Die Bedeutung von B2B-Dienstleistungen wächst stetig. Kunden verlangen heutzutage nicht nur innovative und qualitativ hochwertige, sondern auch individuelle Produkte. Das gilt sowohl für materielle Güter als auch für Dienstleistungen. Doch kann man uneingeschränkt vom Verhalten beim Kauf materieller Güter auf das Kaufverhalten bei Dienstleistungen schließen?
Diese Publikation untersucht das Kaufverhalten sowie den Kaufprozess von Dienstleistungen im B2B-Geschäft. Im Fokus steht dabei die Frage, wie diese sich jeweils vom Kauf manueller Güter unterscheiden.
Beim industriellen Einkauf treten Unternehmen als Nachfrager auf. Ihre Nachfrage leitet sich wiederum von den Bedürfnissen der Endkunden ab. Wie diese Prozesse im Bereich der Dienstleistungen aussehen, untersucht diese Publikation anhand einer eigenen Studie.
Aus dem Inhalt:
- Business-to-Business;
- Service-Level-Agreement;
- Investive Dienstleistungen;
- Beschaffung;
- Buying Center
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Die Bedeutung des industriellen Kaufverhaltens bei Dienstleistungen
2 Stand der Forschung zum industriellen Kaufverhalten
2.1 Merkmale des Kaufverhaltens von Unternehmen
2.2 Ganzheitliche Modelle des industriellen Kaufverhaltens
2.3 Relevanz und Herausforderung von Dienstleistungen als Kaufobjekt
3 Methodische Konzeption der empirischen Untersuchung
3.1 Forschungsdesign
3.2 Datenerhebung
3.3 Auswertungsmethode
4 Auswertung der Empirie
4.1 Kaufprozess bei Dienstleistungen
4.2 Beteiligte am Kauf von Dienstleistungen
4.3 Determinanten des Kaufverhaltens bei Dienstleistungen
5 Das industrielle Kaufverhalten bei Dienstleistung im Vergleich mit materiellen Gütern – Ergebnisse und Diskussion
5.1 Merkmale von Dienstleistungen als determinierender Faktor
5.2 Unterschiede im industriellen Kaufprozess von Dienstleistungen und materiellen Gütern
5.3 Differenzen im industriellen Kaufverhalten bei Dienstleistungen und materiellen Gütern
6 Industrielles Kaufverhalten bei Dienstleistungen – Limitationen und Implikationen für Forschung und Praxis
Literaturverzeichnis
Anhang
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abb 1: Totalmodell von Johnston und Lewin (1996)
Abb 2: Industrieller Kaufprozess bei investiven Dienstleistungen
Abb 3: Komplexitätstreiber beim Dienstleistungseinkauf
Tabellenverzeichnis
Tab 1: Kaufphasen des Beschaffungsprozesses
Tab 2: Arten der Macht
Tab 3: Codierschema
1 Die Bedeutung des industriellen Kaufverhaltens bei Dienstleistungen
„Der Beschaffungsprozess bei Dienstleistungen ist wahnsinnig umfangreich. Bestenfalls ist es natürlich auch so, dass der Einkäufer Ahnung von dem hat was er einkauft. Bei einem Produkt, da kannst du es dir ja noch vorstellen, aber jetzt bei verschiedenen Dienstleistungen, bei verschiedenen Lösungen, kannst du es dir fast gar nicht mehr richtig vorstellen.“
Solche oder ähnliche Aussagen industrieller Einkäufer schildern die Diskrepanz im Kauf zwischen den Güterklassen Produkt und Dienstleistung sehr deutlich. Doch das Kaufverhalten impliziert weit mehr als den reinen Prozess zur Beschaffung von Gütern.
Das Kaufverhalten „beschäftigt sich mit dem Verhalten von Nachfragern beim Kauf, Ge- und Verbrauch von wirtschaftlichen Gütern bzw. Leistungen“.1 Während das Kaufverhalten von Konsumenten Forschungsgegenstand im Business-to-Customer (B2C) Bereich bildet, ist das industrielle Kaufverhalten das Pendant im Business-to-Business (B2B) Segment. Die Forschung zum industriellen Kaufverhalten reicht bis in die frühen 1960er Jahre zurück. Zunächst standen Sachgüter im Fokus der Untersuchungen, deren Erkenntnisse a priori auf den Einkauf von DL übertragen wurden. Dass eine Wissenslücke in der Beschaffung von DL besteht erkannte bereits Sheth (1996): „Academic knowledge about services purchasing seems limited in comparison with knowledge about product purchasing”.2 Auch wenn sich in den letzten zwei Jahrzenten das akademische Interesse für den gewerblichen Einkauf von DL gesteigert hat, was durch die gestiegene Anzahl der Publikationen zum Thema des DL-Einkaufs untermauert wird, bleibt festzustellen, dass ganzheitliche Forschungsansätze fehlen. Im Vordergrund jeweiliger Arbeiten stehen lediglich Teilaspekte des Kaufverhaltens. Aus diesem Grund verfolgt vorliegende Arbeit das Ziel, das industrielle Kaufverhalten bei Dienstleistungen holistisch zu erforschen.
Die Forschungsrelevanz des organisationalen Kaufverhaltens wird durch die stetig wachsende Bedeutung von B2B-Dienstleistungen konsolidiert. Unternehmensinterne Kunden verlangen nach innovativen, qualitativ hochwertigen Gütern, die auf ihre individuellen Anforderungen zugeschnitten sind und zugleich zu niedrigen Kosten angeboten werden. Diesen Herausforderungen gilt es neben einer Vielzahl weiterer Einflussfaktoren durch die Beteiligten am Kaufprozess, gedanklich zusammengefasst auch als Buying Center bezeichnet, zu begegnen.
Ein weiterer Trend in der industriellen Dienstleistungsforschung beschäftigt sich mit der Entwicklung von Dienstleistungen und Produkten hin zum Lösungsgeschäft (Solution Buying).3 Diese Tatsache wird ebenfalls durch den Wandel vom Produktanbieter hin zum Dienstleister (Service Transition) mitbegründet, dem auch nachfragende Unternehmen gegenüberstehen. Forschungsarbeiten auf diesem Gebiet stellen heraus, dass es an Untersuchungen der Determinanten Unternehmensumwelt und Kundenmerkmale mangelt.4 Diese Erkenntnisse lassen sich vice versa auf das industrielle Kaufverhalten bei DL übertragen, das ebenfalls durch eine Vielzahl von Einflussfaktoren beeinflusst wird und bislang unerforscht blieb.
Mit dem geringen wissenschaftlichen Wissen über den Kaufprozess und den nahezu fehlenden Erkenntnissen über das Kaufverhalten bei DL, stehen demnach folgende Forschungsfragen im Fokus dieser Arbeit:
1. Wie unterscheidet sich das industrielle Kaufverhalten bei Dienstleistungen vom Verhalten beim Kauf von materiellen Gütern?
2. Wie unterscheidet sich der industrielle Kaufprozess von Dienstleistungen vom Kaufprozess von materiellen Gütern?
Nach erfolgter Problemstellung (Kapitel 1) werden zunächst bisherige Erkenntnisse zum industriellen Kaufverhalten erörtert, dessen wesentliche Bestandteile definiert und abgegrenzt sowie die Bedeutung von Dienstleistungen im industriellen Kontext herausgestellt (Kapitel 2). Im Anschluss (Kapitel 3) erfolgt die Darstellung der methodischen Herangehensweise zur Erörterung der Forschungsfragen, auf deren Grundlage sich die empirische Analyse vollzieht (Kapitel 4). Nachfolgend (Kapitel 5) werden die Ergebnisse zusammengefasst und vor dem Hintergrund der Forschungsfragen interpretiert und diskutiert. Den Schluss der Arbeit (Kapitel 6) bilden methodische und inhaltliche Limitationen sowie zentrale Erkenntnisse für Praxis und Wissenschaft.
2 Stand der Forschung zum industriellen Kaufverhalten
2.1 Merkmale des Kaufverhaltens von Unternehmen
Der industrielle Einkauf lässt sich im Wesentlichen dadurch charakterisieren, dass Unternehmen als Nachfrager auf Märkten agieren.5 Die Nach-frage entspricht dabei einer derivativen Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen, die dem Bedarf des Endkunden abgeleitet wurde.6 An dem Prozess der letztlich zur Kaufentscheidung führt, sind für gewöhnlich mehrere Personen innerhalb eines Unternehmens (Multipersonalität) oder auch Organisationen (Multiorganisationalität) beteiligt.7 Der Kaufprozess wird indessen durch wahrgenommene Probleme ausgelöst, welcher schrittweise von den involvierten Personen oder Organisationen bewältigt werden muss.8 Dieser Problemlösungsprozess orientiert sich in der Regel an einem Phasenkonzept, welches sich, je nach Komplexität und Intensität des Kaufprozesses, oft über einen längeren Zeitraum ausdehnt und, ebenso wie die Nachfrage, einen hohen Formalisierungsgrad aufweist.9 Das industrielle Kaufverhalten wird demnach meist als mehrphasiger, multipersonaler, multiorganisationaler und multiobjektiver Prozess verstanden.10 Bisherige Forschungsarbeiten in diesem Gebiet differenzieren unterdessen drei Kernbereiche, welche in den nachfolgenden Kapiteln näher betrachtet werden: (1) Der industrielle Kaufprozess, (2) die Beteiligten am industriellen Einkauf bzw. das Buying Center und (3) Faktoren die sich auf den industriellen Kaufprozess und das Buying Center auswirken.11
2.1.1 Der industrielle Kaufprozess
Empirische Arbeiten, die sich auf den industriellen Kaufprozess fokussieren, lassen sich sieben Bereichen zuordnen, die nachfolgend kurz dargestellt und voneinander abgegrenzt werden:12
Der (1) allgemeine Kaufprozess ist in seiner Gesamtheit komplex, so dass er schwer abzubilden ist und sich sowohl für Produkt, Dienstleistung und Branche, als auch in der Kaufsituation unterscheidet.13 Die (2) Identifikation der Bedürfnisse kann als Auslöser des industriellen Kaufprozesses verstanden werden, während zu der (3) Identifikation von Alternativen die Auswahl geeigneter Lieferanten, welche zur Angebotsabgabe eingegrenzt werden, zählen.14 Diesen Phasen nachfolgend, werden bei der (4) Festlegung der Kauf- und Verwendungskritieren relevante Merkmale bestimmt. Zur (5 ) Bewertung alternativer Kaufhandlungen werden unterschiedliche Lieferantenkriterien beurteilt, infolge deren unter die (6) Kaufentscheidung nicht nur diese per se, sondern auch sämtliche zur Kaufentscheidung führenden Aspekte fallen. Schließlich bezieht sich die (7) Nachkauf Bewertung auf die Eignung des gekauften Gutes zur Lösung des Problems und zur Bewertung der Leistung der Lieferanten.15
Diese Untergliederung stellt dabei an sich keinen konkreten Erklärungsansatz zum industriellen Kaufverhalten dar, sondern beinhaltet vielmehr die Forschungsschwerpunkte zum Kaufprozess aus Unternehmenssicht. Festzuhalten gilt, dass zur konkreten Erklärung des Kaufprozesses eine Vielzahl an Modellen in der Literatur existiert.16
Eine erste Beschreibung des industriellen Kaufprozesses ist Bestandteil des von Robinson et al. (1967) entwickelten BUYGRID-Modells, welches acht Kaufphasen unterscheidet, deren Bestand und Dauer von der Kaufsituation abhängig ist (siehe Tab. 1: Kaufphasen des Beschaffungsprozesses).17
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab 1: Kaufphasen des Beschaffungsprozesses
Quelle: Robinson / Faris / Wind (1967), S. 13 ff.
Dieses Phasenkonzept wurde in der Vergangenheit und wird auch gegenwärtig häufig verwendet, um den industriellen Kaufprozess zu beschreiben. Wenngleich sich die verschiedenen Phasenkonzepte in ihren unterschiedlichen Stufen unterscheiden (Quantität und Bezug) gilt zu betonen, dass bei jedem Konzept nicht immer alle Phasen ausgeführt werden müssen, sich deren Reihenfolge ändern kann, sowie Rückkopplungen innerhalb der Phasen auftreten können.18 Die Komplexität indessen wird durch die Mitwirkung mehrerer Akteure am Beschaffungsprozess gefördert.
2.1.2 Die Beteiligten am industriellen Einkauf
Der industrielle Einkauf ist nicht die Handlung einer einzelnen Person, sondern vielmehr das Ergebnis der Interaktion zwischen mindestens zwei Parteien: Einkäufer und Verkäufer. Diese umfassen jeweils für gewöhnlich zahlreiche Personen, die ihre jeweilige Partei im Entscheidungsprozess vertreten.19 Aufseiten des beschaffenden Unternehmens können die am Kaufprozess beteiligten Personen gedanklich zusammengefasst als Buying Center (BC), Decision Making Unit (DMU) oder Gruppe einkaufsentscheidender Fachleute zusammengefasst werden, wobei diese miteinander in Interaktionsbeziehungen stehen.20 Die Analyse der Kaufbeteiligten, sowie deren Sphären erfolgt in drei Dimensionen: (1) Umfang, Wesen und Struktur, (2) Personen, Funktionen und Rollen sowie (3) Einflüsse auf das Buying Center.21
Umfang, Wesen und Struktur des Buying Center
Gründe für die Beteiligung mehrere Personen am industriellen Einkauf bzw. am Buying Center liegen vor allem in der Arbeitsteilung innerhalb eines Unternehmens (Spezialisierung) sowie in dem Bestreben, das Risiko für Unternehmen und die jeweils beteiligte Person, zu reduzieren.22 Die Ziele der am Kaufprozess Beteiligten lassen sich hierbei in aufgabenbezogene Ziele (ergeben sich aus der hierarchischen Stellung der Person) und nichtaufgabenbezogene Ziele (Interessen und Motive der Beteiligten) klassifizieren.23
Demzufolge überlappen im Buying Center zwei Strukturen: Die formale aufgabenbezogene und die informelle Struktur, die Wechselbeziehungen zwischen den Beteiligten beschreibt.24
Eine mögliche Beschreibung der Beziehungsstrukturen im BC liefern Johnston und Bonoma (1981), die es als Netzwerk bzw. die Kommunikationsstruktur darin in fünf Dimensionen erfassen (siehe auch Anhang 2):25 (1) Vertikales Involvement: Anzahl der Hierarchiestufen im BC. (2) Laterales Involvement: Anzahl der Bereiche bzw. Abteilungen im Kommunikationsprozess. (3) Umfang des Buying Centers: Absolute Anzahl der Beteiligten im Kommunikationsprozess. (4) Verbundenheit: Grad in dem die Personen untereinander interaktiv verbunden sind. (5) Zentralität: Stellung des formalen Einkäufers im BC-Netzwerk. Die Analyse der Kommunikationsstruktur ermöglicht es dabei die Mitglieder sowie deren Bedeutung im BC zu identifizieren.
Die Zusammensetzung des BC wird sowohl durch die Organisationsstruktur als auch die Kaufsituation beeinflusst. Während die Organisationsstruktur durch die vier Kriterien Größe, Komplexität sowie Formalisierungs- und Zentralisierungsgrad determiniert wird, beeinflusst die Kaufsituation die Komposition des Buying Centers anhand der vier Merkmale Bedeutung, Komplexität, Neuartigkeit und Kaufklasse des Beschaffungsvorhabens.26
Personen, Funktionen und Rollen im Buying Center
Die Charakterisierung der BC-Mitglieder erfolgt in der Literatur über die drei Dimensionen Personen, Funktionen und Rollen.
Involvierte Personen sind durch ihre persönliche Betroffenheit und Erfahrung, sowie ihren kulturellen Hintergrund gekennzeichnet.27 Auch die Feststellung der Funktionszugehörigkeit zum formalen Beschaffungsprozess stellt hierbei eine Möglichkeit der Identifizierung dar. Am häufigsten verbreitet ist jedoch die Analyse der verschiedenen Rollen im BC anhand sogenannter Rollenkonzepte. Während mit dem Modell der Rollenzuweisung, die vier Elemente Rollenerwartung, gesendete Rolle, empfangene Rolle und Rollenverhalten einhergehen, findet bei den Rollenkonzepten im BC lediglich das aufgabenbezogene Rollenverhalten Betrachtung.28 Zur Erklärung der Rollen im BC hat sich das Rollenkonzept von Webster und Wind (1972a) etabliert, welches als eine repräsentative Klassifizierung der DMU im Kontext des industriellen Einkaufs gilt.29 Darin lassen sich fünf verschiedene Rollen im Rahmen des BC erkennen: (1) Einkäufer (Buyer) sind v. a. für die Lieferantenauswahl und den Vertragsabschluss zuständig. (2) Verwender (User) benutzen das zu beschaffende Produkt bzw. die Leistung nach dem Kauf. (3) Beeinflusser (Influencer) haben zwar keine formale Beteiligung, nehmen jedoch informell Einfluss auf den Kaufprozess. (4) Informationsselektierer (Gatekeeper) steuern den Informationsfluss in und aus dem Buying Center. (5) Entscheider (Decider) sind letztlich dazu berechtigt zwischen alternativen Kaufhandlungen zu entscheiden.30 Gelegentlich wird das dargestellte Rollenkonzept um weitere Rollen wie die des Initiators, des Genehmigers (Approver) und Zahlers ergänzt.31
Empirische Studien postulieren, dass sich die verschiedenen Rollen des BC typischerweise den Sparten zuweisen lassen, denen die Mitglieder angehören wie z. B. Management, Einkauf, Finanzwesen und Vertrieb.32 Während eine Rolle auch von mehreren Personen wahrgenommen werden kann, müssen nicht alle Rollen im Beschaffungsprozess vertreten sein. Wissenschaftliche Untersuchungen kommen darüber hinaus zum Ergebnis, dass die Funktionsbereiche Einkauf, Ingenieurwesen und Produktion den größten Einfluss auf das BC ausüben.33 Schließlich können die Rollen des Einkäufers, Verwenders und Entscheiders als die bedeutendsten für das industrielle Kaufverhalten hervorgehoben werden.34
Als weiteres Rollenkonzept kann das Promotorenmodell von Witte (1972) aufgeführt werden. Zusammengefasst werden als Fach-, Macht- bzw. Prozesspromotoren solche Mitglieder des BC bezeichnet, die den Entscheidungsprozess aktiv und intensiv fördern und helfen Willens- und Fähigkeitsbarrieren zu überwinden. Fach-, Macht bzw. Prozessopponenten hingegen behindern und verzögern den Kaufprozess.35
Einflüsse im Buying Center
Wie schon das Promotoren-/Opponenten-Modell zeigt, wird die Einflussstruktur des BC von dem Verhalten beteiligter Personen determiniert. Das Verhalten konkreter Personen der DMU wird indessen durch die zwei Dimensionen Informations- und Entscheidungsverhalten bestimmt.36
Für das Informationsverhalten kann zuerst der Informationsbedarf genannt werden, der sich je nach Phase des Kaufprozesses konkretisiert. Auch die Art der nachgefragten Leistung und Merkmale der BC-Mitglieder sind hier relevant.37 Unterschiedliche Informationsquellen tragen darüber hinaus dazu bei notwendige Wissensstände zu erreichen. Im Allgemeinen lassen sich hierbei kommerzielle und nicht-kommerzielle Quellen sowie persönliche und unpersönliche Quellen unterscheiden.38 Des Weiteren wird die Suchanstrengung mit der Intensität und dem Ausmaß der Informationsaktivitäten der BC-Mitglieder gekennzeichnet.39 Basierend auf den verschiedenen Verhaltensweisen, bildet Strothmann (1979) drei Informationsverarbeitungstypen: (1) Faktenreagierer sind an möglichst umfassenden Detailinformationen zur Beurteilung eines Beschaffungsvorhabens interessiert, (2) Image-Reagierer eher an einzelnen Produktmerkmalen und Eigenschaften. (3) Reaktionsneutrale vereinen Merkmale der Fakten- und Imagereagierer.40
Für den Abschluss des Beschaffungsvorhabens gilt es schließlich für die DMU von individuellem Informations- und Entscheidungsverhalten zu einer Entscheidung innerhalb der Gruppe zu gelangen. In diesem Zusammenhang spielt Konflikt- und Einflussstärke bzw. Macht der Beteiligten eine gesonderte Rolle. Konflikte entstehen durch das Divergieren von aufgaben- und nichtaufgabenbezogenen Zielen und können durch Machtkampf, Kompromiss oder Problemlösung gelöst werden.41
Johnston und Bonoma (1981) konstatieren, dass es zwar verhältnismäßig einfach ist die Mitglieder des BC in jeder Kaufsituation zu identifizieren, es jedoch deutlich schwerer ist ihre Macht und Machtverhältnisse nachzuvollziehen.42 In verschiedenen Studien konnte gezeigt werden, dass das Topmanagement (z. B. Geschäftsführer und Vorstand) in kleineren Unternehmen größeren Einfluss in der DMU ausüben.43 Relevant zur Analyse der Macht ist schließlich die Grundlage, die es einer Person erlaubt Einfluss auszuüben. Zur Erklärung können verschieden Arten des Machtursprungs herangezogen werden (siehe Tab. 2: Arten der Macht):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab 2: Arten der Macht
Quelle: Vgl. Fließ (2000), S. 331 ff.
2.1.3 Determinanten des industriellen Kaufverhaltens
Während die Einflüsse auf das BC auch das industrielle Kaufverhalten im Allgemeinen beeinflussen, wird Letzteres von zahlreichen weiteren Faktoren determiniert. Zu diesen zählen (1) Kauftyp, (2) Umweltfaktoren, (3) organisationale und (4) interorganisationale Merkmale sowie (5) Inter- und (6) Intrapersonale Faktoren.44
Kauftyp
Unter Kauftyp fallen situative Eigenschaften des Beschaffungsvorhabens, wie die Kaufklasse, Komplexität und Leistungstyp.45
Die Kaufklasse grenzt sich dabei durch die drei Kriterien Neuheit des Problems, Informationsbedarf sowie Betrachtung neuer Alternativen ab, denen zufolge Robinson et al. (1967) drei Szenarien der Kaufklasse entwickeln:46
Beim (1) Neukauf hat das beschaffende Unternehmen keine entsprechende vorhergehende Kauferfahrung da die Neuartigkeit des Beschaffungsproblems hoch ist. Das Buying Center weist folglich einen hohen Informationsbedarf auf. Es wird eine Vielzahl an Alternativen berücksichtigt, um daraus die bestmögliche Alternative zu identifizieren.
Der (2) modifizierte Wiederkauf kennzeichnet sich dadurch aus, dass das Buying Center bzw. die Decision Making Unit bereits Erfahrungen aus ähnlichen, bereits getätigten Käufen besitzt. Obwohl die Kaufsituation nicht gänzlich neu ist, gilt es dennoch neue Informationen und Alternativen zu berücksichtigen, wobei der Bedarf hierbei gegenüber dem Neukauf tendenziell geringer ist. Auch Zeitaufwand und Bemühungen sind im Allgemeinen geringer als bei reinen Neukaufsituationen.
Der (3) reine Wiederkauf ist als Routinebeschaffungssituation zu bewerten, in welcher Produkte oder Dienstleistungen meist ohne Berücksichtigung von Alternativen, oft von Lieferanten mit Rahmenverträgen abgerufen werden. Das Problem als solches ist nicht neu, weshalb das beschaffende Unternehmen auf existierende Kauferfahrung zurückgreifen kann. Ebenso ist die Neuartigkeit des Problems gering.47
Mit diesen Kaufszenarien komplettieren die Autoren das BUYGRID-Modell (siehe Tab. 1: Kaufphasen des Beschaffungsprozesses), welches aufgrund seiner einfachen Struktur bis heute als einer der anerkanntesten Erklärungsansätze zum industriellen Kaufverhalten gilt.48
Die Komplexität des Beschaffungsvorhabens als zweite situative Determinante, setzt sich aus dem Wert des Investitionsobjekts, der Neuartigkeit der Problemdefinition und dem organisationalen Wandel zusammen.49
Zur Erklärung des Leistungstyps kann der Ansatz zur Aufhebung der Dichotomie von Sach- und Dienstleistungen nach Engelhardt et al. (1993) herangezogen werden.50 Demzufolge werden Leistungstypen in Leistungsergebnisse, die in abweichendem Ausmaß materielle und immaterielle Bestandteile enthalten, und Leistungserstellungsprozesse, die in unterschiedlicher Intensität sowohl unter Integration eines externen Faktors, als auch autonom erstellt werden, separiert.
Umweltfaktoren
Des Weiteren können Umweltfaktoren als externe Determinante auf das industrielle Kaufverhalten aufgeführt werden. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass Unternehmen keinen unmittelbaren Einfluss auf sie ausüben. Hierzu zählen u. a. rechtliche Rahmenbedingungen, technologische und gesamtwirtschaftliche Entwicklungen, gesellschaftliche Normen sowie materielle und personelle Ressourcenpotenziale.51 Aus mangelnder Information über das Eintreten nicht beeinflussbarer Umweltzustände resultiert für das Unternehmen exogene Unsicherheit.52
Organisationale Merkmale
Organisationale Determinanten stellen den strukturellen Rahmen der industriellen Kaufentscheidung und interne Prozesse dar. Für gewöhnlich bestimmen Regularien und Richtlinien den Entscheidungsfindungs-prozess.53 Von Relevanz sind hierbei die Art der nachfragenden Organisation, Größe, Struktur, Organisationskultur wie auch Beschaffungsstrategie (z. B. Single oder Multiple Sourcing).54
Interorganisationale Merkmale
Des Weiteren sind interorganisationale Transaktionen zwischen dem beschaffenden Unternehmen und weiteren Stakeholdern (z. B. Lieferanten) von Belang. In der Regel übernimmt der Auftragnehmer (Agent), bestimmte Aufgaben vom Auftraggeber (Prinzipal).55 Diese als Prinzipal-Agenten-Theorie bezeichnete Beziehung berücksichtigt ferner Informations-asymmetrien aufgrund des Informationsvorsprunges vom Agenten und des Informationsnachteils des Prinzipals und entsprechenden Handlungen.56
Aktuelle Forschungsarbeiten bestätigen ferner den Trend, dass Unternehmen sich weg von der Betonung auf eine Vielzahl von Lieferanten hin zu länger anhaltenden Partnerschaften mit weniger Lieferanten bewegen.57 Im Allgemeinen haben die Art der Austauschbeziehung und der Kommunikationsstil Einfluss auf das industrielle Kaufverhalten. Es wird zwischen einem relationalen Ansatz, der auf langfristigem Engagement, Vertrauen und gegenseitiger Unterstützung basiert und dem transaktionalen Ansatz als eher kurzfristiger Austausch, geprägt von Misstrauen, Unsicherheit und Nicht-Kooperation unterschieden.58
Schließlich kann der endogenen Unsicherheit des Unternehmens über das Verhalten anderer Marktteilnehmer mit dem Versuch der Schadensbegrenzung und -verhinderung sowie Beeinflussung der Marktteilnehmer entgegengewirkt werden.59
Interpersonale Faktoren
Eine weitere Einflussgröße auf das industrielle Kaufverhalten sind zwischenmenschliche Beziehungen innerhalb der Organisation und insbesondere dem Buying Center. Diese ergeben sich aus Rollenerwartung und Rollenverhalten der unterschiedlichen Rollen bzw. deren Zielvorstellungen im Kaufprozess.60
Intrapersonale Faktoren
Auch wenn das industrielle Kaufverhalten als Kollektivprozess gekennzeichnet ist wird es letztlich durch das Verhalten von Individuen im organisationalen Kontext bestimmt. Webster und Wind (1972b) werten das individuelle Verhalten als Funktion von drei Faktoren: (1) die Persönlichkeit, Motivation, Kognition und den Lernprozess, (2) Interaktion mit der Umgebungssituation sowie (3) die Präferenzstruktur und das Entscheidungsmodell.61
2.2 Ganzheitliche Modelle des industriellen Kaufverhalten s
Wie die Analyse des industriellen Kaufverhaltens verdeutlicht, stellt der unternehmerische Beschaffungsprozess ein komplexes Konstrukt dar, welches durch zahlreiche Determinanten beeinflusst wird. Diese Faktoren lassen sich aus den sogenannten Partialmodellen zusammenfügen. Während die Partialmodelle wie das BUYGRID-Modell, Kaufphasenkonzept oder das Buying-Center Konzept das Kaufverhalten nur isoliert auffassen, betrachten Totalmodelle das industrielle Kaufverhalten und deren Determinanten im Zusammenhang. Eines der Vorreiter unter den Totalmodellen wurde von Webster und Wind (1972a) entwickelt. Sie leiten ihr Strukturmodell aus einem Gefüge von den vier Einflussfaktoren Umwelt, Organisation, Zwischenpersönliche und Individuelle ab (siehe Anhang 3).62 Es kann als grundlegendes Model verstanden werden, wobei es sich als eher loses Konstrukt und ohne prüfbare Aussagen erweist.63
Sheth (1973) entwickelte daraufhin ein Modell, das die folgenden drei Elemente verbindet: Die psychologische Ebene des Entscheiders, die Bedingungen welche die gemeinsame Entscheidung herbeiführen und den Prozess der Konfliktlösung (siehe Anhang 4).64 Allerdings wird auch hier kritisiert, dass die in dem Modell integrierten Variablen nur lose miteinander verbunden und wage definiert sind.65
Auf Grundlage konzeptioneller und empirischer Studien realisieren Johnston und Lewin (1996) das aktuellste und kompletteste Totalmodell, welches letztlich für das Begriffsverständnis des industriellen Kaufverhaltens für die vorliegende Arbeit dienlich sein soll (siehe Abbildung 1). Sie verflechten die Erkenntnisse der bisherigen Modelle von Webster, Faris und Wind (1967), Webster und Wind (1972a) sowie Sheth (1973) und ergänzen diese um die Determinanten Entscheidungsregeln und Rollenkonflikte. Neben dem Vorteil des größeren Allgemeingültigkeitsanspruches können bei diesem Modell auch Beziehungszusammenhänge empirisch validiert werden.66 Auch wenn dieses Modell das industrielle Kaufverhalten für das Verständnis dieser Arbeit gut beschreibt, gilt festzuhalten, dass es aufgrund des gegenseitigen Einflusses und der Verflochtenheit der Variablen unmöglich ist ein einzig richtiges Modell des industriellen Kaufverhaltens zu präsentieren.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb 1: Totalmodell von Johnston und Lewin (1996)
Quelle: In Anlehnung an Johnston / Lewin (1996), S. 3.
Auf Grundlage der identifizierten Merkmale und Dimensionen bestehender Erklärungsansätze kann das industrielle Kaufverhalten für das Verständnis dieser Arbeit als explizite oder implizite transaktionale Interaktion definiert werden, in welcher Organisationen den Bedarf an Dienstleistungen und Produkten ermitteln, Alternativen suchen, auswählen und verhandeln sowie Kaufentscheidungen umsetzen und beurteilen, inwiefern sie zur Erreichung der organisationalen Ziele dienlich sind.67
2.3 Relevanz und Herausforderung von Dienstleistungen als Kaufobjekt
Nachdem nun das industrielle Kaufverhalten analysiert wurde, gilt es im Folgenden auf die Bedeutung und Schwierigkeit des Einkaufs von Dienstleistungen als Untersuchungsgegenstand einzugehen.
Betrachtet man zunächst die Gemeinsamkeiten von materiellen Gütern und Dienstleistungen wird deutlich, dass beide sowohl Bedürfnisse befriedigen als auch eine Funktion für den Kunden haben sollen. Ferner sollten sie konkurrenzfähig sein und einen Nutzen für den Kunden anbieten, sodass der Kunde sich für eine spezifische DL bzw. ein Produkt im Vergleich mit anderen Anbietern entscheiden kann.68
In der Wissenschaft sind verschiedene Merkmale kenntlich geworden um DL zu beschreiben und abzugrenzen. Lange Zeit galten vier spezifische Merkmale von DL (IHIP) als ausreichend, um diese als solche zu charakterisieren: intangibility, inseparability von Produktion und Konsum, heterogeneity und perishability.69 Faktoren wie etwa der technische Wandel erschweren jedoch eine klare Trennung von Gütern und DL durch die IHIP-Merkmale zunehmend.70 Typisierende Merkmale wie diese orientieren sich dennoch zunächst an den drei Dimensionen Leistungspotenzial, Leistungserstellungsprozess und Leistungsergebnis.71 Demnach stellt das Leistungspotenzial die Fähigkeit und Bereitschaft des Anbieters zur Erbringung einer Leistung dar. Beim Leistungserstellungsprozess werden interne Produktionsfaktoren (vorkombinierte Potenzial- und Verbrauchsfaktoren) des Anbieters mit den externen Faktoren des Kunden kombiniert. Diese Kombination mündet schließlich in dem Leistungsergebnis, welches dem Kunden einen Nutzen stiften soll.72
Aus dieser Leistungsdimensionierung lassen sich zwei wesentliche konstitutive Merkmale von DL derivieren: (1) Die Integrativität des Dienstleistungserstellungsprozesses impliziert die Notwendigkeit der Interaktion von Kunden und Anbieter, welche letztlich in einem gemeinsamen Wertschöpfungsprozess (value co-creation) vollzogen wird.73 (2) Die Immaterialität des Dienstleistungsergebnisses als zweites konstitutives Merkmal von DL resultiert im Kern aus der Entstehung der DL im Zuge des Leistungserstellungsprozesses, der physischen Nichtgreifbarkeit und der Simultaneität von Produktion und Konsum (uno-actu-Prinzip).74 Dieses Merkmal gilt jedoch nicht als unwiderleglich, da DL auch materielle Elemente in unterschiedlichem Ausmaß enthalten können. So sind es schließlich die noch nicht umgesetzten menschlichen Leistungsfähigkeiten, die dieses Kriterium festsetzen.75
Demzufolge können Dienstleistungen im Allgemeinen definiert werden, als Leistungen, in Form angebotener Leistungsversprechen (Potenzialorientierung), zu deren Spezifizierung es die Integration externer Faktoren in den Erstellungsprozess, bedingt durch prozessauslösende und prozessbegleitende Interaktion, bedarf (Prozessorientierung) mit dem Ziel, nutzenstiftende Leistungen zu erzielen, welche durch überwiegend immaterielle Anteile gekennzeichnet sind (Ergebnisorientierung).76
DL können zunächst angebots- und nachfrageinduziert auftreten. Werden angebotsinduzierte DL auf dem Absatzmarkt offeriert, betreffen nachfrageinduzierte DL den Abnehmer und können ferner in konsumtive und investive DL untergliedert werden. Während konsumtive DL vom privaten Endverbraucher nachgefragt werden, sind in vorstehender Arbeit investive DL (IDL), welche von Unternehmen im Zuge ihrer Wertschöpfung nachgefragt werden, von Interesse.77
In der Marketingforschung finden IDL keine ausgeprägte Aufmerksamkeit wie es bei konsumtiven DL der Fall ist, was letztlich auch zu einem fehlenden einheitlichen Verständnis und unterschiedlichen Klassifizierungsansätzen führt.78 Überwiegender Konsens besteht hingegen in der grundlegenden Segmentierung der IDL in rein investive DL (reine Dienstleistungen) und industrielle Dienstleistungen bzw. funktionelle Dienstleistungen (produktbegleitende Dienstleistungen).79 Rein investive DL bezeichnen eigenständige Marktleistungen mit Gewinnerzielungsabsicht welche hauptsächlich von Dienstleistungsunternehmen ohne physisches Produkt angeboten werden und im Zentrum des Vertrags stehen.80 Klassifiziert nach der Selbstständigkeit der Leistung, werden sie auch als Primärdienstleistung bezeichnet.81 Es handelt sich um wissensintensive DL wie z. B. Unternehmens- und Personalberatung, die in der englischsprachigen Literatur als Professional Services bezeichnet werden.82
Im Gegensatz dazu stellen industrielle DL Sekundärdienstleistungen dar, welche als Leistungsbestandteil von Herstellerfirmen (z. B. Maschinenbauunternehmen) zusätzlich zu Sachgütern angeboten werden (produktbegleitend) und meist in Bezug zu diesen stehen.83
Nach Auffassung von Grönroos (1979) werden unternehmensbezogene DL durch qualifiziertes Personal ausgeführt, sind oft beratend und/oder problemlösend und sind ebenfalls ein Auftrag vom Einkäufer an den Verkäufer.84
Die im Rahmen dieser Arbeit thematisierten unternehmensbezogenen, investiven Dienstleistungen sind demzufolge marktfähige DL, welche von Dienstleistungs- und/oder Industrieunternehmen angeboten werden und von nachfragenden Unternehmen mit und/oder ohne direkten Produktbezug eingesetzt werden.85
In der B2B-Forschung hat sich eine dienstleistungsorientierte Sichtweise wirtschaftlichen Handelns, die Service Dominant Logic (SDL) etabliert.86 Diese impliziert, dass der Nutzen von Konsumenten mitgeschaffen wird (Value Co-Creation), was eine enge Einkäufer-Anbieter Beziehung unabdingbar macht (relationaler Ansatz). Aarikka-Stenroos und Jaakola (2012) stellen in diesem Zusammenhang fest, dass die Co-Creation schon mit der Identifikation des Bedarfs und dem Ziel des Austausches beginnt.87 In einem gemeinschaftlichen, problemlösenden Prozess werden Ressourcen des Anbieters mit denen des Nachfragers kombiniert. Dabei wird der optimale Nutzwert (Value-In-Use) erzielt, indem Probleme, Bedürfnisse und Ziele identifiziert werden, Lösungen angeboten und schließlich implementiert werden.88 Der SDL zufolge, können DL aufgrund ihrer Merkmale nicht im Detail ex-ante spezifiziert werden, sondern werden gemeinschaftlich von Einkäufer und Lieferant im Verlauf des Kaufprozesses festgelegt.89
Der SDL gegenüber steht die Goods Dominant Logic (GDL), deren Grundsatz zufolge die Anforderung einer DL in detaillierten Spezifikationen standardisiert und beschrieben werden kann. Ebenso ist ein transaktionaler Ansatz der Beziehung zwischen Einkäufer und Verkäufer symptomatisch für diese Sichtweise.90 Während die GDL Dienstleistungen als etwas eher greifbares mit Hang zur Versachlichung darstellt, ist der Grad der Objektivierung bei der SDL als gering einzuschätzen. Da jedoch Produkte und DL keine homogenen Kategorien beinhalten und jeweils zu verschiedenen Teilen immateriellen als auch materielle Bestandteile enthalten können, haben die SDL und GDL durch Kombination und Kompromiss eine parallele Existenzberechtigung in der Realität des industriellen Einkaufs.91 Infolgedessen weisen Einkäufer ein Kaufverhalten auf, das im Einklang mit den beiden Logiken steht, sich allerdings in der Beschaffung von Produkten und DL unterscheidet.92 Dieses Zusammenspiel bildet die Grundlage einer eher dynamischeren Sicht mit Betonung auf prozessualen Dimensionen.
Diese beiden theoretischen Betrachtungsweisen stehen ökonomische Austauschbeziehungen in der betrieblichen Praxis gegenüber. Herausforderungen bei der Dienstleistungsbeschaffung gilt es ebenso wie bei dem Einkauf von Produkten zu meistern. Dazu ist nach dem Vollziehen der Make-or-Buy Entscheidung der DL-Bedarf in einem Auftrag eindeutig zu spezifizieren.93 In diesem Zusammenhang werden oftmals sogenannte „Service Level Agreements“ (SLA) verwendet. Dabei handelt es sich um vertragliche Vereinbarungen zwischen Dienstleistungsnachfrager und -erbringer, in welcher Leistungsmaße und -inhalte sowie Konsequenzen bei Nichteinhaltung festgelegt sind.94
Aufgrund der skizzierten Eigenschaften von DL haben Beteiligte des Buying Centers, insbesondere Einkäufer, jedoch Schwierigkeiten darin Dienstleistungen sowohl ex-ante als auch ex-post zu spezifizieren, vergleichen und zu bewerten.95 In Folge dessen wird vermutet, dass der Einkauf und das zunutze machen von DL mit mehr Risiken behaftet ist.96
[...]
1 Foscht / Swoboda / Schramm-Klein (2015), S. 3.
2 Vgl. Sheth (1996), S. 14.
3 Vgl. Lindberg / Nordin (2008), S. 200.; Vgl. Nordin / Kowalkowski (2010), S. 441.
4 Vgl. Fließ / Lexutt (2016), S. 68
5 Vgl. Gröne (1977), S. 24.
6 Vgl. Meffert / Burmann / Kirchgeorg (2015), S. 25.
7 Vgl. Kirsch / Kutschker (1978), S. 25.; Vgl. Fließ (2000), S. 255.
8 Vgl. ebenda, S. 254 f.
9 Vgl. Johnston / Lewin (1996), S. 2 ff.; Vgl. Pemer / Werr / Bianchi (2014), S. 814 ff.
10 Vgl. Fließ / Johnston / Sichtmann (2015), S. 172.
11 Vgl. Wind / Thomas (1980), S. 240 ff.
12 Vgl. ebenda, S. 244 f.
13 Vgl. Wind / Thomas (1980), S. 244.
14 Vgl. Burger / Cann (1995), S. 95 ff.
15 Vgl. Webster / Wind (1972b), S. 32 ff.
16 Siehe Anhang 1: Überblick über Kaufphasenkonzepte für eine Übersicht über verschiedene Kaufphasenkonzepte.
17 Vgl. Robinson / Faris / Wind (1967), S. 13 ff.
18 Vgl. Kleinaltenkamp / Saab (2009), S. 21.
19 Vgl. Fließ / Johnston / Sichtmann (2015), S. 173.
20 Vgl. Webster / Wind (1972b); Vgl. Wind (1978), S 657; Vgl. Strothmann (1979), S. 64.
21 Vgl. Wind / Thomas (1980), S. 240 ff.
22 Vgl. Tanner Jr. / Castleberry (1993), S. 50.
23 Vgl. Webster / Wind (1972a), S. 36 f.
24 Vgl. Fließ / Johnston / Sichtmann (2015), S. 183.
25 Vgl. Johnston / Bonama (1981a), S. 254 f.
26 Vgl. Johnston / Bonoma (1981b), S. 149.
27 Vgl. Backhaus / Voeth (2014), S. 47 ff.
28 Vgl. Fließ (2000), S. 312 f.; Vgl. Katz / Kahn (1978), S. 194 ff.
29 Vgl. Wilson (2000), S. 787.
30 Vgl. Webster / Wind (1972b), S. 77 ff.
31 Vgl. Bonoma (1982), S. 113.; Vgl.Kotler / Keller (2007), S. 106.; Vgl. Trommsdorff /
Teichert (2011), S. 15 f.
32 Vgl. Homburg / Rudolph (2001), S. 19.
33 Vgl. Johnston / Bonoma (1981b), S. 151 ff.; Vgl. Lilien / Wong (1984), S. 6 ff.; Vgl. McQuiston (1989), S. 76 f.; Vgl. Sheth (1973), S. 52.
34 Vgl. Töllner / Blut / Holzmüller (2011), S. 717 ff.
35 Vgl. Hauschildt / Chakrabarti (1988), S. 384; Vgl. Witte (1976), S. 321 ff.
36 Vgl. Fließ (2000), S. 290.
37 Vgl. ebenda, S. 291 ff.
38 Vgl. ebenda, S. 293 f.
39 Vgl. ebenda, S. 297 f.
40 Vgl. Strothmann (1979), S. 99 ff.
41 Vgl. Fließ (2000), S. 327 ff.
42 Vgl. Johnston / Bonoma (1981b), S. 144.
43 Vgl. Bellizzi (1981), S. 113 ff.; Vgl. Choffray / Lilien (1980), S. 336 ff.; Vgl. Lynn (1987), S. 125.
44 Vgl. Webster / Wind (1972b); Wind / Thomas (1980), S. 243 ff.
45 Vgl. Fließ (2000), S.281 ff.
46 Vgl. Robinson / Faris / Wind (1967), S. 23 ff.
47 Vgl. ebenda, S. 29 ff.
48 Vgl. Anderson / Chu / Weitz (1987), S. 72.; Vgl. Fließ / Johnston / Sichtmann (2015), S. 191.
49 Vgl. Kirsch / Kutschker (1978), S. 56 ff.
50 Vgl. Kleinaltenkamp / Engelhardt / Reckenfelderbäumer (1993), S. 398 ff.
51 Vgl. Backhaus / Voeth (2014), S. 90 ff.; Vgl. Hutt / Speh (2013), S. 42 ff.
52 Vgl. Fließ (2000), S. 113 ff.
53 Vgl. Jaakkola (2007), S. 100 f.
54 Vgl. Backhaus / Voeth (2014), S. 85 ff.; Vgl. Hutt / Speh (1985), S. 90 ff.
55 Vgl. Arrow (1984), S. 1 ff.
56 Vgl. Fließ (2009), S. 265 ff.
57 Vgl. Homburg / Kuester (2001), S. 8.; Vgl. Sieweke / Birkner / Mohe (2012), S.123 ff.
58 Vgl. Ellis (2011), S. 46.
59 Vgl. Fließ (2000), S. 113 ff.
60 Vgl. Webster / Wind (1972a), S.18 f.
61 Vgl. Webster / Wind (1972b), S. 89 ff
62 Vgl. Webster / Wind (1972a), S. 28 ff.
63 Vgl. Fließ / Johnston / Sichtmann (2015), S. 193.; Vgl. Lichtenthal / Shani (2000), S. 216.
64 Vgl. Sheth (1973), S. 51 ff.
65 Vgl. Fließ / Johnston / Sichtmann (2015), S. 195.
66 Vgl. Backhaus / Voeth (2014), S. 105.
67 Vgl. Bonoma / Zaltman / Johnston (1977), S. 4.; Vgl. Ward / Webster (1991), S. 421 f.
68 Vgl. Axelsson / Wynstra (2002), S. 11.
69 Vgl. Zeithaml / Parasuraman / Berry (1985), S. 33.
70 Vgl. Lovelock / Gummesson (2004), S. 21 ff.
71 Vgl. Corsten (1988), S. 17 ff.
72 Vgl. Kleinaltenkamp (2001), S. 32.
73 Vgl. Fließ (2009), S. 9 ff.
74 Vgl. Frauendorf (2006), S. 11.
75 Vgl. Meyer (1998), S. 10.
76 Vgl. Bruhn / Meffert (2012), S. 25; Vgl. Fließ (2009), S. 14 f.; Vgl. Grönroos (2007), S. 52.
77 Vgl. Kleinaltenkamp (2001), S. 41 ff.
78 Vgl. Gitzel / Schmitz / Fromm, et al. (2016), S. 2.; Vgl. Homburg / Garbe (1999), S. 42.; Vgl. Meffert / Bruhn / Hadwich (2015), S. 11 f.
79 Vgl. Backhaus / Hahn (1998), S. 93 ff; Vgl. Weiber / Kleinaltenkamp (2013), S. 66 ff.
80 Vgl. Graßy (1993), S. 91.
81 Vgl. Büker (1991), S. 8.; Vgl. Graßy (1993), S. 91.
82 Vgl. Nordenflycht (2010), S. 159 ff.
83 Vgl. Büker (1991), S. 6 ff.; Vgl. Graßy (1993), S. 89., Vgl. Homburg / Garbe (1999), S. 42.
84 Vgl. Grönroos (1979), S. 45.
85 Da im Rahmen dieser Arbeit ausschließlich investive Dienstleistungen von Interesse sind, werden diese im weiteren Verlauf unter dem Begriff „Dienstleistung“ i. Allg. subsumiert. Eine Übersicht über investive DL ist in Anhang 5 ersichtlich.
86 Vgl. Vargo / Lusch (2004), S. 1 ff.; Vgl. Vargo / Lusch (2016), S. 5 ff.
87 Vgl. Aarikka-Stenroos / Jaakkola (2012), S. 20.
88 Vgl. ebenda, S. 15 ff.
89 Vgl. Lindberg / Nordin (2008), S. 294.
90 Vgl. ebenda, S. 293.
91 Vgl. Sundbo (2002), S. 104.
92 Vgl. Agndal / Axelsson / Lindberg / Nordin (2007), S. 188 ff.
93 Vgl. Lindberg / Nordin (2008), S. 298 f.
94 Vgl. Beaumont (2006), S. 383 f.
95 Vgl. Fitzsimmons / Noh / Thies (1998), S. 375 ff.; Vgl. Pemer / Werr / Bianchi (2014), S. 840.
96 Vgl. Mitchell / Moutinho / Lewis (2003), S. 1 ff.
- Citar trabajo
- Stephan Seltzer (Autor), 2019, Kaufverhalten und Kaufprozess von Dienstleistungen im B2B-Bereich. Was sind die Unterschiede zum Einkauf materieller Güter?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/456921
-
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X.