Der Wada Test (intracarotidale Amobarbitaltest) wird neben der Sprachlateralisation u.a. zur Vorhersage von Gedächtniseinbußen nach epilepsiechirurgischen Eingriffen verwendet. Ziel der vorliegenden Arbeit war es herauszufinden, ob die Gedächtnisuntersuchung des Wada Tests einen Vorhersagewert auf die postoperative Leistung des Gedächtnisses für verbales Material hat. Ein zusätzliches Ziel war es die kognitive Leistungsentwicklung postoperativ zu beschreiben und aussagekräftige klinisch-neuropsychologische Prädiktoren zu finden. Von den 57 an der Untersuchung an der Universitätsklinik Innsbruck teilgenommenen Patienten (TLE links=32, TLE rechts=25) unterzogen sich alle einer präoperativen Untersuchung bzw. auch alle einem Wada Test. 55 dieser präoperativ untersuchten Personen nahmen an der postoperativen 3 Monatskontrolle teil, von 42 Personen liegen Daten der 12 Monatskontrolle vor. In die Stichprobe aufgenommen wurden nur jene Patienten mit linkshemisphärischer Sprachlokalisation (Wada Lateralitätsquotient≥0,3).
Postoperativ zeigten sich bei 61 % der linksseitigen Patienten Leistungseinbußen im Verbalgedächtnis, 39 % blieben auf gleichem kognitivem Level, nach 12 Monaten kam es zu keiner progredienten Verschlechterung, das Niveau blieb in etwa gleich.
Anders das Bild bei Patienten mit TLE rechts, bei denen sich 72 % postoperativ in ihrer Leistung verbesserten oder gleich bleiben, nach 12 Monaten stieg der Anteil auf 85 %. Die Verluste hingen vom präoperativen Ausgangsniveau ab und fielen für ältere Patienten bzw. Patienten mit spätem Epilepsiebeginn deutlicher aus als für jüngere Patienten. Es konnte (besonders bei TLE links) ein signifikanter positiver Zusammenhang zwischen dem postoperativem Outcome im Verbalgedächtnis und der Wiedererkennensleistung der ipsilateralen als auch der kontralateralen Hemisphäre im Wada Test nachgewiesen werden. Je besser die Leistung der jeweiligen Hemisphäre im Wada Test, desto besser das Outcome im Verbalgedächtnis.
Die Resultate geben Hinweise dafür, dass der Wada Test verbale Gedächtnisleistungen nach einem epilepsiechirurgischen Eingriff vorhersagen kann, für eine Bestätigung der Resultate ist ei- ne Erweiterung der Stichprobe notwendig.
Inhalt
1 Einleitung
2 Wada Test
2.1 Grundlegende Beschreibung und historische Entwicklung
2.2 Methodischer Ansatz des Wada Tests
2.3 Zielsetzung des Wada Tests
2.4 Das Hippocampal adequacy vs. Functional reserve Model
2.5 Reliabilität des Wada Tests
2.6 Validität des Wada Tests
2.6.1 Vorhersage einer anterograden Amnesie
2.6.2 Die Vorhersage von postoperativen materialspezifischen Veränderungen
2.6.3 Validität im Bezug auf die biologisch anatomische Ebene
2.7 Vergleich mit nicht invasiven Verfahren
2.7.1 Vergleich mit bildgebenden Verfahren
2.7.2 Vergleich mit klinisch – neuropsychologischen Prädiktoren
3 Gedächtnis
3.1 Anatomie und Funktion des medialen Temporallappens
3.2 Limbisches System
3.2.1 Hippokampus
3.2.2 Corpus amgydaloideum
3.2.3 Gyrus cinguli
3.2.4 Schaltkreise des limbischen Systems
3.3 Unterscheidung der Gedächtnissysteme
3.3.1 Der Fall H.M
3.3.2 Explizites und Implizites Gedächtnis
3.4 Neuroanatomische Korrelate der Gedächtnisprozesse
3.4.1 Informationsverarbeitung auf Gehirnebene
4 Neuropsychologie der Temporallappenepilepsie
4.1 Kognitives Profil der Temporallappenepilepsie
4.2 Lateralisierte kognitive Defizite bei Temporallappenepilepsie
5 Operative Verfahren
5.1 Kognitive Veränderungen durch epilepsiechirurgische Eingriffe
5.1.1 Kognitive Veränderungen nach Selektiver – Amygdalahippokampektomie (SAH)
6 Fragestellung und Hypothesen
7 Methodik
7.1 Stichprobe
7.2 Untersuchungsablauf
7.3 Verwendete Testverfahren
7.3.1 Wada Test (Natrium Amobarbital Test)
7.3.2 Münchner Gedächtnistest (Ilmberger, 1988)
8 Ergebnisse
8.1 Statistische Auswertung
8.2 Demographische Daten
8.3 Neuropsychodiagnostische Testresultate
8.3.1 Münchner Gedächtnistest (MGT)
8.4 Verlaufsergebnisse der Tests
8.4.1 Gruppenvergleich TLE links – TLE rechts im MGT
8.5 Auswirkung der präoperativen Ausgangsleistung auf postoperatives Outcome
8.5.1 Ergebnisse im freien Langzeitabruf
8.5.2 Ergebnisse im Percent Long Time Retention Score (PLTR)
8.5.3 Ergebnisse im korrigierten Wiedererkennen
8.5.4 Zusammenfassung der Verlaufsergebnisse
8.6 Ergebnisse im Wada Test
8.7 Prädiktoren für Outcome
8.7.1 Prädiktoren für Einbußen im freien Langzeitabruf nach 3 Monaten
8.7.2 Prädiktoren für das Outcome im freien Langzeitabruf nach 3 Monaten
8.7.3 Prädiktoren für Einbußen im freien Langzeitabruf nach 12 Monaten
8.7.4 Prädiktoren für das Outcome im freien Langzeitabruf nach 12 Monaten
8.7.5 Korrelationen der prä- und postoperativen Leistungen im MGT
8.7.6 Korrelationen der prä- und postoperativen Leistungen im MGT mit den Wada Test Resultaten
8.7.7 Korrelationen der demographischen und klinischen Daten mit den neuropsychologischen Testresultaten
9 Diskussion und Beantwortung der Fragestellung
10 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Neuropsychologie bedeutete in der Epilepsie immer auch schon Lateralisations- und Lokalisationsdiagnostik. Verstärkt stehen mittlerweile allerdings auch Fragen der Qualitätskontrolle und Qualitätssicherung bei der konservativen und operativen Epilepsiebehandlung im Mittelpunkt des Interesses. Diese Entwicklung steht im Einklang mit Bestrebungen, die Patienten nicht nur symptomorientiert zu behandeln, sondern darüber hinaus ihre Leistungsfähigkeit zu wahren und damit einen Beitrag zur Verbesserung der psychosozialen und sozioökomischen Situation des Patienten zu leisten. Insgesamt gesehen lässt sich festhalten, dass sich heute neuropsychologische Kriterien zusammen mit neurologischen und psychosozialen als unverzichtbarer Bestandteil der Diagnostik und Therapiekontrolle bei Epilepsien etabliert haben.
Die Epilepsie ist mit einer Prävalenz von ca. 0,8 % eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen, von der in Österreich etwa 65000 Menschen betroffen sind. Ca. 70 % aller Epilepsiepatienten leiden an fokalen Anfällen, die von einer umschriebenen Hirnregion - der so genannten epileptogenen Zone - ausgehen (Baumgartner, 2002).
Obwohl Epilepsie primär eine medikamentös zu behandelnde Erkrankung darstellt, erweisen sich ungefähr 30-50 % aller Patienten mit fokalen Epilepsien als therapierefraktär (Helmstaedter, 2000). Falls bei diesen Patienten die Lokalisation der epileptogenen Zone gelingt, kann durch einen neurochirurgischen Eingriff eine "Heilung" des Anfallsleidens erreicht werden.
Die häufigsten fokalen Epilepsien haben ihren Anfallsursprung im Temporallappen, und hier überwiegend in der Hippokampusformation, die das wesentliche Substrat des episodischen Gedächtnisses darstellt.
Die selektive Amgydala-Hippokampektomie ist ein bewährtes epilepsiechirurgisches Verfahren zur Behandlung pharmakoresistenter Temporallappenepilepsien (TLE). Ein spezifisches Risiko besteht dabei jedoch in möglichen postoperativen Gedächtnisdefiziten, vor allem wenn der kontralaterale Hippokampus ebenfalls funktionelle Beeinträchtigungen aufweist. Einbußen in den verbalen Gedächtnisleistungen stellen hierbei das größte potentielle Risiko bei der operativen Behandlung der TLE dar, ihre Auftretenshäufigkeit wird im Allgemeinen mit 30-50 % angegeben (Chelune, 1995; Gleissner, 2002).
Eine wesentliche Aufgabe der prächirurgischen Epilepsiediagnostik besteht daher in der möglichst genauen Charaktersisierung der Funktionsfähigkeit beider Hippokampi, um damit etwaige neuropsychologische Folgen der Operation einschätzen zu können.
Der von Juhn Wada 1949 erstmals angewendete und nach ihm benannte Wada Test ist ein wesentlicher Bestandteil der prächirurgischen Epilepsiediagnostik. Ursprünglich angewendet als ein Instrument zur Bestimmung der Sprachlateralisation wurde sein Anwendungsbereich im Laufe der Zeit auf die Untersuchung von Gedächtnisprozessen erweitert. Dabei wird eine Hemisphäre durch die Injektion eines Barbiturats (Sodium Amobarbital) vorübergehend anästhesiert wodurch die kognitiven Funktionen der intakten Hemisphäre überprüft werden können.
Primäres Ziel der vorliegenden Arbeit ist es vor dem Hintergrund der Modelle der "Funktionalen Reservekapazität des kontralateralen Temporallappens" bzw. der "Funktionalen Adäquatheit des ipsilateralen Temporallappens" (Chelune, 1995), festzustellen, ob die Gedächtnisuntersuchung des Wada Tests, einen Vorhersagewert auf die postoperative Leistung des Gedächtnisses für verbales Material hat.
Ein weiterer Untersuchungsschwerpunkt liegt auf der postoperativen Entwicklung bzw. dem Verlauf der Leistungen im verbalen Gedächtnis sowie in der Frage ob es präoperativ weitere verlässliche klinische bzw. neuropsychologische Prädiktoren für die postoperative kognitive Entwicklung gibt.
2 Wada Test
2.1 Grundlegende Beschreibung und historische Entwicklung
Ursprünglich wurde dieses Verfahren von Juhn Wada, Wissenschaftler an der Hokkaido University School of Medicine in Japan, 1949 als eine Technik zur Bestimmung der sprachdominanten Hemisphäre beschrieben.
Mittlerweile ist der Wada Test zu einem wesentlichen Bestandteil der prächirurgischen Epilepsiediagnostik geworden und wird an weitgehend allen Epilepsiezentren weltweit durchgeführt. (Rausch 1993)
Erstmals verwendet wurde die intracarotidale Injektion von Natrium-Amobarbital 1948 von Wada, der damit den Status Epilepticus eine jungen Epilepsiepatienten stoppte (Snyder und Harris 1997). In der Folge wurde Natrium-Amobarbital von Wada zur Bestimmung der sprachdominanten Hemisphäre bei Depressionen eingesetzt. Durch dieses Verfahren konnten die Elektroden bei der Behandlung mit der Elektrokrampftherapie (EKT) selektiv auf der nicht sprachdominanten Seite platziert werden, während durch die kurzzeitige Anästhesierung der dominanten Hemisphäre verhindert wurde, dass sich der Krampf bilateral ausbreitet. Wada wollte dadurch geringere kognitive Nebenwirkungen bei der EKT erreichen. (Snyder und Harris 1997).
Das Ziel eines epilepsiechirurgischen Eingriffs ist es, den Anfallsherd (oder den primären Anfallsherd falls mehr als einer existiert) zu entfernen und dadurch die epileptischen Anfälle des Patienten zu reduzieren bzw. zu eliminieren. Dazu versucht der Chirurg nur „krankes“ Gewebe zu entfernen und das normal funktionierende bzw. gesunde Gewebe zu erhalten. Das wird besonders dann kompliziert wenn der Anfallsherd in unmittelbarer Nähe zu einem grundlegenden Funktionszentrum wie etwa Sprache, Motorik oder Gedächtnis liegt.
Obgleich die Sprachfähigkeit gewöhnlich in der linken Hemisphäre lokalisiert ist, weist ein kleiner Prozentsatz von zumeist linkshändigen Personen eine Sprachlokalisation in der rechten Hemisphäre auf. Bei einer genau platzierten Hirnoperation wie eben etwa einem epilepsiechirurgischen Eingriff und unter Vermeidung einer Schädigung der jeweiligen Sprachareale ist es für den Chirurgen unabdingbar, deren Lokalisation genau zu kennen.
[Anmerkung: Wie in der Literatur geläufig bezieht sich im folgenden der Ausdruck „Ipsilaterale Injektion“ auf die Injektion von Amobarbital in die Hemisphäre, in der sich der Anfallsherd befindet, wogegen der Ausdruck „Kontralaterale Injektion“ sich auf die Injektion in die Hemisphäre gegenüberliegend zum Anfallsherd bezieht.]
Um Sicherheit in Zweifelsfällen zu erreichen, haben Wada und Rasmussen die Methode der Natriumamobarbitalinjektion in die Halsschlagader (Carotis) entwickelt. Die Injektion führt zu einer kurzzeitigen Anästhesie der ipsilateral zur gewählten Halsarterie gelegenen Hemisphäre. (Heute erfolgen die Injektionen normalerweise über einen in die Arteria femoralis eingeführten Katheter.)
Dies erlaubt eine eindeutige Lokalisierung der Sprache, da eine Injektion in die Sprachhemisphäre zu einem mehrminütigem Sprachverlust führt. Beginnt die Person, dann wieder zu sprechen, treten charakteristische aphasische Irrtümer auf. Eine Injektion der Substanz in die „stumme“ Hemisphäre führt entweder zu keinem oder nur zu einem sehr kurzen Sprachverlust. (Kolb & Wishaw, 1996)
Wada und Rasmussen (1960) konnten an einer 396 Patienten umfassenden Stichprobe zeigen, dass rechtshändige Patienten ohne Nachweis einer Hirnschädigung im frühen Kindesalter in 96 % der Fälle eine linkshemisphärische Sprachrepräsentation im Wada Test zeigten. Eine frühkindliche Schädigung der linken Gehirnhälfte vor Vollendung des ersten Lebensjahres erhöht die Wahrscheinlichkeit einer Abweichung von einer linksseitigen Sprachdominanz. Linkshändige oder ambidextre Patienten mit nachweisbar früher Schädigung der linken Hemisphäre zeigten am seltensten eine linksseitige Sprachrepräsentation (Rasmussen&Milner, 1977).
Bei ungefähr 94 % der Menschen ohne neurologische Erkrankung ist speziell die linke Gehirnhälfte für sprachliches Verhalten notwendig, die restlichen 6 % haben eine bilaterale Sprachrepräsentation (Springer et al., 1999)
Wie Dodrill et al. (2000) an einer Stichprobe von über 800 Wada Tests zeigen konnten, kommt es bei Patienten mit nachweisbar später Gehirnschädigung zu keiner bilateralen oder rechtsseitigen Sprachrepräsentation. Diese Daten werden von den Autoren dahingehend interpretiert, dass eine von der üblichen Lateralierung abweichende Sprachrepräsentation hauptsächlich oder möglicherweise ausschließlich durch eine vor Vollendung des ersten Lebensjahres erworbene linksseitige Läsion bedingt ist.
Die Entwicklung des Wada Tests stellt einen Meilenstein in der Untersuchung der funktionellen Asymmetrien der beiden Kortexhemisphären dar. Durch die Untersuchungen mittels Wada Test über das Verhältnis von Händigkeit und Sprachlateralisierung war die empirische Falsifikation der lange populären Annahme eines direkten Zusammenhangs zwischen Händigkeit und Sprachlateralisierung (die so genannte "Brocasche Regel") möglich (Snyder&Harris, 1997).
Der Wada Test soll also zum Einen darüber Auskunft geben, wie viel an Sprachfunktion die Hemisphäre trägt, in der die Resektion geplant ist bzw. soll zum Andern herausgefunden werden, wie viel Kompensation die contralaterale Hemisphäre leisten kann.
Im Jahre 1962 erweiterten Brenda Milner und ihre Mitarbeiter am Montreal Neurological Institute (MNI) den ursprünglichen Anwendungsbereich des Wada Tests als diagnostisches Mittel zur Sprachlateralisierung, indem sie ihn auch für die Untersuchung von Gedächtnisprozessen anwendeten (Milner 1997).
Zweck dieser Untersuchung war es das Risiko einer postoperativen Amnesie nach einer Temporallobektomie bei Epilepsiepatienten zu bestimmen bzw. dieses zu verringern. Patienten, die nach Injektion in die geschädigte Hemisphäre keine ausreichende Gedächtnisleistung erbringen konnten, wurden von der Operation ausgeschlossen, um den Fall einer anterograden Amnesie nach unilateraler Temporallappenteilresektion zu verhindern.
[Begriffserklärung: Eine anterograde Gedächtnisstörung (anterograde Amnesie) beeinträchtigt die Fähigkeit, neue Gedächtnisinhalte bilden und abrufen zu können. Der Neuerwerb von Gedächtnisbesitz gelingt nur bei intensiver Wiederholung. Bei retrograden Störungen (retrograde Amnesien) können Informationen nicht mehr erinnert werden, die vor der Erkrankung nachweislich noch gewusst und reproduziert werden konnten, sie bezieht sich also auf das Altgedächtnis. Anterograde Gedächtnisstörungen sind weitaus häufiger als retrograde und behindern den Patienten im Alltag schwerer (Metzler 2002).]
Dem lag die Erfahrung zugrunde, dass eine gleichzeitig geschädigte kontralaterale Temporalregion in diesem Fall nicht fähig wäre, die Funktion des resezierten Temporallappens zu kompensieren.
Bei der Gedächtnisuntersuchung von Milner und ihren Mitarbeitern wurde wiederum die ipsilaterale Hemisphäre anästhesiert, während die „wache“ kontralaterale Hemisphäre mit verschiedenen Reizen konfrontiert wurde. Nach Abklingen der Anästhesierung wurde die Leistung der kontralateralen Hemisphäre überprüft, inwieweit diese in der Lage war die dargebotenen Reize einzuspeichern und zu behalten.
Milners Annahme war, dass man die Eignung der kontralateral zum Anfallsherd liegenden Hemisphäre, neues Gedächtnismaterial zu speichern, überprüfen kann, indem man die Hemisphäre, in welcher der Anfallsherd liegt, für kurze Zeit anästhesiert. Würde nun die contralaterale Hemisphäre die neuen Informationen kaum oder gar nicht behalten, so wäre dies nach Milners Annahme ein Hinweis auf eine kontralaterale hippocampale Dysfunktion und würde somit das Risiko des Patienten, ein postoperatives amnestisches Syndrom nach einer Entfernung des ipsilateralen Hippocampus zu erfahren, erhöhen (Milner, Branch & Rasmussen, 1962).
2.2 Methodischer Ansatz des Wada Tests
Im Gegensatz zur traditionellen neuropsychologischen Diagnostik, die auf standardisierten Tests zur Überprüfung der kognitiven Leistungsfähigkeit beruht, und deren Ergebnisse, weil vielfach normiert, leicht zu vergleichen sind, gibt es laut Rausch (1993) weltweit unter den verschiedenen Epilepsiezentren keine methodisch einheitliche Anwendung des Wada Tests.
Unterschiede existieren sowohl in der Durchführung (z.B. Dosis von Natrium-Amobarbital, Art der Gedächtnisstimuli, Injektionsreihenfolge) als auch hinsichtlich der Interpretation der Ergebnisse (z.B. Kriterium wann der Test bestanden/nicht bestanden ist) (Loring, 1999)
Der Wada Test ist einzigartig in seiner Art des Zugangs, um funktionelle Aspekte des Gehirns zu messen. Andere Methoden zur Messung von Sprache und Gedächtnis, wie etwa fMRI oder PET, basieren auf Paradigmen kognitiver Aktivierung, in welchen Probanden spezielle Sprach- oder Gedächtnisaufgaben zu lösen haben.
Ausgehend von der Möglichkeit, Aktivierungsmuster des Gehirns während der Durchführung einer bestimmten Aufgaben, bildhaft darzustellen, und dem Vergleich der Aktivierungsmuster während einer Kontrollbedingung, werden daraufhin Schlüsse darüber gezogen, welche Gehirnregionen beim Durchführen der Aufgabe aktiviert sind. Hierbei werden aber nur die relativen Unterschiede zwischen Aktivierung während der Aufgabe und Aktivierung unter der Kontrollbedingung gemessen.
Nach Loring (1999) besteht dadurch das Risiko Regionen mit einzuschließen , die nicht direkt mit der Aufgabe in Zusammenhang stehen bzw. den Beitrag einer gewissen Region auszuschließen, die sowohl während der eigentlichen Aufgabe als auch während der Kontrollbedingung Aktivitäten zeigt.
Im Gegensatz dazu ist der Wada Test sozusagen ein „inaktivierendes“ Verfahren. Durch die Injektion von Amobarbital werden Gehirnregionen kurzzeitig inaktiviert und die Auswirkung dieser Anästhesierung auf die kognitiven Leistungen wird gemessen. Der Wada Test versucht also zu klären, ob gewisse Aufgaben auch ohne die anästhesierten Gehirnbereiche durchgeführt werden können.
2.3 Zielsetzung des Wada Tests
Mit der Durchführung des Wada Tests werden vier primäre Ziele verfolgt (Meador und Loring 1999, Simkins-Bullock 2000, Martin und Grote 2002):
die Lateralisation der Sprache
die Vorhersage von postoperativen Gedächtnisdefiziten
(global bzw. materialspezifisch)
ergänzende Information zur Bestimmung des Anfallsherdes
Beitrag zur Vorhersage bezüglich postoperativer Anfallsfreiheit
Die Lateralisierung von Sprache und die Vorhersage von global-amnestischen bzw. material-spezifischen Defiziten sind empirisch gut belegt und etabliert (Wyllie et al. 1990, Wada und Rasmussen 1960 zitiert nach: Martin und Grote 2002), der Nutzen des Wada Tests bezüglich ergänzender Informationen zur Bestimmung des Anfallsherdes bzw. als Beitrag zur Vorhersage postoperativer Anfallsfreiheit hat in den letzten Jahren immer mehr an Interesse gewonnen (Kim 1999, Kneebone 1997, Perrine 1995, Loring 1994).
2.4 Das Hippocampal adequacy vs. Functional reserve Model
Die häufigsten fokalen Epilepsien haben ihren Anfallsursprung im Temporallappen, und hier überwiegend in der Hippokampusformation, welche das wesentliche Substrat des episodischen Gedächtnisses darstellt.
Während es weitgehend Einigkeit darüber gibt, dass Temporallappen und Hippokampus eine zentrale Rolle für Gedächtnisprozesse spielen, gibt es zwei grundlegende Ansätze, die der Vorhersage der postoperativen Gedächtnissituation zugrunde liegen:
Die funktionale Reservekapazität des kontralateralen Temporallappens
(Functional Reserve)
Die funktionale Adäquatheit der ipsilateralen Temporallappenstrukturen
(Hippocampal Adequacy)
Das Modell der „funktionalen Reservekapazität“ beruht auf der Annahme, dass die postoperativen Gedächtniseinbußen von der Funktionstüchtigkeit des kontralateralen Temporallappens abhängen.
Wenn ein Patient beispielsweise für einen Eingriff in der linken Hemisphäre in Frage kommt, so überprüft man nach diesem Modell, inwieweit die rechte Hemisphäre Gedächtnisprozesse unabhängig von der linken Hemisphäre unterstützen kann. Folglich würde die Ärzte am meisten die Gedächtnis Scores nach Injektion in die ipsilaterale Seite interessieren, da dieser Score ja dann die Kapazität bzw. Funktion der Hemisphäre einschätzt, welche nicht operiert wird (Martin 2002, Chelune 1995).
Das Modell der „funktionalen Reservekapazität“ mag nützlich sein, um Fälle einer schwerwiegenden bzw. globalen Amnesie zu vermeiden, aber nach Chelune (1995) weniger wenn es das Ziel ist, differenziertere materialspezifische Defizite vorherzusagen.
Betrachtet man jedoch etwa die materialspezifischen verbalen Gedächtnisfunktionen so ist nach Pauli und Stefan (2004) die Chance für eine kontralaterale Substitution vollständig von bereits vorher abgelaufenen Plastizitätsprozessen abhängig, die eng an bestimmte Stufen der Hirnentwicklung gebunden sind. So gilt als Zeitfenster für eine interhemisphärische Reorganisation der Sprachfunktionen die Periode des Spracherwerbs. Die interhemisphärische Reorganisation der episodischen Gedächtnisfunktionen folgt ähnlichen Regeln wie der Sprache. Auch bei linkshemisphärischer Sprachdominanz ist ein Shift der episodischen, auch der verbalen Gedächtnisfunktionen zur rechten Hemisphäre möglich.
Die kritische Periode für eine interhemisphärische Reorganisation der Gedächtnisfunktionen scheint nach den Aussagen von Jokeit und Markowitsch (1999) im wesentlichen ebenfalls auf die ersten 5 bis maximal 10 Lebensjahre beschränkt zu sein.
Im Gegensatz dazu geht man beim Modell der „funktionalen Adäquatheit“ davon aus, dass die funktionelle Eignung des Gewebes welches in der ipsilateralen Hemisphäre entfernt wird, die Art und das Ausmaß der Gedächtnisveränderungen mehr bestimmt, als die Funktion bzw. Kapazität der contralateralen Hemisphäre.
Im Bezug auf den Wada Test würde dies also bedeuten, dass Patienten mit linksseitiger TLE, die relativ intakte verbale Gedächtnisleistungen (linksseitig) aufweisen, bei einer linksseitigen Lobektomie eher Einbußen im verbalen Gedächtnis erleiden, als Patienten, die vor der Operation schon Beeinträchtigungen im verbalen Gedächtnis gezeigt haben.
Interessant für die Ärzte wäre in diesem Fall, bezogen auf den Wada Test, der Gedächtnis Score bei Injektion in die kontralaterale Hemisphäre, da dieser Wert Auskunft über die funktionelle Eignung der Hemisphäre, welche operiert wird, gibt.(Martin 2002, Chelune 1995)
Empirische Unterstützung findet das „Adequacy Modell“ durch Studien von Chelune (1992) und Bauer (1994), welche beide über über ein inverses Verhältnis zwischen dem Level der präoperativen kognitiven Funktionen und der postoperativen Leistung berichten. Je besser die kognitive Ausgangslage der Patienten war, desto mehr zeigte sich eine Verschlechterung in den postoperativen Resultaten.
Auch bei Rausch (1987), Kneebone (1995) und Gleissner (2002) zeigte sich, dass gute und normgerechte präoperative verbale Gedächtnisleistungen und hohe ipsilaterale Gedächtnisscores im Wada Test ungünstige Indikatoren für ein positives postoperatives Outcome sind.
Der „ideale Kandidat“ für eine Operation nach dem Wada Test bzw. laut diesen Ansätzen weist also gute Gedächtnis Scores bei der Injektion ipsilateral zur beabsichtigten Resektion (gleichbedeutend mit guter „Reserve“) und schlechtere memory scores bei der Injektion contralateral zu dieser auf (gleichbedeutend damit, dass die mesialen Strukturen, die entfernt werden, keine wesentliche Rolle in den Gedächtnisprozessen mehr spielen).
Im Gegensatz dazu ist, ist der Patient der das größte Risiko einer postoperativen Beeinträchtigung hat, der jenige mit einem schlechten Gedächtnis Score ipsilateral und einem guten Gedächtnis Score kontralateral zum Anfallsherd.
Zusätzlich zeigen weitere Studien (Loring 1995, Bell 2000), dass ebenso Wada Asymmetrie Scores oder die Gedächtnis Scores nach einer ipsilateralen Injektion (also die Funktion der „Reserve“ Hemisphäre messend) material-spezifische Einbußen vorhersagen können.
Trotz der Differenzen welcher Wert nun postoperative Gedächtniseinbußen am besten vorhersagen kann, herrscht nach der Ansicht von Martin (2002) weitgehend Einigkeit darüber, dass Patienten mit dem größten Risiko für postoperative Einbußen jene sind, deren präoperative Wada Scores auf „intact adequacy“ und „limited reserve“ hinweisen.
2.5 Reliabilität des Wada Tests
Vor dem Hintergrund der Verschiedenheit in der Durchführung des Wada Tests unter den verschiedenen Epilepsiezentren, sind auch Reliabilität und Validität des Tests von großem Interesse.
Mehrere Arbeiten haben die Reliabilität des Tests im Hinblick darauf untersucht, ob eine Wiederholung des Tests zu identischen „pass/fail“ Klassifikationen führt (Dinner et al., 1987; McGlone und McDonald, 1989).
(Unter "pass/fail" wird in einigen Epilepsiezentren ein Kriterium bzw. anders gesprochen das Erreichen eines bestimmten Gedächtnis Scores verstanden, ab dem der Wada Test als bestanden gilt.)
Ausgehend davon, dass der Wada Test ein invasives Verfahren mit gewissen Risiken ist, ist es bei Patienten, die den Wada Test bestanden haben und dadurch von einer positiven Vorhersage ausgehen können, unwahrscheinlich, die Durchführung des Tests zu wiederholen.
Normalerweise wird ein Wada Test nur bei „problematischen“ Patienten bzw. Patienten mit atypischen Ergebnissen wiederholt, da bei nochmaliger Durchführung eine Änderung dieser Ergebnisse erwartet wird.
Rausch et al. (1993) berichten, dass mehr als ein Viertel der von ihnen untersuchten Epilepsiezentren den Wada Test bei Patienten, die ihn nicht bestehen bzw. einen schlechten Vorhersagewert erreichen, wiederholen.
McGlone und McDonald (1989) führten ihrerseits zwei Studien zur Test-Retest Reliabilität des Wada Tests durch.
In ihrer ersten Studie reichte das Test - Retest Intervall von 5 Tagen bis zu über 10 Jahren. Eine signifikante Änderung in der „pass/fail“ Klassifikation zeigte sich in 8 von 18 Fällen, wobei wiederum 7 dieser 8 Fälle auf externe Faktoren (wie etwa epileptische Anfälle während der Testung, Angstattacken, Vergessen der Brille, etc.) zurückzuführen waren. Auffallend war, dass trotz einer großen Variabilität in den Test – Retest Bedingungen, 10 der 18 wiederholten Testungen das gleiche Ergebnis brachten.
In der zweiten durchgeführten Untersuchung untersuchten McGlone und McDonald (1989) den Einfluss von möglichen Übungseffekten bzw. den Einfluss der Injektionsreihenfolge auf die Ergebnisse der Testung.
Es kam zu keinen signifikanten Unterschieden in den Ergebnissen, ob nun die linke oder die rechte Hemisphäre zuerst anästhesiert wurde. Auch zeigten sich im Vergleich der Ergebnisse in den Wiedererkennen Scores nach der zweiten Injektion mit denen nach der ersten keine Hinweise auf Übungseffekte.
Dies geht einher mit den Ergebnissen von Loring (1997), die ebenfalls weder bessere Gedächtnisscores nach der zweiten Injektion (Übungseffekte) noch geringere Gedächtnisscores nach der ersten Injektion (Effekt von Bewusstseinstrübung) zeigen.
Simkins – Bullock (2000) weist darauf hin, dass die Gedächtnisaufgaben im Wada Test generell sehr einfach gestaltet sind, so dass ohne Amobarbitalwirkung meist MaximalScores erreicht werden, und es deshalb wenig überraschend ist, dass keine Übungseffekte gefunden werden, wenn die Anfallsseite in die Beurteilung mit einbezogen wird.
Die meisten Epilepsiezentren halten eine feste Injektionsreihe ein, nach der die erste Injektion immer in die geschädigte Hemisphäre erfolgt, und die zweite Injektion etwa 30 Minuten später in die nicht geschädigte Hemisphäre. Dem liegt die Überlegung zu Grunde, dass die Injektion in die epileptogene Seite die geplante Resektion simuliert und ihr somit eine besondere Wichtigkeit zukommt. Sollte es während des Wada Tests zu Komplikationen kommen, so ist zumindest diese wichtige erste Injektion erfolgt.
Neuere Untersuchungen (Grote et al., 1999) haben einen Einfluss des Zeitintervalls zwischen den beiden Injektionen auf die Gedächtnisleistungen nach der zweiten Injektion nachweisen können. Möglicherweise ist die dann isolierte Hemisphäre immer noch geschwächt durch die kurz zuvor geschehene Anästhesierung. Die übliche Injektionsabfolge steht also im Verdacht, die Gedächtnisfunktion der geschädigten Hemisphäre zu unterschätzen, wenn zum Zeitpunkt der zweiten Injektion noch Nachwirkungen der ersten Injektion bestehen.
Um die Reliabilität des Verfahrens noch zu steigern, bedarf es aber zu allererst einer Vereinheitlichung in der Durchführung des Tests unter den diversen Epilepsiezentren.
2.6 Validität des Wada Tests
2.6.1 Vorhersage einer anterograden Amnesie
Bei der Bestimmung der prognostischen Validität des Wada Tests bezogen auf eine schwere anterograde Amnesie nach einer unilateralen Temporallappen-Teilresektion treten nach der Meinung von Simkins-Bullock (2000) methodische Schwierigkeiten auf:
Es gibt keine allgemein anerkannte Definition einer anterograden Amnesie (Jones-Gotman et al., 1993). Die subjektiven Berichte der Patienten über Gedächtniseinbußen sind oft stärker mit Persönlichkeitseigenschaften, depressiven Symptomen oder Alltagsanforderungen verbunden, als mit der objektivierten neuropsychologischen Leistung (Gleissner et al., 1998).
Außerdem weisen Helmstaedter et al. (1998) darauf hin, dass die ökologische Validität der meisten neuropsychologischen Tests eher unklar ist.
Dennoch wagen Calabrese und Markowitsch (2003) den Versuch der Definition des amnestischen Syndroms:
„Das amnestische Syndrom ist durch eine anterograde und eine variable retrograde Amnesie bei erhaltenem Kurzzeitgedächtnis und implizitem Gedächtnis sowie unbeeinträchtigten intellektuellen Leistungen charakterisiert.“
Die Basisrate einer postoperativen globalen Amnesie ist wahrscheinlich generell sehr gering. Jones-Gotman et al. (1993) und Loring et al. (1992) gehen von einer Basisrate von weniger als 1 % aus.
Der Wada Test ist kein standardisiertes Verfahren, Methoden und das Procedere unterscheiden sich teilweise stark unter den verschiedenen Epilepsiezentren. Ferner gibt es in den meisten Zentren bei der Auswertung des Wada Tests keine empirische Begründung für einen Cut-Off Wert, ab dem ein erhöhtes Risiko einer Amnesie besteht.
Tabelle 2.6.1: Vierfelder-Tafel für dichotome Vorhersagen eines Gedächtnisverlusts anhand der Ergebnisse im Wada Test
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die größte Gruppe der Wada Ergebnisse ist nach Simkins-Bullock (2000), die der Richtig-Negativen Vorhersagen, sie ist aber aufgrund der geringen angenommenen Basisrate von postoperativen Amnesien irrelevant zur Validierung des Wada Tests, die wenigen Richtig-Positiven Vorhersagen stellen eine fehlerhafte Indikation dar.
Simkins-Bullock (2000) weist weiters auf eine hohe Rate an Falsch-Positiven Vorhersagen beim Wada Test hin, d.h. der Test ist sehr unspezifisch. Er sollte deshalb kein absolutes Kriterium für den Ausschluss eines Patienten von einer Operation sein (Loring et al., 1991; Loring, 1999).
Es ist aber auch relativ unklar, welche konkreten Faktoren man sonst berücksichtigen soll. So schlagen etwa Kubu et al. (2000) vor, den präoperativen neuropsychologischen Daten mehr Wichtigkeit zukommen zu lassen, als den Ergebnissen aus dem Wada Test.
Falsch-Negative Vorhersagen sind nach Simkins-Bullock (2000) zu schlecht dokumentiert, als dass sie kommentiert werden könnten.
Festzustellen ist weiters, dass die Anzahl an berichteten Falsch-Positiven die Anzahl an Falsch-Negativen übersteigt. Das kann zum einen ein Hinweis sein, dass die Basisrate von Amnesien wirklich sehr gering ist, es kann aber auch ein Indiz dafür sein, dass die Basisrate zwar höher ist, dass aber das Zusammentreffen von ungünstigen Ergebnissen im MRT, Neuropsychologie, etc. in den meisten Zentren bereits zum Ausschluss von einer Temporallappenresektion führt und dadurch ein Selektionseffekt vorliegt.
2.6.2 Die Vorhersage von postoperativen materialspezifischen
Veränderungen
Man nimmt an, dass verbales (mündlich dargebotenes) Material bevorzugt von der dominanten (meistens linken) Hemisphäre verarbeitet wird, wogegen non verbales bzw. visuell dargebotenes Material eher von der non dominanten (meistens rechten) Hemisphäre verarbeitet wird (Kolb &Whishaw, 1996).
Barr (1997) weist darauf hin, dass der Zusammenhang zwischen Schädigung der linken Hemisphäre und Störung bei der Speicherung verbalen Materials besser untersucht ist als das Verhältnis von rechtshemisphärischer Schädigung und Verarbeitung von non verbalem Material.
Kneebones (1995) Ergebnisse unterstützen die Annahme, dass der Wada Test materialspezifische Defizite vorhersagen kann. Linksseitige Patienten, die den kontralateralen Wada Gedächtnis Test bestanden hatten, zeigten postoperativ signifikant größere Defizite bezogen auf den Abruf von verbalem Material als Patienten, die den contralateralen Wada Gedächtnis Test nicht bestanden hatten. Die Ergebnisse können durchaus als Beleg für das Konzept der „Hippocampal Adequacy“ von Chelune (1995) angesehen werden. Allerdings war der contralaterale Wada Score bei rechtsseitigen Patienten kein signifikanter Prädiktor für postoperative Veränderungen im Gedächtnis für visuelles Material.
Im Einklang dazu kommt es bei Loring et. al. (1995) bei Patienten mit rechtsseitigem Anfallsherd ebenfalls zu keinem signifikanten Zusammenhang zwischen den Wada Memory Scores und der postoperativen Gedächtnisleistung.
Bei der Verwendung von Asymmetrie Scores, welche die relative Leistung nach ipsilateraler und contralateraler Injektion zeigen, scheint aber ein Zusammenhang zwischen diesen Asymmetrie Scores und den verbalen Gedächtnisleistungen nach linksseitigem Eingriff auf. Patienten, die relativ symmetrische Wada Asymmetry Scores aufwiesen, hatten ein höheres Risiko für verbale Gedächtnisdefizite postoperativ als Patienten mit großen Asymmetry Scores. Die Autoren nehmen dies als ein Indiz dafür, dass die Werte beider Seiten für die Voraussage postoperativer verbaler Gedächtnisleistungen sind.
Empirische Unterstützung für das „Hippocampal Reserve“ Modell (Chelune 1995) bringen die Ergebnisse einer Studie von Bell (2000), die den Nutzen des Wada Test bezüglich der Vorhersage von postoperativen Veränderungen des Gedächtnis für verbales Material bei linksseitigen Patienten mit linksseitiger Sprachdominanz und Hippokampussklerose untersuchte. Die Gedächtnisleistung nach ipsilateraler (linker) Injektion (und nicht rechts bzw. der der Bildung von Asymmetrie Sycores) korreliert signifikant mit dem postoperativen Outcome. Allerdings ist anzumerken, dass in dieser Untersuchung überhaupt nur 14% der Gesamtstichprobe eine Beeinträchtigung nach der Operation zeigten.
Weitere Risikofaktoren für einen negativen Outcome waren bei Bell ein höheres Alter zum Zeitpunkt der Operation und relativ intakte präoperative kognitive Fähigkeiten.
Ähnliches zeigt sich auch bei Chiaravalotti und Glosser (2001), deren Untersuchung einen Zusammenhang zwischen dem Wada Memory Score bei ipsilateraler Injektion und den postoperativen verbalen Gedächtnisleistungen bei 70 untersuchten sowohl links- als auch rechtsseitigen Patienten aufzeigte und die dies ebenso als Unterstützung für das „functional reserve“ sehen. Die Ergebnisse dieser Studie sind aber aufgrund einer aufgeklärten Varianz des Wada Scores von bloß 15% nur eingeschränkt zu betrachten.
2.6.3 Validität im Bezug auf die biologisch anatomische Ebene
Ein weiterer wichtiger Aspekt, der im Zusammenhang mit der Validität des Wada Test zu beachten ist, ist der Mechanismus, d.h. die biologisch – anatomische Ebene, die dem Wada Test zugrunde liegt. Eine Frage, die in der Diskussion über die Validität des Tests immer wieder auftaucht ist, wo das Natrium – Amobarbital eigentlich hinfließt bzw. welche Strukturen dadurch anästhesiert werden.
Weil es der Zweck der Gedächtnisuntersuchung während des Wada Tests ist, den Hippocampus vorübergehend zu deaktivieren, was einem Effekt ähnlich dem nach der angestrebten Operation entsprechen soll, stellt sich die Frage ob der Hippocampus (bzw. wie viel von ihm) während des Wada Tests inaktiviert wird.
Die Injektion von Natrium-Amobarbital führt zu einer Reihe vorübergehender neurologischer und neuropsychologischer Ausfälle, die Patienten werden z.B. hemiplegisch, weiters kann u.a. eine Hemianopsie kann auftreten.
Während dieser Phase wird die kognitive Leistung des Patienten mit der nun größtenteils isolierten kontralateralen Hemisphäre untersucht. Ausfälle von Sprache oder Gedächtnis nach der Injektion werden interpretiert als Beweis für die notwendige Beteiligung der narkotisierten Hemisphäre an der jeweiligen Funktion. Ein fehlerfreier oder überwiegend fehlerfreier Erhalt der Funktion nach der Injektion wird als Nachweis für die Kompensationsfähigkeit der isolierten Hemisphäre angesehen.
Injiziert wird das Anästhetikum Natrium – Amobarbital in die Arteria carotis interna (ACI) einer Hemisphäre, begonnen wird in einer Vielzahl der Fälle mit der linken (Rausch, 1993). Hierdurch werden vor allem die corticalen Gebiete, die von der Arteria cerebri media (ACM) und der Arteria cerebri anterior (ACA) versorgt werden für ca. drei bis fünf Minuten narkotisiert.
Das Versorgungsgebiet der Arteria carotis interna umfasst nach Trepel (2004) den vollständigen Frontal- und Parietallappen, den größten Teil des Temporallappens und des Zwischenhirns, das Auge und die Hypophyse.
Die Arteria cerebri posterior (ACP) geht in 19% der Patienten direkt von der ACI ab und ist sichtbar bei der Angiographie der ACI (Silfvenius et al. 1997).
Cortical versorgt die ACP den kaudalen und basalen Bereich des Temporallappens mit dem Hippokampus sowie den gesamten Okzipitallappen mit primärer und sekundärer Sehrinde (Trepel, 2004).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2.6.3: Vereinfachtes Schema des arteriellen Gefäßsystems im Gehirn,
(Trepel, 2004, S.265)
Der Hippocampus ist sowohl an der Zirkulation durch die Arteria cerebri anterior als auch der Arteria cerebri posterior beteiligt, was zu der Kritik führt, dass der Großteil des Hippocampus während der Wada Tests nicht richtig anästhesiert sein könnte und man nicht sicher sein kann ob nun der contralaterale Hippocampus oder eine Kombination aus dem contralateralen und einigen Bereichen des ipsilateralen Hippocampus, der durch das Anästhetikum nicht berührt wird, getestet wird (Simkins-Bullock, 2000).
Morton et al. (1996) fanden einen Zusammenhang zwischen der Gedächtnisleistung und intrahemisphärischer Crossperfusion aus der ACM in die ACP. Patienten mit solchen Crossperfusionen, in ihrer Studie waren es etwa 10% von 57, während es bei 51% zu keiner Perfusion weder ipsilateral noch contralateral kam, wiesen signifikant schlechtere Wiedererkennungsleistungen auf als Patienten ohne Crossperfusion. Der Effekt war etwas stärker bei Injektionen in die Hemisphäre contralateral zur Läsion als bei ipsilateraler Injektion.
Sie zogen daraus den Schluss, dass sich eine Perfusion der ACP nur während der Injektion in die non-dominante Hemisphäre auf die Gedächtnisleistungen auswirkt, oder in anderen Worten, wenn es von der dominanten Hemisphäre verlangt wird, Gedächtnisprozesse zu unterstützen. Weiters sollte bei der Interpretation der Wada Resultate darauf Wert gelegt werden, ob es zu einer ACP Perfusion kommt.
Nach der Anästhesierung zeigten sich auch bei Patienten ohne ACP Perfusion Gedächtnisdefizite.
Morton et al. nehmen deswegen an, dass es so etwas wie ein „Neuronales Netzwerk“ für Gedächtnis gibt, das sich aus verschiedenen Strukturen zusammensetzt. Teile des Hippocampus sowie der Gyrus parahippocampalis werden durch die ACP mit Blut versorgt, während es neben dem Hippocampus andere ins Gedächtnis involvierte Strukturen wie den anterioren Thalamus, die Mammillarkörper, das basale Vorderhirn und den Gyrus cinguli gibt, die durch dir Arteria cerebri anterior mit Blut versorgt werden. Ein Ausfall an einer bestimmten Stelle kann somit zu verschiedenen Arten von Beeinträchtigungen im Gedächtnis führen.
Kein signifikanter Zusammenhang zwischen ACP Perfusion und den Wiedererkennungsleistungen zeigte sich allerdings in einer Studie von Smith et al. (1993).
Auch der Kritik, dass ein auftretender Cross-Flow zwischen den Hemisphären nach der Injektion die Interpretation der Ergebnisse der Gedächtnisuntersuchung beeinträchtigen könnte, kann durch empirische Studien (Perrine et al., 1995), die zeigten, dass ein solcher Zusammenhang, nur vereinzelt, aber nicht bei großen Stichproben besteht entgegnet werden.
Loring (1999) ist der Ansicht, dass die mesialen temporalen Strukturen nicht direkt von der Verteilung des Amobarbitals betroffen sein müssen, sondern dass es ausreicht wenn sie funktionell deaktiviert werden.
Ein Hinweis darauf, dass diese Strukturen, insbesondere der Hippocampus inklusive seinem posterioren Abschnitt, auch bei Injektion in die ACA deaktiviert werden, zeigen Studien mit intracerebralen Elektroden (in Hippocampus und Amgydala), bei denen ein signifikanter Zusammenhang zwischen Injektion in die ACA und Verlangsamungen im EEG auftrat (Gotman et al., 1992, Bouwer et al., 1993)
2.7 Vergleich mit nicht invasiven Verfahren
2.7.1 Vergleich mit bildgebenden Verfahren
Mehrere Studien haben in den letzten Jahren einen positiven Zusammenhang zwischen der postoperativen Gedächtnisleistung und den Ergebnissen aus strukturellen und funktionellen bildgebenden Verfahren, wie MRI, fMRI, PET, aufgezeigt (Loring, 1993, Baxendale, 1997, Binder et al., 1996, Detre, 1998, Rabin, 2004).
Funktionelle und strukturelle Hinweise auf Missbildungen des mesialen Temporallappens korrelierten mit den Gedächtnisleistungen im Wada Test. Beispielsweise finden sich in manchen Studien Indizien dafür, dass das Volumen des Hippocampus im MRI mit der Gedächtnisleistung im Wada Test signifikant in Zusammenhang steht (Baxendale 1997, Loring, 1993).
Bei Loring (1993) zeigten sich etwa signifikante Korrelationen zwischen Asymmetrien im Volumen der Hippokampi und Asymmetrien in den Wada Gedächtnisscores.
Weiters fanden Baxendale et al. (1997) bei TLE Patienten einen signifikanten Zusammenhang zwischen dem Differenzscore der Volumina der Hippokampi in MRI – Aufnahmen und dem Differenzscore der Gedächtnisleistungen nach beiden Injektionen des Wada Tests bei TLE Patienten. Eine deutliche Asymmetrie der Hippokampi zu ungunsten der epileptogenen Seite korrelierte mit einer schlechteren Gedächtnisleistung nach Isolation der geschädigten Hemisphäre im Wada. Die gefundene Korrelation war allerdings nicht sehr hoch (r=0.44, Varianz = 18%)
Seit Beginn der 90er Jahre steht die auf dem BOLD Effekt („blood oxygen level dependent) beruhende funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT) als nichtinvasives Verfahren zur Lokalisation zererbaler Funktionen zur Verfügung.
In den vergangenen Jahren wurden zahlreiche Studien publiziert, in denen die Ergebnisse von Sprach-fMRT-Untersuchungen durch Vergleich mit invasiven Verfahren validiert wurden (Binder et al. 1996, Loring 1990).
Obwohl in zahlreichen Untersuchungen, so berichten etwa Binder et al. (1996) in einer Stichprobe von 22 Epilepsiepatienten über einen Korrelationskoeffizienten von 0.96 zwischen der Sprachaufgabe im fMRI und der im Wada Test, eine gute Übereinstimmung der Ergebnisse von fMRI und Wada Test gezeigt werden konnte, gibt es keine allgemein akzeptierten Empfehlungen, in welchen Fällen auf einen Wada Test verzichtet werden kann.
Vergleichende Untersuchungen zwischen fMRI und Wada im Bezug auf Lateralisation von Gedächtnis (Detre et al, 1998, Golby et. al., 2002) zeigen Übereinstimmungen im Asymmetrieverhältnis der Aktivierungen in den mesialen temporalen Regionen bzw. den Ergebnissen der Gedächtnisuntersuchung im Wada Test.
Golby et. al (2002) zeigten dass bei einer Gedächtnisaufgabe der mesiale Temporallappen contralateral zum Anfallsherd stärker aktiviert war. Bei linksseitigen Patienten war der rechte mesiale Temporallappen beim verbalen Enkodieren stärker aktiviert und umgekehrt zeigte sich bei den rechtsseitigen Patienten beim Enkodieren von nonverbalem Material eine stärkere Aktivierung im linken mesialen Temporallappen. Diese Ergebnisse stimmten mit denen aus dem Wada Test überein. Die Ergebnisse werden von den Autoren dahingehend interpretiert, dass es eine Reorganisation der Gedächtnisprozesse hin zur kontralateralen Temporallappenregion geben könnte.
Rabin (2004) untersuchte die Nützlichkeit von fMRI im Bezug auf die Vorhersage von postoperativen Gedächtnisleistungen.
Eines der Ziele war es die Ansätze der „Hippocampal adequacy“ bzw. „Hippocampal reserve“ Modelle (Chelune, 1995) anhand von bildgebenden Verfahren zu überprüfen.
Untersuchungen zwischen postoperativ bestimmter hippokampaler Zelldichte und volumetrischer Daten mittels MRI unterstützen das „Functional adequacy Model“ (Hermann et al., 1993, Chelune, 1995, Baxendale et al. 1998). Mittels solche Methoden ist es aber schwierig, das „Hippocampal Reserve“ Model zu überprüfen, weil ja etwa die Zelldichte des contralateralen Temporallappens nicht bestimmt werden kann.
Die Resultate von Rabin zeigen nun einen Zusammenhang zwischen einer Asymmetrie der Hemisphären im mesialen Temporallappen bezüglich der Aktivierung während der Einspeicherung einer komplexen visuellen Szene und der postoperativen Gedächtnisleistung für visuelles Material.
Weniger Aktivität im epileptogenen Temporallappen war verbunden mit geringeren Einbußen postoperativ, dies steht im Einklang mit anderen, das „Hippocampal adequacy“ unterstützenden Studien (Kneebone 1995, Loring, 1995).
Die beobachteten Korrelationen sind aber zu schwach und es bedarf Verbesserungen in der Anwendung von fMRI, um diesen Ansatz entsprechend klinisch zu validieren.
2.7.2 Vergleich mit klinisch – neuropsychologischen Prädiktoren
Aber auch nicht invasive klinische Prädiktoren werden verwendet, um die postoperative Gedächtnisleistung vorherzusagen, dabei wurden teilweise recht große Stichproben verwendet.
So untersuchten Hermann et al. (1995) das postoperative Outcome in einer Serie von 101 TLE Patienten unter der Verwendung von Tests zum Wortlistenlernen und der Wiedergabe von Prosa – Material.
Ein später Epilepsiebeginn bzw. ein höheres Alter zum Zeitpunkt der Operation stellten signifikante Prädiktoren für Verschlechterungen im episodischen Gedächtnis bei linksseitigen Patienten dar. Der präoperative kognitive Status war sowohl für links- als auch für rechtsseitige Patienten bestimmend für den postoperativen Outcome. Bessere Ausgangsleistungen gingen einher mit einem schlechteren Outcome.
Helmstaedter und Elger (1996) suchten verlässliche Prädiktoren für die postoperative verbale Gedächtnisleistung in einer Serie von 144 TLE Patienten unter Verwendung einer Aufgabe zum Wortlistenlernen.
Die postoperative Leistung im Wortlistenlernen bei linksseitigen Patienten wurde signifikant vorhergesagt durch das Alter der Patienten zum Zeitpunkt der Operation, den präoperativen Score im Wortlistenlernen, das Ausmaß der Resektion und einer schlechten präoperativen Leistung im figuralen Gedächtnis.
Bei rechtsseitigen Patienten erwiesen sich ebenfalls die präoperative kognitive Leistung als auch die postoperative Anfallsfreiheit als verlässliche Prädiktoren für das Outcome.
3 Gedächtnis
3.1 Anatomie und Funktion des medialen Temporallappens
Im Laufe der Evolution hat das Großhirn (Telencephalon) alle anderen Hirnteile überwachsen und stellt heute den größten Teil des menschlichen Gehirns dar. Das Großhirn gilt als Hauptmanifestationsort des menschlichen Denkens und Fühlens.
Die Großhirnrinde (Cortex cerebri) wird durch die stark gefaltete Oberfläche der beiden Großhirnhälften (Hemisphären) verkörpert.
Die beiden von außen erkennbaren Hemisphären lassen sich durch die von vorne nach hinten verlaufende Fissura longitudinalis cerebri voneinander in eine linke und rechte Hemisphäre trennen.
Jede der beiden Hemisphären besitzt u.a. die Aufgabe vorwiegend sensorische und motorische Prozesse der kontralateralen Körperseite zu steuern bzw. zu überprüfen. Obwohl es auf den ersten Blick so scheint, sind die beiden Hemisphären weder vollständig symmetrisch gebaut, noch erfüllen sie die gleichen Funktionen.
Jede der beiden Hemisphären kann in folgende vier anatomisch abgrenzbare Lappen (Lobi) unterteilt werden:
- Stirnlappen (Lobus frontalis)
- Scheitellappen (Lobus parietalis)
- Hinterhauptslappen (Lobus occipitalis)
- Schläffenlappen (Lobus temporalis)
Der Temporallappen besitzt keine einheitliche Funktion, da er sowohl den primären und sekundären auditorischen und visuellen Kortex, den limbischen Kortex als auch die Amygdala umfasst.
Anhand der Anatomie kann man aber drei grundlegende Funktionen des temporalen Kortex herausfiltern (Kolb und Whishaw 1996):
- die Verarbeitung auditorischen Informationseinganges
- das Erkennen visueller Objekte
- die Langzeitspeicherung sensorischer Informationen
Zusätzlich kann man auch der verbleibenden temporalen Region, der Amygdala, eine Funktion zuordnen, nämlich die Zuordnung einer affektiven bzw. emotionalen Komponente zu den sensorischen Informationen und den Gedächtnisinhalten.
3.2 Limbisches System
Der Begriff des limbischen Systems wurde ursprünglich geschaffen, um bestimmte Gehirnteile zu beschreiben, die sich wie ein Saum (limbus, lat. = Saum) um den Balken und das Zwischenhirn herumlegen und eine Übergangszone zwischen Neokortex und Hirnstamm darstellen sollten.
Der Begriff „limbisches System“ hat sich seitdem erweitert und ist zu einem Schlagwort für die „Emotionslokalisation im Gehirn“ geworden. Es ist aber in seinen zugehörigen Zentren häufig nur unklar definiert, fast jeder Forscher hat seine eigene Zusammenstellung.
Markowitsch (1999) plädiert dafür aufzugeben, von einem einheitlichen System zu sprechen, stattdessen solle man lieber die jeweils relevanten Anteile als Einzelstrukturen benennen. Es sollte mehr um eine Zusammenfassung funktionell in Verbindung stehender zentralnervöser Regionen als um die Beschreibung topographisch eng in Beziehung stehender Gehirnareale gehen.
Trepel (2004) zählt folgende Strukturen zum limbischen System:
- Hippokampus (einschließlich Gyrus dentatus und Fornix)
- Gyrus cinguli
- Gyrus parahippocampalis
- Corpus amygaloideum
- Corpus mammilare
Weiters werden mit eingeschlossen:
- große Teile des Riechhirns einschließlich Septumregion
- Indusium griseum
- Thalamusanteile (speziell die mit obigen Strukturen in Verbindung stehenden Kerne)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3.2: Der limbische Kortex, die Amygdala und die septale Grenzregion,
(Markowitsch 1999, S.40)
3.2.1 Hippokampus
Der Hippokampus liegt zum größten Teil im Temporallappen an der Medialwand des Seitenventrikelunterhorns. Seine Bezeichnung rührt von der einem Seepferdchen ähnlichen Form (hippokampos, griech. = Seepferdchen). Genauer wäre es eigentlich von Hippokampaler Formation zu sprechen, da es sich um eine anatomisch und funktionell diversifizierbare Region handelt.
Afferenzen erhält der Hippokampus besonders zahlreich von der medial von ihm liegenden Regio entorhinalis, über welche ihm Impulse aus dem Riechhirn, dem Corpus amgydaloideum und dem Neokortex zufließen, Auf diese Weise werden ihm unter anderem somatosensible, visuelle, auditorische und olfaktorische Informationen in modulierter Form vermittelt, die alle im Gyrus parahippocampalis konvergieren. Weitere Afferenzen erhält der Hippokampus aus dem Thalamus , dem Gyrus cinguli und dem Septum.
[...]
- Citar trabajo
- Hermann Sinz (Autor), 2005, Der Vorhersagewert des Wada Tests auf postoperative Leistungen im Verbalgedächtnis bei Patienten mit Temporallappenepilepsie, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/45888
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