Als am 25. Juli 1943 Mussolini auf der Sitzung des Großen Faschistischen Rates gestürzt und die konstitutionelle Entscheidungsgewalt an König Vittorio Emanuele III. gegeben wurde, zerschlugen die Römer unter allgemeinem Jubel faschistische Embleme und Symbole der letzten 20 Jahre. Die allgemeine Überzeugung, dass Mussolinis Entmachtung und Verhaftung den Frieden bringen werde, erwies sich noch am gleichen Abend als Illusion, als der neue Regierungschef Pietro Badoglio im Radio verkündete, dass der Krieg weitergehe. Die nachfolgenden chaotischen Ereignisse während der „45 Tage unter Badoglio” bis zum Waffenstillstand mit den Alliierten und die unmittelbar anschließende Besetzung Italiens durch die deutsche Wehrmacht machten das Land zum Schauplatz zweier sich überschneidender Kriege, dem der vorrückenden Alliierten mit Deutschland, und dem Partisanenkrieg gegen die Besatzer und das neu errichtete faschistische Regime der „Republik von Salò“.
In der vorliegenden Arbeit wird die Vorgeschichte des italienischen Kriegsaustrittes kurz skizziert, die Zeit der Besetzung Roms durch die Deutschen charakterisiert. Hierbei gilt der Augenmerk dem Status Roms als „offener Stadt” und dabei besonders dem Attentat in der Via Rasella. Abschließend wird die Rechtmäßigkeit von Geiselerschießungen im 2. Weltkrieg kurz erörtert und einige Überlegungen zur Legitimität des Attentats gemacht.
Inhaltsverzeichnis
1. EINLEITUNG
2. VORGESCHICHTE DES ITALIENISCHEN KRIEGSAUSTRITTES
3. DIE BESETZUNG ITALIENS DURCH DIE WEHRMACHT
3.1. DER FALL „ACHSE”
3.2. DIE REPUBLIK VON SALÒ
3.2. ROM OFFENE STADT
3.3. ITALIENISCHE MILITÄRINTERNIERTE
4. RESISTENZA UND „BANDENBEKÄMPFUNG”
4.1. DAS ATTENTAT IN DER VIA RASELLA UND DIE ANSCHLIEßENDE „VERGELTUNGSMAßNAHME” IN DEN FOSSE ARDEATINE
4.2. PARTISANENBEKÄMPFUNGSBEFEHLE UND REPRESSALTÖTUNGEN
4.2.1. „BANDENBEKÄMPFUNG“
4.2.2. REPRESSALTÖTUNGEN ALS VERGELTUNGSMAßNAHME
4.2.3. ZUR RECHTMÄßIGKEIT VON GEISELERSCHIEßUNGEN NACH DER HAAGER LANDKRIEGSORDNUNG
4.3. ZUR LEGITIMITÄT DER RESISTENZA
5. SCHLUßBETRACHTUNG
6. LITERATURVERZEICHNIS
1. Einleitung
Als am 25. Juli 1943 Mussolini auf der Sitzung des Großen Faschistischen Rates gestürzt und die konstitutionelle Entscheidungsgewalt an König Vittorio Emanuele III. gegeben wurde, zerschlugen die Römer unter allgemeinem Jubel faschistische Embleme und Symbole der letzten 20 Jahre wie Rutenbündel, Kaiseradler oder Büsten des Duce . Die allgemeine Über¬zeugung, daß Mussolinis Entmachtung und Verhaftung den Frieden bringen werde, erwies sich noch am gleichen Abend als Illusion, als der neue Regierungschef Pietro Bado¬glio im Radio verkündete, daß „der Krieg weitergehe” . Die nachfolgenden chaotischen Ereignisse während der „45 Tage unter Badoglio” bis zum Waffenstillstand mit den Alliier¬ten und die unmittelbar anschließende Besetzung Italiens durch die deutsche Wehrmacht brachten nicht den erhofften Frieden, sondern machten das Land zum Schauplatz zweier sich überschneidender Kriege, dem der vorrückenden Alliierten mit Deutschland, und dem Partisanenkrieg gegen die Besatzer und das neu errichtete faschistische Regime der „Republik von Salò“.
Das rücksichtslose Vorgehen der Deutschen, die die Ressourcen des Landes für ihre Kriegswirtschaft ausbeuteten und arbeitsfähige Männer als „gigantisches Arbeitskräftereser¬voir” verhafteten und nach Deutschland deportierten, ihre im sogenannten „Nero-Befehl” vom 18. Septem¬ber angeordnete „Politik der verbrannten Erde” sowie die zunehmend drastischeren Repressa¬lien als Antwort auf Widerstandsaktionen sorgten für starken Zulauf zu den gleichzeitig mit der Kapitulation entstandenen Partisanenverbänden.
In der vorliegenden Arbeit soll die Vorgeschichte des italienischen Kriegsaustrittes kurz skiz¬ziert, sowie die Zeit der Besetzung Roms durch die Deutschen charakterisiert werden. Hierbei liegt der Augenmerk auf dem Status Roms als „offener Stadt” und dabei besonders dem Attentat in der Via Rasella. Abschließend soll die Rechtmäßigkeit von Geiselerschie-ßungen im 2. Weltkrieg kurz erörtert und einige Überlegungen zur Legitimität des Attentats gemacht werden.
2. Vorgeschichte des italienischen Kriegsaustrittes
In den „45 Tagen unter Badoglio” zwischen dem monarchischen Staatsstreich und der Ver-kündigung des Waffenstillstandes am 8. September 1943 verfolgte der Ministerpräsident eine Politik des Zeitgewinns und der kleinen Schritte, ohne daß große Entscheidungen ge-troffen wurden; seine Regierungszeit gilt als ein „nicht überbotenes Beispiel politischer Un-fähigkeit” : Die faschisti¬sche Partei wurde zwar aufgelöst, die Miliz jedoch in die Armee integriert und deutschfreundliche Militärs im Amt belassen. Außerdem blieben her-ausragende Führungskräfte und Parteifunktionäre un¬bestraft . Bis zur Bekanntgabe der Kapitulation wurde die Bildung neuer Parteien verhindert. Verhandlungen zogen sich in die Länge und fanden oft parallel, ohne gegenseitige Unterrich¬tung, statt. Während der neue Außenminister Guariglia seinem deutschen Kollegen versicherte, daß sich die italienische Außenpolitik nicht ändern werde, knüpfte er gleichzeitig Kontakte zu den Alliierten, um die Konditionen eines Waffenstillstandes zu ermitteln.
Marschall Badoglio und der König wollten das Unmögliche erreichen: Vordringlich Monar-chie und das Haus Savoyen retten, einen Separatfrieden mit günstigen Waffenstillstandsbe-din¬gungen mit den Alliierten erreichen und sich gleichzeitig mit Zustimmung der Deut-schen aus dem Krieg zurückziehen .
Unterdessen war Italien nicht nur den Bombardements der Alliierten ausgesetzt, sondern Deutschland konnte die verstreichende Zeit nutzen, um seine Stellungen in Norditalien aus-zubauen. Bereits einen Tag nach dem Staatsstreich, am 26. Juli, wurden deutsche Truppen südwärts in Marsch gesetzt, weitere 18 Divisionen zu den bisherigen 7 in Italien verbracht .
Die Ereignisse zwischen der Unterzeichnung der Kapitulation am 3. September 1943 und deren verspäteter Bekanntgabe am 8. September sind bis heute nicht vollständig geklärt. Ba¬doglio wollte durch Stillschweigen erreichen, daß Deutschland erst von dem Waffen-stillstand erfuhr, nachdem alliierte Truppen in Süditalien gelandet und Luftlandetruppen über Rom abge¬sprungen waren. Diese Geheimhaltung hatte ein unbeschreibliches Chaos zur Folge . Den italienischen Truppen wurden keine klaren Anweisungen gegeben; erst am 5. 9. erteilte man Order, sich gegen „Angriffe gleich von welcher Seite” zu verteidigen . Als man feststellte, daß die Deut¬schen inzwischen alle Flughäfen besetzt hatten und eine Flotte mit Landungstruppen nach Sa¬lerno unterwegs war, gab General Eisenhower über Radio Algier am 8. September 1943 um 17.00 Uhr die Meldung heraus, daß die italienische Regierung um bedingungslose Kapitulation ihrer Streitkräfte gebeten habe . Kurz darauf berichtete auch Radio London und zwei Stunden später, um 19.45 Uhr, sprach Badoglio im italienischen Rundfunk: Er verkündete offiziell den Waffenstillstand, befahl seinen Truppen, jeden Widerstand gegen die Alliierten einzustellen und „möglichen Angriffen von anderer Seite entgegenzutreten” . Die Kriegserklärung an Deutschland erfolgte allerdings erst nach langem Zögern am 11. Oktober.
3. Die Besetzung Italiens durch die Wehrmacht
3.1. Der Fall „Achse”
Deutschland hatte spätestens seit Herbst 1942 Gegenvorkehrungen für einen vermuteten und seit Mai 1943 als bevorstehend eingeschätzten Kriegsaustritt der Italiener getroffen. Die ope¬rativen Weisungen für ein Eingreifen der Wehrmacht in Italien mit seinen Inseln und dem italie¬nisch besetzten Südfrankreich waren unter dem Codenamen Alarich bekannt; Pläne für die vom Bündnispartner okkupierten Gebiete auf dem Balkan und den dortigen Inseln unter Kon¬stantin . Seit dem 28. Juli 1943 wurde die faktische Machtübernahme in Italien und in allen vom Bündnispartner besetzten Gebieten Südeuropas und Südfrankreichs durch die deutsche Wehrmacht als Fall „Achse” zusammengefaßt. Endgültige Richtlinien für deutsche Gegen¬maßnahmen ergingen bereits am 30. August . Vorgesehen war die totale Entwaffnung der italienischen Streitkräfte sowie Herrschaft über Territorium und Verwaltungsapparate; die Vorbereitungen liefen gewissermaßen unter den Augen der Re¬gierung in Rom ab : Nach dem Staatsstreich vom 25.7. hatte Deutschland unmittelbar seine Stellungen verstärkt und ver¬schlüsselte Botschaften an alle Kommandostellen auf dem Balkan gesandt mit dem Befehl, sich auf die Übernahme der italienischen Positionen in Griechenland und Kroatien vorzu¬bereiten. Gegenüber den italienischen Dienststellen seien diese Bewegungen notfalls mit an¬deren Aufgaben zu begründen. Bei Widerset¬zen sollte rücksichtslos von der Waffe Gebrauch gemacht werden .
Als der Waffenstillstand am 8. September bekanntgegeben wurde, war die deutsche Beset-zung von Nord- und Mittelitalien detailliert vorbereitet. Als noch am gleichen Abend um 20.00 Uhr der Chef des Wehrmachtführungsstabes, General Jodl das Stichwort „Achse” auf Weisung Hitlers fernmündlich durchgab, mußte lediglich die Machtübernahme vollzogen werden . Dennoch kam die Bekanntgabe der Kapitulation offenbar so überraschend, daß die Aktionen 48 Std. Anlaufzeit benötigten. Die italienische Marine konnte diese Zeit nut¬zen, sich nach Malta abzusetzen, ebenso wurden die meisten Maschinen der Luftwaffe dem deutschen Zugriff entzo¬gen. Danach lief die Entwaffnung des italienischen Heeres nach Plan; am 9.9. 1943 erteilte das Oberkommando der Wehrmacht die Weisung, auch alle bei deutschen Kommandobehörden vorhandenen italienischen Verbindungsstäbe in Sicherheits¬verwahrung zu nehmen .
Bereits am gleichen Tag waren die Alpenpässe in deutscher Hand, das italienische Ober-kom¬mando in Monte Rodondo bei Rom war ausgeschaltet, die Hauptstadt besetzt. Trotz der Überlegenheit der italienischen Truppen zu diesem Zeitpunkt (4 Divisionen gegen 2 deutsche in der Umgebung Roms) kam es zur „Versäumten Verteidigung Roms”, denn man hatte den Truppen befohlen, sich zum Schutz des Königs Richtung Brindisi zurückzuzie¬hen . Vittorio Emanule III. hatte bereits am frühen Morgen des 9. September zusammen mit den wichtigsten politischen und militärischen Amtsträgern die Flucht ergriffen, ohne der Armee Befehle oder Weisungen zu hinterlassen .
Drei Tage später, am 11. September, war das italienische Gebiet von den Alpen bis zur Frontlinie Sa¬lerno-Benevento-Eboli unter deutscher Kontrolle . Noch im gleichen Monat setzte man in allen Städten Oberitaliens deutsche Standortkommandanten ein. Zwei „Operationszonen” wurden provisorisch den Gauleitern von Tirol und Kärnten als „Oberste Kommissare” unterstellt : Das „Alpenvorland” mit den Provinzen Bozen, Trient und Bel-luno und das „Adriatische Küstenland” mit den Provinzen Görz und Triest, sowie Istrien und Slowenien. Bevollmächtigter des Großdeutschen Reiches in Italien im „übrigen besetz-ten Gebiet” wurde Botschafter Rahn; Karl Wolff ernannte man zum „polizeilichen Sonder¬bera¬ter” - so hatte man weite Einflußmöglichkeiten bei der neueingesetzten faschistischen Regie¬rung, der Repubblica Sociale Italiana (RSI), geschaffen .
3.2. Die Republik von Salò
Bereits in der Nacht vom 8. auf den 9.September 1943 wurde per Radio die Errichtung ei-ner achsentreuen „provisorischen faschistischen Nationalregierung” unter Mussolini in Er-wartung seiner Befreiung von nach Deutschland geflohenen Parteifunktionären verkündet. Für Hitler war der Duce die Garantie für Bündnistreue, ohne ihn war die Achse in Frage gestellt . Am 12. September 1943 befreiten deutsche Fallschirmspringer Mussolini aus sei-nem Gefängnis am Gran Sasso, setzten ihn als Regierungschef der „Italienischen Sozialen Republik”, auch „Republik von Salò” genannt, im Norden Italiens ein.
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- Arbeit zitieren
- Elke Timme (Autor:in), 2001, Rom unter deutscher Besetzung 1943 - 1945, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/45886
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