Es mag nicht nahe liegen, heute anstehende Glaubensfragen, die vor allem einer rigiden Dogmatik das Wort reden und nichts desto trotz darin eng verschlungen mit modernen wissenschaftlichen Ansprüchen einhergehen, mit Aristoteles` Metaphysik kritisch beantworten zu wollen. Doch bei näherer Betrachtung gewisser Teile der Metaphysik fällt auf, dass auch heutige Dogmen, seien sie nun in erster Linie religiös oder aber (pseudo-)wissenschaftlich geleitet, nicht im Stande sind, über das, was Aristoteles schon vor mehr als zweitausend Jahren suchte – und fand – hinaus zu gehen. Im Blick steht vor allem der Begründungszusammenhang, wie also von naturwissenschaftlichen Erkenntnissen der antiken und der heutigen Zeit auf etwas geschlossen wurde, das man mit Namen häufig als Gott benennen oder, Nietzsche im Ohr, durch das Wirken okkulter Kräfte oder ominöser Mächte ebenso diffus umschreiben wollte - und es auch heutzutage noch will, zieht man die Konzeptionen der Kreationisten und der Verfechter des sog. „Intelligent Design“ heran.
In folgender Arbeit soll zum einen behauptet und begründet werden, dass Aristoteles, und speziell die umfangreiche Schrift Metaphysik, die bekanntermassen ein bis heute zu vielen Forschungen anregendes, oftmals Herausgeber und den Verfasser betreffendes Werk geblieben ist, aktuell genug sind, auf die heute gestellten gesellschaftspolitischen und wissenschaftlichen Belange kompetent eingehen zu können. Zum anderen soll danach gefragt werden, ob das Programm der Metaphysik dazu geeignet ist, als quasi undogmatische Alternative für die heute vor allem in den Vereinigten Staaten von Amerika affirmativ, selbst in Regierungskreisen dozierten Dogmen bzw. weltanschaulichen Positionen des „Kreationismus“ oder der anderen, neueren Variante, das „Intelligent Design“, zu dienen.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
I. Aristoteles` Programm der „gesuchten Wissenschaft“ oder der
„Ersten Philosophie“
1.1 Aristoteles` Ursachenlehre
1.1.1 „Wesen und Sosein“ – Formursache (causa formalis)
1.1.2 „Stoff und Substrat“ – Stoff-/Materialursache (causa materialis)
1.1.3 „Anfang der Bewegung“ – Bewegungs-/Wirkursache (causa efficiens)
1.1.4 „Weswegen und Gute“ – Zweck-/Finalursache (causa finalis)
1.2 Metaphysik als Wissenschaft vom „Seienden als solchem“
II. Neue Bewegung
2.1 Kreationismus
2.2 Intelligent Design
III. Kritik an der „neuen Bewegung“ auf Grundlage der
aristotelischen Metaphysik
3.1 Logisch-formale Kritik
3.2 Kritik an der Vermischung von Glaube und „Wissenschaft“
3.3 Kritik an der Vermischung von Staat und Religion bzw. Glauben
Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
Internetquellen
Digitale Medien
Einleitung
Es mag nicht nahe liegen, heute anstehende Glaubensfragen, die vor allem einer rigiden Dogmatik das Wort reden und nichts desto trotz darin eng verschlungen mit modernen wissenschaftlichen Ansprüchen einhergehen, mit Aristoteles` Metaphysik[1] kritisch beantworten zu wollen. Doch bei näherer Betrachtung gewisser Teile der Metaphysik fällt auf, dass auch heutige Dogmen, seien sie nun in erster Linie religiös oder aber (pseudo-)wissenschaftlich geleitet, nicht im Stande sind, über das, was Aristoteles schon vor mehr als zweitausend Jahren suchte – und fand – hinaus zu gehen. Im Blick steht vor allem der Begründungszusammenhang, wie also von naturwissenschaftlichen Erkenntnissen der antiken und der heutigen Zeit auf etwas geschlossen wurde, das man mit Namen häufig als Gott benennen oder, Nietzsche im Ohr, durch das Wirken okkulter Kräfte oder ominöser Mächte ebenso diffus umschreiben wollte - und es auch heutzutage noch will, zieht man die Konzeptionen der Kreationisten und der Verfechter des sog. „Intelligent Design“ heran.
In folgender Arbeit soll zum einen behauptet und begründet werden, dass Aristoteles, und speziell die umfangreiche Schrift Metaphysik, die bekanntermassen ein bis heute zu vielen Forschungen anregendes, oftmals Herausgeber und den Verfasser betreffendes Werk geblieben ist, aktuell genug sind, auf die heute gestellten gesellschaftspolitischen und wissenschaftlichen Belange kompetent eingehen zu können. Zum anderen soll danach gefragt werden, ob das Programm der Metaphysik dazu geeignet ist, als quasi undogmatische Alternative für die heute vor allem in den Vereinigten Staaten von Amerika affirmativ, selbst in Regierungskreisen dozierten Dogmen bzw. weltanschaulichen Positionen des „Kreationismus“ oder der anderen, neueren Variante, das „Intelligent Design“, zu dienen. Nun mag es als unpassend erscheinen, gerade unter Heranziehung der aristotelischen Metaphysik dieses Vorhaben realisieren zu wollen, aber andererseits ist sie meines Erachtens „physisch“ mehr als genug fundiert, um eben jenen im Blick zu haltenden, aufgrund der „Antriebskräfte der Evolutionsprozesse“[2] teleologisch intendierten Begründungszusammenhang zwischen Naturwissenschaft und höherer, aussersinnlicher Ordnung zu verdeutlichen. Demnach würde der scheinbare Widerstreit zwischen Wissenschaft und Metaphysik[3], nicht jedoch der zwischen Wissenschaft und Religion, hintangestellt werden, um andererseits, analog dazu, der „neuen Bewegung“, wie ich sie in Kapitel II. darstellen will, die wohlmöglich besseren Argumente gegenüberzustellen. Es ist dabei eine scheinbar argumentative Gratwanderung, gerade die Metaphysik im „Schulterschluss“ mit der modernen Wissenschaft gegen die „neue Bewegung“ ins Feld zu führen, da sie doch gleichermassen oftmals von beiden Seiten in wesentlichen Fragen abgelehnt wird. Den einen, den der Wissenschaft verpflichteten Forschern erscheint sie als suspekt, kommt darin doch gerade das „unbewegte Bewegende“ als eine letzte gestalterisch aktive Instanz vor. Den anderen hingegen, den glaubenden Vertretern der „neuen Bewegung“, ist Aristoteles gerade als ein anzusehender Begründer der modernen Wissenschaft - was sich unter anderem im quasi vor-modernem Evolutionsdenken niederschlägt - nur bedingt ein Gewährsmann für eine anzunehmende und letztlich alles erklärende höhere und hinter allem stehende Kraft.
Meine Interpretation der aristotelischen Metaphysik wird demnach eine Perspektive einnehmen, die vor allem der Wissenschaft Rechnung trägt „ohne der Kritik derer zu verfallen, die der Metaphysik vorwarfen, seit ihrem Beginn den Fortschritt wissenschaftlicher Erkenntnis beeinträchtigt oder verhindert zu haben.“[4] Es soll dabei die besondere methodische und inhaltlich logisch begründete Leistung Aristoteles` herausgestellt werden, ohne die es die Wissenschaft in der heutigen Form und Orientierung nicht gäbe.[5] Augenfällig ist, dass es kaum einen Versuch vor allem der evolutionstheoretischen Wissenschaftler gibt, Aristoteles elaborierte Philosophie in der Metaphysik für ihre synthetische Theorie zu antizipieren. Man geht scheinbar stillschweigend über diesen Teil seiner Philosophie hinweg, obwohl er gerade hier einiges dazu zu sagen hat, was im heutigen Sinne nicht vulgär als „metaphysisch“ und somit im gewissen Sinne als „verdächtig“ bezeichnet werden könnte. Trotz aller methodischen und inhaltlichen Unterschiede und den daraus resultierenden, einander abwehrenden Haltungen, gibt es zumindest eine bindende und voraussetzende Gemeinsamkeit. Für alle Vertreter trifft nämlich die dennoch nicht unumstrittene Feststellung zu, die Aristoteles am Beginn der Metaphysik mit folgendem Diktum zum Ausdruck bringt, dass nämlich allgemein „der Mensch von Natur aus nach Wissen strebt.“ In diesem erkenntnistheoretischen Streben allerdings tritt schon der nächste Zwiespalt auf. Jeder Vertreter nimmt nämlich allzu gerne für sich, das heisst für seine Methodik und seine inhaltlichen Ausarbeitungen, den alleinigen Besitz aller, oftmals als absolut apostrophierten „Wahrheit“ in Anspruch. Dabei gilt es nun meines Erachtens fest zu stellen, dass die der Wissenschaft verpflichteten Vertreter, wie auch Aristoteles selbst, einen gewichtigen und logisch plausiblen Vorteil auf ihrer Seite haben: Sie sind allein schon aus methodischer Hinsicht offen für das mögliche Scheitern ihrer Suche nach der „Wahrheit“, sie sind kritikfähig, vor allem durch ständig neu aufbereitetes Faktenmaterial kritisier- und evaluierbar, und sie revidieren sodann erwiesenermassen fehlerhafte Erkenntnisse. Das kann mitunter zum Umsturz aller bisherigen Theorie führen, ebenso gut aber auch zu einer weiteren Annäherung an „die“ Wahrheit. Dieser Vorteil gereicht den Vertretern der „neuen Bewegung“ zum Gegenteil: Ihr absolutes glauben an einen Schöpfergott oder im anderen Falle an einen etwaigen „intelligenten Designer“ lässt weder Kritik noch Evaluierbarkeit und in keinem Fall bzw. nur zugunsten eines anderen Glaubens eine Verwerfung ihres Glaubens zu.
Meine Absicht zu zeigen wird es sein, dass die aristotelische Metaphysik und die Wissenschaftler, zu denen ich in diesem Fall vor allem die Biologen und Evolutionisten bzw. Evolutionstheoretiker, aber auch Philosophen und Wissenschaftshistoriker, wie zum Beispiel Michael Ruse, zähle, jenen Vorteil der prinzipiellen, undogmatischen Offenheit gegenüber allem noch zu findendem, gegenüber aller noch zu entdeckenden (naturalistischen und physikalischen ) Erkenntnis haben, der den Anhängern der „neuen Bewegung“ logischerweise nicht eigen ist. Jenen Vorteil, der, ohne apokalyptische Ängste bzw. ohne einen Schöpfungsgott oder einen Designer, Fortschritt im Sinne des nach Wissens-Strebens, wie es Aristoteles im Blick hatte, bedeutet und somit ihrem Auftrag gerecht wird, „das Wissen der Zeit in sich durchsichtig zu machen und auf Vernunftbegriffe zu bringen.“[6] Mit dieser Arbeit soll also die Relevanz der aristotelischen Metaphysik gegen beide Lager verteidigt werden, um, auf ihr basierend und im erfolgenden „Schulterschluss“mit der Wissenschaft, die „neue Bewegung“ einer stichhaltigen Kritik zu unterziehen.
I. Aristoteles` Programm der „gesuchten Wissenschaft“ oder der „Ersten Philosophie“
Die aristotelische Metaphysik umfasst vierzehn Bücher, über deren Authentizität bezüglich einiger weniger Bücher unter den Aristoteles-Forschern bis heute gestritten wird. Mit „Metaphysik“ darf in diesem Falle nicht die uns heute geläufige, vulgäre Verwendung des Begriffs zur Kennzeichnung einer „höheren“ Macht oder eines höheren, quasi übersinnlichen respektive übernatürlichen Wesens verstanden werden.[7] Vielmehr wurde jener Begriff im Rahmen der Editierung durch Andronikos von Rhodos benutzt, um anzuzeigen, dass diese Bücher nach denen der früheren aristotelischen Physik, also „nach denen über Natürliches“ erschienen sind.[8]
Aristoteles versucht nichts weniger als eine Wissenschaft zu (be-)gründen, die er auch als „erste Philosophie“[9] bezeichnen wird. Es wird sich erhoffter massen um eine Wissenschaft handeln, die sich nicht in Dienst nehmen lassen will, die allein um des Wissens willen und aufgrund der „[…] Liebe zu den Sinneswahrnehmungen“ gesucht wird, und nichts scheint mehr auf der Hand zu liegen als dieses, denn, so Aristoteles, „alle Menschen streben von Natur nach Wissen.“[10] In diesem Anspruch, Wissen als Selbstzweck zu setzen, der nur aufgrund grösstmöglicher Freiheit realisiert werden kann, liegt der, wie ich meine, bis heute anhaltende Erfolg der Wissenschaft. Dass dieses Wissen, wie Aristoteles meint, auf den Sinneswahrnehmungen basiert, erlaubt zumindest den einen Rückschluss, dass nicht so sehr der Glaube als Gewährsmann für die Stichhaltigkeit jener gewonnenen Erkenntnisse herhalten kann, sondern allein eine logisch schlüssige und empirisch nachprüfbare Methodik. Meines Erachtens begründet Aristoteles somit die bis heute gültige Grundlage der Wissenschaft, nämlich die zwecklose Offenheit bezüglich des anvisierten Erkenntnisgegenstandes gepaart mit einer dem Erkenntnisgegenstand gerechten Methodik, die stets sowohl das Allgemeine mittels der Kunst als auch das Einzelne mittels Erfahrung im Blick hat. Michael Ruse hat zurecht die Argumentation Phillip E. Johnsons, einem streitbaren Jura-Professor, zurückgewiesen, die, indem sie den von ihm aufgezeigten Konflikt zwischen „methodischem“ und „metaphysischem Naturalismus“ durch die scheinbar einzige Alternative, nämlich eines „theistischen Realismus“ befriedigt, fehl geht in der Annahme, beide, evolutionistische und kreationistische Sichtweise, derart subsumieren bzw. daraus eine Synthese bilden zu können.[11]
Meiner Interpretation zufolge behält Aristoteles den Konflikt zwischen Physik und Metaphysik, respektive zwischen Wissenschaft und Religion, im heute verstandenem Sinne bei, indem er gerade darauf pocht, dass es sich bei seiner ausgearbeiteten Metaphysik um eine „gesuchte Wissenschaft“[12], also, wie ich meine, um eine erst noch zu findende und wohl stets zu finden bleibende Wissenschaft bzw. Philosophie handelt, die vor allem dem Wissen und nicht dem Glauben verpflichtet ist. Ich teile dabei die Skepsis, ob „[…] der Fortschritt in aller Erkenntnis und allem Wollen […] in einer sich steigernden Verallgemeinerung und damit in einer Vereinfachung des Wissens auf dem Wege zur höchsten Einheit des Begriffs, in einem summum ens oder im summum bonum [bestünde].“[13] Es geht mir also vielmehr darum, zu zeigen, dass es den Wissenschaftlern mit der aristotelischen Metaphysik möglich ist, „das jeweils verfügbare Wissen der Zeit über die natürliche und sittliche Welt in sich gegliedert und nach Prinzipien geordnet ohne Zuhilfenahme extramundaner Kräfte oder einer uns fremden Vernunft entwickelnd darzustellen.“[14]
1.1 Aristoteles` Ursachenlehre
Sicher, die aristotelische Metaphysik ist inhaltlich und methodisch darauf ausgelegt, danach zu fragen, „[...] von welcherlei Ursachen und Prinzipien die Wissenschaft handelt, welche Weisheit ist.“[15] Dabei kann aber von keinem absolutem Standpunkt oder Wissen die Rede sein, sondern, wie Aristoteles betont, von einer Annäherung an die Weisheit, die dem Menschen dann zukommt, wenn er „[...] am meisten die Wissenschaft vom Allgemeinen hat; denn dieser weiß gewissermaßen alles Untergeordnete.“ Und er vergisst nicht uns in Erinnerung zu rufen, dass „auch [...] gerade dies für den Menschen am schwersten zu erkennen [ist]: das am meisten Allgemeine; denn es liegt am entferntesten von den Sinneswahrnehmungen.“[16] Doch „wer das erkennen um seiner selbst willen wählt, der wird die höchste Wissenschaft am meisten wählen, dies ist aber die Wissenschaft des im höchsten Sinne Erkennbaren, im höchsten Sinne erkennbar aber sind das Erste (Prinzipien) und die Ursachen [...].“[17] Um welche Ursachen und Prinzipien handelt es sich nun, deren Kenntnisnahme einen in die Lage versetzen soll, sich folgerichtig als „erster Philosoph“ bezeichnen zu können? Liegt es denn nicht in der Sache selbst, dass zum Beispiel Naturwissenschaftler mehr zur Erbringung dieser Kenntnisse beitragen würden, als dass dies Aristoteles jemals zu leisten im Stande wäre? Und wenn es um die Letztbegründung, um die causa sui geht, befindet sich dann nicht der Glaubende im argumentativen Vorteil? Aristoteles behauptet, dass „am gebietendsten unter den Wissenschaften, gebietender als die dienende, [die] ist, welche den Zweck erkennt, weshalb jenes zu tun ist [...].“[18] Diese Behauptung Aristoteles`, die gerade der Wissenschaftlichkeit das Wort redet, wird wichtig sein, wenn die „neue Bewegung“ zur Kritik ansteht. „Wir müssen deshalb zuerst untersuchen, was die Natur ist; denn daraus wird sich auch ergeben, worüber die Physik geht [und ob die Untersuchung der Ursachen und Prinzipien Gegenstand einer oder mehrer Wissenschaften ist].“[19] Willem J. Ouweneel, ein holländischer bibeltreuer Kreationist und studierter Biologe, der in Kapitel II. und III. eingehendere Betrachtung erfahren wird, hat auf nicht mehr als 25 Zeilen versucht, Aristoteles` Lehre von den Ursachen und Prinzipien abzuhandeln, ohne dabei weder auf korrektes Zitieren zu achten noch den Literaturnachweis zu erbringen.[20] Im folgenden seien ebenfalls in Kürze jene vier „anfänglichen Ursachen“[21] bzw. Prinzipien erläutert, von denen Aristoteles annimmt, dass sie hinreichend genug sind, den Weg zur „ersten Philosophie“ bzw. zur „gesuchten Wissenschaft“ zu fundieren. Aristoteles nimmt dabei nicht aufs gerate wohl „Ursachen [...] in vier verschiedenen Bedeutungen“ an. Im historischen Rekurs auf die vor ihm durchgeführten Philosophien, welche das Seiende untersucht und zu beschreiben versucht haben, stellen sich für ihn bei den Vorarbeiten zwei methodische Fragen: Zum einen, wie „das erste Warum“[22] und folglich die anderen drei Warum beantwortet werden können und zum anderen, ob die hierzu und ihm bisher zur Kritik zur Verfügung stehenden Ursachen und Prinzipien ausreichend bzw. noch zu ergänzen sind.
1.1.1 „Wesen und Sosein“ – Formursache (causa formalis)
Aristoteles nennt als die eine Ursache „das Wesen (Wesenheit) und das Sosein [...] (denn das Warum wird zuletzt auf Begriff der Sache zurückgeführt, Ursache aber und Prinzip ist das erste Warum) [...].“[23] Was sich hier begrifflich schwer fassen lässt, kann auch als Formursache (causa formalis) bezeichnet werden, welche mitsamt den anderen drei Ursachen als Antworten auf die drei anderen Fragen nach dem je spezifischen „Warum“ bereits in seinem Werk Physik[24] angeführt wurde. Formursache wird in der aristotelischen Physik als das „Muster“ bestimmt. Dieser Begriff des Musters bestimmt laut Aristoteles „das Was [...], und die Gattungen von diesem [...].“[25] Man kann das Muster analog dazu als einen Entwurf verstehen, der zur Hervorbringung eines Kunstwerkes, respektive zur Gestaltung des vorhandenen Materials durch einen Künstler, vonnöten ist. Wie Hafemann ausführt, lässt sich „die substantielle Form bzw. Seele bei Aristoteles“ nicht „auf die Strukturiertheit und das Funktionieren des Körpers […] reduzieren […]. Statt dessen muβ die substantielle Form als immaterielle, individuelle Substanz begriffen werden, sofern sie den Seinscharakter des Phänomens begründen soll.“[26]
1.1.2 „Stoff und Substrat“ – Stoff- /Materialursache (causa materialis)
„Auf eine Weise nun heißt Ursache das, woraus als aus einem Vorhandenen etwas entsteht; wie z.B. das Erz Ursache der Bildsäule [...]“[27] ist. Hiermit soll auf die Frage, woraus etwas besteht, eine Antwort gegeben werden, indem man Kenntnis von „Stoff und Substrat“[28] bzw. dem Material nimmt, was in jenem aristotelischen Beispiel das Erz wäre. Aristoteles weist aber daraufhin, dass es nicht ausreiche, „[...] nur die stoffartigen für die Prinzipien von allem“[29] zu halten, wie es ehedem die meisten der Philosophen taten. Hierbei würde angenommen, dass im Prozessgefüge des Entstehens und Vergehens dennoch „eine gewisse Natur vorhanden sein“ müsse, - „sei dies eines oder mehreres“ - die als „Element und Prinzip des Seienden“ stets bestehen bliebe, während nur ihre Eigenschaften wechselten, vor allem da „das Zugrundeliegende [...] doch nicht selbst seine eigne Veränderung [bewirkt].“[30]
[...]
[1] Horst Seidl (Hg.): Aristoteles` Metaphysik. Erster und zweiter Halbband, Hamburg ³1989 und ³1991.
[2] Ulrich Kutschera: Streitpunkt Evolution. Darwinismus und Intelligentes Design, Münster 2004, S. 5.
[3] Vgl. hierzu Jürgen-Eckhardt Pleines: Philosophie und Metaphysik. Teleologisches und spekulatives Denken in Geschichte und Gegenwart, Hildesheim/Zürich/New York 1998, S, 388-405.
[4] Jürgen-Eckhardt Pleines: Philosophie und Metaphysik, S. 25.
[5] Vgl. hierzu Kullmanns Ansatz in: Wolfgang Kullmann: Die Bedeutung des Aristoteles für die Naturwissenschaft, S. 69. in: Thomas Buchheim, Hellmut Flashar, Richard A. H. King (Hg.): Kann man heute noch etwas anfangen mit Aristoteles?, Hamburg 2003. S. 63-81, der in seinem Aufsatz die These vertritt, dass die heutige moderne (Natur-)Wissenschaft nur deshalb so ausgeprägt und erfolgreich ist, weil Aristoteles sie in dieser Form methodisch und erkenntnistheoretisch begründet hat. Diese Form liegt demnach nicht in der Natur der Sache begründet, wie es, Kullmann gemäss, heutige Forscher irrend annehmen.
[6] Jürgen-Eckhardt Pleines: Philosophie und Metaphysik, S. 25 f.
[7] Jürgen-Eckhardt Pleines: Philosophie und Metaphysik, S. 25 f.: „Es ist deshalb leicht irreführend, rückblickend auf die ältere und jüngere Tradition von der Metaphysik zu sprechen, als bestand oder besteht – wenigstens in Fachkreisen – Einigkeit darüber, was unter ihr zu verstehen und zu erwarten sei. Jedenfalls verdankte sich der Anfang dessen, was später Metaphysik genannt werden sollte, keineswegs allein einem alles durchdringenden ätherischen Stoff, einer universalen Substanz oder einem absoluten, jenseitigen Subjekt, dem alles Seiende nach göttlichem Willen hierarchisch angeordnet und einem Gesamtplan unterworfen wäre.“ (S. 20.)
[8] Thomas Buchheim: Aristoteles, Freiburg/Basel/Wien 1999, S. 78. Auch Johannes Hirschberger: Geschichte der Philosophie. Altertum und Mittelalter. Band I, Frankfurt am Main o. Z., S. 154 f.
[9] Horst Seidl (Hg.): Aristoteles` Metaphysik. Erster Halbband, Hamburg ³1989, S. 253.
[10] Ebenda, S.3. Vgl. diese Annahme als positiv durch die „moderne biologische Verhaltensforschung insoweit bestätigt, als diese beim Menschen im Verhältnis zu anderen Lebewesen vom Anhalten der Jugendphase spricht (Retardation, Neotänie genannt)“ bei Wolfgang Kullmann: Die Bedeutung des Aristoteles für die Naturwissenschaft, S. 69.
[11] Vgl. hierzu Michael Ruse: The New Creationism. Its Philosophical Dimension, S. 180 f., in: Simon Coleman, Leslie Carlin (Hg.): The Cultures of Creationism. Anti-Evolutionism in English-Speaking Countries, Aldershot 2004, S. 175-192.
[12] Horst Seidl (Hg.): Aristoteles` Metaphysik. Erster Halbband, S. 81.
[13] Jürgen-Eckhardt Pleines: Philosophie und Metaphysik, S. 255.
[14] Ebenda, S. 257 f.
[15] Horst Seidl (Hg.): Aristoteles` Metaphysik. Erster Halbband, S. 9.
[16] Ebenda, S. 11. (Kursivsetzungen durch den Verfasser.)
[17] Ebenda, S. 12 f.
[18] Ebenda, S. 13.
[19] Ebenda, S. 81.
[20] Willem J.Ouweneel: Evolution in der Zeitenwende. Biologie und Evolutionslehre – Die Folgen des Evolutionismus, Hückeswagen o. Z., S. 20.
[21] Horst Seidl (Hg.): Aristoteles` Metaphysik. Erster Halbband, S. 17.
[22] Ebenda.
[23] Ebenda.
[24] Aristoteles: Physik, S. 14305, in: Die digitale Bibliothek der Philosophie, Sonderband, Bd. 3 Berlin 2001,
S. 14260-14588.
[25] Ebenda, S. 14306.
[26] Burkhard Hafemann: Aristoteles` Transzendentaler Realismus. Inhalt und Umfang erster Prinzipien in der »Metaphysik«, Berlin/New York 1998, S. 14 f.
[27] Aristoteles: Physik, S. 14305.
[28] Horst Seidl (Hg.): Aristoteles` Metaphysik. Erster Halbband, S. 17.
[29] Ebenda.
[30] Horst Seidl (Hg.): Aristoteles` Metaphysik. Erster Halbband, S. 21.
- Quote paper
- Anton Distler (Author), 2005, Zur Aktualität der aristotelischen Metaphysik anhand einer philosophischen Kritik am Kreationismus und 'Intelligent Design', Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/45854
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