Diese Arbeit will einen Anstoß geben zur Auseinandersetzung mit Kultur im Zuge von Marketingaktivitäten – und im Speziellen von Werbung – global tätiger Unternehmen. Dazu werden im ersten Kapitel einige Grundlagen aus dem Marketing angesprochen und anschließend der Aspekt der Globalisierung und seine Implikationen für Unternehmen vertieft.
Auf diesen ersten Marketingteil folgt in Kapitel zwei die Betrachtung von Werbung aus kultureller Sicht. Hier werden zunächst Grundlagen aus der Kulturtheorie erläutert und dann die enge Verbindung von Kultur und Werbung dargelegt.
Das dritte Kapitel geht schließlich vor dem Hintergrund der bis dahin entwickelten Grundlagen auf Werbung und Marken ein.
Im vierten Kapitel folgt schließlich – auf einige Anmerkungen zu den Gründen der Auswahl – die Analyse von Werbebotschaften aus der Automobilwerbung, die die im Theorieteil dargestellten Annahmen und Ideen stützen und Anregungen zu weiter führenden Analysen geben soll.
Der Schlussteil fasst dann die Kernaussagen der Arbeit zusammen und gibt einen Ausblick auf wahrscheinliche Entwicklungen und weitere mögliche Untersuchungsbereiche, die an das Thema anknüpfen.
Inhalt
Einleitung
Hauptteil
1 Marketing Teil I
1.1 Marketinggrundlagen und Literaturubersicht
1.2 Okonomische Uberlegungen zu Marketingaktivitaten
1.2.1 Trends der Wirtschaft im Globalisierungsprozess
1.2.2 Standardisieren oder anpassen - Das global-local-dilemma
2 Die Betrachtung von Werbung aus kultureller Sicht
2.1 Grundlagen aus der Kulturtheorie
2.1.1 Kultur definiert
2.1.2 Hofstedes funf Dimensionen
2.1.3 Anmerkungen und Kritik
2.2 Die Verbindung von Kultur und Werbung
2.2.1 Werte
2.2.2 Verbraucherverhalten
2.2.3 Kommunikation
3 Marketing Teil II
3.1 Werbung als Kommunikationsmedium
3.2 Im Zentrum der Aufmerksamkeit: Marken
4 Marketing und Kultur in der Praxis
4.1 Anmerkungen zur Auswahl der Beispiele
4.2 Analysen ausgesuchter Werbebotschaften aus der Automobilindustrie
Zusammenfassung und Ausblick
Anhang
Quellen
Literatur
Internet
Lehrveranstaltungen
Bildnachweise
Resume
Einleitung
„Neuzulassungen in Europa sinken - China boomt weiter“, titelt die Branchen- und Wirtschaftszeitung Automobilwoche im Mai 2010 auf ihrer Homepage1 und beschreibt damit die Marktentwicklung in der Automobilindustrie. „Growth should be strong in China, India and parts of South America [...]. Korean brands will increase pressure on mid-market leaders”, weist auch der BrandZ Top 100 Report (2010: 68) auf den Auf- stieg von bislang als Schwellenlander bezeichneten Nationen hin. Im Zuge der Globali- sierung verschiebt sich der Schwerpunkt wirtschaftlicher Macht, Kaufkraft und Dyna- mik zusehends von West nach Ost. Wollen Unternehmen von solchen Verschiebungen profitieren, mussen sie sich uberlegen, wie sie ihre Aktivitaten an derartige Verande- rungsprozesse anpassen und sich bzw. ihre Produkte und/oder Dienstleistungen sowie ihr Auftreten nach innen und auBen ebenfalls weiterentwickeln. Auch solche Unternehmen, die bereits weltweit tatig sind und globale Marken besitzen, mussen sich an die neuen Bedingungen anpassen, da ihre Marken in den aufstrebenden Markten auf immer starkere lokale Konkurrenz stoBen werden (vgl. ebd.: 30ff.). Eine wichtige Unterneh- mensfunktion, die uberdacht werden muss, ist das Marketing, da es Beziehungen zwi- schen Unternehmen und Kunden herstellt. Der Gedanke liegt nahe, dass Marketingakti- vitaten wie die Gestaltung und Publikation von Werbung nicht 1:1 aus dem Westen in diese neuen Markte ubertragen werden konnen, wenn sie sich gegen die Konkurrenz vor Ort durchsetzen sollen - Anpassung an lokale Gegebenheiten erscheint notwendig. Zu diesen Gegebenheiten gehort auch die Kultur, innerhalb derer MarketingmaBnahmen stattfinden.
Die vorliegende Arbeit mit dem Titel „Globale Marken auf lokalen Markten - Die Be- deutung des kulturellen Kontexts bei der Entwicklung von Werbebotschaften anhand ausgewahlter Beispiele aus der Automobilindustrie“ will einen AnstoB geben zur Aus- einandersetzung mit Kultur im Zuge von Marketingaktivitaten - und im Speziellen von Werbung - global tatiger Unternehmen. Dazu werden im ersten Kapitel einige Grundla- gen aus dem Marketing angesprochen (1.1) und anschlieBend der Aspekt der Globalisie- rung und seine Implikationen fur Unternehmen vertieft (1.2). Auf diesen ersten Marke- tingteil folgt in Kapitel zwei die Betrachtung von Werbung aus kultureller Sicht. Hier werden zunachst Grundlagen aus der Kulturtheorie erlautert (2.1) und dann die enge Verbindung von Kultur und Werbung dargelegt (2.2). Das dritte Kapitel geht schlieBlich vor dem Hintergrund der bis dahin entwickelten Grundlagen auf Werbung (3.1) und Marken (3.2) ein. Im vierten Kapitel folgt schlieBlich - auf einige Anmerkungen zu den Grunden der Auswahl (4.1) - die Analyse von Werbebotschaften aus der Automobil- werbung (4.2), die die im Theorieteil dargestellten Annahmen und Ideen stutzen und Anregungen zu weiter fuhrenden Analysen geben soll. Der Schlussteil fasst dann die Kernaussagen der Arbeit zusammen und gibt einen Ausblick auf wahrscheinliche Ent- wicklungen und weitere mogliche Untersuchungsbereiche, die an das Thema anknup- fen.
Hauptteil
1 Marketing Teil I
1.1 Marketinggrundlagen und Literaturubersicht
Grundsatzlich besteht eine enge Verbindung zwischen den strategischen Unternehmens- zielen einer Organisation und der Implementierung von Marketingplanen, um diese Zie- le zu verwirklichen (vgl. Stone und McCall 2004: 222). „Aus gesellschaftlicher Sicht wird durch Marketing die wirtschaftliche Leistung der Unternehmen so gesteuert, dass die Wunsche der Kunden und der Gesellschaft berucksichtigt und erfullt werden“ (Kot- ler et al. 2008: xxviii). Marketing umfasst wesentlich mehr, als ,nur’ Werbung: Es geht bei dieser Unternehmensaktivitat darum, profitable Beziehungen zwischen Kundenwun- schen bzw. -problemen und den vom Unternehmen vorgesehenen Losungen (in Form von Produkten, Dienstleistungen, Erfahrung) herzustellen (vgl. Walliser LV2008/2009: 4) und durch Wertschopfung fur den Verbraucher langfristige Kundenbindung zu errei- chen, die letztendlich dem Ziel der Gewinnmaximierung dient (vgl. Bradley 2003: 5). In diesem Kapitel sollen kurz einige Grundlagen aus dem Marketing angesprochen und gleichzeitig eine Ubersicht uber die relevante Literatur gegeben werden, um einen Rahmen fur die vorliegende Arbeit zu stecken.
Das Konzept des Marketing wurde in den USA entwickelt und hat sich von dort in die unterschiedlichsten Kulturen verbreitet, wo es jeweils entsprechend angepasst wurde (vgl. Varey 2002: 114). Es gibt zahlreiche Sichtweisen auf und Definitionen fur die Managementfunktion Marketing (vgl. oben und erweitert in Kapitel 3); Marketingstra- tegie und Marketingmix sind jedoch grundlegender Bestandteil aller Marketinguberle- gungen:
„A marketing strategy consists of an internally integrated but externally focused set of choices about how the organization addresses its customers in the context of a competitive environment. A strategy has five elements: it deals with where the organization plans to be active; how it will get there; how it will succeed in the marketplace; what the speed and sequence of moves will be; and how the organization will obtain profits.” (Bradley 2003:5)
Der Marketingmix ist „die Menge der Marketingwerkzeuge, die ein Unternehmen in Verfolgung der Marketingzielsetzung zusammen einsetzt“ (Kotler et al. 2008: 25); er wurde von McCarthy in die vier Gruppen product, price, place und promotion (Produkt, Preis, Distribution und Absatzforderung; das sog. 4-P-Modell) eingeteilt.
Wie die Definitionen und die Herkunft der zitierten Autoren zeigen, ist der uberwiegen- de Teil der Marketingliteratur in englischer Sprache verfasst; und es sind nach wie vor die USA (und Europa), die das Marketingdenken dominieren (vgl. Oosthuizen 2004: 66). Einer der weltweit fuhrenden Vertreter des Marketing im wissenschaftlichen Kon- text ist Philip Kotler, der mit Buchern wie „Principles of Marketing" und „Marketing: An Introduction" internationale Standards gesetzt hat und der als Koautor des Werks „Marketing-Management“ im Folgenden noch ofter zitiert wird. Der eben genannte Ti- tel ist ein Beispiel fur Marketingliteratur, die umfassend darstellt, welche operativen und strategischen Prozesse Bestandteil von Marketingaktivitaten sind, wissenschaftliche Modelle und Analysemethoden prasentiert und diese mit Praxisbeispielen veranschau- licht. Neben derart umfassenden Werken gibt es eine ganze Reihe von Literatur, die sich mit einem Teilgebiet des Marketing befasst und/oder Marketing aus einem bestimmten Blickwinkel betrachtet. Einen internationalen Ansatz aus europaischer Perspektive lie- fern Stone und McCall (2004) mit international Strategic Marketing. A European perspective". Strategisches Marketing im internationalen Kontext wird hier vor dem Hin- tergrund der Europaischen Wirtschafts- und Wahrungsunion und deren wachsendem Einfluss auf globales Marketing dargestellt.
Die strategische Planung steht am Anfang jeder Marketingaktivitat. Sie umfasst das Formulieren des unternehmerischen Grundauftrags, das Festlegen von strategischen Ge- schaftseinheiten, die Ressourcenzuweisung mittels Portfolio-Analyse (meist anhand der Marktwachstum-Marktanteil-Matrix der Boston Consulting Group)1 und die Planung von Wachstum und Neugeschaft (vgl. Kotler et al. 2008: 90). Zur Zielformulierung und Strategieentwicklung gehoren auBerdem die Identifikation und Analyse (externer) Chancen und Risiken, sowie (interner) Starken und Schwachen. Teil der Implementie- rung von Marketingstrategien ist immer auch die absatzfordernde Kommunikation (Promotion).1 Diese ist
„ein Bundel von MaBnahmen, mit deren Hilfe Unternehmen versuchen, ihre Handelspartner, Endkunden und andere Gruppen der Offentlichkeit auf di- rektem oder indirektem Wege uber ihre Produkte und Marken zu informie- ren, von deren Vorteilhaftigkeit zu uberzeugen oder einen Impuls zu deren Kauf zu geben.“ (Kotler et al. 2008: 652).
Die funf Instrumente der absatzfordernden Kommunikation sind Werbung, Verkaufs- forderung, Public Relations, personlicher Verkauf und Direktmarketing (vgl. ebd.). Auf den Kommunikationsaspekt im Marketing konzentrieren sich z. B. Varey (2002) in „Marketing Communication. Principles and Practice“ sowie Schultz und Kitchen (2000) in „Communicating Globally. An Integrated Marketing Approach” - Marketingkom- munikation wird dabei nicht als Teilgebiet des Marketing angesehen; vielmehr argu- mentieren die Autoren, dass alle Marketingaktivitaten auf Kommunikation basieren bzw. durch Kommunikation erst verwirklicht und vorangetrieben werden konnen. Spe- ziell auf Werbung im internationalen Kontext konzentrieren sich die Beitrage im Sam- melband „Global and Multinational Advertising" (Englis (Hrsg.): 1994). Grundlagen aus der Werbepraxis sowie wissenschaftliche Methodik werden mit Uberlegungen u. a. zum Einfluss von Kultur, Kommunikation und Geschlechterrollen erklart und vertieft.
In Anlehnung an die Entwicklung der Marketingpraxis2 lenken neuere Werke den Blick auf den Kunden. Dazu zahlt z. B. „Strategic Marketing. In the Customer Driven Organization" von Bradley (2003), der sich fur einen kundenorientierten Marketingan- satz ausspricht und mechanistische Ansatze wie etwa das 4-P-Modell und die zu starke Fokussierung auf operative und funktionelle Marketingaspekte kritisiert. De Mooij (2009: „Global Marketing and Advertising. Understanding Cultural Paradoxes") sowie Usunier und Lee (2009: „Marketing Across Cultures“) betrachten den Kunden vor sei- nem kulturellen Kontext und stellen dar, welchen Einfluss Kultur auf die unterschied- lichsten Schritte im Marketingprozess hat. Beide Werke haben diese Arbeit inspiriert und werden vor allem im zweiten Kapitel herangezogen. Auch psychologische und ver- haltensorientierte Ansatze nehmen den Kunden in den Blick, befassen sich aber haupt- sachlich mit kognitiven Vorgangen, von denen ausgehend Konsumentenverhalten er- klart werden soll.1
Ebenfalls eine kulturelle Perspektive nehmen Berger und Huntington (2002) in „Many Globalizations. Cultural Diversity in the Contemporary World“ ein. Sie argumentieren, dass die Globalisierung kulturelle Dynamik entwickelt und keineswegs zu kultureller Verarmung und Vereinheitlichung fuhrt. Neben Werken, die sich mit Kultur im Allge- meinen befassen, existiert ein umfangreiches Literaturangebot, das sich mit einzelnen Kulturen oder Regionen befasst. Besonders die Performance und der rasche wirtschaft- liche Aufstieg von asiatischen Landern haben dazu beigetragen, dass Autoren die starke westliche Pragung von okonomischer und Marketingliteratur zumindest teilweise auf- brechen und neue Perspektiven einnehmen, die besser auf kulturelle Gegebenheiten in anderen Weltregionen zugeschnitten sind. Beispiele hierfur sind „Big in Asia: 25 Strategies for Business Success“ von Backmann und Butler (2003) und „Marketing Japanese Style“ von Herbig (1995).2 Noch weiter spezialisiert sind Werke, die sich mit einem Industriezweig oder einer bestimmten Produktgruppe befassen. Yangs (1995) globalization of the Automobile Industry: The United States, Japan and the People’s Republic of China“ ist nur ein Beispiel in dieser Kategorie und ist auch deshalb interessant, weil es nicht aus westlicher Perspektive verfasst wurde.
Die Dynamik der Disziplin Marketing zeigt sich daran, dass es neben den zahlreichen Buchern auch eine ganze Reihe von (wirtschaftswissenschaftlichen) Zeitschriften gibt, die regelmaBig neue Studien vorstellen. „Journal of Consumer Research", „Journal of International Consumer Marketing" und „Journal of Advertising" sollen hier als Beispiele genugen. Die mehrseitigen Studien in diesen Ausgaben konzentrieren sich auf ganz bestimmte Detailaspekte aus dem Marketing; gleichzeitig haben die Autoren oder die Mitglieder der Forschungsteams unterschiedliche kulturelle Hintergrunde. Studien bauen oft auf bereits bestehenden Theorien auf, entwickeln diese weiter oder uben Kri- tik; sie liefern Anregungen fur groBere Forschungsprojekte und/oder praktische Anwendungen. Verschiedene Beispiele werden noch im Laufe dieser Arbeit erwahnt und zi- tiert.
SchlieBlich soil hier noch angemerkt werden, dass alle Prasentationsformen von Unter- nehmen, vom Internetauftritt uber Firmenlogo/Marke bis zu den zahllosen Werbebot- schaften, die uns im Alltag umgeben, als Informationsquellen fur Arbeiten im Marke- tingkontext genutzt und verstanden werden konnen. Sie liefern Informationen uber die Unternehmen selbst, wie sie ihre Kunden sehen und wo sie sich positionieren. Nicht umsonst ist die Analyse von Praxisbeispielen ein wesentlicher Bestandteil der verschie- densten Formen von Marketingliteratur (s. o.). Auch in dieser Arbeit (Kapitel 4) werden solche ,Unternehmensbotschaften’ analysiert.
1.2 Okonomische Uberlegungen zu Marketingaktivitaten
1.2.1 Trends der Wirtschaft im Globalisierungsprozess
Globalisierung ist heutzutage ein inflationar gebrauchter Begriff mit politischen, sozia- len und wirtschaftlichen Implikationen. Was den Prozess der Globalisierung vorantreibt und welche Folgen dies fur die Unternehmenswelt hat, soll in diesem Unterkapitel auf- gezeigt werden. Die Erlauterungen dienen gleichzeitig als Definition des Begriffs Globalisierung, der vielschichtig und komplex ist. Eine kurze Zusammenfassung der weiter unten stehenden Ausfuhrungen liefert die folgende Definition:
„[Globalization is] a process of interaction and integration among the people, companies, and governments of different nations, a process driven by international trade and investment and aided by information technology. This process has effects on: environment, culture, political systems, economic development and prosperity, on human physical well-being in societies around the world.” (Kesselman LV2009/2010: 8; Hervorh. im Original)
Globalisierung ist damit kein rein wirtschaftliches Phanomen, sondern wird durch viele unterschiedliche und interagierende Faktoren ermoglicht und vorangetrieben. Im Ge- genzug hat die Globalisierung (positive wie negative) Auswirkungen auf eine Vielzahl von zusammenhangenden Elementen, die Bestandteil unseres Lebens sind - darunter auch die Wirtschaft und die Handlungsraume von Unternehmen: die Markte.
Einen wesentlichen Beitrag zur kontinuierlichen Offnung und Internationalisierung von Markten leistet die Welthandelsorganisation (WTO) in ihren Verhandlungsrunden und den daraus resultierenden multilateralen Abkommen zum Abbau von Handelsschranken sowie in ihren Funktionen als Streitbeilegungsorgan und als Instanz zur Uberwachung von Handelspraktiken ihrer Mitgliedslander.1 Hinzu kommen regionale wirtschaftspoli- tische Zusammenschlusse wie die Europaische Union (EU) mit ihrem einheitlichen (in- tegrierten) Wirtschaftsraum, der Restriktionen fur EU-Burger wie fur Unternehmen gleichermaBen abbaut und exklusive multilaterale Handelsabkommen wie das North American Free Trade Agreement (NAFTA), zwischen den USA, Kanada und Mexiko oder die Association of Southeast Asian Nations (ASEAN) mit ihren aktuell zehn sud- ostasiatischen Mitgliedern.2 Damit einher geht die rasante Zunahme internationaler Handelsgeschafte und die groBere Mobilitat von Unternehmen, Personen, Gutern (auch durch die drastische Reduktion von Transportkosten) und Finanzmitteln in Form von auslandischen Direktinvestitionen (foreign direct investment’, FDI).
Technologische Entwicklungen tragen maBgeblich zum Globalisierungsprozess bei. Die Bedeutung der Digitalisierung beschreiben Schultz und Kitchen (2000: 3): „[O]ur ability to convert almost everything man does into a digitalized form has changed and challenged almost everything in society, even business and human relationships.“ Zur welt- weiten Verbreitung dieser digitalisierten Inhalte tragen Informationstechnologien bei, wobei das Internet nur die Spitze des Eisbergs ist: “By information technology we mean all those devices, techniques, and capabilities that allow human knowledge, data, or experience to be transferred quickly and easily between organizations or individuals around the world.” (ebd.: 4; Hervorh. im Original). Neben den Technologien zur Infor- mationsubertragung haben sich auch die Kommunikationssysteme weiterentwickelt. Abgesehen von sinkenden Kommunikationskosten und dem enormen zahlenmaBigen Anstieg von Kommunikationsmitteln, sind viele Medien mittlerweile interaktiv und bie- ten damit Konsumenten die Moglichkeit, nicht nur Informationen zu empfangen, son- dern auch ihrerseits Nachrichten (Botschaften) und Information zu verbreiten. Diese neue Interaktivitat ist auBerst wichtig fur die Zukunft von Marketing und Marketing- kommunikation (vgl. Schultz und Kitchen 2000: 5).
Der Globalisierung und der Liberalisierung von Markten liegt ein wirtschaftliches Inte- resse zugrunde - die Realisierung von Skalenertragen sowie die Kostenreduktion durch Spezialisierung, und durch die Globalisierung von Produkten und Marketingangeboten. Die Moglichkeiten, die der Freihandel bietet, erkannte bereits der Okonom David Ricardo, der 1817 in seinem Buch „The Principles of Political Economy and Taxation" die Theorie des Komparativen Vorteils entwickelte (vgl. Doering 2002: 21).1 Die Effekte sind allerdings zweischneidig - einerseits steht den Unternehmen ein weltweiter Markt- platz offen, in dem sie Produktionsstandorte wahlen konnen, wo immer genugend Ar- beitsangebot herrscht und auf dem sie ihre Produkte und Dienstleistungen anbieten konnen (Strategie der geografischen Expansion, vgl. Kotler et al. 2008: 1113). Andererseits sind sie dadurch einem groBeren Wettbewerb ausgesetzt: Konsumenten haben die Mog- lichkeit, aus einem praktisch unerschopflichen Warenangebot zu wahlen; sie konnen - z. B. uber das Internet - mehr und schneller Informationen einholen, Preise und Produkte vergleichen und mussen nicht mehr vor Ort kaufen - kurz: Kunden haben mehr Ent- scheidungsfreiheit. Die Autoren des „BrandZ Top 100 Report“ sprechen von der democracy of commerce“ (2010: 15), die die Souveranitat der Unternehmen ersetzt hat; auch durch die Moglichkeit, dass Konsumenten Informationen in sozialen Netzwerken wie Twitter und Facebook teilen und verbreiten konnen (vgl. ebd.). - Und was die Sa- che nicht einfacher macht: Es wird keine einheitliche Erfolgsformel fur den globalen Marktplatz zu finden sein, denn dieser Marktplatz ist komplex: „Indeed the marketing and communication manager of the 21st century must recognize that there are multiple markets, multiple marketplaces, multiple customers, multiple channels, multiple media“ (Schultz und Kitchen 2000: 72). Unternehmen mussen folglich innovativer, kreativer und flexibler werden, „sie konnen sich nicht langer so verhalten, als ob es auslandische Wettbewerber, Markte und Bezugsquellen nicht gabe.“ (Kotler et al. 2008: 4)
Ahnlich wie Ricardo fur Lander die Spezialisierung auf Produkte mit komparativen Vorteilen vorschlagt, halten Schultz und Kitchen (2000: 26) es fur notwendig, dass sich Unternehmen auf ihre Kernkompetenzen und ihr Kerngeschaft konzentrieren: „[G]lobal success will be driven more by a focus on the core business or core capability of the organization and its ability to drive that success in other markets around the world.“ Ne- ben dieser operativen Fokussierung muss das Marketing eine zentrale Rolle fur Unter- nehmen spielen, wollen diese in der dynamischen und schnelllebigen Umgebung, die der Globalisierungsprozess schafft, mithalten: „[M]arketing has become the important dimension of the global business culture“, schreiben Kellner und Soeffner (2002: 119; Hervorh. im Original) in ihrem Beitrag zum Sammelband „Many Globalizations: Cultural Diversity in the Contemporary World.“ Kotler et al. (2008: 4) unterstreichen: „In Weltmarkten [...] bestimmen der Marketingkurs und seine Durchfuhrung den Erfolg des Unternehmens.“ Um die Ausrichtung dieses Marketingkurses soll es im folgenden Unterkapitel gehen.
1.2.2 Standardisieren oder anpassen - Das global-local-dilemma
Bevor sich Marketingmanager eine Marketingstrategie uberlegen, mussen sie wissen, mit welchem Markt sie es zu tun haben. Kotler et al. (ebd.: 195) definieren den Markt in ihrem Kapitel zur „Messung und Vorhersage der MarktgroBe und Nachfrage“ als „ die Gesamtheit der moglichen Kaufer eines Produkts.“ (Hervorh. im Original) Die mog- lichst umfassende Kenntnis von Markten spielt eine entscheidende Rolle fur die Effi- zienz der Marketingstrategie. Neben Informationen zu MarktgroBe und Nachfrageum- fang1 ist es wichtig, die Akteure und ihr Verhaltnis zueinander zu kennen. Schultz und Kitchen (2006: 6ff.) betrachten Markte aus der Kommunikationsperspektive und entwi- ckeln dadurch vier spezifische Marktstrukturen: „the manufacturer-driven marketplace, the distribution-driven marketplace, the interactive marketplace and the global mar- ketplace“ (ebd.: 6). Auf Markten, die von Produzenten beherrscht werden, kaufen Kon- sumenten, was ihnen angeboten wird. Die Kommunikation lauft einseitig von den Produzenten uber den Markt/die Medien zu den Konsumenten. Laut den Autoren (vgl. ebd.: 8) ist ein GroBteil der Marketing- und Marketingkommunikationsstrategien auf dieses Modell ausgerichtet. Dies wird beispielsweise sichtbar am 4-P-Modell, im Bereich der Dienstleistungen erweitert um „people, processes, and physical environment^ das auf lineare Transaktionen zwischen Kaufer und Verkaufer zugeschnitten ist. Im zweiten Modell, auf den von Distributoren dominierten Markten, kontrollieren Zwischenhand- ler, Retailer und andere Anbieter von Distributionskanalen die Information, die an die Kunden weitergegeben wird, und die Medien/Kanale, uber die dies geschieht. Auch hier ist die Kommunikation linear, wobei die Distributoren die Inhalte kontrollieren. Der in- teraktive Marktplatz ist ein Modell, das gerade aufkommt. Hier lasst sich eine radikale Machtverschiebung von den Produzenten/Distributoren hin zu den Konsumenten beo- bachten. Wie bereits oben beschrieben haben Konsumenten Zugang zu mehr und neuen Moglichkeiten sich zu informieren und selbst zu agieren; das Kommunikationssystem lauft nun in beide Richtungen und ist interaktiv: „there is a flow of product and service knowledge up, down and throughout the entire system“ (ebd.: 15). Somit mussen Pro- duzenten/Distributoren auf die Kunden reagieren, sie mussen herstellen/liefern, was der Konsument wunscht, also auf Kundenwunsche antworten (vgl. auch Kotler et al. 2008: 150).
Globale Marktplatze entstehen fur Unternehmen, wenn diese uber ihren Ursprungs- bzw. Heimatmarkt hinaus multinational und mit der Zeit international aktiv werden.1 Diese Marktform, die Elemente aller drei vorangehenden Formen in sich vereinigt, ist ebenfalls im Entstehungsprozess und wird fur immer mehr Unternehmen immer rele- vanter (vgl. z. B. Schultz und Kitchen 2006: 19ff.; Kotler et al. 2008: 150). Neben dem operationellen Kontext (dazu gehoren u. a. Infrastruktur und wirtschaftspolitische Vor- aussetzungen) und den Bedingungen zum Markteintritt spielt fur das internationale Marketing der kulturelle Kontext eine wesentliche Rolle - denn, wie wir im zweiten Kapitel sehen werden, sind Konsumenten unweigerlich in eine Kultur eingebunden, die ihre Denkmuster, Handlungen und Lebensweisen beeinflusst. Unternehmen werden sich deshalb im Zuge ihrer Internationalisierung die Frage stellen mussen, ob und inwiefernsie ihre Marketingstrategie auf kulturelle Praferenzen und Gegebenheiten auf lokalen
Markten anpassen. Zu dieser Frage existieren ganz unterschiedliche Meinungen:
Die Autoren utilitaristischer Theorien sprechen sich fur die Standardisierung aus, da fur sie der Tausch von Produkten (gegen Geld) im Zentrum des Marktgeschehens steht und sie den Guterpreis als entscheidenden Einflussfaktor fur gelungene Transaktionen sehen (vgl. Usunier und Lee 2009: 100). Naturlich kann die Standardisierung im Marketing (d. h. identische Produkte, Preise, Distributionskanale, Verkaufsforderung und Promo- tionsprogramme) zu strategischen Vorteilen fuhren:
„(1) it provides consistent image across markets; (2) it avoids confusing mobile consumers; (3) it may decrease the cost of preparing campaign themes, copy and materials; and (4) it enables firmer control over the planning and execution of campaigns across markets“ (ebd.: 399).
Positive Effekte sind auBerdem, dass man bereits Erfahrungen mit der standardisierten Marketingstrategie hat und daraus lernen kann, wenn man sie in einem neuen Markt ein- fuhrt; dass man internationale Standards setzt und dass der gute Ruf einer internationalen Marke oder eines Produktes in zu erschlieBende Markte vorauseilt (vgl. ebd.: 222). Kunden konnen von Skalenertragen profitieren, da sich niedrigere Werbekosten auf Produktpreise auswirken - und Produkte, die exotisch wirken, weil sie nicht dem ent- sprechen, was Kunden von lokalen Markten gewohnt sind, konnen groBeren symboli- schen Wert entwickeln. Varey (2002: 121) empfiehlt Standardisierung, wenn in einem zu erschlieBenden Markt keine ausreichenden Kommunikationsressourcen zur Verfu- gung stehen bzw. wenn es (z. B. bei lokalen Werbeagenturen) an Erfahrung und Expertise mangelt und man durch eine standardisierte Strategie Wettbewerbsvorteile vor der lokalen Konkurrenz verwirklichen kann. Der Globalisierungsprozess scheint Befurwor- tern der Standardisierung Recht zu geben: Auf der Makroebene lasst sich eine Annahe- rung von Konsumverhalten uber Kulturgrenzen hinweg beobachten;1 Marketingmana- ger versuchen dementsprechend landerubergreifende homogene Gruppen (z. B. Ge- schaftsreisende, Kosmopoliten, Jugendliche/,global youth’) zu definieren.
Doch wie wahrscheinlich ist es, dass z. B. in einem Europa, das politisch immer weiter zusammenwachst, plotzlich alle EU-Burger ein vergleichbares Essverhalten und ver- gleichbare Praferenzen, Wunsche und Bedurfnisse entwickeln? Gegner der Standardisierung argumentieren, dass es keine utilitaristischen Grande fur Konsumentenverhalten gibt (vgl. Usunier und Lee 2008: 100) und dass Konvergenz auf der Makroebene die Vielfalt auf der Mikroebene verschleiert: „Global homogeneous markets, like businesspeople [sic], youth, or rich people, exist mainly in the minds of Western marketing managers and advertising people. Even people with similar lifestyles do not behave as a consistent group of purchasers.” (de Mooij 2009: 13). Und Berger (2002: 10) argumen- tiert: “There is almost everywhere what James Walton called ‘localization’: the global culture is accepted but with significant modifications.” Dem Anspruch der Kosteneffi- zienz von standardisierter Werbung wird das Argument gegenubergestellt, dass die Kos- ten, eine Idee zu finden, die grenzubergreifend funktioniert und Beachtung findet, un- gemein hoch sind (vgl. de Mooij 2009: 5). Unternehmen, die in interaktiven und globa- len Markten aktiv sind, konnen es sich nicht erlauben, eine nach innen gerichtete Strate- gie der Kosteneinsparung bei Werbung zu fahren, wenn diese letztlich nicht bei den Kunden ankommt und damit nicht effektiv ist - es mag globale Produkte geben, aber es gibt unter der Gesamtheit der moglichen Konsumenten keine globale Motivation diese Produkte zu kaufen (vgl. ebd.). Auch Tayloff et al. (1994: 171) halten die vollstandige
Standardisierung uber zwei oder mehrere Kulturen hinweg fur nicht angebracht, da sich meist die Rahmenbedingungen fur Unternehmen von einer zur anderen Kultur unter- scheiden. Kulturelle Unterschiede sind einer der Hauptgrunde fur die Notwendigkeit der Anpassung von Marketingstrategien. Sie beeinflussen unter anderem Konsummuster, die Art und Weise, wie wir Produkte verwenden, wie Werbebotschaften und die darin verwendeten Symbole verstanden werden.
Die Argumente fur und gegen Standardisierung zeigen, dass sich Unternehmen bei der Entwicklung von Marketingstrategien im globalen Kontext und der Entscheidung fur einen bestimmten Grad der Adaption in einem global-lokalen Dilemma1 wiederfinden (vgl. Cleveland et al. 2009: 117) - zumal auch noch das „magische Dreieck“ Produkt- Konsument-Konkurrenz beachtet werden muss, in dessen Mitte die Unternehmensziele stehen, die in Bezug auf die einzelnen Dreiecksseiten in unterschiedliche (gegensatz- liche) Richtungen weisen konnen. Je nach Kernziel des Unternehmens muss eine andere Balance zwischen Anpassung und Standardisierung von verschiedenen Elementen des Marketingmix gefunden werden. Positive Verbindungen zwischen AnpassungsmaB- nahmen und Unternehmensergebnissen deuten allerdings an, dass radikale Standardisierung keine gute Unternehmenspraxis darstellt (vgl. de Mooij 2009: 19). Diese Arbeit unterstutzt in Anlehnung an de Mooij sowie Usunier und Lee die Bedeutung der Anpas- sung von Marketingstrategien an kulturelle Differenzen. Der Einfluss kultureller Spezi- fika auf Konsumenten und ihre Rolle als Rahmen fur Marketingaktivitaten wird im fol- genden Kapitel detailliert dargestellt.
2 Die Betrachtung von Werbung aus kultureller Sicht
2.1 Grundlagen aus der Kulturtheorie
2.1.1 Kultur definiert
Die Definitionsversuche von Kultur in der Literatur sind vielfaltig und ihre Ausrichtung ist jeweils davon beeinflusst, aus welchem Blickwinkel und vor welchem Forschungs- hintergrund (z. B. anthropologisch vs. medienwissenschaftlich vs. betriebswirtschaft- lich) die einzelnen Autoren das Thema Kultur behandeln. Im Folgenden soll kein Ver- such unternommen werden, eine umfassende Definition zu finden - vielmehr geht es darum, verschiedene Ansatze darzustellen und den Begriff der Kultur so zu beschreiben, wie er im Rahmen dieser Arbeit sinnvoll ist und angewendet werden kann.
Eine erste, recht allgemein gehaltene Definition kann einer Lehrveranstaltung zum in- terkulturellen Management entnommen werden: „The reference points that are shared by the members of a group in terms of objects, behaviors and values.“ (Kran LV2009/2010; Hervorh. im Original) - Kultur liefert demnach Bezugspunkte in Form von Objekten, also physisch/sinnlich erfassbaren Dingen; Verhaltensweisen, d. h. was Leute tun; und Wertvorstellungen1 fur eine Gruppe von Leuten. Das Stichwort Gruppe impliziert einerseits, dass Kultur sich nicht nur auf ein einzelnes Individuum beziehen kann. Andererseits handelt es sich dabei um einen mehr oder weniger groBen Personenkreis (Insider), die sich eben durch die Angehorigkeit zu einer bestimmten Kultur von Leuten, die nicht der Gruppe angehoren (Outsider) unterscheiden - damit ist Kultur also weder individuell noch universell (vgl. McCarty 1994: 24). Aber Kultur ist nicht nur ein Bezugspunkt fur Gruppenmitglieder, sie wird auch von ihnen produziert: „Culture is man-made, confirmed by others, conventionalized and passed on for younger people or newcomers to learn.“ (Trompenaars und Hampden-Turner 2009: 24). Kultur wird also erlernt,2 doch gleichzeitig, so betonen Trompenaars und Hampden-Turner im gleichen Abschnitt, wirkt sie im Unterbewusstsein und wird kaum verbalisiert - das, was Individuen bewusst von ihrer Kultur wahrnehmen, ist damit nur die Spitze des Eis- bergs (vgl. ebd.). Die enorme Bedeutung, die Kultur fur die Menschen hat, wird in den folgenden Zitaten deutlich: „[culture] provides people with a meaningful context in which to meet, to think about themselves and face the outer world.“ (ebd.); „culture is to society what memory is to individuals”; „there is no such thing as a human nature independent of culture. [...] Our ideas, our values, our acts, and our emotions are cultural products.” (de Mooij 2009: 48 und 49). Kultur ist damit also auch Existenzgrundlage - sie befriedigt universelle Bedurfnisse wie Nahrungsaufnahme und Gesundheit auf spezifische Art und Weise (vgl. ebd.: 50) - und Handlungskontext;3 auBerdem bietet sie spezifische Formen von Problemlosungen an. Kulturen unterscheiden sich folglich grund- satzlich darin, wie sie Bedurfnisse befriedigen und welche Problemlosungen sie anbie- ten. All diese Definitionsansatze versuchen, den Kern von Kultur begreifbar zu machen. Viele Stichworter daraus werden im Folgenden noch aufgegriffen, eingeordnet und na- her betrachtet.
Will man das Konzept von Kultur - oder besser - von Kulturen greifbar machen, muss man nun allerdings auf eine konkretere Erklarung zusteuern. Wo finden sich solche Kulturen bzw. was sind nun die zu Beginn angesprochenen Gruppen? - Kultur existiert auf verschiedenen Ebenen: Nationale Kultur, Unternehmenskultur, Subkultur und Popu- larkultur sind nur einige Beispiele fur verschiedene kulturelle Level. Individuen gehoren folglich verschiedenen Kulturen an, die sich auch erheblich voneinander unterscheiden - man denke nur an die Kultur am Arbeitsplatz im Gegensatz zur Freizeitkultur, bei- spielsweise eines FuBballvereins. In beiden Bereichen herrschen Regeln, wird der Ein- zelne in seinem Handeln und Denken durch Konventionen beeinflusst, gibt es geteilte Wertvorstellungen und Objekte als Bezugspunkte - und doch sind sie vollig unter- schiedlich. Dementsprechend variiert auch das Verhalten des Individuums, je nachdem, in welcher Gruppe es sich gerade aufhalt (vgl. Usunier 2009: 4).
Die kulturelle Ebene, um die es im Folgenden gehen soll, ist die der Nation,1 anders ausgedruckt: die Landeskultur. Die Kategorisierung von Kultur als Landeskultur ist nicht unumstritten. Cleveland et al. (2009: 118) argumentieren, dass diese Abgrenzung problematisch sei, da die meisten Lander multikulturell sind und - insbesondere im Hinblick auf Marketingtatigkeiten - Unterschiede zwischen den Verbrauchern eines Landes groBer sind als manche landerubergreifenden Variationen. Auch Hofstede (1998: 17) raumt ein, dass Kulturen landerubergreifend bestehen konnen und dass eine Landeskultur in viele Unterkategorien (Subkulturen) aufgeteilt werden kann. Ein weiteres Argument gegen obige Abgrenzung liefern Unterstutzer der Globalisierungs- these: „[S]ome theorists argue that globalization is increasing commonalities among consumers across countries while reducing similarities within countries.” (Cleveland et al. 2009: 118) Und weiter: “The rise of nation-states has produced national cultures; it is not implausible that the current integration is producing a global culture, leading to the emergence of groups of people who are more globally than locally oriented.” (ebd.: 19). Sicherlich kann jedoch bezweifelt werden, dass sich alle Kosmopoliten in die gleiche Kategorie einordnen lassen und dass sie nicht mehr oder kaum noch von ihrer ursprunglichen Kultur beeinflussbar sind. Konrads (zit. nach Cleveland et al. 2009: 19) Definition von sog. transnationalen Individuen zeigt den Wert der Landeskultur und die Notwendigkeit einer Abgrenzung auf: Kosmopoliten sind „those intellectuals who are at home in the cultures of other peoples as well as their own.“ - Um die Kategorie des Kosmopoliten zu beschreiben, mussen die Autoren also auf den Begriff der loka- len/nationalen Kultur zuruckgreifen. Was die Globalisierung, betrifft kann auch argu- mentiert werden, dass (Landes-)Kulturen, die sich uber Jahrhunderte hin entwickelt ha- ben und durch ganz bestimmte (historische wie naturliche) Vorkommnisse gepragt wur- den, nicht einfach im Prozess der Globalisierung untergehen. Kultur ist ein lebendiger, aktiver Prozess, der nur von innen heraus geandert werden kann (vgl. Fiske 1991: 23); und ihre bewusst wahrgenommenen Auspragungen sind - wie wir oben gesehen haben - nur die Spitze des Eisbergs. Daher ist es unwahrscheinlich, dass eine angeblich global aufkommende Kultur eine Nationalkultur einfach ersetzt.
Zur Verteidigung der Verwendung von Landeskultur als relevante Dimension der Abgrenzung zwischen verschiedenen Kulturen lasst sich auBerdem anfuhren, dass viele moglicherweise fur die (Markt-)Forschung relevante Datensammlungen nur auf der Ebene der Nation bestehen (vgl. Hofstede 1998: 17). Gleichzeitig stellt Hofstede fest: „Fortunately, quite a few nations are culturally reasonably homogenous/. "In ihrer Studie „’Crossing culture’: A multi-method enquiry into consumer behaviour and the experience of cultural transition" fanden Davies und Fitchett heraus, dass Nationalitat und national definierte Kategorien nutzliche Referenzpunkte fur denjenigen bieten, der sich in einer neuen kulturellen Umwelt wieder findet - und zwar hinsichtlich der Uberlegung, wie man das Leben in der neuen Kultur bewertet. Ihre Folgerung: „Consumer behavior and consumer perception are ways in which national identity, or rather differential national identity judgments, are made visible and stable/" (Davies und Fitchett (ohne Jahr: 315).
Nachdem hier die Verwertbarkeit der Abgrenzung Landeskultur dargestellt wurde, wird im weiteren Text nur noch der Begriff Kultur verwendet. An dieser Stelle scheint es nun sinnvoll darzustellen, was Kultur im oben definierten Sinn ausmacht. Usunier und Lee (2009: 5) identifizieren vier Hauptelemente von Kultur: ihre Sprache, ihre Institutionen, ihre materiellen und ihre symbolischen Produkte. Sprache hat, durch ihre spezifische
Struktur (grammatikalische Zeiten, Satzbau) und ihren Wortschatz, Einfluss auf die Wahmehmung und das Verhalten von Muttersprachlern. Institutionen - beginnend bei der Familie bis hin zu sozialen und politischen Einrichtungen - setzen einen Handlungs- rahmen und binden Individuen in Gruppen ein. „The products or outputs of our society transmit, reproduce, update and improve the knowledge and skills in the community.“ (ebd.: 6). Und Symbole sind uberall im taglichen Leben zu finden. Der Einfluss von Kultur auf Individuen wird schon anhand dieser Kernelemente deutlich1 und es bietet sich die Moglichkeit, uber diese Elemente Kulturen voneinander abzugrenzen. Im Fol- genden wird ein Ansatz dargestellt, der Kulturen noch genauer betrachtet, indem er Di- mensionen definiert und damit (auch aus Marketingsicht) greifbare Anhaltspunkte fur deren Beschreibung liefert.
2.1.2 Hofstedes funf Dimensionen
Der niederlandische Kulturwissenschaftler Geert Hofstede entwickelte in den 1980er Jahren vier Dimensionen (die funfte wurde spater ermittelt und erganzend hinzugefugt), mittels derer Unterschiede zwischen Kulturen erklart werden konnen. Hofstede zielt mit seinem Werk vor allem auf Unternehmenspraktiken und den Umgang mit fremden Kulturen in der Arbeitswelt ab. Erfolg - ob beim Management von Mitarbeitern mit unter- schiedlichem kulturellen Hintergrund, bei der Implementierung von internationalen Ge- schaftsstrategien oder bei der Wertschopfung im Marketing - hangt fur ihn davon ab, ob man die jeweilige Kultur, mit der man gerade zu tun hat, versteht und seine Praktiken dementsprechend auf sie abstimmt:
„International collaboration presupposes some understanding of where other’s thinking differs from ours. [...] A better understanding of invisible cultural differences is one of the main contributions the social sciences can make to practical policy makers in governments, organizations and institutions" (Hofstede 2002: 8).
Schon in seinem ersten Werk, „Culture’s Consequences”, identifiziert der Kulturwissenschaftler die Unterschiede im Denken und sozialen Handeln von 40 (modernen) Na- tionen. Er argumentiert, dass Menschen uber geistige Programme („mental programs") verfugen, die in der fruhen Kindheit in der Familie angelegt und in der Schule und durch weitere soziale Kontaktformen vertieft und verstarkt werden. Diese Programme sind es, die Komponenten nationaler Kultur enthalten und die hauptsachlich in den ver-
[...]
1 http://www.automobilwoche.de/apps/pbcs.dll/article?AID=/20100517/REP0SIT0RY/5170304/1056/REP0SITORY
1 Zu Durchfuhrung und kritischen Anmerkungen zu Portfolio-Methoden vgl. Kotler et al. (2008: 96ff.).
1 Die Darstellung des vollstandigen Marketingprozesses uber Marktforschung und Budgetplanung bis zur Pro- duktentwicklung wurde im Rahmen dieser Arbeit zu weit fuhren; es werden hier und im weiteren Verlauf der Arbeit diejenigen Marketingbestandteile angesprochen, die fur die Themenstellung unmittelbar relevant sind.
2 Fur eine detaillierte Entwicklungsgeschichte vgl. Kotler et al. (2008: 8ff.).
1 Sofern psychologische Aspekte nicht mit der kulturellen Perspektive zusammenhangen, werden sie in dieser Arbeit nicht weiter betrachtet. Es sei aber darauf hingewiesen, dass die Psychologie ebenfalls wichtige Anregun- gen fur das Marketing liefert. Einen kreativen Ansatz liefern beispielsweise Maddock und Fulton (1996) in ^Marketing to the Mind: Right Brain Strategies for Advertising and Marketing^. Die Autoren beschaftigen sich mit den Prozessen im Unterbewusstsein und entwickeln Strategien, wie man uber diese kognitiven Vorgange direkt Konsumenten motivieren und Emotionen hervorrufen kann.
2 Es fallt auf, dass auch solche Werke hauptsachlich von ,westlichen’ Autoren verfasst werden, die also auch nur von auBen diese Kulturen bzw. Regionen erforscht haben. Ein nachster Schritt bzw. eine interessante Perspektive waren Werke von Autoren, die in diesen Kulturkreisen aufgewachsen sind und leben - diese sind im Vergleich zum allgemeinen Umfang von wirtschafts- und Marketingliteratur immer noch sehr selten.
1 Zu Geschichte, Aufbau, Funktionen und Grenzen der WTO siehe Bokemeier et al. (2008): Seminararbeit. Die Welthandelsorganisation.
2 Vgl. dazu http://www.aseansec.org/index2008.html.
1 Das Ricardo-Modell sieht vor, dass sich Lander auf die Herstellung des Gutes/der Guter beschranken, bei deren Produktion sie ihre Ressourcen am effektivsten (effektiver als andere Lander) einsetzen konnen und wo sie dem- zufolge einen komparativen Vorteil haben. Opportunitatskosten entstehen dadurch, dass man zu Gunsten der Produktion des ,vorteilhaften’ Produktes auf die Herstellung anderer Produkte verzichtet - der Freihandel er- moglicht, dass sich jedes Land spezialisiert, ohne auf andere Produkte verzichten zu mussen, da die Lander ihre Produkte untereinander zu vorteilhaften Bedingungen tauschen konnen (vgl. Schulze LV2008/2009: 35ff.).
1 Vgl. zur Bedeutung und Ermittlung dieser Daten Kotler et al. (2008: 149ff.).
1 Wirtschaftliche Grunde konnen sein: Sattigung der Heimatmarkte, Zugang zu gunstigen Ressourcen im Aus- land, Verwirklichung von Skalenertragen, Verlangerung des Produktlebenszyklus, Streuung des Landerrisikos (vgl. Walliser 2008: 12).
2 Fur eine Aufstellung vier verschiedener Herangehensweisen an die Anpassungs-Standardisierungs-Frage vgl. de Mooij (2009: 16).
1 Usunier und Lee (2009: 101) nehmen hier die EU als Beispiel, wo die Bevolkerung immer alter, die Haushalte kleiner werden und die Zahl der Immigranten zunimmt.
1 Frei nach de Mooij (2009: 11): „global-local dilemma“
1 Zu Werten und Wertvorstellungen siehe Ausfuhrungen im Kapitel ,Verbraucherverhalten’.
2 Dieses Erlernen geschieht entweder implizit, durch Sozialisierung, wenn man in eine Kultur hineingeboren wird, oder explizit, durch Akkulturation, d. h. wenn ein Individuum in eine neue Kultur eintritt und in diese hineinwachst (vgl. McCarty 1994: 25).
3 Dies wird im Unterkapitel ,Verbraucherverhalten’ naher erlautert.
1 Nation bezeichnet eine Gruppe, die sich als Volk mit gemeinsamer Kultur versteht und die sich selbstandig regiert - unabhangig davon, ob ihr ein geografischer Ort, also ein Land, zur Verfugung steht (vgl. http://www.duhaime.org/legaldictionary/N/Nation.aspx). Dennoch geht die gesichtete Literatur mit dem Begriff eher ungenau um; wie im Folgenden noch sichtbar wird, ist mit Nation immer eine staatliche Organisationsform bzw. ein bestimmtes Land gemeint. Richtiger ware also die englischsprachige Bezeichnung ,nation-state’.
1 Eine genauere Darstellung des Einflusses von Kultur auf Individuen erfolgt im Unterkapitel 2.2.2.
- Citation du texte
- Anna-Lena Höcker (Auteur), 2010, Globale Marken auf lokalen Märkten. Die Bedeutung des kulturellen Kontexts bei der Entwicklung von Werbebotschaften anhand ausgewählter Beispiele aus der Automobilindustrie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/455705
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