In dieser Hausarbeit habe ich die Sprache, was sowohl Inhalt als auch Form betrifft, analysiert. Dabei habe ich versucht, wie bei einem hermeneutischen Zirkel, die Rolle der Zensur und deren Wirkung auf Künstler (einschließlich Schriftsteller) als Individuum im damaligen DDR-System zu beleuchten und den daraus entstandenen Folgen nachzugehen. Inbesondere was deren Wiederspiegelung in diesem literarischen Werk von Chirista Wolf, das autobiographische Zügen enthält, betrifft.
Inhaltsverzeichnis:
1. Einleitung
2. Geschichtlicher Hintergrund
3. Inhaltsanalyse bezüglich der Sprache
4. Formanalyse
5. Schlussfolgerung
Literaturverzeichnis.
1. Einleitung
Die Erzählung ‚Was bleibt‘ von Christa Wolf beschreibt einen einzigen März-Tag im Leben der Ich-Erzählerin aus Ost-Deutschland, der die Wirkungen der stetigen STASI-Überwachung sowohl auf die Sprache als auch auf ihren Gemütszustand hauptsächlich in Form eines Monologs erhellt. Sofort auffallend sind die zwei Daten am Ende der Erzählung – Juni / Juli 1979 & November 1989. Das Werk war zwar in 1979 geschrieben, wurde aber erst in 1990, ein wichtiges Jahr in der Geschichte Deutschlands (wegen der Mauerfall), veröffentlicht. Damit war es auch in einem brisanten Literaturstreit geraten, in dem die Autorin Christa Wolf als ‚Staatsdichterin’ stark kritisiert wurde und vorgeworfen, dass sie wegen Angst vor Verlust ihrer Privilegien als STASI-Mitglied ihr Werk nach fast zehn Jahren des Schreibens veröffentlicht hatte. Christa Wolfs Werk lässt sich wegen dieser zwei unterschiedlichen Daten einerseits der DDR-Literatur und andererseits auch zum Teil der Wendeliteratur zuordnen. In dem Sinne ist ‚Was bleibt‘ ein exemplarisches Beispiel von dem inneren Zwiespalt der Ich-Erzählerin, welcher sowohl ihre Sprache bzw. das Sprechen und Kommunikation als auch ihr Schreiben stark beeinflusste.
In dieser Hausarbeit habe ich die Sprache, was für den Inhalt sowie die Form betrifft, analysiert und dabei versucht, wie bei einem hermeneutischen Zirkel, die Rolle der Zensur und deren Wirkung auf Künstler (einschließlich Schriftsteller) als Individuum in dem damaligen DDR-System und daraus entstandenen Folgen und deren Wiederspiegelung in diesem literarischen Werk, das autobiographische Zügen enthält, nachzugehen.
2. Geschichtlicher Hintergrund
Für die Analyse war es notwendig, die sozio-politische Situation in den letzten 15 DDR-Jahren d.h. von 1975 bis 1989, die „eine Periode immer massiverer Eingriffe in die Souveränität des literarischen Autors (war). Die Palette der Repressionen reichte von zensurierenden Eingriffen in Texte über das Verbot von Büchern und Theaterstücken, Ausschlüssen von Autoren aus Partei und Schriftstellerverband und publizistischen Kampagnen bis zu Stasi-Überwachung, strafrechtlichen Sanktionen und direkt oder indirekt erzwungene Ausbürgerungen.“1 Die Zensur wurde ein geheimes dennoch ein sehr wichtiges Thema in der Deutsche Demokratische Republik (DDR), wobei der ‚reale Sozialismus‘ zwar kein direktes Verbot begünstigte, aber auf die Instrumentalisierung der Literatur nach dem skizzierten Muster zielte. Diese führte u.a. zu extremen Folgen – wie „die vorauseilende Verinnerlichung der Zensur durch den Autor als Selbstzensur – die vielleicht verheerendste Verletzung der Integrität des Künstlers und seines Werks.”2 Autoren und Künstler der Zeit konnten und/oder wollten sich nicht frei ausdrücken. Die Bespitzelung von der Stasi führte nicht sowohl zur physischen als auch zur emotionellen und geistigen Beschädigungen. „Wie weit diese Maßnahmen gingen, wie tief sie in die Intimsphäre der Autoren eindrangen und ihre Menschenwürde verletzten, (wird deutlich in) Dokumentationen wie Christa Wolfs umstrittener Erzählung Was bleibt (1990).“3 Somit beschäftigten sich die Autoren mit den Erfahrungen einer sozialistischen Gesellschaft in der DDR. Es galt auch lange als Kennzeichen der DDR-Literatur, dass ihre Schriftstellerinnen durch das Festhalten an der Utopie vor dem Hintergrund des real existierenden Sozialismus ein kritisches Potential wachhielten.4 Daraus entstandene Widersprüche und Konflikte zwischen einem Individuell und der Gesellschaft sowie deren Pseudoideale fungierten auch als Kerngedanken der DDR-Literatur. Obige Hintergründe liegen der Analyse zugrunde.
3. Inhaltsanalyse bezüglich der Sprache
Die Sprache fungiert als ein wichtiges Element bzw. Motiv in dieser Erzählung, da diese für eine Schriftstellerin5, was die Protagonistin der Erzählung ist, als ein Vermögen fungiert und eigentlich Teil ihrer Identität ist. Ansonsten ist Sprache das wichtige Ausdrucks- und Kommunikationsmittel. Der Text beginnt schon mit dem Satz „Nur keine Angst.“6 – was eine Zensur-Stimmung in der DDR-Zeiten erzeugt. Danach fängt die Protagonistin mit einer Introspektion über die Sprache an – „In jener anderen Sprache, die ich im Ohr, noch nicht auf der Zunge habe, werde ich eines Tages auch darüber reden. (...) Würde ich meine Sprache je finden?“7 Diese Suche nach einer neuen, anderen Sprache, die die Ich-Erzählerin nicht zu eigen machen kann und daher nicht auf der Zunge hat; gleichzeitig auch in der vorhandenen Sprache nicht wirklich ausdrücken kann, verweist auf die ambivalenten Welten bzw. Systemen – einerseits der reale Sozialismus der DDR-Zeit, wo Stimmen durch Zensur unterdrückt waren und andererseits die Wahrnehmung und Erwartung einer sozialistischen Gesellschaft, in der die Autorin leben möchte, was utopisch ist. „(Es) liegt ein Widerspruch begraben zwischen dem Anspruch einer kritischen und produktiven Haltung gegenüber der Gesellschaft und dem starken Gefühl von Übereinstimmung (...). Ihre (Christa Wolfs) Biographie wie auch ihre Prosatexte zeugen von diesem Spannungsverhältnis, das uns einen ganz neuen Einblick in die fiktionalen Texte gibt.“8 Die Sprachlosigkeit der Ich-Erzählerin vertritt dieses Spannungsverhältnis bzw. Konflikt zwischen dem eigentlichen politischen und dem eigenen moralischen System („Wer aber sagte uns, was Würde sei?“9 ) – wie Christa Wolf in einem Interview in ihren eigenen Worten gefasst hatte: „Dass das, was wir uns unter Sozialismus vorstellten, in der DDR absolut in die falsche Richtung ging.“10 Diese Zwiespalt hat zu einer Gewissenlosigkeit in der Ich-Erzählerin geführt, als sie meint, dass es jetzt nicht mehr die Möglichkeit gebe, „die Sprachlosigkeit des Gewissenlosen“11 mal zu beschreiben. Dies lässt sich als ein Hinweis dafür interpretieren, dass sowohl die Sprache als auch das Gewissen von den Menschen in der kommunistischen DDR-Gesellschaft kontrolliert war – genau wie die literarischen und Kunstwerke, die durch die Zensur von der Regierung kontrolliert waren. Dieser Ausdruck sowohl die Sprachkrise und die Gewissenlosigkeit, aber auch die Hilfslosigkeit der Autorin erhellt, was sie unfähig macht, einen Widerstand gegen das System zu leisten. Somit führt die innere Zensur der Ich-Erzählerin nicht nur zu einer Isolation, sondern verursacht sogar einen Zwiespalt des isolierten Ichs in einem Monolog sowie in einem Dialog mit sich selbst („Innerer Dialog ist dem inneren Dauermonolog vorzuziehen.“)12 Diese zweite innere Stimme, in der sie ihre Gedanken und Meinungen nicht artikulieren konnte, hat sie als ‚Selbstzensor‘ bezeichnet („Schön guten Tag, lieber Selbstzensor, lange nichts von Ihnen gehört).“13 Die Protagonistin von ‚Was Bleibt‘ vertritt hier eine kollektive Gruppe der Autoren sowie Intellektuelle in der DDR und hat in ihrem Werk die Wirkung von einem totalitären, eher kommunistischen System auf die Sprache ausführlich geschildert. Sogar Telefongespräche mussten mit Code-Wörtern wie ‚Tee‘ und ‚Kaffee‘ entschlüsselt werden,14 was auf die zwischenmenschlichen Beziehungen selbstverständlich eine schlechte Wirkung hatte. Die Kommunikationsversuche des isolierten Ichs in der bestehenden Sprache sind durch die ,,Als-ob-Briefe“15 oder ‚am wahren Text vorbei sprechen‘16 von Misstrauen geprägt.
Noch eine klare Bemerkung über die Zensur ist die Verwendung von Wörtern, die Stasi zu kennzeichnen ohne je das eigentliche Wort zu benutzen und die stetige Überwachung zu beklagen – „der eigentliche Meister, der wirkliche Herr“17 oder „die gläserne Blicke“18 und die ständige Überwachung der „jungen Herren da draußen“ die ihr nicht zugänglich sind, da sie „Abgesandte der Anderen“19 und „nicht ihresgleichen sind“20, was auf die sozialistische Erziehung zurückzuführen darf, in der die Stasi oder besser gesagt die Staatsleute als Oberherr und als Schützer der Gesellschaft zu verstehen waren. Die verschlüsselten Wörter schildern die Angst vor dem Staatsdienst und das Machtverhältnis zwischen dem Staat und der restlichen Gesellschaft. Dies ist auch eine Form von Zensur. Die stetige Bespitzelung der Stasi führt die Protagonistin nicht nur in einer Isolation und zu einer sprachlichen Lähmung, sondern auch zu physischen Konsequenzen wie Unruhe, Schlaflosigkeit, Gewichtsverlust usw.21 Desweiter werden die sogenannten jungen Herren zu einer „Schar von Dunkelziffern, (...) die nicht beneidenswert vorkamen“ d.h. die Stasi-Männer als Dunkelziffer wurden zum Sinnbild ihrer Umgebung.
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1 Beutin, Wolfgang (2013): Deutsche Literaturgeschichte. Von den Anfängen zur Gegenwart. Stuttgart, Weimar: J.B. Metzler Verlag, S. 521
2 Beutin, Wolfgang (2013): Deutsche Literaturgeschichte. Von den Anfängen zur Gegenwart, Stuttgart, Weimar: J.B. Metzler Verlag, S. 521.
3 Beutin, Wolfgang (2013): Deutsche Literaturgeschichte. Von den Anfängen zur Gegenwart. Stuttgart, Weimar: J.B. Metzler Verlag, S. 521.
4 Firsching, Annete: Kontinuität und Wandel im Werk von Christa Wolf. Königshausen und Neumann Verlag, Band XVI, S. 262
5 Wolf, Christa (1992): Was bleibt. Hamburg, Zürich: Luchterhand Verlag, S. 76. Die Ich-Erzählerin kommt als Autorin/ Schriftstellerin vor.
6 Ebd., S. 7
7 Ebd., S. 7
8 Wilke, Sabine (1991): Die Dialektik von Utopie und Untergang, Kritik und Übereinstimmung. Colloquia Germanica: Volume 24, S. 134.
9 Ebd., S. 53
10 http://www.zeit.de/2013/40/jana-simon-christa-wolf-buch-sei-dennoch-unverzagt/komplettansicht
11 Ebd., S. 31
12 Wolf, Christa (1992): Was bleibt. Hamburg, Zürich: Luchterhand Verlag, S. 52
13 Ebd., S. 52
14 Ebd., S. 50
15 Ebd., S. 61
16 Ebd., S. 25
17 Ebd., S. 53
18 Ebd., S. 52
19 Ebd., S. 21
20 Ebd., S. 21
21 Wolf, Christa (1992): Was bleibt. Hamburg, Zürich: Luchterhand Verlag, S. 22
- Arbeit zitieren
- Appy At (Autor:in), 2017, Analyse von Zensur in Christa Wolfs "Was bleibt", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/456848
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