In dieser Arbeit soll die Qualität von Fussballkommentaren auf SRF und auf Teleclub-Sport als Repräsentanten von öffentlichen beziehungsweise von Pay-TV Sendern miteinander verglichen werden. Für die gesamte Medienlandschaft gab die "No-Billag-Initiative" einen Anstoss zu einer grossen Debatte über den Service Public in der Schweiz, auch wenn diese schlussendlich klar abgelehnt wurde. Dabei wurden jedoch viele Stimmen laut, die Sportübertragungen auf dem Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) in Frage stellten, da der Mehrwert nicht offensichtlich sei, wenn Fussballübertragungen auch auf Pay-TV-Sendern übertragen werden können, wo nur diejenigen bezahlen, die auch konsumieren wollen. Solche Grossereignisse, wie auch beispielsweise die Olympischen Spiele, waren bisher ein unbestrittener Bestandteil der Service-Public-Auslegung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG). Doch zusätzlich zu der Kritik kommt es auch immer häufiger vor, dass sie sich die Übertragungsrechte für bestimmte Sportereignisse nicht mehr leisten kann und private Pay-TV Sender solche Sportereignisse übertragen.
Angenommen, die Entwicklung, dass Fussballspiele immer öfters auf Pay-TV Sendern empfangen werden müssen, würde in den nächsten Jahren in diese Richtung weitergehen. Was würde sich, heruntergebrochen auf die reine Spielübertragung, für einen Rezipienten überhaupt verändern? Neben der Zahlungsart, was ist anders, wenn man ein Fussballspiel auf SRF oder auf Teleclub verfolgt? Sind es einfach andere Kommentatoren oder sind auf einer Seite bessere Kommentatoren? Genauso wie die Meinung zur Billag-Gebühr, ist auch das Verständnis von Qualität bei Fussballübertragungen für jeden Rezipienten ein anderes. Jedoch gibt es medienwissenschaftliche Qualitätskriterien, die auch schon auf die Sportberichterstattung angewandt wurden.
Mit der Auseinandersetzung mit der Systemtheorie und dem Verständnis von Qualität in der Medienforschung soll in Kapitel 2 zunächst eine theoretische Basis gelegt und ein Überblick über bisherige Forschungen zu ähnlichen Themen gegeben werden. In Kapitel 3 wird das Vorgehen der qualitativ-inhaltsanalytischen Erhebung zur Qualität von Fussballkommentatoren geschildert. Im darauffolgenden Teil werden die Ergebnisse präsentiert und interpretiert. Danach folgen ein kurzer Rückblick und die Schlussfolgerung.
Inhalt
1. EINLEITUNG
2. VON DER SYSTEMTHEORIE ZUR QUALITÄT IM SPORTJOURNALISMUS
2.1. Systemtheorie
2.2. Medien, Sportjournalismus und Qualität
2.3. Das Magische Dreieck
2.4. Fragestellungen und Thesen
3. UNTERSUCHUNGSDESIGN UND -METHODIK
3.1. Die Methode der qualitativen Inhaltsanalyse
3.2. Datenerhebung und Auswertung
3.3. Beurteilung und Gütekriterien
4. ERGEBNISSE UND INTERPRETATION
4.1. Analyse: Spiel für Spiel
4.2. Sender- und Kriterienspezifische Analyse
4.3. Kommentarstile
5. SCHLUSSFOLGERUNG
LITERATUR
ANHANG
Abbildungen und Tabellen
Abbildung 1: Russ-Mohl (2010), Magisches Vieleck, p.266
Abbildung 2: Schmalenbach (2011), Integriertes Konzept für Qualität im Sportjournalismus, p
Abbildung 3: Beispiel eines Bewertungssystems (eigene Darstellung)
Abbildung 4: Analyseübersicht Spiel 1 (eigene Darstellung)
Abbildung 5: Analyseübersicht Spiel 2. (eigene Darstellung)
Abbildung 6: Analyseübersicht zu Spiel 3 (eigene Darstellung)
Abbildung 7: Analyseübersicht Spiel 4 (eigene Darstellung)
Abbildung 8: Durchschnittswertung aller Kommentatoren pro Sender (eigene Darstellung)
Abbildung 9: Übersichtsgrafik zum Kriterium "Informationsgehalt" (eigene Darstellung)
Abbildung 10: Übersichtsgrafik zum Kriterium "Unterhaltungsorientiertheit" (eigene Darstellung)
Tabelle 1: Definitionen und Beispiele zu den Kriterien (eigene Darstellung).
1. Einleitung
„Sport“ und „Medien“, oder etwas präziser „Spitzensport“ und „Sportjournalismus“ haben einander viel zu verdanken. Sie sind laut Michael Schaffrath die beliebtesten Subsysteme der modernen Unterhaltungskultur unserer Freizeitgesellschaft und stark voneinander abhängig (Schaffrath, 2009, p. 347). So wird auch dieses Jahr die Fussball Weltmeisterschaft in Russland nicht nur bei den Fussballakteuren, sondern auch bei den beteiligten Medien für mehr Umsatz gesorgt haben.
Aber nicht nur den Fussballern und Sportjournalisten wird 2018 als ein prägendes Jahr in Erinnerung bleiben. Für die gesamte Medienlandschaft gab die „No-Billag-Initiative“ einen Anstoss zu einer grossen Debatte über den Service Public in der Schweiz, auch wenn diese schlussendlich klar abgelehnt wurde. Dabei wurden jedoch viele Stimmen laut, die Sportübertragungen auf dem Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) in Frage stellten, da der Mehrwert nicht offensichtlich sei, wenn Fussballübertragungen auch auf Pay-TV-Sendern übertragen werden können, wo nur diejenigen bezahlen, die auch konsumieren wollen. Solche Grossereignisse, wie auch beispielsweise die Olympischen Spiele, waren bisher ein unbestrittener Bestandteil der Service-Public-Auslegung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG). Doch zusätzlich zu der Kritik kommt es auch immer häufiger vor, dass sie sich die Übertragungsrechte für bestimmte Sportereignisse nicht mehr leisten kann und private Pay-TV Sender solche Sportereignisse übertragen. Zum Beispiel sicherte sich Teleclub die Rechte für Champions League-Übertragungen der kommenden Saison. Die SRG kann zwar auch in der CL Saison 2018/19 noch einige Spiele zeigen, es scheint aber generell so, dass Privatfernsehsender immer wichtiger werden für Sportübertragungen (Meier, 2017).
Diese Entwicklung zeigt, dass die Frage nach der Legitimität von Sportübertragungen auf einem öffentlichen Sender schon ihre Berechtigung hat, gerade wenn man auch die stark steigenden Preise für die Übertragungsrechte beachtet. Die Mittel dafür hat die SRG schlussendlich mit Geldern aus dem Gebührentopf, welches mittels der umstrittenen Billag vom Gebührenzahler kommt. Selbstverständlich gibt es auch viele Argumente, die für eine Übertragung von grossen Sportereignissen im öffentlichen Fernsehen sprechen, wie die Tradition und Beliebtheit von Sport im TV oder schlicht die Zugangsmöglichkeit für finanzschwache Rezipienten. Lässt man genanntes jedoch ausser Acht und betrachtet nur die Qualität von Fussballübertragungen, bleibt dennoch die die Frage, ob es nicht auch in diesem einzelnen Teilbereich einen Mehrwert bei dem Sender aus dem öffentlichen Medienhaus geben sollte, welcher die Übertragung der grossen Sportveranstaltungen als Service-Public legitimieren würde. Schliesslich soll das Programm der SRG laut der Konzession „hohen qualitativen und ethischen Anforderungen genügen, […] sich durch Glaubwürdigkeit, Verantwortungsbewusstsein, Relevanz und journalistische Professionalität [auszeichnen und] sich damit von kommerziell ausgerichteten Veranstaltern [unterscheiden]“ (Konzession SRG, 2007, Art. 3 Abs. 1).
Angenommen, die Entwicklung, dass Fussballspiele immer öfters auf Pay-TV Sendern empfangen werden müssen, würde in den nächsten Jahren in diese Richtung weitergehen. Was würde sich, heruntergebrochen auf die reine Spielübertragung, für einen Rezipienten überhaupt verändern? Neben der Zahlungsart, was ist anders, wenn man ein Fussballspiel auf SRF oder auf Teleclub verfolgt? Sind es einfach andere Kommentatoren oder sind auf einer Seite bessere Kommentatoren? Genauso wie die Meinung zur Billag-Gebühr, ist auch das Verständnis von Qualität bei Fussballübertragungen für jeden Rezipienten ein anderes. Jedoch gibt es medienwissenschaftliche Qualitätskriterien, die auch schon auf die Sportberichterstattung angewandt wurden. Damit soll in dieser Arbeit die Qualität von Fussballkommentaren auf SRF und auf Teleclub-Sport als Repräsentanten von öffentlichen beziehungsweise von Pay-TV Sendern miteinander verglichen werden.
Mit der Auseinandersetzung mit der Systemtheorie und dem Verständnis von Qualität in der Medienforschung soll in Kapitel 2 zunächst eine theoretische Basis gelegt und ein Überblick über bisherige Forschungen zu ähnlichen Themen gegeben werden. In Kapitel 3 wird das Vorgehen der qualitativ-inhaltsanalytischen Erhebung zur Qualität von Fussballkommentatoren geschildert. Im darauffolgenden Teil werden die Ergebnisse präsentiert und interpretiert. Danach folgen ein kurzer Rückblick und die Schlussfolgerung.
2. Von der Systemtheorie zur Qualität im Sportjournalismus
2.1. SYSTEMTHEORIE
2.1.1. Journalismus
Die funktional-strukturelle Systemtheorie von Niklas Luhmann ist eine Supertheorie mit grosser Bedeutung für sozialwissenschaftliche Gebiete. Systeme bestehen aus Beziehungen und Elementen, die sich selber mit inhaltlichen und strukturellen Eigenschaften ständig neu erstellen. Soziale Systeme sind keine Handlungssysteme, sondern Kommunikationssysteme, obwohl sie aus „Kommunikationen“, die als Handlungen betrachtet werden, bestehen. Dadurch, dass diese Elemente stets neu gebildet werden, bleibt das System also als Prozess aufrechterhalten (Schaffrath, 2006, pp. 29-30).
Das soziale System Journalismus hat die Funktion, aktuelle Themen aus verschiedenen Systemen der Umwelt zu sammeln und als bearbeitetes Medienangebot wieder zur Verfügung zu stellen. Dadurch soll für die Gesellschaft die Möglichkeit zur Selbstbeobachtung erstellt werden (Arnold, 2009, p. 165). Durch diesen inneren Prozess gilt das System Journalismus auch als autopoietisches System. Solche Systeme und Teilsysteme werden nicht von aussen gesteuert, sondern im Innern ständig neu produziert. Journalismus wird in der Systemtheorie aus vier Perspektiven betrachtet. Als Subsystem der Publizistik, als Programmbereich der Massenmedien, als Leistungssystem des Funktionssystems Öffentlichkeit und als aktuelle Medienkommunikation. Doch Systemtheoretisch ist Journalismus nicht einfach die Summe von allen Personen, die journalistischen Tätigkeiten nachgehen, sondern ein komplex vernetztes und strukturiertes soziales System (Schaffrath, 2009, pp. 347 - 348).
Solche Systeme werden mit einem binären Code markiert, der in der Kommunikation des betreffenden Teilsystems verwendet wird. Dieser Code besteht jeweils aus einem positiven und einem negativen Wert, welche auch als Leitdifferenz bezeichnet werden. Was sich nicht in die Leitdifferenz des jeweiligen Systems einfügt, gehört zur Umwelt des Systems. Im System Journalismus gilt üblicherweise der Code mit der Unterscheidung Information und Nicht- Information. Mit diesen binären Codes finden Spezialkommunikationen statt, mit deren Verbindung autopoietische Systeme wie Journalismus entstehen. Journalismus wird also durch Informationen, die weitere Informationen erschaffen, aufrechterhalten. Zusätzlich zu den Codes existieren für jedes System und Teilsystem auch weitere Erwartungsstrukturen in Form von sogenannten Programmen. Diese definieren mit Normen und evaluativen Orientierungen genauere Strukturen (Schaffrath, 2006, pp. 36-37).
2.1.2. Spitzensport, Sportjournalismus und Qualität durch Selbstreferentialität
Sport wird nach Stichweh (1990) als „jenes Funktionssystem, das aus allen Handlungen besteht, deren Sinn die Kommunikation körperlicher Leistungsfähigkeit ist“ beschrieben (pp. 379-380). Spitzensport ist ein Teilsystem davon, in welchem Eliten des Sports ihre Leistungen auf nationaler oder internationaler Ebene im Konkurrenzkampf messen. Auch in diesem Teilsystem gibt es eine binäre Codierung. Hier nennt Michael Schaffrath (2006) die Ausprägungen Sieg und Niederlage (pp. 40-41).
Das meiste, was die Öffentlichkeit über Spitzensport weiss, weiss sie von den Massenmedien. Der Sportjournalismus ist nicht ein isolierter Bereich im System Journalismus, sondern ein publizistisches Subsystem oder Leistungssystem des Journalismus mit einem spezialisierten Medienangebot. Das Subsystem Sportjournalismus sammelt, wählt, bearbeitet und offeriert Informationen aus dem System Sport bzw. dem Subsystem Spitzensport. (Schaffrath, 2006, pp. 66-67; Schmalenbach, 2011, pp. 123-124). Die beiden Subsysteme Sportjournalismus und Spitzensport befinden sich in einer wechselseitigen Abhängigkeit und zu Teilen unter dem Einfluss der Wirtschaft (vgl. Kapitel 2.3). Durch die Codierung von Sieg und Niederlage im Spitzensport wird eine Spannung erzeugt, die für den Sportjournalismus relevant ist (Schaffrath, 2009, pp. 347 - 348).
Wie erwähnt wird Journalismus als autopoietisches System bezeichnet. Das System stellt sich ständig neu her und bezieht sich dabei auf sich selbst, wodurch eine sogenannte Selbstreferentialität entsteht. Dennoch können äussere Einflüsse verändernde Wirkungen auf das System haben. Anders ausgedrückt können zum Beispiel Akteure aus der Wirtschaft journalistische Berichterstattungen beeinflussen. Idealerweise wird jedoch die Qualität des Journalismus nicht durch die Wirtschaft, sondern durch Selbstbeobachtung kontrolliert und gesteuert. Dafür sind Steuerinstanzen notwendig, die in der Systemtheorie von Codes mit den erwähnten positiven oder negativen Ausprägungen gebildet werden. Im journalistischen System besteht diese Ausdifferenzierung aus einerseits aus Information und Nicht- Information, aber auch aus Aktualität und Nicht-Aktualität oder Veröffentlichung und Nicht- Veröffentlichung. Diese sind auch auf das Subsystem Sportjournalismus anwendbar. Es wird also nur über ein Sportevent berichtet, wenn dieses genügend Informationswert besitzt (Schmalenbach, 2011, pp. 124-125). Diese Selektion geschieht nicht durch einen einzelnen Sportredakteur, sondern durch eine systeminterne Operation, welche von Programmen beeinflusst werden. Diese Programme beschreiben die Vorgehensweisen von Journalisten. Dabei werden nach den Regeln von Ordnungsprogrammen Informationen gesammelt (Informationssammelprogramme), die Informationen werden durch die Selektionsprogramme ausgewählt, nach den Techniken von Darstellungsprogrammen gezeigt und mit „Prüfprogrammen“ kontrolliert (Schaffrath, 2006, pp. 70-72). Der Aktualitätsbegriff unterteilt Schaffrath in drei Unterkategorien (2006, pp. 69-70). So müssen Sportthemen Neuigkeitswert, Faktizität und Relevanz besitzen beziehungsweise im zeitlichen, sachlichen und sozialen Aspekt relevant sein, damit sie publiziert werden. Im Spitzensport fallen ständig neue Entscheidungen, die damit den zeitlichen Aspekt erfüllen. Das System Sportjournalismus wählt dann die Ereignisse mit genügend Informationswert aus, welche dann publiziert werden. Schaffrath spricht auch die ökonomische Komponente an, die zunehmend an Wichtigkeit gewinne. Dadurch werde auch der Unterhaltungswert eines Ereignisses zu einem Kriterium (Schaffrath, 2006, p.69).
Damit ist bereits ein Teil Beziehung aufgezeigt, welche die Subsysteme Spitzensport und Sportjournalismus miteinander verbindet. Durch die ökonomischen Komponenten kann auch die Beziehung zum System Wirtschaft als wichtig betrachtet werden. Dadurch entsteht eine Dreiecksbeziehung, die in der kommunikationswissenschaftlichen Literatur als magisches Dreieck bezeichnet wird (vgl. Kapitel 2.3).
2.2. MEDIEN, SPORTJOURNALISMUS UNDQUALITÄT
2.2.1. Sportjournalismus im Wandel – ein historischer Exkurs
Sportberichterstattung gab es erstmals im deutschsprachigen Raum im 18. Jahrhundert. Die Breslauer Zeitung berichtete schon 1724 über Pferderennen. Ein erster kleiner Wachstumsschub erhielt der Sportjournalismus jedoch erst im 19. Jahrhundert. Mit der Vormärzbewegung entstand die Turnbewegung und damit auch eine entsprechende Fachpresse, deren Ausgaben teilweise sehr erfolgreich waren. Ab 1880 wurden im Kaiserreich Deutschland auch Fussball und Tennis beliebter und auch der Sportjournalismus in einer moderneren Form wurde geboren. Immigranten aus Grossbritannien publizierten publizistische Formate, die es schon zuvor im englischsprachigen Raum gegeben hatte (Eggers, 2009, pp. 15-16). Bald folgten auch deutsche Zeitungen mit Sportberichten, wie zum Beispiel die Münchner Neuesten Nachrichten im Jahr 1986. Nach diesem Vorbild entstand auch 1898 das Schweizer Sportblatt in Zürich. Ab dann wurden auch öfters einzelne Sportberichte in Tageszeitungen veröffentlicht (Beck & Kolb, 2009, pp 16-17). Eigenständige Sportteile erschienen in Zeitungen der Deutschschweiz erst ab den 1920er-Jahren.
Die Popularität des Sportjournalismus wuchs in den Jahren ab 1900 stark an, ab den 1920er Jahren insbesondere wegen der Entstehung des Hörfunks. Diese Entwicklung erlebte in Deutschland einen starken Bruch während des ersten Weltkriegs und einen zweifelhaften Höhepunkt in den 1930er-Jahren, als der Sport zu Propagandazwecken für die Nationalsozialisten verwendet wurde (Eggers, 2009, pp. 16-20). In dieser Zeit fand auch die erste Live-Fernsehübertragung im Rahmen der Olympischen Spiele in Berlin statt. Im gleichen Jahr, 1936, wurde auch zum ersten Mal ein Fussballspiel im deutschen Fernsehen übertragen. In der Schweiz wurde erstmals während der WM 1954 ein Fussballspiel übertragen. Diese WM brachte auch einen weiteren grossen Schub an Aufmerksamkeit für Sportübertragungen im Fernsehen. Die meisten Menschen hörten sich die Übertragung jedoch am Radio an, da Fernsehgeräte höchstens in Kneipen und kaum in privaten Wohnungen vorzufinden waren. Eine noch viel grössere Euphorie löste die WM von 1966 in England aus. Das Endspiel verfolgten ungefähr 400 Millionen Zuschauer (Lang, 2009, pp. 35-37).
Parallel zum schnellen Wachstum der Popularität des Fussballs, begann also auch die Bedeutung der noch jungen Branche der Sportjournalisten zu wachsen. Diese besassen lange einen Aussenseiterstatus unter den Publizisten. Durch den Ausbau und die wachsenden Beliebtheit des Sportjournalismus, beziehungsweise der Sportberichterstattung ab den 1970er-Jahren, steigerte sich jedoch das Selbstbewusstsein der Sportjournalisten. Ein Phänomen, welches seit Anbeginn zu beobachten war und möglicherweise zu diesem Aussenseiterstatus beitrug, zeigt sich durch Berufsfeldstudien. Die frühesten Vertreter des Sportjournalismus waren gleichzeitig meistens selber Sportler und spätere Sportjournalisten oft ehemalige Sportler. Diese Tendenz wurde teilweise bis heute beibehalten. Bei einer Studie von Frütel (2005) gaben zwei Drittel aller Sportjournalisten an, früher selber wettkampfmässig Sport getrieben zu haben. Auch heute wird zum Teil die durch die sportliche Vergangenheit des Journalisten produzierte Nähe zum Sport kritisiert (Beck/Kolb, 2009, pp. 16-18).
Im deutschen Sprachraum wandelte sich die Sportberichterstattung ab dem Jahr 2000. Diese ist sowohl in den Printmedien, als auch im Rundfunk stark ausgebaut worden und besonders das Element der Unterhaltung gewann an Stellenwert, aber auch die Wichtigkeit von Hintergrundinformationen. Ausserdem kam mit dem Internet ein weiterer Kommunikationskanal dazu, der natürlich auch für den Sportjournalismus von grosser Bedeutung ist (Beck/Kolb, 2009, p.13).
2.2.2. Der Diskurs zur Qualität im Journalismus
Seit dem Anfang der 1990er-Jahren wächst in der Medienwissenschaft ein Diskurs über die Qualität im Journalismus stetig. Und auch schon davor war die Qualität von journalistischen Produkten ein Thema. In den 1940er-Jahre setzte in den Vereinigten Staaten die „Commission of Freedom of the Press“ erste Standards, die sich auf die soziale Verantwortung der Massenmedien bezogen. Dadurch konnte die wissenschaftliche Debatte über Qualität im Journalismus lanciert werden (Schmalenbach, 2011, 103). In Deutschland wurden ab den 1960er-Jahren die Folgen der Pressekonzentration untersucht und dabei auch auf die Qualität geachtet. Gleichzeitig entstanden auch die Bereiche der Objektivitäts-, der Vielfalts- und der Verständlichkeitsforschung. In den 1970er-Jahren wurde der Fokus eher auf die Kritikfähigkeit der Medien gelegt. Schon bei den Studien der 60er-Jahren wurden für Inhaltsanalysen Qualitätskriterien verwendet, auch wenn man diese damals noch nicht so nannte. Dabei spielte die Objektivität als Kriterium meistens eine wichtige Rolle. Durch die erstarkende Position des Konstruktivismus in den 80er-Jahren wurde jedoch die Objektivität als Kriterium selber kritisiert (Arnold, 2006, pp. 417-418). Auch die Glaubwürdigkeit von verschiedenen Medien wurden insbesondere in Deutschland schon sehr früh untersucht. Bereits die ersten Befragungen nach dem Zweiten Weltkrieg enthielten Fragen dazu (Bentele, 2008, p. 218).
Die wissenschaftliche Qualitätsdebatte als solche gewann zu Beginn der 1990er-Jahren an Bedeutung. Den Anlass dazu gaben – neben Medienskandalen, vor allem das starke Wachstum von Privatfernsehsendern und die damit entstehenden neuen Formate. Dadurch erhielt die Diskussion um Qualitätsmassstäbe in den Medien eine neue Dimension, welche unter anderem zu den Qualitätskriterien führte (Arnold, 2006, pp. 416-417; vgl. Kapitel 2.2.3). Erst von da an wurde publizistische Qualität ganzheitlich betrachtet und es wurden nicht mehr lediglich Einzelaspekte von journalistischen Leistungsbeurteilungen fokussiert. Dabei stand lange der Rundfunk im Mittelpunkt der Betrachtung, auf Zeitungen übertrug man die Qualitätsforschung erst nach der Jahrtausendwende (Schmalenbach, 2011, pp. 102-104).
Mit dem normativ-demokratietheoretischen Ansatz stellte Mc Quail (1992) gesellschaftliche Werte ins Zentrum und entwickelte damit Kriterienkataloge für die qualitative Bewertung von jeweiligen Medientypen. Schatz und Schulz (1992) lehnten sich in ihrem Artikel stark an Mc Quail an wodurch der Ansatz auch im deutschsprachigen Raum Fuss gefasst hat (Schmalenbach, 2011, p. 107). Der Ansatz von Mc Quail wurde auch von Schröter (1995) und Weischenberg (2003) weiter vertieft. Im Jahr 2005 versuchten Heine, Lang und Taubert mit einzelnen Werken, den Qualitätsbegriff für Medien einzugrenzen. Eine Definitionssuche erwiess sich jedoch als sehr komplex. Auch Russ-Mohl, welcher das Definieren von Qualität im Jahr 1992 noch mit dem Vorhaben, einen Pudding an die Wand zu nageln verglichen hatte, setzte sich in den darauffolgenden Jahren dennoch weiterhin mit dem Thema auseinander (Russ-Mohl, 1992, p. 85). Nach ihm müsse Qualität jedoch mehrdimensional definiert werden, also mit unterschiedlicher Gewichtung der einzelnen Kriterien. Daher entwarf er das Magische Vieleck, auf welches hier noch eingegangen wird (vgl. Kapitel 2.2.3; Russ-Mohl, 2006, p. 266; Schmalenbach, 2011, pp. 115-116). Arnold (2009) entwarf ein Konzept, welches die Qualität aus mehreren Perspektiven betrachtet. Dabei ging es grösstenteils um die Erwartungshaltung von Print-Rezipienten. Dass sich die Sicht des Publikums nicht zwingend von dem wissenschaftlichen Verständnis von Qualität unterscheidet, zeigte ein Artikel von Schranz et al. (2016). Auch wenn hohe Qualität bekanntlich nicht teurer verkauft werden können, wodurch es nach Heinrich (1996) zu einem Marktversagen kommt, scheint das Bewusstsein für Qualität in den Medien auch bei dem Publikum vorhanden zu sein. Dem Artikel von 2016 zufolge gibt es eine starke Korrelation zwischen den von Rezipienten bewerteten Qualität von Schweizer Medienangeboten und deren Bewertungen mittels qualitativen Inhaltsanalysen. Diese stammt von einem Projekt des Stifterverein Medienqualität Schweiz Medienqualitätsrating (MQR-16). Der Artikel spricht auch den Service Public an: Durch ihn werde das Vertrauen in das gesamte Schweizer Mediensystem gefördert.
2.2.3. Qualitätskriterien und das magische Vieleck nach Russ-Mohl
Stephan Russ-Mohl betont in seinem Lehr- und Handbuch “Journalismus” (2010) im Kapitel zur Qualität im Journalismus zunächst, dass er nicht einverstanden ist mit der „Anything goes if it sells“-These. Vielleicht träfe es auf einige Teilbereiche der Betriebswirtschaft zu, „dass alles Qualität sei, was sich verkaufen [lasse]“, aber ganz bestimmt nicht auf den Journalismus (p. 264). Damit wird indirekt auch das Marktversagen angesprochen. Der Markt alleine kann demnach nicht für die Bewahrung von hoher Qualität im Journalismus sorgen (Heinrich, 1996, pp. 167-169). Daher braucht es Tätigkeiten wie Qualitätssicherung durch Medienforschung und Medienjournalismus und innerer sowie äusserer Blattkritik. Aus publizistischer Sicht kann nach Russ-Mohl (2010, p. 265) und diversen weiteren Medienforschern zumindest mit dem Beachten bestimmter Qualitätskriterien hochwertiger Journalismus gefördert werden. Zu diesen Kriterien zählen:
- Aktualität
- Relevanz
- Objektivität/Vielfalt
- Originalität
- Verständlichkeit
- Interaktivität
- Transparenz
Die Aktualität betrifft die zeitliche Nähe eines redaktionellen Beitrags, während die Relevanz die informative Wichtigkeit beleuchtet. Als Indikator für die Relevanz gibt es beispielsweise die Nachrichtenfaktoren, welche bis heute ihren Stellenwert in der Journalismusforschung halten konnten, obschon solche schon 1922 ein erstes Mal von Walter Lippmann formuliert worden waren (Lippmann, 1997, p. 215-221). Mit Objektivität ist die möglichst verzerrungsfreie Abbildung der Realität gemeint. Bentele (1994, p. 306) unterscheidet zwischen der Medienobjektivität und der journalistischen Objektivität. Dabei betrifft letztere die unverzerrte Berichterstattung eines einzelnen Journalisten, während die Medienobjektivität auf das ganze Mediensystem gerichtet ist. Auch die Vielfalt kann verschiedentlich ausgelegt werden: Ein einzelner redaktioneller Beitrag kann in sich, die Aspekte eines Themas betreffend vielfältig sein (inhaltliche Vielfalt), auf einer mehr oder weniger grossen Anzahl an Quellen basieren (Quellenvielfalt) und eine gewisse Vielfalt an Sichtweisen oder Standpunkten enthalten (Ausgewogenheit). Mit Vielfalt kann auch die Diversität von verschiedenen Rubriken, Formen oder Genres eines Mediums gemeint sein (Voigt, 2016, pp. 45-47). Mit Originalität wird der Grad und Anteil an Eigenleistung, sowie den Leseanreiz oder die Exklusivität an einem redaktionellen Werk gemeint, während die Verständlichkeit klare Sprache, angemessene Vereinfachung meint. Das Kriterium Interaktivität spricht den Grad an Rückkopplung und Austausch des Mediums, beziehungsweise dessen Platform mit den Rezipienten an und eine hohe Transparenz enthält ein redaktionelles Werk, in welchem die Quellen angegeben werden (Russ-Mohl, 2010, pp. 262-264).
Dass nicht alle diese Qualitätskriterien gleichzeitig vollumfänglich bedient werden können, veranschaulicht Russ-Mohl mit dem „magischen Vieleck“ (vgl. Abbildung 1). Es zeigt, dass die einzelnen Kriterien nicht vollkommen unabhängig voneinander sind und sich gegenseitig auch konkurrieren können. Daher sind je nach Branche, Genre oder Rubrik andere Kriterien mehr oder weniger wichtig (Russ-Mohl, 2010, pp. 265-266; Wyss, 2002, p. 99).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
A bbildung 1: Russ-Mohl (2010), Magisches Vieleck, p.266.
2.2.4. Die Qualitätskriterien im Sportjournalismus
Die Forschungsdebatte zur Qualität setzte für den Sportjournalismus etwas später ein als für andere Journalismusbranchen. Generell wurde diese besonders durch die Medienkrise ab 2001 angekurbelt (Bölz, 2017, p. 146). Betrachtet man diese Qualitätsforschung des Sportjournalismus‘, zeigen sich diverse Diskrepanzen – einerseits an den verschiedenen Qualitätskriterien, aber andererseits auch an den unterschiedlichen Forschungsansätzen. 1994 zeigten Josef Hackforth und Christoph Fischer allgemeine Gütekriterien auf, welche sich auf Fernseh-Sportkommentatoren bezogen. Diese Gütekriterien entstanden durch die Begleitung eines Kommentators bei den nordischen Ski-Weltmeisterschaften von 1993. Im gleichen Jahr meinte Hans-Reinhard Scheu in einem Aufsatz, dass besonders „sachliche Mängel“ kaum tolerierbar wären, während Ulf Ulrich die Hauptherausforderung für einen Kommentator darin sieht, eine „Balance zwischen der Promotion des eigenen Produkts und seiner angemessenen, objektiven Darstellung sportlicher Realität“ zu finden (Lang, 2009, pp.12-13; Ullrich, 2004, p. 479).
Marcus Bölz (2017) betont, dass nicht nur Wissenschaftler, sondern auch jeder einzelne Rezipient etwas anderes unter Qualität versteht (p. 145). Daher ist es wichtig, dass die Kriterien an das zu bewertende Gebiet angepasst und flexibel gehalten werden (vgl. Kapitel 3.2.3). Unter Beachtung dieses Umstandes hat Hannah Schmalenbach das integrierte Konzept für Qualität im Sportjournalismus erstellt (vgl. Abbildung 2). Es bezieht sowohl systemorientierte und normative Gütekriterien, als auch nutzerbezogene Kriterien ein (Schmalenbach, 2011, p. 219). A bbildung 2: Schmalenbach (2011), Integriertes Konzept für Qualität im Sportjournalismus, p.219.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die beiden nutzerbezogenen Kriterien müssen, im Gegensatz zu den anderen Merkmalen, als sich der Zielgruppe anpassend und damit flexibel verstanden werden. Es kann also beispielsweise nicht eine gewisse Satzlänge als optimal für die Verständlichkeit festgelegt werden. Genauso verhält es sich auch mit der Dramaturgie, graphischen Darstellungen oder der Unterhaltsamkeit. So soll nach Schmalenbach der Rezipient von Sportberichterstattungen möglichst „die Magie des Sports miterleben“. Die Grenze der Unterhaltung sei dort, wo private Geschichten, welche mit dem eigentlichen Sportereignis nichts zu tun haben, ins Zentrum einer Sportberichterstattung rückt. Zudem soll die Orientierung an den Rezipienten nicht zur Vernachlässigung von Qualitätsstandards führen. Die Publikumsorientierung sei nur ein Partikel in der langfristigen Entwicklung von Journalismus (Schmalenbach, 2011, pp. 219-220).
2.2.5. Weitere Forschungen zur Qualität von Sport- und Fussballjournalismus
Auch wenn eine intensivere wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Qualität im Sportjournalismus erst nach der Jahrtausendwende begann, wurden erste Forschungen zum Sportjournalismus, welche in eine ähnliche Richtung gingen schon ab den 1970er-Jahren veröffentlicht. Binnenwies (1975) untersuchte Zeitungsartikel und Wettkampfkalender, um festzustellen wie stark die Realität des Sports in den Sportteilen der Tageszeitungen widerspiegelt wird (Beck, 2006, p. 118). In den 1980er-Jahren wurde bereits intensiver darüber debattiert, was Qualität im Sportjournalismus ausmache. In Bezug auf den Fussball wurde besonders die Hintergrundberichterstattung als förderungswürdig betrachtet. Emig (1987, pp. 1-2) sprach dabei von sozialen, wirtschaftlichen und politischen Aspekten, welche in solche Berichterstattungen einfliessen sollten. Später wurden auch die Selektionskriterien von Sportmedien untersucht, welche nach Wernecken (2000, p. 60) eine grosse Wichtigkeit auf das ganze Angebot hätten.
Auch auf Basis von Inhaltsanalysen wurden im deutschen Sprachraum einige Studien zu Sport in den Medien durchgeführt, welche sich aber nicht direkt auf die Qualität im Sport beziehen. Meistens wurden dabei Printmedien untersucht und Themen wie die Bildung von nationaler Identitäten durch Sport (Wernecken, 2000), Doping (Schauerte/Schwier, 2004), Gewalt (Bruns, 2004) oder Geschlechterbeziehungen (Messner, 2002) in der Sportberichterstattung aufgegriffen. Auch Daniel Beck (2006) untersuchte die Sportberichterstattung in Zeitungen mittels quantitativer Inhaltsanalyse. Unter anderem wurde dabei festgestellt, dass der Inhalt im Verlauf der Jahre stetig an Volumen zunahm (pp. 307-308).
Die Qualität von Fernsehangeboten wurde, wie im obigen Kapitel erwähnt, ab dem Jahr 2000 stärker fokussiert. Gerade bei Forschungen zu Sportkommentatoren wurde die Qualität oft mit Fokus auf die Rezipienten gemessen, denn insbesondere die Glaubwürdigkeit werde davon beeinflusst, wie kompetent ein Medienakteur von den Rezipienten, aber auch von Athleten, Trainern, Funktionären und Sportjournalisten eingeschätzt werde (Schaffrath, 2006, p.235).
Der Unterschied zwischen der Sportberichterstattung von privaten und derjenigen von öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern, zeigt sich vor allem beim „Luxus“ von journalistisch- hintergründigen Sportmagazinen, die sich Private selten leisten können, wie Carsten Flügel (2009) schrieb. Allgemein wird bei der Selektion aber auch von öffentlich-rechtlichen Sendern stark auf Emotionen geachtet, weil Sport immer eine natürliche emotionale Komponente mitträgt. Aber auch private Veranstalter profitieren von Emotionen, weil diesen grosse Wirkungskräfte auf die Steigerung von Einschaltquoten zugeschrieben werden (Flügel, 2009, pp. 205-207). Bei einer Liveübertragung ist es insbesondere der Kommentator, der für die von Rezipienten wahrgenommene Qualität einer Sportübertragung zu einem grossen Teil verantwortlich ist. Dessen Publikum hat oft sehr hohe, wenn nicht zu hohe Erwartungen an ihn. Er sollte über möglichst viel Hintergrundwissen verfügen und damit Spielsituationen möglichst schnell korrekt einschätzen können, wie Flügel (2009, pp. 212-213) ebenfalls feststellte.
In Bezug auf Fussballkommentatoren wurden stets Umfragen durchgeführt, die nach „dem besten“ oder „dem schlechtesten“ Fussballkommentator suchten. Im Jahr 2004 wurde in Deutschland eine solche repräsentative Studie von Emnid durchgeführt (Schaffrath, 2006, pp. 148-149). Ein Jahr später wurde erstmals der Herbert-Award verliehen, wobei jeweils die besten Sportjournalisten von den Spitzensportlern selber gewählt werden. Auf die Spitzenplätze gelangen meistens Kommentatoren vom öffentlich-rechtlichen Sender ZDF. Michael Schaffrath ging in einer Studie von 2008 mit dem Titel „Popularität im TV- Sportjournalismus“ stärker auf die Wahrnehmung der Durchschnittsrezipienten von Sportkommentatoren ein. Beispielsweise fand er dadurch heraus, dass technische Fehler die Bekanntheit eines Kommentators erhöhen können. Als wichtigste Kriterien für einen Fussballkommentator wurde die „rhetorische Kompetenz“ und der „Wohlklang der Stimme“ aufgezählt (Lang, 2009, pp. 10-12).
Marion Danneboom (1988), Michael Schaffrath (2003) und Jochen Stuzky (2008) untersuchten Fussballkommentare im Bereich der Wirkungsforschung mit Experimenten. Bei einer Versuchsgruppe wurde ein Fussballspiel gezeigt, welches auch einer Kontrollgruppe – aber ohne Kommentator – gezeigt worden war. Die Ergebnisse zeigten, dass der Kommentar für die Rezipienten eine wichtige Rolle spielt. Die Antworten der Versuchsteilnehmer waren teilweise vom Kommentator beeinflusst. Ein gewonnener Eindruck des Spieles konnte je nach Kommentar verstärkt oder abgeschwächt ausfallen, wie die Experimente von Danneboom und Schaffrath zeigten. Bei den Studien von Schaffrath und Stutzky ist auch die hohe Wichtigkeit des Kommentars für die Rezipienten in als Ergebnisse aufgefallen. Die beiden fanden auch heraus, dass Spielereignisse, welche mit Kommentar gesehen worden waren, länger in der Erinnerung blieben (Lang, 2009, pp. 32-33).
Die Wichtigkeit und Einflussstärke des TV-Kommentators wurde auch bei der Befragungsstudie von Lang (2009) verdeutlicht. Er untersuchte die Meinungen von Printjournalisten und Fussballkommentatoren zum Fussballkommentar im TV. Eine seiner Hypothesen, welche er verifizieren konnte, hat einen hohen Interessenswert für diese Arbeit. Demnach seien gerade die Kommentare sehr erwünscht, welche „über das Spielgeschehen herausgehen“, womit Hintergrundinformationen gemeint sind (p.98).
2.3. DAS MAGISCHE DREIECK
Die Wirtschaftlichkeit des Sportjournalismus wuchs gegen Ende des 20. Jahrhunderts stark an. Dadurch wuchs auch die Abhängigkeit der drei Systemen Sport, Medien und Wirtschaft. Das brachte den Sportmoderator Felix Görner (1995) dazu, das Modell des magischen Dreiecks, welches Blödron schon 1988 kreiert hatte, wieder aufzugreifen (Knobbe, 2000, p. 67). Demnach sollten die drei Systeme gegenseitig voneinander profitieren: Die Medien von der Attraktivität der Berichterstattungsquelle Sport, wodurch ein hohes Publikumsinteresse entsteht, was den Sponsoren und Werbenden eine höhere Reichweite und damit mehr Anreiz bietet, wodurch die Sportveranstalter mehr Einnahmen generieren können, was wiederum auch den Sportlern zugutekommen sollte.
Daniel Beck (2001, p. 2) sieht jedoch auch einen Nebeneffekt in dieser Entwicklung. Beispielsweise werden Regeln oder Spielpläne von Sportarten bzw. Sportveranstaltungen teilweise den Bedürfnissen von TV-Zuschauern angepasst und für die Sportler wird der Leistungsdruck immer grösser, da es auch um immer höhere Preisgelder und Sponsorenbeiträge geht.
Auch Claudia Erni Baumann (2009, p. 141) sieht die Medien nicht nur in der Mittlerfunktion zwischen dem Sport und dem Sportinteressierten, wie sich die Medien selber sehen würden, sondern auch als ein Einflussfaktor auf die Entwicklung des Sports. Die Gesellschaft sei noch nie so stark von Sport geprägt worden wie es heute der Fall ist. Medien und Sport beeinflussen einander mit dem Ziel des ökonomischen Wachstums, wodurch eine Symbiose, beziehungsweise eine Win-win-Situation entsteht. Das geht gerade darum so gut, weil das Interesse in der Gesellschaft so hoch ist. Die TV-Sender können sich die immer teureren Übertragungsrechte dank sehr hohen Einschaltquoten oder teuren Pay-TV Abonnements leisten. Allgemein wurde für Fernsehsender das Erreichen von grossen Zuschauerreichweiten immer schwieriger, wodurch noch mehr auf den Sport gesetzt wurde, da auch die Produktion von Sportbeiträgen weniger aufwändig ist, als die von anderen Sendegefässen, wie zum Beispiel den Nachrichten. Jedoch ist das Angebot begrenzt, denn nicht alle Sportanlässe stossen auf eine grosse Nachfrage. Hat ein TV-Veranstalter nicht genügend Mittel für die Rechte von Grossanlässen wie internationalen Fussballmeisterschaften oder Olympischen Spiele, gibt es kaum eine Möglichkeit mit anderen Sportübertragungen auf ein breites Publikum zu stossen – insbesondere während der Laufzeit dieser Turniere (Beck, 2006, p. 53). Dennoch ist der Sportanteil in den Medien entsprechend hoch. 2002 lag dieser Anteil in der gesamten deutschen Fernsehlandschaft bei insgesamt 9%, bis im Jahr 2005 ging dieser Anteil jedoch etwas zurück auf 8.6% (Erni Baumann, 2009, pp. 142-147). Im Jahr 2016 lag der Anteil des Sports beim deutschen TV-Sender ARD bei 9% und bei ZDF bei 7.1 % (Krüger, 2017, p. 188). In der Schweiz entwickelte sich der Sportanteil bei den SRG-Fernsehsendern von 6.5% im Jahr 2002 auf 8.36% im Jahr 2016 (Bundesamt für Statistik, 2017). Im Jahr 2005 wurden in der Schweiz mit Sport insgesamt 8 Mrd. Franken Bruttowertschöpfung erwirtschaftet, was 2.8 Prozent des damaligen Bruttoinlandproduktes sind (Erni Baumann, 2009, pp. 142-147). Dass es für Medien im Sport um viel Geld geht, zeigen auch die Fernseh-Übertragungsrechte. Der amerikanische Sender NBC bezahlte für die Olympischen Spiele im Jahr 2008 874 Millionen Dollar für die TV-Rechte. 1990 lag der Wert für Übertragungsrechte für die Fussball-WM noch bei 90 Millionen Franken (Beck, 2006, p. 42) – für die kommende WM gaben ARD und ZDF 218 Millionen Euro für Übertragungsrechte aus (Spiegel, 2018).
Dass der Preis für Übertragungsrechte so stark anstieg, könnte laut Beck (2006, p. 42) ein Grund dafür sein, dass ab dem Jahr 2000 vermehrt über die wirtschaftlichen Aspekte des Sportjournalismus beziehungsweise zum magischen Dreieck geforscht wurde. Beispielsweise betrachteten Troisen und Dinkel (1999) und Lamprecht und Stamm (2002) diese wirtschaftlichen Aspekte. Auch Pleitgen (2000) ging auf die Beziehung der drei Systeme ein, fokussierte sich jedoch eher auf Übertragungsrechte. Schauerte und Schwier (2004) veröffentlichten ein Sammelband zum Thema (Beck, 2006, p.43). Ehrenberg (2006; zitiert nach Schmalenbach, 2011, p. 31) betrachtete die Auswirkungen der Wirtschaftlichkeit auf den Zeitplan der Olympischen Spielen. Nach Scheid und Prohl (2009, p. 166) werden einige Spitzensportarten immer mehr zur Wahre. Auch Schmalenbach (2011) widmete ein Teilkapitel dem magischen Dreieck (pp. 29-33).
2.4. FRAGESTELLUNGEN UND THESEN
Durch die Nähe zur Wirtschaft sind Sportjournalisten im Vergleich zu anderen Publizisten eher dazu gezwungen, journalistische Qualität zugunsten der Wirtschaftlichkeit zu vernachlässigen. Marcus Bölz schreibt darüber von einem „publizistisch-ökonomischen Spagat“, den die Sportjournalisten ausüben müssen. So sei es zweifelhaft, ob ein langweiliges Fussballspiel, auch als solches bezeichnet wird, da ja die Attraktivität des Spiels für den hohen Preis sorgt, welchen das Medienunternehmen bezahlt hat (Bölz, 2017, pp. 46-48). Da publizistische Qualität nicht zwingend das ist, was sich gut verkaufen lässt, stellt sich also die Frage, ob sich der Sportjournalismus nicht von der Qualität wegbewegt. Was bei privaten Medienunternehmen einigermassen legitim ist, könnte bei einem öffentlichen Veranstalter wie dem SRF als problematisch angesehen werden, zumal dieses einen Leistungsauftrag erfüllen muss.
Dieses zweite Kapitel hat gezeigt, dass der Spitzensport sowohl in den letzten hundert, vierzig und auch in den letzten zwanzig Jahren stetig an Stellenwert für die Medien und der diesbezüglichen Forschung gewonnen hat. Mit der Systemtheorie und dem Zusammenhang von Medien, Spitzensport und der Wirtschaft konnte die Wichtigkeit und der Einfluss von Sport in den Medien auf die moderne Gesellschaft aufgezeigt werden. Dabei ist der Fussball der unangefochtene Spitzenreiter der Themen in Europas Sportberichterstattung (Beck, 2006, p. 191) und der TV-Kommentar eine sehr wichtige Komponente davon, wie einige weitere Studien zeigen (vgl. Kapitel 2.2.5). Das integrierte Konzept von Schmalenbach (2011, p. 219; vgl. Kapitel 2.2.4) bildet eine optimale Basis für die Operationalisierung zur Erhebung durch eine qualitative Inhaltsanalyse im Rahmen dieser Arbeit, da es die systemtheoretische Basis bereits mit den Qualitätskriterien von Russ-Mohl (2010) vereint und mit dem Sportjournalismus verbindet.
Studien, in welchen mittels Inhaltsanalyse die Qualität von Sportkommentaren untersucht wurde, scheinen aber noch nicht zu existieren. Gerade der zuvor erwähnte Blick auf den Leistungsauftrag der SRG und die wirtschaftlichen Motive eines Pay-TV-Senders wie Teleclub, rückt diese Forschungslücke in ein sehr interessantes Licht.
Diese Bachelorarbeit soll sich daher mit ebenjener Frage auseinandersetzen: Kann – und zu wessen Gunsten kann – im Direktvergleich ein qualitativer Unterschied zwischen den Fussballkommentaren auf SRF und denjenigen auf Teleclub Sport mittels qualitativer Inhaltsanalyse erfasst werden? Im Bezug zu welchen Kriterien machen sich allfällige Unterschiede unter den verschiedenen Fussballkommentatoren der beiden Sender bemerkbar? Welche verschiedenen Arten und Stile verwenden die Kommentatoren, um ein Spiel zu kommentieren?
Die in der Einleitung erwähnte Stelle in der Konzession der SRG, welche von deren Programmen einen Qualitätsunterschied im Vergleich zu kommerziell ausgerichteten verlangt, gibt den Anstoss, folgende These aufzustellen:
Die Kommentatoren der SRF-Spielübertragungen schneiden im Durchschnitt – über alle Kriterien betrachtet – besser ab, als diejenigen von Teleclub Sport.
Weil für kommerziell ausgerichtete Sender wie Teleclub die Unterhaltsamkeit einen wichtigeren Stellenwert hat (Schaffrath, 2006, p.69), kann auch folgende These aufgestellt werden:
Die Kommentatoren von Teleclub erhalten im Durchschnitt eine höhere Wertung beim Kriterium „Unterhaltungsorientiertheit“ als die Kommentatoren von SRF.
3. Untersuchungsdesign und -methodik
3.1. DIEMETHODE DER QUALITATIVEN INHALTSANALYSE
Laut Mayring besteht das Hauptkonzept der qualitativen Inhaltsanalyse darin, Material schrittweise mit einem theoriegeleiteten Kategoriensystem zu bearbeiten. Das Kategoriensystem dient als Ausgangspunkt für die Interpretation des Textes (Mayring 2002, p. 114). Das Grundkonzept besteht nach Mayring (2000) aus vier Bausteinen: Der Einordnung in ein Kommunikationsmodell, der Regelgeleitetheit, den Kategorien im Zentrum und den Gütekriterien. Bei der Einordnung in ein Kommunikationsmodell geht es darum, das Ziel der Analyse festzulegen und den Hintergrund der Entstehung der Analyseeinheit untersucht (Autor, dessen Intentionen und Umfeld). Das Material wird nach der Regelgeleitetheit in einzelne Analyseeinheiten geteilt und in genau begründeten Kategorien eingeteilt (Kategorien im Zentrum). Das Verfahren muss nach den Gütekriterien nachvollziehbar, mit anderen Studien vergleichbar sein und wenn möglich auf Intervalidität und Reliabilität geprüft werden (Mayring, 2000, p. 3).
Insgesamt werden aus den Ursprungstexten die Teile genommen, die für die Forschungsfrage relevant sind. Diesen Teil des Verfahrens nennt man Extraktion. Das geschieht durch lesen des Textes, wobei die wichtigste Information mithilfe eines Suchrasters entnommen und anschliessend in das Kategoriensystem eingetragen wird. Die Merkmalsausprägungen sind als Nominalskala festgelegt. Damit werden die extrahierten Stellen eingeordnet und beschrieben. Danach werden die Rohdaten zusammengefasst, auf widersprüchliche Inhalte geprüft und schliesslich ausgewertet, indem die Erkenntnisse auf fallübergreifende Zusammenhänge analysiert werden (Gläser/Laudel, 2009, pp. 199-203).
3.2. DATENERHEBUNG UND AUSWERTUNG
3.2.1. Allgemeines Vorgehen
Für die qualitative Untersuchung der Kommentare von SRF und Teleclub Sport wurden acht Aufnahmen von Fussballspielen der Raiffeisen Super League vom Autor dieser Arbeit auf verschiedene Qualitätsmerkmale untersucht. Da in dieser Arbeit nicht schriftliche, sondern gesprochene Texte die Datenbasis bildeten, mussten diese zunächst transkribiert werden. Die einzelnen Aussagen wurden dabei zunächst in ein Textdokument übertragen, was die Bearbeitung erleichterte und ein automatisches Zählen der Wörter ermöglichte. Danach wurden die Aussagen in das Kategoriensystem eingetragen, wo sie in einem weiteren Schritt auf die verschiedenen Merkmale beziehungsweise Qualitätskriterien untersucht wurden, indem das Zutreffen eines Merkmals auf eine Aussage bestimmt und mit einem Wert einer festgelegten Ordinalskala in dem Kategoriensystem eingetragen wurde.
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- Arbeit zitieren
- Jonathan Ernst (Autor:in), 2018, Fussballkommentatoren im Schweizer TV, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/461748
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