Im vorliegenden Essay soll die These betrachtet werden, inwiefern informelle Gemeinschaften, sogenannte Communities of Practice, einen wesentlichen Erfolgsfaktor für das Funktionieren von Unternehmen und anderen Organisationen darstellen.
Gemeinschaften sind überall. Sie finden sich nicht nur in Vereinen und anderen Freizeitbereichen, sondern sind ein wichtiger Bestandteil von Unternehmen. Dort sorgen sie nicht nur für den Zusammenhalt von Bürogemeinschaften und anderen Communities, sondern haben noch eine andere wichtige Funktion: Communities sind ein wichtiger Wissensspeicher. Die Mitglieder einer Gemeinschaft sammeln Know-how und geben dieses an andere Mitglieder werden; es gibt einen regen Wissensaustausch in solchen Gemeinschaften.
Dieser Austausch geschieht oft vorbei an offiziellen Prozessen, abteilungsübergreifend und informell. Dies macht solche Gemeinschaften, wie sie millionenfach in Unternehmen zu finden sind, zu einem höchst interessanten Mikrokosmos, den es sich zu betrachten lohnt. Für Unternehmen ist zudem interessant, wie solche Gemeinschaften sichtbar und besser nutzbar gemacht werden, ohne diese jedoch einzuschränken.
Inhalt
Communities of Practice als Rückgrat von Unternehmen
1 Communities of Practice
2 Gemeinschaften als Wissensspeicher
3 Lernen in Gemeinschaften
4 Warum Unternehmen Communities of Practice ernst nehmen sollten
5 Informelle Gemeinschaften fördern
6 Communities of Practice als sensible Gemeinschaften
7 Communities of Practice als Teil des Wissensmanagements
8 Communities of Practice als Risiko
9 Communities of Practice als Rückgrat von Unternehmen
Bibliografie
Communities of Practice als Rückgrat von Unternehmen
Gemeinschaften sind überall. Sie finden sich nicht nur in Vereinen und anderen Freizeitbereichen, sondern sind ein wichtiger Bestandteil von Unternehmen. Dort sorgen sie nicht nur für den Zusammenhalt von Bürogemeinschaften und anderen Communities, sondern haben noch eine andere wichtige Funktion: Communities sind ein wichtiger Wissensspeicher. Die Mitglieder einer Gemeinschaft sammeln Know-how und geben dieses an andere Mitglieder werden; es gibt einen regen Wissensaustausch in solchen Gemeinschaften. Dieser Austausch geschieht oft vorbei an offiziellen Prozessen, abteilungsübergreifend und informell. Dies macht solche Gemeinschaften, wie sie millionenfach in Unternehmen zu finden sind, zu einem höchst interessanten Mikrokosmos, den es sich zu betrachten lohnt. Für Unternehmen ist zudem interessant, wie solche Gemeinschaften sichtbar und besser nutzbar gemacht werden, ohne diese jedoch einzuschränken. Im vorliegenden Essay soll also die These betrachtet werden, inwiefern informelle Gemeinschaften, so- genannte Communities of Practice, einen wesentlichen Erfolgsfaktor für das Funktionieren von Unternehmen und anderen Organisationen darstellen.
1 Communities of Practice
Die amerikanische Autorin Etienne Wenger beschäftigte sich intensiv mit Gemeinschaften in informellen Kontexten. In ihren Untersuchungen fand die Wissenschaftlerin heraus, dass unsere soziale Welt durchsetzt mit informellen Gemeinschaften ist, sogenannten Communities of Practice: «Communities of practice are everywhere. We all belong to communities of practice» (Wenger 1998: 6). Solche Gemeinschaften finden sich unter anderem auch in Unternehmen als informelle Organisationen, als «an integral part of our daily lives» (dies. 7). Unabhängig von offiziellen Stellenbeschreibungen oder vordefinierten Vorgängen finden in Communities of Practice Praktiken und Rituale statt, die bestimmte Prozesse umgehen und laut Wenger für die Vitalität und das Funktionieren organisationaler Vorgänge unabdingbar sind.
Communities of Practice leben durch kontinuierliche reziproke Beziehungen der Mitglieder untereinander, die ganz unterschiedlicher Qualität sein können. Diese Art von Gemeinschaften teilen Sichtweisen und in aller Regel auch ein gemeinsames Ziel: «Die Mitglieder teilen eine Leidenschaft für etwas, das sie tun und lernen möchten, weshalb sie regelmäßig miteinander interagieren» (Schacht- ner 2008: 24). Sie zeichnen sich durch einen schnellen Informations- und Innovationsfluss aus und vor allem durch die Prozesshaftigkeit der innerhalb dieser Gemeinschaften stattfindenden Kommunikationen, die, werden diese in ihrer Gesamtheit betrachtet, wie ein fortgehender Prozess wirken, da Kommunikationen immer wieder aufgenommen werden. Gerade Probleme und deren Lösungen werden schnell und effizient diskutiert. Interessanterweise gibt es zwar keine fixe Zugehörigkeit – schon durch die Dynamik von Communities of Practice bedingt – allerdings können die Mitglieder dennoch durchaus eingrenzen, wer Teil dieser Wissensgemeinschaft ist und wer nicht. Wie jede Community verfügt auch eine Community of Practice über aneinander ausgerichtete, gemeinsam definierte Identitäten, gemeinschaftsinterne Kommunikationsmittel, Ausdrücke und gemeinsame Geschichten. Informelle Gemeinschaften besitzen eine gemein- same Perspektive auf die Welt. Wie bereits angedeutet, haben Communities of Practice Netzwerkcharakter, lassen sich also mit Netzwerken vergleichen. Es gibt Netzwerkpunkte – also die Mitglieder der informellen Gemeinschaft, die miteinander kommunizieren; die Verbindungen sind dabei unterschiedlich stark. Communities of Practice besitzen oftmals eine Peripherie, die weniger stark in die Geschehnisse und das Gemeinschaftsleben involviert ist wie die im Zentrum agierenden Akteurinnen. Der zentrale verbindende Faktor einer Community of Practice ist laut Wenger (1998: 181) Engagement ebenso wie Vorstellung: «The work of engagement is basically the work of forming communities of practice».
2 Gemeinschaften als Wissensspeicher
Doch wie können Gemeinschaften, deren Entstehung nicht intendiert ist, sondern die einfach «nebenbei» entstehen, eine derart wichtige Rolle für Unternehmen und andere Organisationen einnehmen, wie es in der Einleitung postuliert wurde?
Grund dafür ist vor allem, dass solche informellen Gemeinschaften auch und gerade solches Wissen speichern, das eben nicht in den organisationsinternen Wissensquellen abgespeichert ist. Communities of Practice besitzen ein kollektives Gedächtnis, in dem sich sehr wichtige Informationen finden, um zum Beispiel im Arbeitsalltag auftauchende Probleme zu lösen (Wenger 1998: 45f) Dabei geht es nicht immer nur darum, wie mit Problemen umgegangen wird, sondern auch, wo und wie für die Problemlösung notwendige Informationen abgerufen werden können oder welche Personen, Posten oder Abteilungen im Unternehmen konsultiert werden müssen: «They act as resources to each other, exchanging information, making sense of situations, sharing new tricks and new ideas, as well as keeping each other company and spicing up each other’s working days». Diese Vorgänge finden auch dann statt, wenn offiziell keine Teamarbeit stattfindet und einzelne Personen im Unternehmen getrennt voneinander arbeiten. Communities of Practice leben durch Kaffeepausen, gemeinsame Anfahrtswege und informelle Gespräche, die während der Arbeitszeit geführt werden.
Dabei ist das Wissen nicht nur sehr stark praxisorientiert, sondern es wird unter den Mitgliedern beständig und diskursiv verhandelt. «Indeed, practice is ultimately produced by its members through the negotiation of meaning» (Wenger 1998: 96). Gerade in informellen Gemeinschaften hängen Erfahrung und Kompetenz eng zusammen. Die Arbeits-gemeinschaften schulen nicht nur neue Mitarbeiterinnen ein, sondern erschaffen aus den einzelnen Erfahrungen der Mitglieder einen umfangreichen Wissenspool.
3 Lernen in Gemeinschaften
Gemeint sind damit keine Gemeinschaften, die sich vor allem bilden, um gemeinsam einen Lernprozess zu durchlaufen. Nach Schachtner (vgl. 2008) verdeutlichen Communities of Practice, dass Lernen eben nicht nur in speziell dafür geschaffenen Szenarien stattfindet, sondern durchaus auch außerhalb derer in informellen Kreisen. Stattdessen nimmt diese Überschrift Bezug auf die Fähigkeiten von Communities of Practice, nicht nur Wissen zu speichern, sondern auch, dieses weiterzugeben. Gerade da, wo es keine systematischen Einschulungs- und Einarbeitungsprozesse gibt, entstehen informelle Gemeinschaften auch, damit die Mitglieder voneinander profitieren können. In einer Abteilung sind grundsätzlich alle Kolleginnen daran interessiert, dass neue Mitarbeiterinnen schnell und effizient eingearbeitet werden, damit die Abteilung weiterhin funktioniert und gut arbeiten kann. Das kollektiv existierende Wissen über Prozesse, die von der Unternehmensführung so nicht vorgesehen sind und insofern auch nicht «offiziell» vermittelt werden, wird durch informelle Gemeinschaften gespeichert und beständig aktualisiert und weitergegeben. Dieses Wissen bezeichnet Wenger als «shared histories of learning» (Wenger 1998: 86).
Um ihren Wissensschatz aufzubauen und dann auch weitergeben zu können, braucht es allerdings Zeit. Die Umweltbedingungen, von denen Communities of Practice umgeben sind, können sich ändern, sind also dynamisch und flexibel. Die Veränderungen innerhalb der Communities geschehen in Abgleich mit den Dynamiken, denen ein Unternehmen (oder eine Organisation) unterworfen ist. Veränderte Marktlagen, neue Absatzwege, eine neue Unternehmensführung oder eine andere Gesetzeslage nehmen immer auch Einfluss auf die internen Prozesse von Unternehmen und insofern auch auf dessen informelle Gemeinschaften. Diese müssen neues Wissen aufnehmen, einordnen und es zum Teil des bereits vorhandenen Wissens machen, damit das in den Communities of Practice verhandelte Wissen aktuell bleibt.
Im Unterschied zu klassischen Lernszenarien bieten Communities auf Practice keine standardisierten oder genormten Lernabläufe an, sondern sind vielmehr als ein Fundus von organisationsbezogenem Wissen anzusehen. Das innerhalb solcher Gemeinschaften vermittelte Wissen ist nicht – wie Schulwissen – isoliert oder geeignet zum Auswendiglernen, sondern es vermittelt die gelebte Praxis bestimmter Tätigkeiten, die für die Erfüllung der jeweiligen Aufgaben notwendig sind. «Learning ist the engine of practice, and practice is the history of that learning». Es wird gelernt, wie Mitarbeiterinnen es schaffen, effizient für eine Organisation zu arbeiten und ein Gefühl für die Firmenkultur zu bekommen. Dazu zählt das kulturelle Repertoire, Stile, Diskurse und Themen, die besonders unternehmens- oder abteilungsspezifisch sind.
Das Lernen ist der Kern einer Community of Practice (vgl. Wenger 1998: 215). Die Mitglieder der Gemeinschaft lernen nicht nur durch den zur Verfügung gestellten Wissenspool, sondern auch durch ihr Engagement innerhalb dieser: sie verhandeln Wissen miteinander, tauschen sich darüber aus und erzeugen somit neues Wissen nicht nur für die Community of Practice, sondern auch für sich selbst: sie lernen also. Zudem werden eigene Strukturen und Sinnzusammenhänge rekonfiguriert und restrukturiert. Ein gesamter Lerneffekt entsteht auch dadurch, dass die Community beständig mit der Außenwelt konfrontiert ist. Die Probleme der Außenwelt müssen durch Aushandlungen gelöst werden, wodurch wiederum ein Lerneffekt entsteht und neues Wissen produziert wird.
4 Warum Unternehmen Communities of Practice ernst nehmen sollten
Wenger, McDermott und Snyder (2002: 28f) unterscheiden grundlegend fünf Arten bzw. Ebenen, wie Communities of Practice in Unternehmen integriert sein können. Diese Ebenen reichen von einer totalen Nichtbeachtung von Seiten der Unternehmensführung bis hin zu einer regelrechten Institutionalisierung der informellen Gemeinschaften: Communities of Practice können in Unternehmen oder anderen Organisationen (1) unbeachtet von der Unternehmensleitung sein, (2) informell, aber wahrgenommen von den Mitgliedern der Gemeinschaft selbst, (3) legitimiert durch das Unternehmen, (4) unterstützt und anerkannt als Teil des Unternehmenserfolgs oder (5) im Unternehmen offiziell anerkannt und institutionalisiert. Diese Ebenen zeigen, dass Unternehmen durchaus bereits in der Lage dazu sind, das Potenzial informeller Gemeinschaften zu erkennen und dieses auch gezielt zu nutzen. Davon abgesehen, dass die Institutionalisierung von Communities of Practice nicht grundsätzlich für jedes Unternehmen sinnvoll und durchführbar ist, weisen diese natürlich auch branchenabhängige Unterschiede in ihrer Beschaffenheit (und damit in der mo ̈glichen Nutzbarkeit durch das Unternehmen oder die Organisation) auf.
Unternehmen, die begreifen, welche Rolle informelle Gemeinschaften für den Erfolg ihrer Unternehmen spielen, können dies langfristig als Erfolgsfaktor nutzen. Die Stärke von Communities of Practice liegt darin, dass formale Prozesse und bürokratischer Aufwand durch die engen Bindungen der Mitglieder und die damit verbundenen informellen Verbindungen innerhalb des Unternehmens übergangen werden können. Informelle Gemeinschaften können die Effizienz des gesamten Unternehmens wesentlich beeinflussen (vgl. Wenger 1998: 119). Schoen (2001: 55) weist darauf hin, dass Communities of Practice in sehr vielen Unternehmen eine praktische Lösung für ein effizientes Wissensmanagement sein können. Der große Vorteil liegt demnach in den kurzen Wegen, welche die Mitglieder haben und der kontinuierlich fortgeführten Kommunikation, die beständig das Wissen der in den Communities of Practice aktiven Akteurinnen vermehren. Zudem können informelle Gemeinschaften ein Wettbewerbsvorteil sein, die Mitarbeiterinnenmotivation steigern und den Ausbau der Kernkompetenzen der Angestellten unterstützen.
5 Informelle Gemeinschaften fördern
Schoen (2001: 63f) weist darauf hin, dass der Hauptantrieb für Communities of Practice in diesen selbst liegt. Dennoch ist es allerdings möglich, Kontrollmechanismen, Regeln oder Anreizsysteme zu schaffen, um solche informellen Gemeinschaften zu fördern.
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- Citation du texte
- Sabine Stoll Oettrich (Auteur), 2015, Communities of Practice als Rückgrat von Unternehmen?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/455683
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