planen zu konnen (Kuhn, 2016, S. 38 ff). Alle Jugendlichen und jungen Erwachse- nen mussen also angemessen auf die digitale Revolution vorbereitet werden um an diesen Fortschritt nicht als Getriebene, sondern als Gestalter partizipieren zu konnen (vgl. Yogeshwar, 2015, S. 34). Dementsprechend soil nicht in erster Linie die Technik,
„sondern [es] muss der Mensch im Mittelpunkt der Digitalisierung stehen, der als souve- rane, freie und verantwortungsvolle Person seine Fahigkeiten und innere Berufung entfal- ten soil. So bleibt der Mensch der maBgebliche Motor fur die kreative und verantwortungsvolle Gestaltung und Entwicklung der Digitalisierung" (StMBW, 2016, S. 1).
Allerdings haben nicht alle jungen Menschen die gleichen Chancen zurTeilhabe an der Ge- sellschaft und zum Erwerb der zukunftig dafur notigen Kompetenzen.
In dieser Arbeit soil der Frage nachgegangen werden, ob die soziale Herkunft von Jugendlichen einen Einfluss auf ihren Umgang und ihre Nutzung digitaler Medien, insbesondere im bildenden Kontext, hat. Zur Einordnung der Herkunft der Probanden werden die SINUS- bzw. die DIVSI-Internet-Milieus des Deutschen Instituts fur Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI) herangezogen, die entwickelt wurden, um „zukunftig relevant werdende Herausforderungen mit Blick auf die digitalisierte Gesellschaft [zu] erkennen" (DIVSI, 2016, S. 9). Die entsprechenden Daten werden anhand eines Fragebogens erhoben. Der erste Teil des Fragebogens befasst sich mit der Einordnung der Probanden in die SINUS- und DIVSI- Milieus. In einem weiteren Teil des Fragebogens werden die Motivation, das Nutzungsver- halten und der Anwendungszweck dieser Medien im privaten sowie im schulischen Bereich abgefragt.
Die Untersuchung wird an Schulern der Berufsfachschule fur Notfallsanitater des Bayeri- schen Roten Kreuzes (BRK) in Bayreuth durchgefuhrt. Hier wird im Unterricht schwerpunkt- maRig mit digitalen Medien gearbeitet.
Die Ergebnisse sollen zeigen, ob im Rahmen einer begrenzten Einzelfallstudie ein Zusam- menhang zwischen dem Herkunfts-Milieu der Probanden und ihrem Umgang mit Smartphones, Tablets etc. besteht. Daraus sollen Schlussfolgerungen gezogen werden, welche Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Schule, Ausbildung und Studium sowie in der Erziehung und Bildung im Allgemeinen besonderer Aufmerksamkeit bedurfen, damit sie weiterhin - oder noch besser - an der Digitalisierung der Gesellschaft teilhaben zu kon- nen.
Falls Kausalitaten bestunden, konnten die Erkenntnisse in groRerem Umfang erneut uber- pruft werden und als Grundlage fur die Gestaltung von Bildungsplanen, Konzepten, Lehr- planen, sowie dem didaktischen und medialen Vorgehen von Dozenten und Lehrkraften dienen.
TheoretischerTeil
2.ASoziale Herkunft
Zur Feststellung der sozialen Herkunft von jungen Menschen konnen verschiedene Indika- toren herangezogen werden. Es sammeln sich unter diesem Begriff „[...] eine Vielzahl von Perspektiven, Erklarungen und Theorien [...]" (Korner & Betz, 2012, S. 4):
Zuerst wird ein kurzer Blick auf Hippolyte Taines Milieutheorie geworfen. Er gilt als eigent- licher Begrunder des sozialwissenschaftlichen Milieubegriffs. Bei ihm finden sich laut Hradil (2006) das erste Milieukonzept, das eine Verschmelzung zahlreicher sachlicher und menschlicher, auRerer Wirkungsfaktoren als ursachlich fur alltagliche Lebensweisen der Menschen vorsieht (vgl. Hradil, 2006, S. 3)
Eine weitere Moglichkeit der Bestimmung ergibt sich aus der auf Kapitalsorten beruhenden Klassifikation nach Bourdieu. Diese wird in Form des kulturellen und sozialen Kapitals der Familie erfasst und meint beispielsweise die Schulbildung der Eltern oder den Besitz von Kulturgutern wie klassischer Literatur (vgl. Rost et al., 2004, S. 58). Demnach druckt „die soziale Position innerhalb einer sozialen Struktur [...] den Rangplatz aus, den eine Person in derGesellschaft innehat. Mit jeder Position sind bestimmte Privilegien, Fahigkeiten, Rechte und Pflichten verknupft" (Korner & Betz, 2012, S. 4).
In der PISA-Studie 2000 wird die soziale Herkunft der Schuler mit dem Schichtmodell, „[...] anhand der soziookonomischen Stellung ihrer Familien bestimmt - also mithilfe von Daten zur Position ihrer Eltern [und] deren Verfugung uberfinanzielle Mittel, Macht und Prestige" (Rost et al., 2004,S.58).
Hradil (2006) fasst zusammen, dass unter sozialen Milieus Gruppierungen jeweils ahnlicher Mentalitaten verstanden werden und statuiert:
„Die Erforschung sozialer Milieuunterschiede ist [...] [sowohl] in der angewandten Sozial- forschung, [...] [als auch] im Marketing, weit verbreitet und lasst mittlerweile auch internationale Vergleiche zu" (Hradil, 2006, S. 40).
Aus dieser Perspektive heraus haben sich zum Beispiel die SINUS- und die SIGMA-Milieus entwickelt.
2.lA)efinition und Begriffsbestimmung
In der vorliegenden Arbeit werden im empirischen Teil Milieus zur Erhebung der notigen Daten herangezogen. Hierbei ist bedeutsam, dass Milieubegriffe Eigenschaften aufweisen, die sie vom Schicht- und Kapitalbegriff unterscheiden.
„Wahrend Schichtungskonzepte allein vertikale gesellschaftliche Ungleichheiten abbilden konnen und somit horizontale Ungleichheiten innerhalb einer Schicht unberucksichtigt lassen, [...], erlauben Milieukonzepte die Erfassung eben dieser Horizontalen [...] Unterschiede [...]" (Mandl, 2012, S. 24.).
Milieus ermoglichen eine differenziertere und durchlassigere Methode, die soziale Her- kunft einzuordnen, als Schichtmodelle, da sie nicht nur die Struktur- sondern auch Prozess- merkmale nachzeichnen (vgl. ebd., S. 24).
Um die soziale Herkunft fur die Forschungsfrage zu klaren, bieten sich eher Milieu-Modelle an, da sich Menschen, beispielsweise laut Hradil (2006),
„[...] nicht mehr so vorrangig wie die Menschen in typischen Industriegesellschaften in Ab- hangigkeit von ihrer Berufs- und Schichtzugehorigkeit definieren. Vielmehr bestimmen die Angehorigen postindustrieller Gesellschaften ihren gesellschaftlichen Ort nicht zuletzt auch durch ihre Milieuzugehorigkeit und ihren Lebensstil. Oft symbolisieren sie dies mit Klei- dung, Musikgeschmack etc. und tragen so ihre Zugehorigkeit nach auBen" (Hradil, 2006, S. 8 ).
Die Milieubegriffe betonen eher subjektive Faktoren, namentlich Mentalitaten, wahrend sich Schichtbegriffe auf die objektiven Faktoren wie Berufsstellung, Einkommen, Bildungs- abschluss und Macht (vgl. Hradil, 2006, S. 1) sowie die Kapitalbegriffe auf soziookonomi- sche Faktoren wie zum Beispiel okonomisches-, kulturelles- und soziales Kapital konzent- rieren. Weiterhin lasst das Milieukonzept die Entstehung von Mentalitaten bewusst offen, wahrend in Schicht- und Kapitalkonzept die Mentalitaten mit der spezifischen Herkunft ein- hergehen. Im Vergleich bundelt das Milieukonzept also zahlreiche Dimensionen und As- pekte (vgl. Hradil, 2006, S. 5) die die Alltagswirklichkeit von Menschen bestimmen (vgl. SINUS, 2017, S. 2).
Unter sozialen Milieus konnen also Gruppen von Gleichgesinnten mit ahnlichen Werthal- tungen, Lebensentwurfen, Beziehungen und Geisteshaltungen verstanden werden. Einem gleichen Milieu zugeordnete Menschen interpretieren und gestalten ihre Umwelt und Frei- zeit in ahnlicher Weise, wodurch sie sich von anderen Milieus unterscheiden (vgl. Hradil, 2006, S.4).
Dementsprechend werden zur Bestimmung der sozialen Herkunft bezuglich der For- schungsfrage die zehn Milieus des SINUS Institutes in Verbindung mit den DlVSI-Internet- Milieus und den DIVSI U25-Milieus gewahlt. Die Milieumodelle werden im folgenden Punkt noch einmal kritisch betrachtet.
2.2 ĀKritik
Obwohl zu Beginn des 20. Jahrhunderts Milieumodelle eine groRe Rolle im sozialwissen- schaftlichen Diskurs spielten, geriet der Milieubegriff nach dem Ende des zweiten Welt- kriegs der Milieubegriff in den Hintergrund und wurde erst Mitte der achtziger Jahre wie- derentdeckt. Dem folgte in den neunziger Jahren wiedereine realistischere Einschatzung. In der heutigen Zeit wird der Milieubegriff in der Sozialforschung und besonders im Marke- tingbereich verwendet (vgl. Hradil, 2006, S. 4 ff).
Marktforschungsunternehmen wie das SINUS-lnstitut konkurrieren um die Akzeptanz ihrer Milieumodelle und Lebensstil-Typologien bei ihren Kunden, den Marktforschung nachfra- genden Unternehmen und Organisationen. Fur diese komplexen Instrumente muss ein ei- genes Marketing betrieben werden. Der Anbieter eines Milieuinstruments kann fur das zu- gehorige Modell nicht beanspruchen, dass es eine Firmenentwicklung oder gar ein Firmen- geheimnis ist, sondern muss die Milieueinteilung als sozialen Sachverhalt, als ein Faktum der empirischen Realitat prasentieren, um fur Nachfrager interessant zu sein (vgl. Diaz- Bone, 2004, S. 8 ff).
Das Problem des Widerspruchs zwischen Etablierung eines Milieumodells als Standard und dergleichzeitigen Monopolisierung desselben kann zu losen versucht werden, indem wich- tige methodische Informationen uber die Milieuzuordnung von Befragten internes Firmen- wissen bleiben und geheim gehalten werden. Die Formel fur die Milieuzuordnung sei, so Diaz-Bone, fur ein Institut damit das Aquivalent zur Coca-Cola-Formel. Das detaillierte methodische Wissen ist das eigentliche Kapital der Firmen, das sie nicht aus der Hand geben konnen, sondern mit dem sie arbeiten und Gewinne erzielen mussen (vgl. ebd., S 10-11)
Rossner merkt an,
„dass die Reproduzierbarkeit der Ergebnisse aufgrund der restriktiven Informationspolitik des Unternehmens, das die Skala entwickelt hat, dramatisch eingeschrankt ist: Solange der Algorithmus fur die Zuordnung der einzelnen Milieus nicht preisgegeben [...] ist, kann der Einsatz zu wissenschaftlichen Zwecken immer nur als Solitar erfolgen, ohne dass un- mittelbare Bezuge zu den groGen Bevolkerungsstudien moglich waren"(Rossner, 2011, S. 211 ).
Obwohl die SINUS-Milieusegmentierung, aufgrund der langjahrigen und kontinuierlichen Pflege, uberjeden Zweifel erhaben scheint, erbringt sie also nicht zwingend einen Erkennt- nisgewinn (vgl. ebd., S. 211).
Fur die sozialwissenschaftliche Forschung ergibt sich daraus auch ein Kostenproblem, denn der Einkauf der Milieumodelle kann schnell einige zehntausend Euro betragen. AuGerdem werden mit dem Zuruckhalten wichtiger Informationen zur methodischen Vorgehensweise wissenschaftliche Gutekriterien wie Intersubjektivitat und Nachvollziehbarkeit fur die wis- senschaftliche Offentlichkeit unterminiert oder sind fur sie nicht mehr bewertbar (vgl. Diaz- Bone, 2004, S. 11).
Mit Bezug auf die Soziologen Gerhard Schulze und Hans-Peter Muller wendet Nicole Burzan (2007) zu den SINUS-Milieus ein, dass
„subjektive Dimensionen (uber Werthaltungen) nur eindimensional erfasst wurden und die Aufnahme von Kategorien aus der Schichtforschung verwundere, nachdem doch ge- rade der Zweifel an empirisch auffindbaren Schichten die Forschenden geleitet hatte [...]. H.-P. Muller fuhrt an, dass die Determinanten z.B. der Milieubildung und des Milieuwech- sels ausgeblendet bleiben und das Modell zwar den individuellen Wertewandel, aber nicht ausreichend den Zusammenhang zum sozialstrukturellen und institutionellen Wan- del berucksichtige [...]"(Burzan, 2007, S. 108) 5
Hradil kritisiert auRerdem, dass die
„[...] Ergebnisse zahlreicher empirischer Studien zeigten, dass soziale Milieus nur teilweise unabhangig, ein gutes Stuck aber doch abhangig von Berufs, Einkommens- und Bildungs- hierarchie bestehen und nur dementsprechende Erklarungen des alltaglichen Verhaltens der Menschen leisten konnen"(Hradil, 2006, S. 4).
Zusammenfassend geht also die Verwendung von SINUS-Milieus erstens mit Problemen der Intransparenz aus okonomischen Grunden einher. Zweitens wird die Verwendung von Milieus historisch bedingt unterschiedlich bewertet und geht drittens oft nur unzureichend aufgesamtgesellschaftlichen Wandel gegenuber individuellen Einstellungsverschiebungen ein. Viertens ist die Aussagekraft von Milieus als Instrumenten eingeschrankt, weil einer- seits die Abgrenzung zwischen Milieu- und Schichtmodellen weniger eindeutig moglich ist, als es auf den ersten Blick erscheint. Andererseits konnen Milieus zwar bestimmte Einstel- lungen und Wahrnehmungen beschreiben, allerdings lassen sich daraus nur schwerlich Kausalitaten ableiten, ohne wiederum auf Elemente zuruckzugreifen, aus denen sich auch Schichtmodelle konstituieren.
Obwohl die SINUS-Milieus ein Instrument fur das strategische Marketing, fur Media und Kommunikation (vgl. SINUS, 2017, S. 3) sind, werden Milieustudien (auch die des SINUS Institutes) von Sozialforschern im Rahmen der akademischen Forschung und in der ange- wandten Sozialforschung verwendet (vgl. Hradil, 2006, S. 4 ff). Ein populares Beispiel hier- fur ware das MDG-Milieuhandbuch 2013 und die von der IHK Baden-Wurttemberg in Auf- trag gegebene Studie „Azubis gewinnen und fordern" (Sinus & IHK, 2014) welche in Zusam- menarbeit mit dem SINUS Institut erstellt wurden.
Laut Aussage des SINUS Instituts (2017) bilden seine Milieumodelle den beschleunigten Wandel in unserer Gesellschaft ab, nicht zuletzt, weil sie seit 1978 kontinuierlich weiter- entwickelt werden (vgl. SINUS, 2017, S. 2). Da jedoch, wie oben dargestellt, die restriktive Informationspolitik des SINUS-lnstituts (vgl. Diaz-Bone, 2004, S. 11) verhindert, dass die Er- hebungsmethoden allgemein zuganglich gemacht werden, und um konkreter auf den ak- tuellen gesellschaftlichen Wandel einzugehen, erganzt diese Arbeit die SINUS-Milieus (Ab- schnitt 2.3) mit den Internet-Milieus des Deutschen Instituts fur Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI). Unter Abschnitt 2.4 werden diese, auf den SINUS-Milieus aufbauend, bei einer weiteren Eingrenzung der sozialen Herkunft helfen, zumal sie exploiter als die
SINUS-Milieus auf den Umgang mit digitalen Medien und dem Internet eingehen. Um auch Jugendliche und junge Erwachsene mit einbeziehen zu konnen, werden zusatzlich die DIVSI U25-Milieus in (Abschnitt 2.5) hinzugezogen. In den folgenden Abschnitten werden die Mi- lieugruppen mit ihren jeweiligen Milieus dargestellt.
2.3 A SINUS-Milieus
Nachfolgend gibt die sogenannte Kartoffelgrafik der SINUS-Milieus einen Uberblick uber die Verteilung und Einordnung unterschiedlicher Milieuzugehoriger im Jahr 2017.
Soziale Lage und Grundorientierung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1 - Die SINUS-Milieus 2017 Kartoffelgrafik (SINUS, 2017, S. 14)
Abbildung 1 stellt die soziale Lage (senkrecht) Bildung, Einkommen und Berufsgruppe dar. Die Grundorientierung (waagrecht) zeigt die Grundorientierung des jeweiligen Milieus im Hinblick auf Modernitat im soziokulturellen Sinn. Wie man sieht, ergeben zehn "Kartof- feln", eine fur jedes Milieu, ein modellhaftes Abbild der sozialen Schichtung und der Wer- testruktur der deutschen Gesellschaft in ihrer wechselseitigen Abhangigkeit (vgl. SINUS, 2017, S. 14). Di eAbschnitte 2.3.1 bis 2.3.10 geben kurze Zusammenfassungen dereinzelnen SINUS-Milieus wieder.
2.3.1Ā Konservativ-etabliertes Milieu
Das Konservativ etablierte Milieu zeichnet sich durch Verantwortungs- und Erfolgsethik so- wie Exklusivitats- und Fuhrungsanspruche und einen zunehmenden Wunsch nach Ordnung und Balance aus (vgl. SINUS, 2017, S. 16). Insgesamt machen seine Mitglieder 10% der Be- volkerung aus. Im soziodemographischen Bereich lassen sich seine Mitglieder mit einem Durchschnittsalter von 51 Jahren, mittleren bis hohen Bildungsabschlussen und einem mittleren bis hohen Einkommen verorten. Typische Berufsfelder sind hier Freiberufler, lei- tende bzw. qualifizierte Angestellte und gehobene Beamte (vgl. GIK, 2013, S. 9).
In diesem Milieu werden digitale Medien haufig als Bedrohung fur die eigenen Werte an- gesehen. Oft kommt es nur aufgrund der Initiative von Kindern oder Enkeln zur Nutzung derselben. Mobiltelefon, PC und Internet werden dann zur Kontaktpflege und zur Informa- tionssuche verwendet. Die Mitglieder versuchen, zu den negativ erlebten Begleiterschei- nungen wie standiger Verfugbar - bzw. Erreichbarkeit Abstand zu halten. Das Internet und die Medien werden hier hauptsachlich zum E-Mail-Versand genutzt. Nachdem die digitalen Medien in diesem Milieu eher nicht zu Unterhaltungszwecken genutzt werden, wird fur diese Gruppe der Werkzeugcharakter der entsprechenden Medien deutlich (vgl. Schuster, 2013, S. 17).
2.3.2Ā Liberal-intellektuelles Milieu
Dieses Milieu kann als aufgeklarte Bildungselite bezeichnet werden und zeichnet sich durch eine kritische Weltsicht, eine liberale Grundhaltung und postmaterielle6 Wurzeln aus. Die Menschen des Milieus haben daruber hinaus einen groRen Wunsch nach Selbstbestim- mung und Selbstentfaltung sowie vielfaltige intellektuelle Interessen. Ihr Anteil an der Ge- samtbevolkerung betragt 7%. Der Altersschwerpunkt liegt zwischen 30 und 60 Jahren, mit einem Durchschnitt von 46 Jahren. Es besteht eine hohe Formalbildung und im Vergleich mit den anderen Milieus der hochste Anteil an akademischen Abschlussen. Im beruflichen Bereich gibt es uberdurchschnittlich viele Selbststandige sowie leitende und qualifizierte Angestellte (vgl. GIK, 2013, S. 10).
Die Mitglieder des liberal-intellektuellen Milieus sind dementsprechend gut situiert, selbst- bewusst und haben einen grundsatzlichen Fortschrittsoptimismus. Als Ziele werden beruf- licher Erfolg, finanzielle Unabhangigkeit und ein hoher Lebensstandard genannt. Die Frei- zeitinteressen sind breit gefachert und reichen von Lesen und Kinobesuchen bis hin zu PCs und Internet. Dabei ist besonders die Mediennutzung sowohl gezielt als auch breit ange- legt. Beim TV-Konsum werden offentlich-rechtliche Sender bevorzugt, um das Selbstbild, immer auf dem Laufenden zu sein, zu pflegen. Bei der Nutzung von Smartphones und Tablets zahlen die Mitglieder oft zu den „Early Adoptern"7 und demonstrieren so Kennerschaft und Insider-Status. Privat wie beruflich wird das Internet zur Informationsrecherche, aber auch fur Dienste, wie z.B. dem Onlinebanking oder dem Online-Broking genutzt (vgl. Schuster, 2013, S. 12).
2.3.3Ā Milieu der Performer
Die Performer sind mit 8% Anteil an der Gesamtbevolkerung die multi-optionale, effizienz- orientierte Leistungselite. Sie denken globalokonomisch und zahlen sich zur Konsum- und Stil-Avantgarde. Weiterhin besteht eine hohe Technik-, IT- und Multimedia-Affinitat sowie eine hohe Etablierungstendenz (vgl. SINUS, 2017, S. 16). Angehorige dieses Milieus fuhlen sich als moderne Leistungstrager der Gesellschaft: zielorientiert, dynamisch, flexibel.
Der Altersschwerpunkt hier liegt zwischen 30 Jahren und 50 Jahren, bei einem Durchschnitt von 42 Jahren. Oft befinden sich in dieser Gruppe Paare ohne und mit (kleineren) Kindern. Haufig sind hohere Bildungsabschlusse mit Studium anzutreffen. Im Milieuvergleich gibt es hierden hochsten Anteil Voll-Berufstatiger, wobei auch ein hoher Anteil an Selbststandigen und Freiberuflern enthalten ist. Viele arbeiten in qualifizierten und leitenden Positionen. Die Haushaltseinkommen sind in der Regel hoch (vgl. GIK, 2013, S. 11).
2.3.4Ā Expeditives Milieu
Die Mitglieder gehoren mit 8% Anteil der Befragten zur ambitionierten und kreativen Avantgarde und konnen als transnationale Trendsetter, mental, kulturell und geografisch mobil sowie online und offline vernetzt bezeichnet werden. Sie sind nonkonformistisch, auf derSuche nach neuen Grenzen und neuen Losungen (vgl. SINUS, 2017, S. 16).
Innerhalb der Milieus sind die Expeditiven die jungste Gruppe. Zwei Drittel sind unter 30 Jahren, wobei der Altersdurchschnitt bei 29 Jahren liegt. Weiterhin sind hierviele Singles und immer noch bei den Eltern lebende junge Erwachsen vertreten. Die Mitglieder besitzen eine hohe Formalbildung und haben im Milieuvergleich den geringsten Anteil an Mittel- schulabschlussen und den hochsten Anteil an Abiturienten. 43% befinden noch in Ausbil- dung, wobei unter den Berufstatigen viele Selbststandige, qualifizierte und leitende Ange- stellte sind. Weiterhin sind hier, durch die gut situierten Elternhauser, uberdurchschnittli- che Haushaltseinkommen vertreten. Bei den Berufstatigen befinden sich die Einkommen im mittleren bis gehobenen Bereich (vgl. GIK, 2013, S. 12).
Besonders die jungeren Mitglieder des expeditiven Milieus sind der Regel weniger am Er- folg, sondern an der Erkundung neuer Moglichkeiten interessiert, beherrschen die digitalen Techniken, sind wenig gebunden und stets fur Neues offen. Meist auRer Haus und dort zu finden, wo etwas Neues passiert, verstehen sie sich als Avantgarde und geben sich daher keine feste Orientierung. Dies wurde am Experimentieren mit neuen Angeboten der Kultur- und Freizeitindustrie hindern. Die jungen Menschen verfolgen nicht primar beruflichen Er- folg, wobei ihre Spontaneitat und das Leben mit vielen Widerspruchen fur wenig stringente Biographien sorgen. Die Mediennutzung ist stark durch das Internet gepragt (vgl. Bieger, 1996-2017), und es werden einerseits die gestiegenen Anforderungen der modernen Leis- tungsgesellschaft erfullt, andererseits aber auch der Alltag hedonistisch uberformt. Daher sind die Expeditiven angepasst, ohne langweilig zu sein, und suchen nach neuen Wegen und Herausforderungen, ohne schulische und soziale Verpflichtungen zu vernachlassigen (vgl. Scholz, 2012).
2.3.5Ā Burgerliche Mitte
Die burgerliche Mitte ist der leistungs- und anpassungsbereite Mainstream. Sie haben ei- nen Anteil von 13% der Befragten. Die Mitglieder bejahen generell die gesellschaftliche Ordnung. Es herrscht der Wunsch nach beruflicher und sozialer Etablierung, nach gesicher- ten und harmonischen Verhaltnissen. Gleichzeitig existieren eine wachsende Uberforde- rung und Abstiegsangste (vgl. SINUS, 2017, S. 16).
Vertreten sind hier hauptsachlich die mittleren Altersgruppen und Altere ab 40 Jahren bei einem Durchschnitt von 51 Jahren. Hier gibt es auch den hochsten Anteil verheirateter Paare im Milieu-Vergleich. Im Bildungsbereich sind qualifizierte mittlere Bildungsab- schlusse und ein geringer Akademikeranteil anzutreffen. Die Mitglieder des Milieus sind uberwiegend berufstatig im Bereich der mittleren Angestellten und Facharbeiter. Mehr als ein Viertel ist, aufgrund des demographischen Wandels, bereits im Ruhestand. Vorherr- schend sind mittlere Einkommensklassen (vgl. GIK, 2013, S. 13).
Das fruher aufstiegsorientierte Milieu, hierbei der altere Teil, konzentriert sich heute auf die Forderung der Kinder und das Verhindern des eigenen Abstieges. Seine Mitglieder nei- gen dazu, sich privat abzuschotten. Die Freizeitgestaltung findet hauptsachlich im Freun- deskreis und dem eigenen Zuhause statt. Insgesamt geht es den Mitgliedern um Sicherheit und Harmonie. Mittlerweile haben auch diese die Vorteile der digitalen Medien erkannt und bevorzugen bei deren Benutzung einfache, alltagstaugliche Anwendungen und Gerate. Bevorzugt werden dieselben fur Onlinekaufe, E-Mail-Versand und Informationsrecherchen verwendet. Dabei werden auch Angste geauRert, uber das Internet ausgespaht bzw. „ab- gezockt" zu werden (vgl. Schuster, 2013, S. 7-8).
2.3.6Ā Adaptiv-pragmatisches Milieu
Dieses Milieu wird als die moderne junge Mitte (10% der Befragten) mit ausgepragtem Le- benspragmatismus und Nutzlichkeitsdenken bezeichnet. Die Mitglieder sind leistungs- und anpassungsbereit, haben aber auch den Wunsch nach SpaR und Unterhaltung. Sie sind au- Rerdem zielstrebig, flexibel und weltoffen mit einem gleichzeitig starken Bedurfnis nach Verankerung und Zugehorigkeit (vgl. SINUS, 2017, S. 16). Sie konnen sich den Anforderun- gen der Arbeitswelt anpassen und zeigen eine klare Identifikation mit der Leistungs- und Wettbewerbsgesellschaft (vgl. vhw, 2013, S. 13).
Der Altersschwerpunkt liegt unter 40 Jahren, bei einem Durchschnittsalter von 38 Jahren. Jeder Zweite ist verheiratet, aber haufig noch ohne Kinder. Viele leben auch noch im El- ternhaus und haben mittlere bis gehobene Bildungsabschlusse (Realschule, Abitur). Beruf- lich sind die Mitglieder einfache, mittlere und qualifizierte Angestellte sowie Facharbeiter. Ungefahr ein Viertel ist noch in Ausbildung oder arbeitssuchend. Die Einkommensklassen liegen im mittleren bis gehobenen Bereich - haufig sind die Haushalte auch Doppelverdie- ner(vgl. GIK, 2013, S. 14).
2.3.7Ā Sozialokologisches Milieu
In diesem Milieu (7% der Befragten) sind engagierte und gesellschaftskritische Menschen mit normativen Vorstellungen vom „richtigen" Leben verortet. Die Mitglieder haben ein ausgepragtes okologisches und soziales Gewissen und zeigen sich als Globalisierungsskep- tiker und Bannertragervon Politischer Korrektheit und Diversitat (vgl. SINUS, 2017, S. 16).
In diesem Milieu sind Frauen leicht uberreprasentiert. Besonders haufig ist hier eine hohe Formalbildung anzutreffen. Uber ein Drittel der Mitglieder haben Abitur oder einen Hoch- schulabschluss. AuRerdem ist hier der hochste Anteil an Teilzeitbeschaftigten und nicht mehr Berufstatigen im Milieuvergleich anzutreffen. Im beruflichen Kontext sind viele qua- lifizierte Angestellte, hohere Beamte, aber auch kleine Selbststandige und Freiberufler anzutreffen. Die Einkommen bewegen sich im mittleren bis gehobenen Bereich (vgl. GIK, 2013, S. 15).
Grundsatzlich sind die Mitglieder dieses Milieus kosmopolitisch orientiert und haben eine hohe Toleranz gegenuber anderen Lebensweisen. Ebenso sind Individualismus und der Ein- satz fur gerechte Gesellschaftsverhaltnisse keine Seltenheit. Sie haben durchschnittlich die hochste Formalbildung im Milieuvergleich, ein gropes Vertrauen in ihre eigenen Fahigkei- ten und einen souveranen Umgang mit Herausforderungen im Beruf oder Familie. Gegen- uberder Konsum- und Mediengesellschaft vertreten sie eine kritische Haltung. Digitale Me- dien werden intensiv und souveran genutzt. Gerate werden zur personlichen Entlastung gekauft und verwendet, anstatt als Statussymbol gebraucht zu werden. Ihr Einsatz wird jedoch kritisch reflektiert und ist primarauflnformationsrecherchen ausgelegt und besitzt eher Werkzeugcharakter (vgl. Schuster, 2013, S. 15-16).
2.3.8Ā Traditionelles Milieu
In diesem Milieu ist, mit einem Anteil von 13%, die Sicherheit und Ordnung liebende, altere Generation verortet, die in der kleinburgerlichen Welt bzw. in der traditionellen Arbeiter- kultur verhaftet ist. Weiterhin sind die Mitglieder sparsam und passen sich an die Notwen- digkeiten des Lebens an. Es entwickelt sich in diesem Milieu jedoch zunehmend auch ein Gefuhl der Resignation und des Abgehangt-Seins (vgl. SINUS, 2017, S. 16).
Der Altersschwerpunkt liegt uber 60, bei 68 Jahren im Durchschnitt. Dementsprechend gibt es einen hohen Frauenanteil sowie einen hohen Anteil an Rentnern, Pensionaren und Ver- witweten. Im Bildungsbereich herrscht eine niedrige Formalbildung (Grund-/Hauptschule mit Berufsausbildung). Fruher waren die Mitglieder oft als kleine Angestellte, Arbeiter oder Facharbeiter tatig. Die Einkommen bewegen sich im mittleren Bereich, wobei die Haus- haltsnettoeinkommen unter 2000€ Netto pro Monat liegen (vgl. GIK, 2013, S. 16).
Aufgrund ihrer Herkunft aus der Kriegs- und ersten Nachkriegsgeneration sind Werte wie Pflichterfullung, Sparsamkeit, Bescheidenheit und Ordnung stark vertreten. Es besteht die groRte Distanz zu digitalen Medien und es werden bestenfalls Handys genutzt, welche von den Enkeln kommen, um (telefonischen) Kontakt zu halten. PCs sind in den Haushalten kaum zu finden, und das Internet wird, wenn uberhaupt, nur zum Versenden von E-Mails genutzt (vgl. Schuster, 2013, S. 17-18).
2.3.9Ā Prekares Milieu
Die Mitglieder dieses Milieus gehoren zu den 9% der um Orientierung und Teilhabe bemuh- ten Unterschicht. Sie sehen sich einer Haufungvon sozialen Benachteiligungen ausgesetzt, haben geringe Aufstiegsperspektiven, eine reaktive8 Grundhaltung und sind bemuht, den Anschluss an die Konsumstandards der breiten Mitte zu halten. Hinzu kommen starke Zu- kunftsangste sowie Verbitterung und Ressentiments (vgl. GIK, 2013, S. 17).
Insgesamt gibt es im prekaren Milieu uberdurchschnittlich viele Alleinstehende, Geschie- dene und Verwitwete. Die Mitglieder haben eher niedrige Bildungsabschlusse und sind be-ruflich als Arbeiter und Facharbeitertatig. Hier herrscht die hochste Arbeitslosigkeit im Mi- lieu-Vergleich. Daraus resultieren insgesamt auch niedrige Einkommen bei einem Alters- durchschnitt von 54 Jahren (vgl. GIK, 2013, S. 17).
Digitale Medien werden in diesem Milieu primar zur Unterhaltung verwendet und sind, aufgrund der im Beruf nur selten gewonnenen diesbezuglichen Erfahrungen, auf die Nut- zung der Basisfunktionen beschrankt. Mobile Endgerate sind zwar Standard, fuhren jedoch oft in die Verschuldungsfalle. Die ausgepragte Spielleidenschaft wird hauptsachlich uber Konsolen und Fernseher bedient. Das Internet wird primar zur Arbeitssuche und dem An- sehen bzw. Herunterladen von Filmen, fur (Glucks-) Spiele und Erotikangebote genutzt (vgl. Schuster, 2013, S. 13).
2.3.10ĀJedonistisches Milieu
Die Milieuangehorigen (15% der Befragten) sind meist Teil der spate- und erlebnisorientier- ten modernen Unterschicht, bzw. unteren Mittelschicht, die unbekummert und spontan im Hier und Jetzt leben. Im Beruf zeigen sie sich haufig angepasst, brechen jedoch in ihrer Freizeit aus den Zwangen des Alltags aus und verweigern die Konventionen und Verhalten- serwartungen der Leistungsgesellschaft und zeichnen sich auRerdem durch einen sponta- nen Konsumstil sowie Trendorientierung bzw. „Fun & Action" aus (vgl. GIK, 2013, S. 18).
Vertreten sind hier besonders die jungeren Altersgruppen bis 40 Jahren, bei einem Durch- schnittsalter von 38 Jahren. Weiterhin gibt es einen hohen Anteil an Ledigen (mit und ohne Partner im Haushalt). Im Niveau der Formalbildung gibt es keinen eindeutigen Schwer- punkt. Beruflich sind hier haufig einfache und mittlere Angestellte sowie Arbeiter und Fach- arbeiter, jedoch auch uberdurchschnittlich viele Arbeitslose vertreten. Auch der Anteil an Schulern, Studenten und Azubis ist uberdurchschnittlich hoch. Die Einkommensverteilung ist breit gefachert (wie in der Grundgesamtheit) (vgl. GIK, 2013, S. 18).
Die Mitglieder des Milieus suchen nach SpaR, Kommunikation, Bewegung und Reibungsfla- che, traumen jedoch gleichzeitig von intakten sozialen Beziehungen, ohne diese ubereinen langeren Zeitraum aushalten zu konnen. Um „in Spannung" zu bleiben, werden vielfaltige Reize gesucht, und die Freizeit wird als eigentlicher Lebensraum verstanden. Daher wird versucht, aus den taglichen Routinen auszubrechen und das Bedurfnis nach Authentizitat,
Freiheit und Individualist zu befriedigen. Die Arbeit dient lediglich dem Zweck, Geld fur die eigenen Aktivitaten und das Lebensziel der Selbstverwirklichung zu verdienen. Dadurch kann es zu einem regelrechten Doppelleben mit angepasstem Berufsalltag und exzessiven Freizeitaktivitaten kommen. Krisen wird oft mit Verdrangung begegnet, und die Lust am Spontanen, AnstoRigem und Exzessiven verhindert die eigene Lebensplanung (vgl. Schuster, 2013, S. 9-10).
Internet und PC werden uberdurchschnittlich oft genutzt. Eine berufliche Nutzung digitaler Medien spielt kaum eine Rolle. Dafur sind Kontaktpflege im Freundeskreis uber die ver- schiedenen sozialen Netzwerke und Messenger-Programme sehr wichtig. Weiterhin wird das Internet fur Spiele, Musiktausch, Downloads von Filmen und Erotikangeboten genutzt (vgl. Schuster, 2013, S. 9-10).
2.4ĀDIVSI Internetmilieus
Zur Erganzung der SINUS-Milieus werden die Internet-Milieus des Deutschen Instituts fur Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI), im Nachfolgenden nur noch DIVSI genannt, vorgestellt, um den Aspekt der Digitalitat in den einzelnen Milieus hervorzuheben und zu prazisieren. In Punkt 2.6 wird anschliefcend aufdie Kombination von DVISI und SINUS-Milieus bezuglich der Forschungsfrage eingegangen.
Die erste Milieustudie des DIVSI wurde im Jahr 2012 veroffentlicht. Im Juni 2016 wurde mit einer neuen Studie eine umfangreiche Aktualisierung vorgenommen, um festzustellen, wie sich das tatsachliche Nutzungsverhalten und die digitalisierte Gesellschaft verandert ha- ben. Somit wird in der Studie 2016 auch ein aktualisiertes Modell der DIVSI-Internet-Mili- eus geliefert, welches die Veranderungen und Entwicklungsdynamiken in der digitalen Gesellschaft zeigt (vgl. DIVSI, 2016, S. 6-7).
Die zentralen Forschungsfragen und Themenkomplexe der Studie behandeln das Digitali- sierungslevel9, die Chancen und Risiken der digitalen Welt10, die Einstellungen zum Ver- trauen und der Sicherheit im Internet11 sowie die Privatsphare und Personal Data Economy12 (DIVSI, 2016, S. 10).
Es sei nochmals darauf hingewiesen, dass die DIVSI-Internet-Milieus in dieser Arbeit nicht zur Einschatzung des Online-Verhaltens eingesetzt werden, sondern zusatzlich zu den SINUS Milieus, um die soziale Herkunft und die Digitalitat in der Forschungsfrage weiter zu prazisieren. Allerdings tragen die dargebotenen Erkenntnisse der Studie praktischer Weise auch zur weitergehenden Informationen, bezuglich der Ergebnisse des empirischen Teils, fur den Leser bei.
Wie bereits bei den SINUS-Milieus, stellt die nachfolgende Kartoffelgrafik die Verteilung der DIVSI-Internet-Milieus dar.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2 - Die DIVSI-Internet-Milieus 2016 (DIVSI, 2016, S. 31)
Die Darstellung der Internet-Milieus spannt sich nach der Erklarung des DIVSI 2016 anhand zweier Achsen auf, der sozialen Lage auf der vertikalen und der Haltung gegenuber dem Internet auf der horizontalen Achse. Je hohereine Gruppe bei dersozialen Lage angesiedelt ist, desto gehobener sind Bildung und Einkommen. Je weiter rechts ein Internet-Milieu angesiedelt ist, desto wichtiger und selbstverstandlicher ist die Online-Mediennutzung - zu- meist verbunden mit der Tatsache, dass diese Personen auch mehr Zeit online verbringen als diejenigen, die in der Grafik weiter links zu finden sind. Die Farbgebung der Einzelnen Internet-Milieus verdeutlicht damit auch die Nahe zum und die Offenheit fur das Internet: Die in Blautonen gehaltenen Internet-Milieus zeichnen sich durch eine gewisse Internet- ferne und die in Rottonen gehaltenen durch eine mehr oder weniger ausgepragte Internet- nahe aus. (vgl. DIVSI, 2016, S. 27)
lm weiteren Verlauf werden die DIVSI-Internet-Milieus kurz vorgestellt und mit Zitaten aus der Studie illustriert.
2.4.1A Netz-Enthusiasten
Die 15% Netz-Enthusiasten mochten und konnen sich ein Leben ohne Internet nicht vor- stellen. Der Altersdurchschnitt liegt zwischen 14 und 24 Jahren und viele leben noch im eigenen Elternhaus. Dieses Milieu hat viele Beruhrungspunkte mit den Souveranen (vgl. Abschnitt 2.5.1) der U25-Milieus. Insgesamt besitzen sie ein mittleres Bildungsniveau, wo- bei ein uberdurchschnittlicher Anteil einen Universitats- oder Hochschulabschluss besitzt. Das monatliche Einkommen liegt im oberen Mittelfeld da viele auch berufstatig sind (vgl. DIVSI, 2016, S. 34ff).
Mitglieder dieses Milieus suchen nach neuen Herausforderungen und Erfahrungen und ha- ben sich von einem klassischen Karriereweg abgewandt. Sie versuchen Grenzen auszuloten und idealerweise zu verschieben. Bei der Internetnutzung haben sie eine hohe Begeiste- rung fur soziale Netzwerke, interessieren sich fur Konsum, Veranstaltungen sowie Musik, Kultur und Unterhaltung. Weniger Interesse zeigen sie fur Politik, Zeitgeschehen und ahn- liche Themen. Weiterhin ist ihnen das Internet wichtig fur Beruf und Karriere.
Im Internet selbst sehen die Netz-Enthusiasten keine Bedrohung, sondern sind klar chan- cenorientiert. Dabei gehen sie gelegentlich etwas zu sorglos mit moglichen Gefahren um.
Dies wird auch darin deutlich, dass die Mitglieder des Milieus sich, im Vergleich zu alien anderen, am wenigsten Gedanken uber Gefahren einer zukunftigen digitalisierten Welt machen und die Verantwortung fur ihre Netzsicherheit beim Anwender selber sehen (vgl. DIVSI, 2016, S. 34-39). Beispielhaft fur diese Haltung ist die folgende Aussage:
,„Vielleicht bin ich aber jetzt auch schon aus einer anderen Generation, die das ein biss- chen lockerer sieht. Und ich hatte auch noch nie Probleme damit. Und was die dann wirk- lich mit den Daten machen, sollte mir eigentlich relativ egal sein.' (weiblich, 23 Jahre)"(DIVSI, 2016, S. 39)
2.4.2Ā Souverane Realisten
Souverane Realisten (12% der Befragten) sind unaufgeregte Intensivnutzer. Sie sind im Durchschnitt 46 Jahre alt und leben in einer Partnerschaft. Im Vergleich mit den anderen Milieus haben sie den hochsten Anteil an Universitats- und Hochschulabschlussen und ein sehr hohesformales Bildungsniveau. Uberschneidungen bestehen in diesem Milieu mit den U25-Milieus der Skeptiker (vgl. 2.5.4) und der Verantwortungsbedachten (vgl. 2.5.5) Die meisten sind fest angestellt und bekleiden auch im Milieuvergleich am meisten leitende Funktionen und befinden sich daher in dergehobenen Einkommensklasse (vgl. DIVSI, 2016, S. 40 ff).
Angehorige dieses Milieus zeigen eine hohe Internetaffinitat und stellen uberdurchschnitt- lich oft Bilder, Beitrage etc. ins Netz. Weiterhin trennen sie im Milieuvergleich am wenigsten zwischen privater und beruflicher Internetnutzung. Die Meisten haben fur ihre digitalen Angelegenheiten einen extra eingerichteten Arbeitsplatz in ihrerWohnung.
Trotz ihrer Wertschatzung fur die Moglichkeiten der zukunftigen digitalen Entwicklung be- trachten die Souveranen Realisten die Ausbreitung sozialer Netzwerke eher kritisch. Der groRere Teil sieht im Internet mehr Chancen als Risiken. Im Internet interessieren sie sich haufig fur Politik, Wissenschaft, Zeitgeschehen, Finanzanlagen, Versicherungen, Steuer- Tipps und Technik. Dabei sind sie sich der Risiken bewusst, wodurch das Nutzungsverhalten aufgrund der subjektiv wahrgenommenen Kompetenz aber nicht beeintrachtigt wird. Be- zuglich der digitalen Zukunft haben sie quasi keine Bedenken, machen sich jedoch uber die zunehmende Okonomisierung personlicher Daten Gedanken und sehen einen hohen Anteil der personlichen Sicherheit in ihrer eigenen Verantwortung (vgl. DIVSI, 2016, S. 40-45):
,„lch mache eigentlich nichts bei Facebook. Ich gucke nur ab und zu rein, wenn mir lang- weilig ist, was da fur Bilder gepostet werden oder was fur Artikel gepostet wurden, welche Veranstaltungen wann, wo sind. Da ist Facebook auch ganz hilfreich' (mannlich, 19 Jahre)"(DIVSI, 2016, S. 41).
2.4.3A Effizienzorientierte Performer
Die Angehorigen dieses Milieus (15% der Befragten) sind vom Internet, insbesondere von den beruflichen und privaten Moglichkeiten, begeistert. Ihr klares Ziel ist die Erreichung eines hohen Lebensstandards. Uberschneidungen mit den U25-Milieus sind hier innerhalb der Pragmatischen (vgl. 2.5.2). Der Altersdurchschnitt liegt bei 38 Jahren, wobei die Alter- spanne von 14 bis 44 Jahren reicht. Das formale Bildungsniveau liegt mit einer hohen Zahl an Realschulabschlussen in der Mitte der Gesellschaft. Der jungere Teil lebt meist noch bei den Eltern und ist Schuler, wahrend die Alteren oft in Beziehungen leben und als qualifi- zierte Angestellte tatig sind. Das Einkommen bewegt sich damit im mittleren Bereich (vgl. DIVSI, 2016, S.46ff).
Effizienzorientierte Performer sind zu uber 50% Teil einer Onlinecommunity oder von sozi- alen Netzwerken, uber die sie auch ihre Kontakte pflegen. Besonderer Beliebtheit erfreuen sich hier die mobilen Endgerate. Fur dieses Milieu uberwiegen die Chancen des Internets die Risiken, und die Angehorigen schatzen nicht nur die alltagserleichternden Aspekte, son- dern auch die kostenlosen Kommunikationsmoglichkeiten (Skype und WhatsApp) und Un- terhaltungsangebote. Im Vergleich zu den anderen Milieus bewegen sie sich jedoch eher vorsichtig im Internet und entscheiden ganz bewusst, welche Informationen sie im Internet uber sich preisgeben. Sie sehen auch den Staat in einer starken Verantwortung, fur die Si- cherheit zu sorgen. Dabei sehen sie jedoch auch ihre eigenen Anteile. Bezogen auf die digi- tale Zukunft sind sie sehr zuversichtlich, offen und gespannt auf das, was noch kommen wird, wobei sie einer Okonomisierung der personlichen Daten sehr kritisch gegenuberste- hen (vgl. DIVSI, 2016, S. 46-51).
,„Oder, ich weiR nicht, ich hab meinen Schlussel vergessen und rufe meinen Mann an und sage: ,Hey, ich komme nicht rein', und er macht uber sein Handy dann meineTur auf. Cool ist das schon' (weiblich, 30 Jahre)"(DIVSI, 2016, S. 50).
2.4.4Ā Unbekummerte Hedonisten
Die 11% der unbekummerten Hedonisten partizipieren ausgiebig von den Moglichkeiten des Internets, wobei sie im Vergleich sehr wenig Bewusstsein fur Gefahren und Risiken auf- weisen. Dieser Tatsache sind sie sich allerdings bewusst. Wichtig sind ihnen Freizeit, SpaR, Unterhaltung und Spontaneitat. Sie reagieren distanziert auf Einschrankungen und Regeln, fuhlen sich damit jedoch gleichzeitig als AuRenseiter der Gesellschaft. Uberschneidungen sind hier mit den Unbekummerten (vgl. Abschnitt 2.5.3) aus der U25-Studie zu finden. Der Altersdurchschnitt liegt bei 44 mit einer Spannweite von 14 - 65+ Jahren. Das formale Bil- dungsniveau liegt in der Mitte der Gesellschaft, bei einem uberdurchschnittlichen Anteil an Abiturienten. Dabei ist der Anteil an Fach- oder Hochschulabschlussen eher unterdurch- schnittlich und befinden sich mehrheitlich in den mittleren Einkommensklassen (vgl. DIVSI, 2016, S. 52 ff).
Beim Umgang mit dem Internet sehen viele Mitglieder die maRgeschneiderten Werbungen und Angebote als groRen Vorteil, da hierdurch Zeit- und Kostenersparnis entsteht. Fur sie sind das die groRen Chancen des Internets, und sie konnen sich ein Leben ohne Online- Community kaum vorstellen. Hier werden, haufiger als im Durchschnitt der Milieus, private Informationen und Bilder geteilt, um Freunde und Bekannten uber Freizeitaktivitaten und Anderes auf dem Laufenden zu halten. Besonders soziale Netzwerke werden als anziehend empfunden und exzessiv genutzt. Bezuglich der Gefahren des Internets besteht hier eine sehr diffuse Risiken- und Gefahrenwahrnehmung. Auf der einen Seite teilen unbekummerten Hedonisten ihre Daten, da sie „nichts zu befurchten" haben, auf der anderen Seite fuhlen sich viele dem Internet hilflos ausgesetzt. Im Vergleich zu anderen Milieus sind sie am ehesten bereit, ihre privaten Daten gegen ein Entgelt zur Verfugung zu stellen (vgl. DIVSI, 2016, S. 57 ff).
,„Was mache ich auf Facebook? Ich trage meine Bilder ein, wo ich jetzt im Urlaub war und so. Was ich unternehme mit Freunden zusammen, so was stelle ich da rein' (mannlich, 31 Jahre)"(DIVSI, 2016, S. 55).
2.4.5Ā Verantwortungsbedachte Etablierte
Der Vollstandigkeit halber wird diese Milieugruppe hier dargestellt. Allerdings ist sie fur die Forschungsfrage, besonders aufgrund des Alters (im Durchschnitt 62 Jahre), wenig relevant. In Verbindung mit den Verantwortungsbedachten (vgl. Abschnitt 2.5.5) der U25-Mili- eus werden jedoch Gemeinsamkeiten deutlich. Sie machen 16% der Befragten aus.
Verantwortungsbedachte Etablierte sehen die Digitalisierung als positive und wichtige Ent- wicklung, an der sie in jedem Fall teilhaben mochten. Ihre Einstellung zum Netz ist aber nicht euphorisch, sondern eher abwagend und besonnen. Sie sind zwar regelmafcig, aber selektiv im Netz unterwegs. Soziale Netzwerke und Unterhaltungsanspruche spielen nur eine unterdurchschnittliche Rolle. In puncto Sicherheit sehen sie den Nutzer selbst in der Verantwortung, erwarten aber auch vom Staat ein eindeutiges Engagement (vgl. DIVSI, 2016, S. 58 ff).
Im Internet-Milieu der Verantwortungsbedachten Etablierten gibt es einem groRen Anteil formal Hochgebildeter. Die Geschlechterverteilung zeigt einen leicht hoheren Anteil an Frauen. Das Einkommensniveau liegt leicht uber dem Mittel der Gesellschaft. Das Durch- schnittsalter liegt bei 52 Jahren. Die Grundeinstellung zum Leben und zur Gesellschaft wird von burgerlich-liberalen, leistungs- und sicherheitsorientierten Wertvorstellungen domi- niert. Sie pladieren fur eine ausgewogene Balance zwischen Fortschritt und Entschleuni- gung, sind sich aber insgesamt besonders der Gefahren im Internet bewusst. (vgl. ebd. S. 58-63)
,„Ja, dass jemand meine Daten gegen meinen Willen verwendet, in irgendeiner Form. Ich habe auch letztens die Diskussion mit jemandem gehabt uber Fotos. Ein Stuck weit muss man sich naturlich die Frage stellen, wenn ein Foto irgendwo im Internet ist, kann es sein, dass es irgendwo fur blode Zwecke verwendet wird' (weiblich, 33 Jahre)"(DIVSI, 2016, S. 63).
2.4.6Ā Vorsichtige Skeptiker
Trotz der voraussichtlich nicht relevanten Bedeutung fur die Forschungsfrage und den Fra- gebogen wird dieses Milieu hier aufgefuhrt. Die Mitglieder machen 15% der Befragten aus und zeigen Gemeinsamkeiten mit dem U25-Milieu der Vorsichtigen (vgl. Abschnitt 2.5.6).
Die vorsichtigen Skeptiker sind zuruckhaltende Nutzer, die haufig wenig souveran im Um-gang mit dem Internet sind. Besonders kritisch wird der Umgang mit den eigenen Daten durch groRe Unternehmen betrachtet, wodurch sich fur sie auch die starksten Bedenken gegenuber der fortschreitenden Digitalisierung ergeben. Durchschnittlich sind die Mitglie- der 49 Jahre alt und weisen lediglich ein mittleres formales Bildungsniveau auf. Dafur liegt das Einkommen leicht uber dem mittleren Einkommensniveau (DIVSI, 2016, S. 64 ff).
Der Wunsch nach Teilhabe an den Dingen, die im Internet passieren, ist verglichen mit dem Milieudurchschnitt weniger ausgepragt. Trotzdem sind sie regelmaRig, jedoch nicht taglich online und damit weniger aktiv im Internet. Die Integration der digitalen Welt geschieht mit niederschwelligen Basisanwendungen, wie dem Nachschlagen und Suchen von Infor- mationen, E-Mail etc. Trotzdem werden Messenger-Dienste wie WhatsApp genutzt. Zu ih- rer Sicherheit im Internet greifen sie zu den gangigen MaRnahmen, z.B. Virenschutzpro- grammen oder holen sich bei Unsicherheiten auch die Hilfe von Freunden und Bekannten. Dieses Milieu sieht der Digitalisierung mit Sorge beziehungsweise mit Unbehagen entgegen und lehnen eine Okonomisierung der eigenen Daten deutlich ab (DIVSI, 2016, S. 64-69).
Vorsichtigen Skeptikern sind ein umsichtiges Miteinander in der Gesellschaft und ein nach- haltiger Lebensstil wichtig. Ihre Wertekonfiguration wird von konservativ-burgerlichen Werten einerseits und postmateriellen Werten andererseits dominiert (vgl. ebd.).
,„Und WhatsApp ist tragischer Weise wichtig geworden. Das hat sich einfach etabliert, da sind halt doch irgendwie alle. Ich krieg die Leute auch nicht davon weg. Ich wurde da ja sofort rausgehen' (mannlich, 43 Jahre)"(DIVSI, 2016, S. 66).
2.4.7Ā Internetferne Verunsicherte
Auch die 19% der Mitglieder dieses Milieus werden voraussichtlich kaum Bedeutung fur die Forschungsfrage und den Fragebogen haben. Jedoch wird hier auf das U25-Milieu der Ver- unsicherten (vgl. 2.5.7) verwiesen, mit dem es Uberschneidungen gibt.
Die Mitglieder des Milieus fuhlen sich im Umgang mit Internet und der Digitalisierung stark uberfordert. Sie nehmen auRerdem mehr Risiken als Chancen wahr, was zu einer sehr zu- ruckhaltenden Nutzung des Internets und letztendlich zu seiner Meidung fuhrt. Bemer- kenswert ist, dass in dieser Gruppe drei Viertel „Offliner" sind, also Beruhrungen mit dem Internet grundsatzlich vermeiden.
Die Gruppe der Internetfernen Verunsicherten bildet das grofcte der DIVSI Internet-Milieus. Der Altersdurchschnitt liegt bei 67 Jahren, 70 Prozent sind 65 Jahre und alter. Sie weisen den hochsten Anteil formal niedrig Gebildeter auf, auch das Durchschnittseinkommen ist im Milieu-Vergleich am niedrigsten. Internetferne Verunsicherte bewegen sich uberwie- gend im traditionellen Segment der Gesellschaft. Sie sind insbesondere darauf bedacht, das bisher Erreichte zu sichern und ein (weiterhin) harmonisches Leben in guter Gesundheit im Kreise der Familie zu verbringen. Sie sehen die Verantwortung fur die Internetsicherheit bei Staat und Unternehmen (vgl. DIVSI, 2016, S. 70).
Ein GroRteil der Mitglieder des Milieus ist nie online (73%), und auch bei denen, die das Internet nutzen, spielt es keine bedeutsame Rolle im Alltag. Bankgeschafte oder Einkaufe werden nur sehr selten online erledigt, da es wichtig ist, Dinge wie gewohnt anzufassen. Ein Leben ohne Internet konnen sie sich im Milieuvergleich noch am ehesten vorstellen, und ein sehr grower Teil befurchtet, dass personliche Beziehungen unter der Onlinekom- munikation leiden konnten. Die risikozentrierte Perspektive fuhrt dazu, dass ihnen die zu- kunftige Digitalisierung groRe Sorgen bereitet und sie befurchten, vieles nur noch uber das Internet erledigen zu konnen (vgl. DIVSI, 2016, S. 70-75).
,„Und bei den Medien, da habe ich immer den Eindruck, da steht einer irgendwie und greift das ab, was ich schreibe oder liest das, was ich schreibe. Ja, ich habe Angst um meine Daten. Ich habe auch ein Unsicherheitsgefuhl, weil man so viel hort. Zum Beispiel- dass bei Online-Banking Daten geklaut wurden von Hackern' (weiblich, 67 Jahre)"(DIVSI, 2016, S. 73).
2.5ADIVSI U25-Milieus
Wie bereits angefuhrt, werden die U25-lnternet-Milieus in Erganzung der SINUS-Milieus und der DIVSI-Internet-Milieus aufgefuhrt. Dabei merkt das DIVSI in der U25-Studie 2014 an, dass sich die digitalen Lebenswelten der Jugendlichen und jungen Erwachsenen nicht eins zu eins mit denen der Gesamtbevolkerung der DVISI-Internetmilieus decken, jedoch eine basale Vergleichbarkeit entsteht (vgl. DIVSI, 2014, S. 26) (Abschnitt 2.6). Im Vergleich zu anderen Studien, die sich mit dem Thema Jugend und Digitalitat beschaftigen, zeigt die U25-Studie des DIVSI, wie Verhaltensmuster von Jugendlichen und jungen Erwachsenen an
deren jeweilige Wertesysteme gekoppelt sind und bringt in Verbindung mit dem Milieuan- satz soziokulturelle Tiefenscharfe in diese Analyse (vgl. DIVSI, 2014, S. 7). In der Folge gibt es in den Milieubeschreibungen Uberschneidungen mit den DIVSI-Internet-Milieus.
Nachfolgend werden die DIVSI U25-lnternet-Milieus kurz dargestellt und mit kurzen Zitaten aus der Studie von 2014 illustriert. Um die Milieus in einer Ubersicht abzubilden, dient im Anschluss die Grafik der DIVSI U25-lnternet-Milieus.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3 - Die DIVSI U25-lnternet-Milieus der 14 bis 24-Jahrigen (DIVSI, 2014, S. 26)
Die Grafik zeigt entsprechend der U25-Studie (2014), dass digitale Lebenswelten der Ju- gendlichen und jungen Erwachsenen sich entlang der beiden Hauptachsen „formales Bil- dungsniveau" (vertikal) und „normative Grundorientierung" (horizontal) bewegen. Je ho- hereine Gruppe in dieser Grafik angesiedelt ist, desto hoher ist dasformale Bildungsniveau; je weiter nach rechts sie sich erstreckt, desto moderner im soziokulturellen Sinn ist ihre Grundorientierung (vgl. DIVSI, 2014, S. 26).
2.5.1Ā Souver ane
Die Souveranen sind mit 26% Anteil an der Gesamtpopulation die junge, digitale Avant- garde mit einer ausgepragten individualistischen Grundhaltung und Flexibility auf der Su- che nach Unabhangigkeit im Denken und Handeln. Ihr Selbstbild ist kosmopolitisch und sie besitzen einen starken Gestaltungswillen. Der Wunsch nach standiger Horizonterweiterung macht sie zu besonders aktiven „Onlinern" und versierten digitalen Netzwerkern unter den Jugendlichen. Im Durchschnitt der U25-Milieus sind sie etwas alter und ihr lebensweltlicher Schwerpunkt liegt im postmodernen und formal hoher gebildeten Segment, reicht jedoch bis in die junge, moderne Mittelschicht (vgl. DIVSI, 2014, S. 29).
Als „kulturelle Allesfresser" mochten sie am liebsten alles gleichzeitig tun, wobei die Frage nach Legalitat fur sie bei der Mediennutzung und im Internet eher nebensachlich ist. Wei- terhin kreist ihre digitale Risikowahrnehmung vor allem um Datenschutzverletzungen, wobei sie sich gegenuber anderen Risiken vergleichsweise unempfindlich zeigen und sich fur ihre Onlinesicherheit selbst verantwortlich sehen. Bezogen auf die digitale Zukunft konnen sie sich nicht vorstellen, dass in der Zukunft ein Leben ohne Internet moglich sein wird (vgl. DIVSI, 2014, S. 29-32).
,„lch sehe es so, dass man bald ohne Internet kaum noch was machen kann, auch was Arbeit angeht und solche Sachen. Schule auch. Deswegen wird Internet immer so ein Mit- telpunkt sein im Leben' (14-17 Jahre, m)"(DIVSI, 2014, S. 32)
2.5.2Ā Pragmatische
Die Mitglieder dieses Milieus (28%) sind leistungsorientierte und zielstrebige junge Inter- netprofis, die selbstverstandlich digital vernetzt, konsum- und trendorientiert sind. Sie bil- den dasgroRte U25-lnternet-Milieu mit einer Mehrheit im Alterzwischen 14 und 24 Jahren. Dabei sind formal hoher Gebildete mehr vertreten als mittlere und untere Bildungsniveaus. Die jungen Erwachsenen besitzen eine hohe Anpassungsbereitschaft einerseits und eine bereitwillige Leistungsorientierung andererseits. Sie sind dabei auch das zufriedenste Milieu mit einer liberalen und auf Eigenverantwortung abzielenden Grundorientierung (vgl. DIVSI, 2014, S. 33).
Als Lebensziel geben sie eine erfullende Arbeit, ein sicheres Einkommen, eine gluckliche Familie und moderaten Luxus an und arbeiten zielstrebig auf darauf hin. Dabei sind ihnen einerseits Werte wie Punktlichkeit, FleiR und Vertrauen wichtig, andererseits aber auch he- donistische Werte wie SpaR, Freiheit, das Leben zu genieRen und die Offenheit fur Heraus- forderungen. Daraus resultiert auch ihr SpaR an neuen Geraten und daran, deren Funktio- nen zu entdecken und sich anzueignen (vgl. DIVSI, 2014, S. 33-36).
Der Umgang mit dem Internet ist fur die Pragmatischen selbstverstandlich, und sie fuhlen sich gut uber die Gefahren und Risiken der Digitalisierung informiert. Dabei konne sie sich ein Leben ohne Online-Communities nicht vorstellen und gehoren damit zum jungen, mo- dernen Mainstream. Trotzdem schatzen sie digitale Gefahren in der Mehrheit im Milieu- vergleich am geringsten ein. Sie greifen fur ihre Sicherheit auf technische MaRnahmen wie Daten-, Software- und Passwortkontrolle zuruck. Letztendlich konnen sie sich eine Zukunft ohne Internet und Digitalisierung nichtvorstellen (vgl. ebd., S. 33-36)
,„Aber wenn man dann jetzt auf unseriose Seiten geht wie Jamba oder keine Ahnung, was es da alles noch so gibt, dann ist es klar, dass da meistens Kostenfallen oder Viren oder so enthalten sind' (18-24Jahre, m)"(DIVSI, 2014, 5. 36).
2.5.3Ā Unbekummerte
Unbekummerte (18%) zahlen zu den experimentierfreudigen Internetnutzern ohne Beruh- rungsangste, mit wenig Sicherheitsdenken und geringem Gefahrenbewusstsein. Sie stam- men aus den formal eher niedriggebildeteren, hedonistisch gepragten Lebenswelten. Sie distanzieren sich von Pflicht- und Kontrollwerten wie Gehorsam und Ordnung, wahrend fur sie Werte, wie SpaR, Abenteuer, Gemeinschaft, Zusammenhalt, Anerkennung, Prestige und Genuss im Vordergrund stehen (vgl. DIVSI, 2014, S. 37).
Im Bereich der digitalen Medien spielt Vernetzung, online wie offline, eine groRe Rolle, was ihre hohe Partizipation an Online-Communities, wie beispielsweise Facebook, erklart. At- traktiv furdie Mitglieder des Milieus sind im Besondern die Unterhaltungs- und Kommuni- kationsangebote, die digitale Medien bieten, wobei Informationen eher im Hintergrund stehen. Entsprechend ihrer Vernetzung spielen Freundschaften eine groRe Rolle und sie ziehen die Gemeinschaft dem Alleinsein vor. Sie mochten daruber hinaus auffallen und auf sich aufmerksam machen, was typischerweise ein selbstbewusstes, haufig auch recht lau- tes Auftreten im offentlichen Raum nach sich zieht. Dabei sind sie auch gegenuber Fragen der Legalitat wenig sensibilisiert und besitzen eine hohe Risikoaffinitat (vgl. DIVSI, 2014, S. 37ff).
Obwohl sie in vielen Belangen unbekummert wirken, gilt das nicht fur alle Lebensbereiche. Im Vergleich der U25-Milieus ist ihre subjektive Lebenszufriedenheit am niedrigsten. Dies gilt fur Freunde, Eltern oder die personlichen Freiheiten, was ihren hohen Anspruchen an einen „vorzeigbaren" Freundeskreis, aus dem sie ein groRes Selbstwertgefuhl ziehen, un- terstreicht. Somit stellt z.B. das Internet fur sie eine attraktive Gegenwelt dar, in der Ver- netzung und Kommunikation teilweise leichter fallen. Dabei lehnen sie jedoch Sicherheits- maRnahmen und Softwarekontrollen eher ab. Bezuglich der digitalen Zukunft glauben die Angehorigen des Milieus der Unbekummerten, dass diese in Handwerksberufen eher wenig relevant werden wird, wodurch die Gefahr entsteht, dass die Zukunft digitaler sein wird, also sie es sich im Moment vorstellen. Teilweise wird das Internet auch als „Jugend-Ding" bezeichnet (vgl. DIVSI, 2014, S. 37-41).
,„lch glaube, das Internet ist dann [fur die personliche Zukunft] nicht mehr so wichtig wie jetzt. Ich glaube, dann bin ich berufstatig, habe eine eigene Familie, und dann sitze ich nicht am PC oder am Handy die ganze Zeit' (18-24 Jahre, w)"(DIVSI, 2014, S. 41).
2.5.4Ā Skeptiker
Die Skeptiker machen mit 10% lediglich einen kleinen Teil der jungen Erwachsenen aus und zeigen sich als zielorientiert, mit einer kritischen Grundhaltung zu Vertrauen und Sicherheit im Internet und damit verbundenen Medien. Verortet sind sie im sozialokologischen Segment (vgl. 2.3.7) mit Reichweiten bis ins junge, konservative-burgerliche Segment (vgl. 2.3.1 & 2.3.5). Ihre Werte werden bestimmt von Gleichheit, Gerechtigkeit, Demokratie so- wie Bildung, Toleranz und Nachstenliebe, und sie besitzen dabei auch ein ausgepragtes Sendungsbewusstsein (vgl. DIVSI, 2014, S. 42).
In der Freizeit sind sie haufig in Vereinen sowie im kulturellen Bereich engagiert und inte- ressiert. Vor allem ihre Begeisterung fur hochkulturelle Angebote, wie Konzerte, Museen etc., unterscheidet sie von den anderen U25-Milieus. Dieses Interesse wird nicht zuletzt durch die elterlichen Herkunftsmilieus gepragt. Insgesamt besitzen sie ein hohes Interesse am Allgemeinwohl und sind altruistisch motiviert (vgl. DIVSI, 2014, S. 42 ff).
Die Nutzung von digitalen Medien und dem Internet ist selbstverstandlich, regelmaRig und vielseitig. Besonders auffallig sind die seltenere Nutzung von Facebook und anderen sozia- len Netzwerken sowie eine gewisse Zuruckhaltung im Onlinebereich. Trotzdem nehmen Angehorige dieses Milieus gem einen Experten-Status fur sich in Anspruch, wobei sich 43% von ihnen seltener „gut uber die Moglichkeiten zum Schutz ihrer Daten im Internet infor- miert sehen als andere." (DIVSI, 2014, S. 43). Auch bei den Endgeraten sind sie weniger bereit, jeden Trend mitzugehen und verzichten ganz bewusst, um Natur und Ressourcen zu schonen. Wie bereits erwahnt, positionieren sie sich gegenuber Online-Communities eher distanziert und misstrauisch. Wenn sie solche nutzen, vernetzen sie sich mit Menschen, die sie personlich kennen. Ihnen ist die Gewinnorientierung der groRen Konzerne bewusst und sie stellen die Abgrenzung von diesen vor ihren personlichen Nutzen (vgl. ebd., S. 42 ff).
Im Bereich der Daten- und Online-Sicherheit verlassen sich die Skeptiker eher auf Mecha- nismen, die sie selbst kontrollieren konnen (z.B. Datenkontrolle, falsche personliche Anga- ben) und sind zu 35% sogar bereit, ihre eigenen Online-Aktivitaten fur diesen Zweck einzu- schranken. Eine Zukunft ohne Internet ist fur die jungen Skeptiker nicht vorstellbar (vgl. DIVSI, 2014, S. 42 ff). Im Vergleich zu anderen begreifen sie den digitalen Raum „als gesell- schaftliche Sphare mit Gestaltungsbedarf, die kritisch wahrgenommen und aufmerksam er- fahren werden muss." (DIVSI, 2014, S. 45).
,„Ansonsten ist es so, dass ich Facebook eigentlich nur nutze, um mit Nachrichten und in Gruppen zu schreiben, ich selbst schreibe nichts auf die Timeline und hab' auch ewig glaub' ich nichts drauf-geschrieben. Also es ist immer irgendwie nur dazu da: Wann tref- fen wir uns? Und das geht eben uber Facebook meistens am besten' (18-24 Jahre, m)"(DIVSI, 2014, S. 46).
2.5.5Ā Verantwortungsbedachte
Die Mitglieder dieses U25-Milieus konnen als bodenstandige, sicherheitsbedachte Nutzer bezeichnet werden, die ein ausgepragtes Gefahrenbewusstsein und moderates Netzwerk- und Konsumverhalten haben. Sie machen 8% der jungen Menschen aus. Sie sind in burger- lich-traditionellen (vgl. Abschnitt 2.3.5 & 2.3.8) Lebenswelten verortet, und es sind viele junge ab 20 Jahren vertreten. Im Vergleich mit den anderen Milieus weisen sie eine durch- schnittliche Nutzungsdauer des Internets und der digitalen Medien auf und zeigen ein se- lektives Surfverhalten (vgl. DIVSI, 2014, S. 47).
Im taglichen Leben zeichnen sich die Verantwortungsbedachten durch eine eher geringe Lifestyle-Orientierung aus und haben kaum Interesse daran, sich uber Statussymbole und AuRerlichkeiten zu produzieren. Sie verlassen sich auf Bewahrtes, erprobte Routinen und auf deren bekannte Ablaufe. Dies zeigt sich auch an ihrem Werteprofil, welches „[...] durch traditionelle Tugendwerte, wie Ordnung und Kontrolle, Gehorsam und Ehrlichkeit, Gerech- tigkeit und Fairness, Verantwortung, Disziplin und Zuverlassigkeit [...]" (DIVSI, 2014, S. 47), gepragt ist.
Besonders gegenuber Facebook hegen die Verantwortungsbedachten ein deutlicheres Misstrauen als die anderen U25-Milieus und verzichten ebenfalls auf die neuesten digitalen Gadgets. Fur sie beginnt der Schutz der Privatsphare bereits bei der Preisgabe der eigenen Adresse oderTelefonnummer. Beim Netzwerken achten sie mehr darauf, ihre Online-Welt offline abzubilden. Sie sind daruber hinaus sehr fur die Risiken der digitalen Welt und des Internets sensibilisiert und pladieren fur einen verantwortungsbewussten Umgang mit denselben. Ihre Kompetenz im Umgang mit SicherheitsmaRnahmen unterscheidet sich je- doch nicht von den anderen U25-Milieus. Verantwortung fur den Datenschutz im Internet sehen sie sowohl beim Staat, als auch bei den Betreibern der Websites und fordern einen klaren Orientierungsrahmen. In der Mehrheit glauben sie nicht daran, dass es in Zukunft moglich sein wird, komplett offline zu sein (vgl. DIVSI, 2014, S. 47-51).
,„Also was ich werden will, weiB ich nicht. Aber auf jeden Fall weiB ich, dass ich irgendwie ein festes Bein im Leben haben will, damit ich spater meiner Familie auch was bieten kann' (18-24Jahre, w)"(DIVSI, 2014, S. 51)
2.5.6Ā Vorsichtige
Die Angehorigen dieses Milieus sind die 7% der selektiven, jungen Nutzer mit einem aus- gepragten Risikobewusstsein und geringen Selbstvertrauen im Umgang mit Gefahren der digitalen Medien und dem Internet. Die Sensibilitat gegenuber den angefuhrten Risiken ist derart ausgepragt, dass sie sich auf Nutzungsintensitat auswirkt.
[...]
1 Aus Grunden der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung mannlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Samtliche Personenbezeichnungen gelten gleichwohl fur beiderlei Geschlecht.
2 „Das Schlagwort „lndustrie 4.0" beschreibt einen Umbruch im produzierenden Sektor. Leitbild der Industrie 4.0 ist eine hochautomatisierte und vernetzte industrielle Produktions- und Logistikkette. Dabei verschmelzen virtuelle und reale Prozesse auf der Basis sogenannter cyberphysischer Systeme. Dies ermoglicht eine hocheffiziente und hochflexible Pro- duktion, die Kundenwunsche in Echtzeit integriert und eine Vielzahl von Produktvarianten ermoglicht (BMAS, 2017).
3 „Der Begriff ,Arbeiten 4.0' knupft an die aktuelle Diskussion uber die vierte industrielle Revolution (Industrie 4.0) an, ruckt aber die Arbeitsformen und Arbeitsverhaltnisse ins Zentrum - nicht nur im industriellen Sektor, sondern in der gesamten Arbeitswelt. ,Arbeiten 1.0' bezeichnet die beginnende Industriegesellschaft vom Ende des 18. Jahrhunderts und die ersten Arbeiterorganisationen. ,Arbeiten 2.0' sind die beginnende Massenproduktion und die Anfange des Wohl- fahrtsstaats am Ende des 19. Jahrhunderts. [...] ,Arbeiten 3.0' umfasst die Zeit der Konsolidierung des Sozialstaats und der Arbeitnehmerrechte auf Grundlage der sozialen Marktwirtschaft: Arbeitgeber und Arbeitnehmer verhandeln sozial- partnerschaftlich auf Augenhohe miteinander. [...] Spater folgte die teilweise Rucknahme sozialer Rechte, auch angesichts des zunehmenden Wettbewerbsdrucks und der Offnung nationaler Markte. ,Arbeiten 4.0' wird vernetzter, digitaler und flexibler sein. Wie die zukunftige Arbeitswelt im Einzelnen aussehen wird, ist noch offen" (BMAS, 2017).
4 „Moderne Informationstechnik macht es moglich, dass nahezu beliebige Objekte, ob Alltagsgegenstande im Haushalt oder Maschinen in Fabriken, mit umfassender Rechenleistung ausgestattet, per Software gesteuert und uber das Internet mit der AuRenwelt und untereinander vernetzt werden konnen" (BMAS, 2017).
5 Konkret bezieht sich Burzan aufScHULZE, Gerhard 1990: Die Transformation sozialer Milieus in der Bundesrepublik Deutschland. In Peter A. Berger & Stefan Hradil (Hrsg.), Lebenslagen, Lebenslaufe, Lebensstile. Soziale Welt, Sonderband 7 (S.421). Gottingen: Schwartz & Co. Und Muller, Hans-Peter 1989: Lebensstile. Ein neues Paradigma der Differenzie- rungs- und Ungleichheitsforschung? In: KolnerZeitschriftfurSoziologie und Sozialpsychologie. Koln (S. 63).
6 Als Postmaterialisten werden Personen oderGruppen bezeichnet, die nicht nach greifbaren, materiellen Dingen streben, sondern eher nach abstrakten, „hoheren" Werten.
7 Als „Early Adopter" werden Personen bezeichnet, die die jeweilig aktuellsten technischen Neuerungen deutlich fruher als die breite Masse nutzen.
8 Reaktive Menschen reagieren bestenfalls auf sie umgebende Umstande oder gelten als trage bzw. passiv
9 „Wie oft, wie lange, womit und wofur gehen die Deutschen ins Internet?; Einstellung gegenuber dem Internet; Souve- ranitat beziehungsweise Uberforderung mit dem Internet" (DIVSI, 2016, S. 10).
10 „Vorteile der Digitalisierung; Wahrgenommene Risiken und die daraus folgenden Konsequenzen" (DIVSI, 2016, S. 10).
11 „Wer ist verantwortlich? Wem Vertraut man?; Sicherheitsgefuhl und Umgang mit Sicherheitsfragen" (DIVSI, 2016, S. 10).
12 „Relevanz von Privatsphare-Fragen und der Umgang mit personlichen Daten; Einstellungen gegenuber einer Okonomi- sierung der eigenen Daten" (DIVSI, 2016, S. 10).
- Arbeit zitieren
- Florian Sammet (Autor:in), 2017, Einfluss sozialer Herkunft auf die Nutzung digitaler Medien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/462350
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