Das föderalistische Prinzip der Bundesrepublik Deutschland steht in einem ständigem Spannungsverhältnis von Integration und Autonomie bzw. Einheit und Vielfalt. Die Teilung der staatlichen Souveränität wird durch viele kooperative Faktoren organisiert und der politische Alltag ist geprägt von Diskussionen zu diesem Thema, angeheizt durch die Dynamik und Aktualität der Europapolitik. Doch wie sind die wesentlichen Merkmale des föderalistischen Prinzips im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankert, wie werden diese in der Praxis ausgelegt und welche gegenwärtigen Reformtendenzen gibt es?
Inhalt
1. Einleitung
2. Regelung des Föderalismus-Prinzips durch das GG
2.1 Konstitution
2.2 Gesetzgebungskompetenz
2.3 Rechtssprechungskompetenz
2.4 Verwaltungskompetenz
2.5 Finanzierungsverantwortung
3. Vor- und Nachteile der föderalistischen Praxis
3.1 Vorteile der föderalistischen Praxis
3.2 Nachteile der föderalistischen Praxis
4. Skizze der gegenwärtigen Reformtendenzen
4.1 Kooperationsföderalismus oder die Forderung nach Solidarität
4.2 Wettbewerbsföderalismus oder die Forderung nach Autonomie
4.3 Der gescheiterte Ansatz der Föderalismuskommission
5. Schlussbemerkung
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Das föderalistische Prinzip der Bundesrepublik Deutschland steht in einem ständigem Spannungsverhältnis von Integration und Autonomie bzw. Einheit und Vielfalt.[1] Die Teilung der staatlichen Souveränität wird durch viele kooperative Faktoren organisiert[2] und der politische Alltag ist geprägt von Diskussionen zu diesem Thema, angeheizt durch die Dynamik und Aktualität der Europapolitik. Doch wie sind die wesentlichen Merkmale des föderalistischen Prinzips im Grundgesetz (i.F. GG abgekürzt) der Bundesrepublik Deutschland verankert, wie werden diese in der Praxis ausgelegt und welche gegenwärtigen Reformtendenzen gibt es?
2. Regelung des Föderalismus-Prinzips durch das GG
Das Föderalismus-Prinzip der Bundesrepublik Deutschland wird durch das Grundgesetz geregelt. Im Folgenden verweise ich die wesentlichen Merkmale des Föderalismus-Prinzips auf die dazugehörigen Passagen im GG.
2.1 Konstitution
Die Präambel konstituiert in Art. 20 Abs. 1 GG die Bundesrepublik Deutschland als einen Gesamtstaat aus mehreren Gliedstaaten, einem Bundesstaat, in dem durch den Art. 31 GG das Bundesrecht über das Recht der Gliedstaaten gestellt wird. In der Ewigkeitsklausel in Art. 79 Abs. 3 GG wird diese Konstitution der Bundesstaatlichkeit selbst gegen den Zugriff durch eine verfassungsändernde Gesetzgebung abgesichert und für unabänderlich erklärt. Diese Unabänderlichkeit gilt auch für die Mitwirkung der Länder bei der Bundesgesetzgebung. Die Grenzen und die Anzahl der Gliedstaaten sind jedoch durch Art. 29 und Art. 118a GG variabel.
Das Grundgesetz gibt den Ländern klare Ausrichtungspunkte in diesem Gefüge. Nach Art. 28 Abs. 1 und 3 GG muss grundsätzlich die Verfassungen und Staatsordnungen der Gliedstaaten mit den Prinzipien des Grundgesetz übereinstimmen, dem sogenannten Homogenitätsprinzip entsprechen und der Art. 35 Abs. 1, Art. 109 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 3 Satz 4 Nr.1 u. 2 GG halten die Gliedstaaten zu einem bundesfreundlichen Verhalten an. Erfüllt ein Land die ihm durch das GG oder durch ein anderes Bundesgesetz zugewiesenen Pflichten nicht, so hat der Bund nach Art. 37 Abs. 1 GG das Recht Maßnahmen zur Einhaltung der Pflichten einzuleiten und erhält nach Abs. 2 im selbigen Artikel "Weisungsrecht gegenüber allen Ländern und ihren Behörden."
2.2 Gesetzgebungskompetenz
Die oben erwähnte Mitbestimmung der Länder bei der Bundesgesetzgebung, die durch den Bundesrat realisiert wird, ist in Art. 50 GG geregelt. Aber wie sind die vertikalen Gesetzgebungskompetenzen verteilt? Welche Gesetze darf der Bund und welche dürfen die Länder verabschieden? Dazu hat das GG im Art. 73 einen Gesetzgebungsbereich abgegrenzt wie z. B. auswärtige Angelegenheiten, Verteidigung, Ein- und Auswanderung oder Luftverkehr, der ausschließlich der Kompetenz des Bundes obliegt. In diesem Bereich haben die Länder nach Art. 71 GG nur Befugnis, wenn ein Bundesgesetz sie dazu berechtigt.[3] Alle nicht durch das GG dem Bund zugeschriebenen Gesetzgebungskompetenzen fallen, laut Art. 70 Abs. 1 GG an die Länder. Dazu gehört das Landesstaatsrecht, das Kommunalrecht, die Regelung der Landesverwaltung, Polizei- und Ordnungsrecht und das Kultur-, Bildungs-, Gesundheits-, Presse- und Rundfunkwesen. Das Landesgesetzgebungsrecht gilt auch im Bereich der sogenannten konkurrierenden Gesetzgebung aus Art. 74 GG, falls der Bund nicht von seiner Gesetzgebungszuständigkeit Gebrauch macht (Art. 72 GG). Eine von drei Voraussetzungen müssen dabei erfüllt werden: entweder das Landesgesetz führt zu keiner wirksamen Regelung oder das Landesgesetz verletzt die Interessen anderer Länder oder es ist notwendig, dass der Bund in die Landesrechtssprechung eingreift, um einheitliche Lebensverhältnisse im Bundesgebiet herzustellen. Diese Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse in Art. 72 Abs. 2 GG wurde zugunsten der Länderkompetenzen nach der Deutschen Einheit in der Verfassungsreform 1994 zu einer Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse umformuliert. Ist eine der Voraussetzungen aus Art. 72 GG erfüllt, hat der Bund nach Art.75 das Recht "Rahmenvorschriften für die Gesetzgebung der Länder" für bestimmte Bereiche wie z.B. die "Grundsätze des Hochschulwesens" oder die "Rechtsverhältnisse der Presse" zu erlassen.[4] Im Zuge der Verfassungsreform von 1994 kam es auch zu einer Neueinfügung der Rückgabeklausel. Die Rückgabeklausel im Art. 72 Abs. 3 ermöglicht die Rückführung der Gesetzgebungskompetenz an die Länder durch ein Bundesgesetz, falls die Bedingungen aus Art. 72 Abs. 2 nicht mehr greifen. Der Versuch, durch diese Verfassungsreform die Länderkompetenzen zu stärken, erwies sich in den Auswirkungen als gescheitert. Insgesamt liegen die größten Spielräume der Gesetzgebungskompetenzen nach wie vor beim Bund[5].
2.3 Rechtssprechungskompetenz
Der Art. 92 listet die Gerichte zur Ausübung der Rechtssprechung: das Bundesverfassungsgericht, die Bundesgerichte und die Gerichte der Länder. Der Artikel macht in unserer Fragestellung des Föderalismus-Prinzips eine Zweiteilung der Rechtssprechung zwischen Bund und Ländern auf. Das Bundesverfassungsgericht und die obersten Gerichte mit den Bundesgerichten aus Art. 95 GG stellt der Bund. Die Länder haben jeweils eigene Verfassungsgerichte, die auf Grundlage der Landesverfassung Recht sprechen und für die Verfassungsstreitigkeiten im Lande zuständig sind. Untere und mittlere Instanzen also die "Alltags-Rechtssprechungen" sind ebenfalls auf Länderebene angesiedelt: die Zivil- und Strafgerichte, die Verwaltungsgerichte, die Arbeit-, Sozial- und Finanzgerichte. Geht es allerdings in die höhere Instanz zur Revision verlässt das Verfahren die Landesgerichtsbarkeit und landet im Bereich der Zuständigkeit der Bundesgerichtsbarkeit.
2.4 Verwaltungskompetenz
Die Kompetenzen im Bereich der Verwaltung sind zum größten Teil den Ländern zugesprochen[6]. In Art 84 Abs. 1 GG ist geregelt, dass die Länder die Bundesgesetze ausführen, indem sie eigenständig Behörden und das Verwaltungsverfahren einrichten. Länder sind demnach größtenteils für die Finanzierung und Ausführung von Verwaltung verantwortlich, die sogenannte Verwaltungskonnexität, soweit nicht Bundesgesetze mit Zustimmung des Bundesrates anderes regeln. Der Bund hat nur die sogenannte Rechtsaufsicht. Ausnahme sind laut Art. 87 GG die bundeseigenen Verwaltungen wie z.B. Bundeswehr, Bundesgrenzschutz, Bundesfinanzverwaltung oder Schifffahrt.
2.5 Finanzierungsverantwortung
Im Art. 109 Abs. 1 GG ist die Haushaltsautonomie von Bund und Ländern, die Selbständigkeit und Unabhängigkeit ihrer Haushaltswirtschaft voneinander, festgelegt. Dabei ist die Finanzierungsverantwortung mit der Regelungskompetenz verknüpft. Das sogenannte Konnexitätsprinzip wird im Art. 104a GG geregelt. Der Abs. 4 in diesem Artikel legt die Investitionsförderung der Länder durch den Bund fest. Von der Verknüpfung zwischen Regelungskompetenz und Finanzierungsverantwortung gibt es Ausnahmen, wenn es "für die Gesamtheit bedeutsam" und es "zur Verbesserung der Lebensverhältnisse erforderlich ist". Diese Ausnahmen sind im Abschnitt "Gemeinschaftsaufgaben" geregelt. Das Verhältnis dieser Mischfinanzierung fällt unterschiedlich aus. Im Bereich des Hochschulbaus z.B. ist sie paritätisch (Art. 91a Abs. 4 Satz 1). Das Modell der Gemeinschaftsaufgaben wurde in der Finanzreform 1969 beschlossen und ins Grundgesetz geschrieben.
[...]
[1] Vgl. Laufer / Münch 1998, S. 22
[2] Vgl. Margedant 2003, S. 6
[3] Vgl. Hesse / Ellwein 1992, S.78 f.
[4] Vgl. Hesse / Ellwein 1992, S. 80
[5] Vgl. Laufer / Münch 1998, S. 99
[6] Vgl. Laufer / Münch 1998, S. 103
- Arbeit zitieren
- Gunnar Vollering (Autor:in), 2005, Das föderalistische Prinzip der BRD zwischen Solidarität und Autonomie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/45847
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