In der vorliegenden Studie wird überprüft, ob sich die Öffentlichkeit fragmentiert, d.h. in Teilöffentlichkeiten zerfällt, die sich dahingehend unterscheiden, welche politischen Themen ihre Mitglieder für relevant halten und welche Positionen sie vertreten. Darüber hinaus wird untersucht, ob es sich bei diesen Themen und Themendeutungen um die jeweils einzig bekannten handelt. Eine Clusteranalyse von per Online-Befragung erhobenen Daten zeigt, dass sich zwar verschiedene Teilöffentlichkeiten mit unterschiedlichen Themen- und Themendeutungsrelevanzen identifizieren lassen, die Mitglieder der Gruppen aber dennoch ausreichend über die Themen und Argumente anderer Teilöffentlichkeiten informiert sind. Letzteres wird anhand eines selbst entwickelten Fragmentierungsindexes ermittelt. Die Befürchtung, dass sich die Öffentlichkeit in Zeiten des gesellschaftlichen und medialen Wandels fragmentieren würde, kann durch die Befunde der vorliegenden Studie nicht bestätigt werden. Als förderlich für eine Fragmentierung der Gesellschaft erweisen sich allerdings die Merkmalsausprägungen „niedriges politisches Interesse“, „niedrige Bildung“, „hohe Politikverdrossenheit“, „geringe Nutzung öffentlich-rechtlicher Nachrichten“ und „schlechte Ressourcenausstattung“. Zentrales Anliegen der Studie ist die erstmalige Untersuchung des Vorhandenseins einer fragmentierten Öffentlichkeit, verstanden als themenbasierte Desintegration der Gesellschaft.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Theoretischer Hintergrund
3. Fragestellung und Hypothesen
4. Methodisches Vorgehen
4.1 Konzeptionalisierung
4.1.1 Operationalisierung von Fragmentierung
4.1.2 Entwicklung des Fragebogens
4.1.3 Pretest
4.2 Datengrundlage
4.3 Analyseverfahren
5. Ergebnisse
5.1 Beschreibung der Stichprobe
5.2 Clusterlösungen: Sieben Teilöffentlichkeiten
5.3 Fragmentierungsgrad der Teilöffentlichkeiten
5.4 Einflussfaktoren für Fragmentierung
5.5 Fragmentierung und Partizipation
6. Zusammenfassung
7. Diskussion und Ausblick
Literatur
Anhang
Abstract
In der vorliegenden Studie wird überprüft, ob sich die Öffentlichkeit fragmentiert, d.h. in Teilöffentlichkeiten zerfällt, die sich dahingehend unterscheiden, welche politischen Themen ihre Mitglieder für relevant halten und welche Positionen sie vertreten. Darüber hinaus wird untersucht, ob es sich bei diesen Themen und Themendeutungen um die jeweils einzig bekannten handelt. Eine Clusteranalyse von per Online-Befragung erhobenen Daten zeigt, dass sich zwar verschiedene Teilöffentlichkeiten mit unterschiedlichen Themen- und Themendeutungsrelevanzen identifizieren lassen, die Mitglieder der Gruppen aber dennoch ausreichend über die Themen und Argumente anderer Teilöffentlichkeiten informiert sind. Letzteres wird anhand eines selbst entwickelten Fragmentierungsindexes ermittelt. Die Befürchtung, dass sich die Öffentlichkeit in Zeiten des gesellschaftlichen und medialen Wandels fragmentieren würde, kann durch die Befunde der vorliegenden Studie nicht bestätigt werden. Als förderlich für eine Fragmentierung der Gesellschaft erweisen sich allerdings die Merkmalsausprägungen „niedriges politisches Interesse“, „niedrige Bildung“, „hohe Politikverdrossenheit“, „geringe Nutzung öffentlich-rechtlicher Nachrichten“ und „schlechte Ressourcenausstattung“. Zentrales Anliegen der Studie ist die erstmalige Untersuchung des Vorhandenseins einer fragmentierten Öffentlichkeit, verstanden als themenbasierte Desintegration der Gesellschaft.
Schlüsselwörter: Fragmentierung, Öffentlichkeit, Integration/Desintegration, Themen- und Themendeutungsrelevanzen.
The survey reviews if the public sphere decays into segments which differ from each other by the way their members attach importance to certain political issues and hold opinions. In addition to that it examines if the salient issues and opinions are the only ones known by the members of the “partial public spheres”. A cluster analysis shows that it is possible to identify different subgroups with various issue and opinion saliences. However, those subgroups are still sufficiently well-informed about the issues and arguments of other subgroups, which is checked by a self-developed index of segmentation. The fear of a public sphere that decays into fragments against the background of social change cannot be confirmed by the results of this survey. However, some factors seem to support social segmentation: “little political interest”, “low level of education”, “high disaffection of politics”, “low use of public service news” and “bad financial situation”. The central aim of the survey is to review the existence of a splitted public sphere for the first time, understood as social disintegration based on political issues.
Keywords: segmentation, public sphere, integration/disintegration, issue and opinion salience.
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Position der politischen Milieus nach Neugebauer (2007) auf den Werteachsen „Autoritär-Libertär“ und „Marktliberalismus-Sozialstaatlichkeit“
Abbildung 2: Faktoren der Partizipation
Abbildung 3: Faktoren der Mediennnutzung
Abbildung 4: Merkmalsausprägungen der Stichprobe
Abbildung 5: Verteilung der Befragten auf die Cluster
Abbildung 6: Gütemaße der Diskriminanzfunktion
Abbildung 7: Treffergenauigkeit der 7-Clusterlösung
Abbildung 8: Mittelwerte der dichotomen Variablen pro Cluster/Teilöffentlichkeit
Abbildung 9: Mittelwerte der Themen-Variablen pro Cluster
Abbildung 10: Mittelwerte der Positionsvariablen zum Thema „Steuersenkungen" pro Cluster
Abbildung 11: Mittelwerte der Positionsvariablen zum Thema „Arbeitnehmerfreizügigkeit" pro Cluster
Abbildung 12: Mittelwerte der Positionsvariablen zum Thema „Vorratsdatenspeicherung" pro Cluster
Abbildung 13: Mittelwerte der Positionsvariablen zum Thema „Frauenquote" pro Cluster
Abbildung 14: Mittelwerte der Positionsvariablen zum Thema „Energiewende" pro Cluster
Abbildung 15: Soziodemografie, politische Grundorientierungen, Ressourcen, Mediennutzung, Partizipation der Teilöffentlichkeiten „Unentschiedene Heimatbesorgte", „Umweltbewusste Gerechtigkeitsverfechter", „Kritische Individualisten" und „Freigeister"
Abbildung 16: Soziodemografie, politische Grundorientierungen, Ressourcen, Mediennutzung, Partizipation der Teilöffentlichkeiten „Meinungsstarke", „Indifferente Materialisten" und „Energiewendegegner"
Abbildung 17: Verteilung des Einzelitems „Kenntnis Themen generell" pro Teilöffentlichkeit in Prozent
Abbildung 18: Verteilung des Einzelitems „Kenntnis anderer Themen" pro Teilöffentlichkeit in Prozent
Abbildung 19: Verteilung des Einzelitems „Kenntnis Argumente" pro Teilöffentlichkeit in Prozent
Abbildung 20: Individuelle Fragmentierungsgrade pro Cluster in Prozent
Abbildung 21: Verteilung des Einzelitems „Kenntnis Themen generell" in der gesamten Stichprobe in Prozent
Abbildung 22: Verteilung des Einzelitems „Kenntnis anderer Themen" in der gesamten Stichprobe in Prozent
Abbildung 23: Verteilung des Einzelitems „Kenntnis Argumente" in der gesamten Stichprobe in Prozent
Abbildung 24: Verteilung der abhängigen Variable „Individueller Fragmentierungsgrad" in der gesamten Stichprobe in Prozent
Abbildung 25: Verteilung der unabhängigen Variable „Nutzung öffentlich-rechtlicher Nachrichten" in der gesamten Stichprobe in Prozent
Abbildung 26: Verteilung der unabhängigen Variable „Ressourcen" in der gesamten Stichprobe in Prozent
Abbildung 27: Verteilung der unabhängigen Variable „Werte (lib.-aut.)" in der gesamten Stichprobe in Prozent
Abbildung 28: Verteilung der unabhängigen Variable „Politisches Interesse" in der gesamten Stichprobe in Prozent
Abbildung 29: Verteilung der unabhängigen Variable „Politikverdrossenheit" in der gesamten Stichprobe in Prozent
Abbildung 30: Verteilung der unabhängigen Variable „Bildung" in der gesamten Stichprobe in Prozent
Abbildung 31: Verteilung der abhängigen Variable „Aktive Partizipation" in der gesamten Stichprobe in Prozent
Abbildung 32: Verteilung der abhängigen Variable „Protest-Partizipation" in der gesamten Stichprobe in Prozent
Abbildung 33: Verteilung der abhängigen Variable „Passiv-konventionelle Partizipation" in der gesamten Stichprobe in Prozent
Abbildung 34: Verteilung der abhängigen Variable „Partizipationsbreite" in der gesamten Stichprobe in Prozent
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Medienwirkungen im sozialen Wandel
Tabelle 2: Fragmentierungswerte je Indikatorausprägung
Tabelle 3: Sozioökonomische und libertär-autoritäre Items
Tabelle 4: Items zur Messung von internal und external efficacy
Tabelle 5: Fragmentierungsgrade der Teilöffentlichkeiten
Tabelle 6: Korrelationskoeffizienten für den Zusammenhang zwischen den unabhängigen Variablen „Nutzung öffentlich-rechtlicher" Nachrichten, „Ressourcen", „Werte (lib.-aut.)", „Politisches Interesse", „Politikverdrossenheit" und „Bildung" und der abhängigen Variable „Individueller Fragmentierungsgrad"
Tabelle 7: Korrelationskoeffizienten nach Spearman für den Zusammenhang zwischen der unabhängigen Variable „Individueller Fragmentierungsgrad" und den abhängigen Variablen „Aktive Partizipation", „Protest-Partizipation", „Passiv-konventionelle Partizipation" und „Partizipationsbreite"
Tabelle 8: Übersicht der Teilöffentlichkeiten
Anhangsverzeichnis
Anhang Abbildung 1: Verteilung des Einzelitems „Demokratiezufriedenheit“ in der gesamten Stichprobe in Prozent
Anhang Abbildung 2: Verteilung des Einzelitems „Internal Efficacy“ in der gesamten Stichprobe in Prozent
Anhang Abbildung 3: Verteilung des Einzelitems „External Efficacy“ in dert
Fragebogen
Kategorienschema für die Variablen „Wichtigstes Problem", „Zweitwichtigstes Problem" und „Drittwichtigstes Problem"
Zusammengefasste Kategorien für die Clusterbildung
1. Einleitung
Bürgerbeteiligung ist wieder in. Vor allem seit der Debatte um das Stuttgarter Bahnhofsprojekt „Stuttgart 21“ wird der Ruf nach mehr direktdemokratischen Beteiligungsmöglichkeiten auch bundesweit immer lauter. Im Juli 2010 forderten 76 Prozent der Deutschen laut einer Umfrage von Infratest dimap im Auftrag der ARD mehr bundesweite Volksentscheide (ARD-DeutschlandTrend 2010). In einer neueren Studie kommt das Meinungsforschungsinstituts TNS-Emnid zu einem ähnlichen Ergebnis: 81 Prozent der Bevölkerung sprechen sich für mehr politische Beteiligungsmöglichkeiten aus (Bertelsmann-Stiftung 2011). Jüngstes Beispiel dafür, wie sehr sich die Menschen eine andere Art von Politik wünschen, ist der Einzug der Piratenpartei in den Berliner Landtag, die mit ebendieser Forderung nach mehr Transparenz und Beteiligung angetreten waren. Der Feuilleton kennt mittlerweile sogar einen Begriff für den von der Politik empörten Bürger. Als „Wutbürger“ will er es sich nicht mehr gefallen lassen, dass politische Entscheidungen angeblich über seinen Kopf hinweg getroffen werden. Er will eigentlich nichts anderes als das, was den Kern einer jeden Demokratie ausmacht: Politik soll offen sein, an den Willensbildungsprozess der Bürger gebunden (vgl. Gerhards 1998: 25). Denn in einer Demokratie sind politische Entscheidungen „zustimmungsabhängig und deshalb auch öffentlich begründungs- und rechenschaftspflichtig“ (Sarcinelli 2009: 57). Ohne Öffentlichkeit der Meinungs- und Willensbildung ist Politik nicht wahrnehmbar. Ist sie nicht wahrnehmbar, kann man Entscheidungen nicht nachvollziehen oder beurteilen. Damit wären politische Entscheidungen im demokratischen Sinne nicht legitim. Oder kurz gesagt: Ohne Öffentlichkeit keine Demokratie1.
Wie aber steht es um die Öffentlichkeit? Gibt es wirklich ein kommunikatives Defizit in der Vermittlung und Wahrnehmung von Politik, das den Bürgern die Teilhabe am politischen Prozess erschwert, und könnten mehr Partizipationsmöglichkeiten etwas an dieser Situation ändern? Oder wollen manche Bevölkerungsteile vielleicht gar nicht erreicht werden? Vor allem mit der Ausdifferenzierung des Medienangebots – zunächst durch die Einführung des dualen Rundfunksystems, heute durch die Ausbreitung des Internets oder die Digitalisierung des Fernsehens – ist in der Wissenschaft die Befürchtung laut geworden, die Bürger könnten keine Kollektivinteressen mehr ausbilden (vgl. Jarren 1996). Das „System Öffentlichkeit“, das die Bedürfnisse und Forderungen der Bürger an die politischen Institutionen herantrage und die politischen Entscheidungen den Bürgern wiederum vermittle (vgl. Schulz 2008: 114-115), werde funktionsuntüchtig gemacht, wenn sich die Gesellschaft fragmentiert, d.h. in so genannte Teilöffentlichkeiten zerfällt, die sich dahingehend unterscheiden, welche Themen und Themendeutungen sie für relevant halten. Damit sei letztendlich auch die Integration der Gesellschaft in Gefahr „und die Chancen auf gesellschaftlichen Konsens, eine Voraussetzung für Stabilität in der Gesellschaft, sinken“ (Holtz-Bacha/Peiser 1999: 42). Da die Fragmentierungsthese ihre Wurzeln in der Mediennutzungs- und Medienwirkungsforschung hat, gibt es zwar einige Studien, die sich mit der Ausdifferenzierung – oder besser: Fragmentierung – des Medienangebots und der Mediennutzung auseinandersetzen (vgl. z.B. Brosius/Zubayr 1996, Semetko/Valkenburg 2000, Berens/Kiefer/Meder 1997, Handel 2000), eine Untersuchung, die sich mit der vielfach vermuteten, demokratietheoretisch relevanten Konsequenz dieser Entwicklung beschäftigt, nämlich der Desintegration der Gesellschaft, die damit unfähig zur allgemeinen Legitimierung demokratischer Entscheidungen wäre, gibt es bisher jedoch nicht.2 Ziel dieser Arbeit ist es daher, Antworten auf folgende Fragen zu geben:
1. Besteht die Gesellschaft aus Teilöffentlichkeiten, deren Mitglieder sich dahingehend unterscheiden, welche politischen Themen und Themendeutungen sie für relevant halten?
2. Wenn Teilöffentlichkeiten mit unterschiedlichen Themen- und Themendeutungs-relevanzen existieren, sind diese Themen und Themendeutungen dann die jeweils einzig bekannten?3
Methodisch soll die Fragestellung mittels einer Online-Befragung untersucht werden. Die Auswertung der Daten erfolgt anhand einer Clusteranalyse, mit deren Hilfe es möglich sein wird, verschiedene Teilöffentlichkeiten zu identifizieren. Ob es sich bei diesen Teilöffentlichkeiten tatsächlich um eine Fragmentierung handelt, wird durch einen Fragmentierungsindex ersichtlich, der jedem ermittelten Cluster einen bestimmten Fragmentierungsgrad zuweist.
Zunächst wird jedoch noch einmal genauer auf den theoretischen Hintergrund der Frage nach einer Fragmentierung der Öffentlichkeit eingegangen, wobei der normativen Theorie der Öffentlichkeit besondere Relevanz zukommt. Außerdem fließen Erkenntnisse der politischen Soziologie sowie der Medienwirkungs- und Mediennutzungsforschung in die Untersuchung ein. Ausgehend davon werden in Kapitel 3 die Forschungsfragen detaillierter vorgestellt und Hypothesen entwickelt. Das methodische Vorgehen wird in Kapitel 4 erläutert, anschließend werden die Ergebnisse vorgestellt. Nach einer kurzen Zusammenfassung werden diese diskutiert und einer kritischen Reflexion unterzogen.
2. Theoretischer Hintergrund
Was genau ist eigentlich Öffentlichkeit und wofür ist sie gut? Ganz allgemein gesprochen meint Öffentlichkeit schlichtweg, „dass etwas weder geheim noch privat ist“ (Kleinsteuber 2011: 412). Bezogen auf die Politik bedeutet das, alle Handlungen und Entscheidungen müssen für jeden Bürger wahrnehmbar sein. Sie müssen vermittelt und erklärt werden. Dieses Verständnis von Öffentlichkeit hat seine Wurzeln im 18. Jahrhundert, als „ein selbstbewusster werdendes Bürgertum forderte, das politische Handeln der Herrschenden öffentlich diskutieren und kommentieren zu können“ (ebd.: 412). Politische Angelegenheiten sind immer auch öffentliche Angelegenheiten, denn die getroffenen Entscheidungen beanspruchen allgemeine Geltung. Der Bürger hat ein Recht darauf, die Entscheidungen zu beurteilen, sie gutzuheißen oder abzulehnen. Öffentlichkeit ist somit dazu da, Demokratie überhaupt erst zu ermöglichen. Sie sorgt dafür, „dass sich die Bürgerinnen und Bürger im Sinne Kants als Autoren jener Gesetze und Institutionen betrachten können, denen sie sich selbst unterwerfen“ (Imhof 2003b: 401). Der normativen Theorie der Öffentlichkeit zufolge sollen die politischen Entscheidungen nicht von oben herab diktiert, sondern öffentlich vor den Augen aller ausgehandelt werden. Dies ist vor allem dann wichtig, wenn unterschiedliche Interessenlagen aufeinander treffen und miteinander vermittelt und wechselseitig sichtbar gemacht werden müssen. Nur durch das öffentliche Aushandeln kann ein Ergebnis akzeptiert werden – sei es als Konsens oder argumentativ fundierte Mehrheitsmeinung (vgl. Peters 1994). Auf diese Weise erhalten politische Entscheidungen ihre Legitimität.
Seit Luhmann wissen wir, dass das Öffentlichmachen politischer Angelegenheiten Aufgabe der Medien ist: „Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien“ (1996: 9).4 Diese herausgehobene Stellung bürdet den Medien eine enorme Verantwortung auf. „Sie sind in der Pflicht, Bürger in Demokratien mit ihrer Berichterstattung zur gesellschaftlichen Teilhabe zu ermächtigen“ (Gerhards/Schäfer 2007: 210). Im Idealfall stellen sie dann eine Öffentlichkeit her, die an den Prozess der demokratischen Meinungs- und Willensbildung anknüpft. Nach Schulz (1998: 62) sollen an diesem Prozess „möglichst alle Bürger eines Gemeinwesens beteiligt sein und ihre Interessen zur Geltung bringen können“. Dies schließt an das Habermassche Verständnis von Öffentlichkeit an, wonach Öffentlichkeit erst dann als solche zu begreifen sei, wenn keine angebbaren Gruppen ausgeschlossen wären (Habermas 1990: 156). Eine größtmögliche Öffentlichkeit nützt dabei immer beiden Seiten – den Regierenden wie den Bürgern. Während die einen umfassende Legitimität für ihre Beschlüsse und damit zumeist auch Unterstützung erhalten, sind die anderen in der Lage, ihre Erwartungen an die Politik heranzutragen (vgl. Holtz-Bacha 1997: 15). Aus systemtheoretischer Sicht kann man sich Öffentlichkeit in diesem Sinne als Modell aus Input (lösungsbedürftige Probleme, Erwartungen der Bürger), Throughput (Diskussion von Meinungen und Argumenten) und Output (Entscheidungen vermitteln und akzeptieren) vorstellen. Neidhardt (1994: 8f.) ordnet jeder dieser Prozessstufen eine normative Funktion von Öffentlichkeit zu. Die Offenlegung von verschiedensten Themen und Meinungen sowie die Offenheit für alle gesellschaftlichen Gruppen nennt er Transparenzfunktion. Politik wird wahrnehmbar und einer Beurteilung überhaupt erst zugänglich gemacht. Die Verarbeitung und Aushandlung der verschiedenen Themen und Meinungen zwischen den unterschiedlichen Akteuren soll anschließend diskursiv erfolgen: „Durch Diskussion von Meinungen und Argumenten, Abwägen von Pro und Kontra, durch gegenseitige Überzeugung soll es zu einer Konsens- oder Mehrheitsentscheidung kommen. Daraus sollen politische Beschlüsse von abgeklärter Rationalität resultieren, die in größt-möglichem Maße dem Gemeinwohl dienen“ (Schulz 1998: 62). Dies nennt Neidhardt die Validierungsfunktion von Öffentlichkeit. Auf dieser Grundlage können sich die Bürger abschließend eine kompetente Meinung bilden, die getroffenen Entscheidungen durch Einsicht in das bessere Argument akzeptieren und der Politik ihre Legitimität zusprechen. Öffentlichkeit erfüllt auf dieser Stufe eine Orientierungsfunktion. Nach Imhof (2003a) verbinde eine in diesem Sinne „funktionierende“ Öffentlichkeit zwei Prinzipien der Moderne: das Prinzip der Demokratie und das Prinzip der Aufklärung. Da durch die Transparenzfunktion die Politik ihre Macht nur in einer Weise einsetzen kann, die der Gesellschaft dienlich ist, macht Öffentlichkeit Volkssouveränität möglich (Prinzip der Demokratie). Durch die Validierungsfunktion mit ihrer Forderung nach sorgsamer Abwägung von Argumenten entsteht Rationalität, die eine aufgeklärte Entscheidungsfindung und somit Zustimmung durch Einsicht ermöglicht (Prinzip der Aufklärung). Damit ist Öffentlichkeit eine notwendige Voraussetzung für das Funktionieren jeder Demokratie. Sie kann beschrieben werden als „eine Sphäre öffentlicher, ungezwungener Meinungs- und Willensbildung der Mitglieder einer demokratischen Gemeinschaft über die Regelungen der öffentlichen Angelegenheiten“ (Peters 1994: 45). Damit die Medien eine Öffentlichkeit herstellen können, die allen drei Funktionen nachkommt, müssen sie eine Reihe von Voraussetzungen erfüllen. Sie müssen erstens eine möglichst große Vielfalt an Themen und Themendeutungen behandeln sowie unterschiedlichste gesellschaftliche Akteure zu Wort kommen lassen. Zweitens soll die Berichterstattung deliberativ erfolgen, d.h. eine Debatte und Diskussion erzeugen „aimed at producing reasonable, well-informed opinions in which participants are willing to revise preferences in light of discussion, new information, and claims made by fellow participants” (Weßler 2008: 2). Positionen sollen argumentativ begründet und die gegenseitige Bezugnahme aufeinander ermöglicht werden. Zudem soll allen Positionen mit Respekt begegnet werden.
Dass die Herstellung einer solch voraussetzungsvollen Öffentlichkeit von den Medien nicht immer geleistet wird, darauf weisen zahlreiche Studien hin. Je nach redaktioneller Linie lassen sie bestimmte Akteure zu Wort kommen, heben bestimmte Ereignisse besonders hervor oder verschweigen wichtige Argumente (vgl. z.B. Schönbach 1977, Hagen 1992, Kepplinger 1994, Dybski et al. 2010). Auch in der Theorie bestehen unterschiedliche Auffassungen darüber, inwieweit Öffentlichkeit alle drei Funktionen erfüllen muss (vgl. Gerhards/Neidhardt/Rucht 1998). Während die deliberative Vorstellung von Öffentlichkeit (vgl. Habermas 1992) hohe Ansprüche stellt und neben der Offenheit für jegliche Inhalte und Akteure auch die Diskursivität öffentlicher Kommunikation mit den oben genannten Charakteristiken fordert, um auf dieser Grundlage Verständigung zu erzielen, geht das liberale Öffentlichkeitsmodell davon aus, dass es einzig darauf ankomme, alle Themen und Meinungen wahrnehmbar zu machen. Ob der Aushandlungsprozess dabei „qualitativ hochwertig“ erfolgt, ist sekundär. Einzige Forderung ist hier, dass alle Positionen mit Respekt behandelt werden. Dieses Modell, das auch unter dem Namen „Spiegelmodell“ bekannt ist, hebt somit vor allem die Wichtigkeit der Transparenzfunktion der Öffentlichkeit hervor. Wie in einem Spiegel sehe ein Akteur nicht nur seine eigene Meinung in der Öffentlichkeit, sondern auch „die Konkurrenten, die quertreibenden Bestrebungen, die Möglichkeiten, die nicht für ihn, aber für andere attraktiv sein könnten“ (Luhmann 1990: 181). Damit bestehe die zentrale Funktion von Öffentlichkeit „in der Ermöglichung der Beobachtung der Gesamtgesellschaft durch die Gesellschaft, in der Ermöglichung von Selbstbeobachtung“ (Gerhards 1994: 87). Donges und Imhof (2010: 186) nennen dies auch die sozialintegrative Dimension von Öffentlichkeit. Durch Öffentlichkeit werde die Gesellschaft überhaupt erst konstituiert.
Der Ermöglichung der Demokratie geht damit ein zweites Verdienst der Öffentlichkeit voraus: die Ermöglichung der Gesellschaft. Oder anders ausgedrückt: die Integration der Gesellschaft durch öffentliche Kommunikation, die unterschiedliche Positionen einschließt und gegenseitig sichtbar macht (vgl. Krotz 1998: 95, Gerhards/Neidhardt/Rucht 1998: 29). Es ist seit jeher eine Grundfrage der Soziologie, wie der Zusammenhalt einer Gesellschaft gelingen kann. Unter den Bedingungen des sozialen Wandels stellt sich diese Frage ganz besonders. Nach Schäfers (2004: 10) wird unter sozialem Wandel „die Veränderung der Sozialstruktur einer Gesellschaft oder einzelner ihrer Bereiche in einem bestimmten Zeitraum verstanden“. Der Begriff umfasse „die Gesamtheit der Veränderungen im Normen- und Wertesystem, der Institutionen und Organisationen, der Ökonomie und Kultur, der Politik und Verwaltung, der Religion und der Kommunikation“ (ebd.). Veränderungen der modernen Gesellschaft beziehen sich somit sowohl auf die materielle Ebene wie auf die Ebene der Lebenshaltungen. Kennzeichen der modernen Sozialstruktur seien bspw. der Anstieg der Lebensstandards, die zunehmende Vielfalt der Lebensbedingungen, der Individualisierungsschub und die zunehmende Mobilität (vgl. Geißler 2004).5 Statt traditioneller Institutionen wie Schule, Kirche oder Partei werden die Medien zu Sinnstiftern der Gesellschaft. Es ist ihr „demokratiepolitischer Auftrag, ein Potential an Konsens und Integration zu sichern“ (Handel 2000: 13). Die gesellschaftlichen Entwicklungen werden daher auch gerne mit dem Etikett der „Medialisierung“ (Imhof 2003b: 407) versehen. Nach Jarren stellt das Mediensystem
„die Themen für die gesamtgesellschaftliche Kommunikation bereit und ermöglicht durch Selektionsentscheidungen vielfältige Möglichkeiten zur Anschlusskommu-nikation. Durch die Herstellung von Öffentlichkeit werden den Akteuren in zeitlicher Hinsicht dauerhaft Formen zur Anschlusskommunikation ermöglicht. Und da an der Massenkommunikation alle Individuen wie Akteure Anteil als auch (potenziell) Zugang dazu haben, sind in sozialer Hinsicht alle an diesem Prozess dauerhaft beteiligt“ (2000: 38).
Dass die Medien einen Beitrag zur gesellschaftlichen Integration leisten, ist in der kommunikationswissenschaftlichen Literatur unbestritten (vgl. z.B. Maletzke 1980, Ronneberger 1985, Holtz-Bacha 1997). „Medien stellen [...] eine Art ‚Gedächtnis der Gesellschaft’ (Luhmann) dar, indem sie gemeinsam geteiltes (Hintergrund-) Wissen bereitstellen, an den gemeinsam geteilten Wertekanon anschließen, Themen Relevanz verleihen etc. und damit soziale Beziehungen sichtbar und eben möglich werden lassen“ (Jarren 2000: 31). In Deutschland ist die Integrationsfunktion der öffentlich-rechtlichen Medien durch das 2. Rundfunkurteil des Bundesverfassungsgerichts von 1971 sogar gesetzlich festgeschrieben: „Die Rundfunkanstalten stehen in öffentlicher Verantwortung, nehmen Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahr und erfüllen eine integrierende Funktion für das Staatsganze“ (BverfGE 31: 314).
Im Zuge des sozialen Wandels ist in den Sozialwissenschaften seit den 1980er Jahren eine Diskussion darüber ausgebrochen, was die Veränderungen für die gesellschaftliche Struktur und den Zusammenhalt der Gesellschaft bedeuten. Während manche Wissenschaftler die Auflösung der gesellschaftlichen (Schicht-) Strukturen vorhersagen (vgl. z.B. Beck 1983 und 1986), sehen andere eine zwar unübersichtliche, aber nicht unstrukturierte Gesellschaft (vgl. z.B. Vester et al. 2001).6 Nach Geiling/Vester (2007: 467ff.) ist bspw. die Auflösung der Parteibindungen nicht mit dem Zerfall der Arbeiter- und Kirchenmilieus durch die Individualisierung zu erklären, sondern durch eine Ausdifferenzierung der traditionellen Cleavages „Kapital-Arbeit“, „Kirche-Staat“, „Zentrum-Peripherie“ und „Land-Stadt“ in die zwei neuen Werteachsen „Marktliberalismus-Sozialstaatlichkeit“ und „Autoritär-Libertär“, zu deren Definition besonders Herbert Kitschelt in seinem Werk „The Transformation of European Social Democracy“ (1994) beigetragen hat. Autoritäre Wertorientierungen sind hierbei mit dem Wunsch nach starken Gesetzen und restriktiveren Zuwanderungsregelungen gleichzusetzen, während libertäre Werte mit der Hoffnung auf mehr Bürgerrechte, mehr Partizipationsmöglichkeiten und dem Gelingen einer multikulturellen Gesellschaft einhergehen. Vester et al. (2001) sowie Geiling/Vester (2007) stellten zudem fest, dass sich die Gesellschaft in sozialer wie politischer Hinsicht immer noch in Milieus, d.h. „Gruppen Gleichgesinnter [...], die jeweils ähnliche Wertehaltungen, Prinzipien der Lebensgestaltung, Beziehungen zu Mitmenschen und Mentalitäten aufweisen“ (Hradil 2006: 4), bzw. gesellschaftspolitische Lager aufteilen lässt. Letztere haben ihren Kern dabei in den verschiedenen sozialen Milieus, schließen aber auch mehrere Milieus ein, wodurch die im politischen System üblichen Koalitionen abgebildet werden. Ein anderes – wertebasiertes – Modell politischer Milieus stellt Neugebauer (2007) vor. Konstituiert werden diese durch die Orientierungen hinsichtlich der Wertkonflikte nach Kitschelt sowie hinsichtlich des Konflikts „Religiosität-Säkularität“ der Gesellschaftsmitglieder, weitere Merkmale wie z.B. die Soziodemografie dienen zur näheren Beschreibung. Insgesamt identifiziert Neugebauer sieben politische Milieus („Leistungsindividualisten“, „Etablierte Leistungsträger“, „Kritische Bildungseliten“, „Engagiertes Bürgertum“, „Zufriedene Aufsteiger“, „Bedrohte Arbeitnehmermitte“, „Selbstgenügsame Traditionalisten“, „Autoriätsorientierte Geringqualifizierte“ und „Abgehängtes Prekariat“), die er auf den zwei Werteachsen nach Kitschelt positioniert:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Position der politischen Milieus nach Neugebauer (2007) auf den Werteachsen „Autoritär-Libertär“ und „Marktliberalismus-Sozialstaatlichkeit“.
Gerne vernachlässigt wird in der Milieuforschung die Rolle der Medien, die als kultureller Teil des sozialen Wandels ebenso wie die gesamte Gesellschaft von Veränderungen betroffen sind und den sozialen Wandel ihrerseits weiter vorantreiben (vgl. Schäfers 2004: 15). Letzteres führte vor allem in den 1990er Jahren auch in der Kommunikationswissenschaft zu einer Debatte über die Auswirkungen des Medienwandels. Durch die veränderten materiellen und zeitlichen Ressourcen der Bürger veränderte sich die Nutzung der Medien, technische Entwicklungen wie zunächst die Kabelkommunikation, heute die Digitalisierung und das Internet bewirkten eine enorme Vermehrung des medialen Angebots. Dies hat Folgen für die Öffentlichkeit und damit auch für die Gesellschaft: Öffentlichkeit besteht nun „aus einer Vielzahl an Kommunikations-foren“ (Gerhards 2002: 694), deren Zugang zwar prinzipiell für jeden offen sei, jedoch durch das enorme Ausmaß an Kommunikationsforen „faktisch beschränkt“ (Strohmeier 2004: 77). Damit sei den Medien ihre frühere Fähigkeit abhanden gekommen, Themen und Themendeutungen durch große Reichweiten allgemein bekannt zu machen. Besonders den damals neu eingeführten privat-kommerziellen Medien wurde unterstellt, sie fühlten sich gar nicht verpflichtet, eine allgemeine Öffentlichkeit herzustellen und politische Kollektivinteressen der Bürger könnten sich damit nicht mehr herausbilden (vgl. Jarren 1996). „Komplementär dazu erhöht sich die Wahrscheinlichkeit einer Fragmentierung des Kollektivs der Bürger“ (ebd.: 92). Der Fragmentierung des Kollektivs der Bürger geht dabei die Fragmentierung der Öffentlichkeit voraus, die Schulz wie folgt definiert:
„die Aufsplitterung der gemeinsamen, durch Massenmedien hergestellten Öffentlichkeit in verschiedene Teilöffentlichkeiten. Diese Teilöffentlichkeiten werden durch thematisch spezialisierte Medien konstituiert, denen sich jeweils entsprechend unterschiedliche Publika mit spezifischer Demographie und divergierenden Interessen zuwenden. Zusätzlich wird vermutet, dass die Schnittmengen bzw. Fluktuationen zwischen den Teilöffentlichkeiten abnehmen. Dadurch kommt es zu einem Verlust an gemeinsamer Erfahrung. Themenbewusstsein, Themenbehandlung und Meinungsbildung unterscheiden sich je nach Teilöffentlichkeit. Die zentripetalen, desintegrativen Tendenzen in der Gesellschaft werden verstärkt“ (1999: 92).7
Die Vergrößerung des Medienangebots bringe also ein verändertes Mediennutzungsverhalten der Bürger mit sich, was sich in einer Differenzierung des Medienpublikums in Teilpublika äußere. Dies wiederum führe dazu, dass die Gesellschaft über immer weniger gemeinsame medienvermittelte Erfahrungen verfüge, damit gleichzeitig auch weniger Gesprächsthemen habe und sich in der Folge desintegriere (vgl. Holtz-Bacha/Peiser 1999: 41f.).8 Es entstehen „zunehmend voneinander abgeschottete Teilöffentlichkeiten mit unterschiedlichen Wissensbeständen und Themenagenden“ (Handel 2000: 11) auf der Grundlage einer Medienentwicklung, die „durch Trennungen und Klüfte zwischen verschiedenen Segmenten der Bevölkerung gekennzeichnet ist, zwischen denen nicht nur keine direkte Kommunikation mehr stattfindet, sondern auch die Massenkommunikation nicht vermitteln kann“ (Hasebrink 1997: 266). Dabei kommt es übrigens nicht darauf an, wie voraussetzungsvoll die normativen Kriterien sind, die an das Modell von Öffentlichkeit angelegt werden. Sowohl das liberale wie das deliberative Öffentlichkeitsmodell gehen davon aus, dass die gesellschaftlich relevanten Themen allen Bürgern bewusst und damit auch vor ihrer aller Augen ausgehandelt werden können (vgl. Gerhards 1998: 40). Eine Fragmentierung der Öffentlichkeit, die dazu führt, dass bereits die einfachste, aber grundlegendste Funktion von Öffentlichkeit, die Transparenzfunktion, nicht mehr geleistet werden kann, ist insofern für beide Öffentlichkeitsmodelle inakzeptabel.
Allerdings ist der Analogieschluss, wie er oben dargestellt wurde, zu einfach gedacht. Denn die Vergrößerung des Medienangebots allein führt eben nicht „unweigerlich zu einer Aufspaltung des Publikums in eine Vielzahl von Teilpublika“ (Holtz-Bacha 1997: 13). Drei weitere Kriterien müssen hierfür erfüllt sein: Erstens muss mit der Viel zahl des Medienangebots tatsächlich auch eine Viel falt des Angebots einhergehen. Wer Fragmentierung befürchtet, setzt diese Bedingung meist unhinterfragt voraus, obwohl ihr einige Entstehungsprinzipien von Medieninhalten entgegenwirken. So z.B. die Tatsache, dass Medien ihre gesellschaftlich relevanten Inhalte in den meisten Fällen extern aus dem politischen System beziehen und diese somit für unterschiedliche Medien gleich sind (vgl. Gerhards 1998: 41f.). Hinzu kommen journalistische Selektionskriterien (Nachrichtenfaktoren), die einer Nachricht objektiv eingeschrieben sind und über verschiedene Medien hinweg zur Auswahl derselben Nachricht führen (vgl. z.B. Theiß-Berglmair 1998: 154) sowie die Tatsache, dass sich Medien untereinander beobachten und sich so genannte Leitmedien etabliert haben, die Themen vorgeben (vgl. Rössler 2000). Sollten sich dennoch inhaltlich unterschiedliche Medienangebote herausbilden, kann dies nur dann zu einer Fragmentierung des Publikums und somit der Gesellschaft führen, wenn das differenzierte Angebot auch auf eine differenzierte Nachfrage trifft: „Neue Angebote können schließlich vom Publikum auch ignoriert werden oder sich zu (neuen) massenhaft genutzten Publikumslieblingen entwickeln“ (Handel 2000: 59). Und selbst wenn sich die Mediennutzung tatsächlich differenziert, ist noch nicht gesichert, dass die unterschiedliche Nutzung auch zu einer unterschiedlichen Wahrnehmung des politischen Geschehens führt. Vielmehr wäre zu klären, „ob die beobachtbaren Differenzen im Umgang mit den Medien tatsächlich mit entsprechenden Differenzen in der Wahrnehmung der Realität einhergehen oder ob nicht auch unterschiedliche Informationswege durchaus zum selben Ziel führen können“ (Hasebrink 1997: 277), da Rezipienten Medieninhalte jeweils unterschiedlich verarbeiten. Es sei daher plausibel anzunehmen, dass sich je nach Thema unterschiedlich große Öffentlichkeiten zusammenfinden (vgl. Niesel 1998: 127).
Des Weiteren sehen manche Wissenschaftler in der Fragmentierung nicht unbedingt etwas Negatives. Teilöffentlichkeiten könnten vielmehr aus dem Blickwinkel einer demokratischen Arbeitsteilung verstanden werden, die so funktioniere, dass sich die unterschiedlichen Öffentlichkeiten auf bestimmte Themen und Problembereiche konzentrieren. Dies „erhöht die Gesamtkapazität für die Behandlung von Themen und ermöglicht spezielle Kompetenzsteigerungen durch intensivere Beschäftigung mit bestimmten Themengebieten“ (Peters 1994: 62, vgl. auch Krotz 1998: 112). Dieses Verständnis einer ausdifferenzierten Öffentlichkeit setzt allerdings voraus, dass die unterschiedlichen Teilöffentlichkeiten weiterhin miteinander in Kontakt treten und eine Verständigung immer noch gewünscht ist. Statt des negativ konnotierten Begriffs der Fragmentierung sollte für diese Art der Öffentlichkeit besser der Begriff der Pluralisierung verwendet werden. Gestaltet sich die Öffentlichkeit plural, ist sie zwar auch ausdifferenziert, aber auf eine günstige, ja sogar demokratietheoretisch geforderte Weise. Neben ihrer Integrationsfunktion sind die Medien schließlich auch dazu angehalten, nicht einseitig zu berichten. Denn Vielfalt in der Berichterstattung und im Medienangebot ist einer Demokratie förderlich. Der Grat zwischen funktionaler Pluralisierung und dysfunktionaler Fragmentierung ist allerdings ein schmaler. Denn weder sollen Medien bestimmte Themen und Positionen besonders bevorzugen, noch sollen sie sich in ihrem Themen- und Themendeutungsspektrum so stark ausdifferenzieren, dass die Gesellschaft keine gemeinsame Kommunikationsgrundlage aufbauen kann. Winfried Schulz hat die homogenisierenden und differenzierenden Wirkungen von Medien entlang der Dimensionen „optimistische“ und „pessimistische Sichtweise“ – man könnte auch sagen „funktionale“ und „dysfunktionale Wirkung“ – anschaulich dargestellt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Medienwirkungen im sozialen Wandel (eigene, leicht veränderte Darstellung nach Schulz 1999: 91).9
Fragmentierung wäre in diesem Verständnis als dysfunktionale Differenzierung einzuordnen, die es im Sinne einer funktionierenden Demokratie zu vermeiden gilt. Tatsächlich finden wir gegenwärtig eine Situation vor, in der wir mit einer Vielzahl an Medienangeboten konfrontiert werden. Allein die Zahl der bundesweit empfangbaren privaten Fernsehsender hat sich seit dem Jahr 2003 mehr als verdoppelt. Zum 1. Juli 2010 waren somit insgesamt 173 private Sender verfügbar (vgl. Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich 2010). Hinzu kommen knapp 400 Tages-, Wochen- und Sonntagszeitungen sowie mehrere tausend General- und Special-Interest-Zeitschriften (vgl. Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e.V. 2010), von den unzähligen Informationsangeboten im Internet ganz zu schweigen. Ob mit dieser Vielzahl an Medienangeboten allerdings auch wahre Vielfalt einhergeht, darüber ist die wissenschaftliche Forschung uneins. So fanden Bruns/Marcinkowski (1997) in einer Untersuchung zur politischen Information im Fernsehen heraus, dass sich Nachrichten- und politische Informationssendungen der öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehsender inhaltlich wie hinsichtlich der Präsentationsart eher angleichen als „alternative politische Fernsehrealitäten“ herzustellen. Brosius/Zubayr (1996) stellen diesem Befund die Erkenntnis einer hohen externen Genrevielfalt10 entgegen, wobei ein Zuschauer im Durchschnitt zwischen 8,21 verschiedenen Genres (u.a. Information, Unterhaltung, Sport) wählen könne. Aktuelle Zahlen zur internen Programmstruktur einzelner Sender weisen allerdings darauf hin, dass es einen Unterschied macht, ob eher öffentlich-rechtliche oder eher private Fernsehsender genutzt werden: Während ARD und ZDF mit 42,7 bzw. 48,2% Sendezeitanteilen verstärkt auf Information setzen, entfallen bei den privaten Sendern RTL, Sat.1 und ProSieben jeweils nur 33,3, 17,6 und 23,5% der Sendezeitanteile auf diese Programmsparte (vgl. Krüger/Zapf-Schramm 2009). Und selbst innerhalb von Nachrichtensendungen unterscheiden sich die Angebote öffentlich-rechtlicher und privater Sender deutlich. So berichtete RTL Aktuell im Jahr 2008 in lediglich 18,3% der Fälle über Politik, die ARD-Tagesschau kommt dagegen auf einen Politikanteil von 48% (vgl. Krüger 2009: 78). Unterschiede zeigen sich außerdem auf der Ebene der Einzelthemen: So bevorzugen private Sender emotionale und boulevardeske Themen wie Kriminalitätsdelikte, die in öffentlich-rechtlichen Nachrichten nur selten angesprochen werden. Stattdessen berichten öffentlich-rechtliche Sender stärker über politische Auslandsereignisse, die für ein Massenpublikum von geringerem Interesse sind (vgl. ebd.: 85).
Im Hinblick auf die Fragmentierung der Gesellschaft, verstanden als die Existenz struktureller Unterschiede in der Wahrnehmung und Bewertung von Themen und ihren spezifischen Inhalten, ist jedoch nicht nur von Bedeutung, welche groben Themenkategorien die verschiedenen Medien abdecken, sondern auch wie genau über einzelne Themen berichtet wird. Mit dieser Mikroebene der Medienangebotsforschung beschäftigt sich bspw. die Framing-Forschung. Sie befasst sich mit der Identifizierung von Frames, d.h. von Deutungsmustern, die sich unter anderem in Medieninhalten wiederfinden und durch deren Verwendung Themen aus einem ganz bestimmten Blickwinkel betrachtet werden. Je nachdem welche Lesart einem Thema auf diese Weise eingeschrieben wird, erhält der Rezipient eine bestimmte Vorstellung von der Realität (vgl. Gerhards/Schäfer 2007: 214f.; als Beispiele für empirische Studien zur Wirkung von Frames vgl. z.B. Scheufele 2003, Kim et al. 2002, Matthes 2007). Untersuchungen, die nach Unterschieden im Framing zwischen verschiedenen Medienangeboten fragen, sind meist fallstudienartiger Natur und auf einzelne Themen beschränkt. Dennoch deuten die Befunde darauf hin, dass unterschiedliche Medien unterschiedlich über verschiedene Themen berichten. Engelmann (2009) hat dies bspw. im Vergleich der Berichterstattung der Zeitungen „Die Welt“ und „Frankfurter Rundschau“ zur EU-Osterweiterung ermittelt. Die Berichterstattung entsprach jeweils der redaktionellen Linie der Tageszeitungen. Dass wir es auf der Ebene von Einzelthemen mit einem differenzierten und damit vielfältigen Medienangebot zu tun haben, bestätigen auch die Ergebnisse der Studie von Semetko/Valkenburg (2000). Sie untersuchten die Häufigkeit des Vorkommens so genannter themenübergreifender Frames (namentlich „Wirtschaft“, „Moral“, „Konflikt“, „Verantwortung“ und „Human Interest“) in der EU-Berichterstattung verschiedener Zeitungen und Fernsehsender. Unterschiede zeigten sich vor allem zwischen „sober and serious“ und „sensationalist outlets“. Während die einen stärkeren Gebrauch des Human Interest-Frames machten, nutzten die anderen besonders den Verantwortungs- und Konflikt-Frame. Ähnliche Unterschiede dürften sich auch für die deutsche Medienlandschaft ergeben. Vor allem wenn es um die Detaildarstellung von Themen geht, spricht einiges für eine Differenzierung des Medienangebots, die neuerdings durch die zahlreichen Online-Angebote wie bspw. Weblogs zusätzlich verstärkt werden dürfte.
Ein differenziertes Angebot alleine kann jedoch nur eine erste notwendige Bedingung für Fragmentierung sein. Weiter ist entscheidend, ob das vielfältige Angebot von den Rezipienten in gleich differenziertem Maße genutzt wird. Auch hierzu kennt die Forschung unterschiedliche Befunde. Der Großteil der Untersuchungen fällt dabei zeitlich mit der Etablierung des dualen Rundfunksystems zusammen. So stellten Becker/Schönbach (1989) eine wachsende Spezialisierung der Rezipienten im Umgang mit den Medien fest, die Berens/Kiefer/Meder (1997) in einer Sonderauswertung der Studie Massenkommunikation auf zwei Ebenen bestätigen konnten. Die Spezialisierung erfolge sowohl inhaltlich (unterhaltungsorientierte vs. informationsorientierte Nutzung) als auch hinsichtlich einer Konzentrierung auf Programmtypen (öffentlich-rechtliche vs. private Fernsehprogramme) (vgl. ebd.: 90). Hasebrink sieht mit der Veränderung des Angebots eine weitere „Profilierung bereits angelegter Nutzungsformen“ einhergehen, „indem sich strukturelle Voraussetzungen für die Fernsehnutzung deutlicher niederschlugen und individuelle Vorlieben sehr viel konsequenter verfolgt werden konnten“ (1994: 281). Das Publikum verstreue sich. Dass sich die Rezipienten in ihrer Mediennutzung relativ stark voneinander unterscheiden, stellte auch Handel (2000) in einer repräsentativen Befragung mithilfe eines selbst entwickelten Fragmentierungsindexes der Mediennutzung fest. In einer neueren Studie erklärte Haas (2007) die unterschiedlichen „Medienmenüs“ der Nutzer mit ihren unterschiedlichen soziodemografischen Merkmalen. Der Begriff „Medienmenü“ deutet jedoch auch darauf hin, dass die Rezipienten aus dem reichhaltigen Angebot mehrerer Medien „kosten“. Sie sind mit der Nutzung eines Angebots nicht für andere Angebote vergeben, sondern können durchaus verschiedenen Zielgruppen angehören (vgl. Hasebrink 1997: 269ff.). Erkenntnisse darüber, wie sich die Mediennutzung genau zusammensetzt, bietet bspw. die MedienNutzerTypologie. Sie zeigt ein differenziertes Bild der Nutzung in Abhängigkeit von Faktoren wie Themeninteressen, allgemeinen Werten, Lebenszielen u.a.m. Allerdings wird die Mediennutzung nur grob als Nutzung der verschiedenen Medientypen Fernsehen, Radio, Zeitung und Internet verstanden (vgl. Oehmichen/Schröter 2008). Etwas detaillierter untersuchten Hasebrink/Popp (2006) in einer Sekundäranalyse der Langzeitstudie Massenkommunikation, wie sich Menschen anhand ihrer Mediennutzung gruppieren lassen. Mediennutzung verstanden sie dabei als Nutzung von „hard news“ in Zeitungen, Radio und Fernsehen. Mittels einer Clusteranalyse identifizierten sie sechs verschiedene Nutzertypen, so z.B. den Typ „Low over all use of information“ oder „Television and newspaper information“.
Insgesamt lässt sich festhalten, dass sich sowohl Medienangebot als auch Mediennutzung differenziert haben, allerdings nicht in dem Maße, wie es jeweils mit dem Aufkommen neuer Medien befürchtet wurde. Um die genaue Situation bestimmen zu können, ist zudem weitere Forschung nötig. Die Ausführungen haben allerdings gezeigt, dass die Befürchtung einer Fragmentierung der Gesellschaft nicht unbegründet ist. Genährt wird die Vorstellung von einer dysfunktionalen Differenzierung der Gesellschaft bspw. durch die Wissenskluft-Forschung, die eine sich vergrößernde strukturelle Ungleichverteilung von Wissen zwischen sozioökonomisch höher und niedriger gestellten Bevölkerungsschichten durch das zunehmende mediale Informationsangebot annimmt (vgl. Tichenor/Donohue/Olien 1970: 159). Trotz der großen Aufmerksamkeit, die der Fragmentierungsthese seitens der Forschung zuteil wurde, gibt es nur wenige empirische Studien, die das Vorhandensein von Fragmentierung in der Gesellschaft überprüfen. Allerdings wird Fragmentierung dabei nicht einheitlich verstanden und unterschiedlich operationalisiert. Schulz (1999) macht in einer Sekundäranalyse Fragmentierung messbar über die Vergrößerung der Unterschiede zwischen verschiedenen Bevölkerungssegmenten im Hinblick auf „political efficacy“, d.h. die Einflussüberzeugung in Bezug auf das politische System, sowie materialistisch-postmaterialistischer Wertorientierungen nach Inglehart (1977). Schulz untersuchte dabei einen kausalen Zusammenhang zwischen Fragmentierung als abhängiger und der Mediennutzung als unabhängiger Variable. Die Ergebnisse waren uneinheitlich: Während eine intensive Nutzung von Informationssendungen Unterschiede zwischen den Bevölkerungssegmenten hinsichtlich ihrer politischen Kompetenz (internal efficacy) verringerte, zeigten sich hinsichtlich des Politikbildes (external efficacy) und der Wertorientierungen Unterschiede sowie Angleichungen (vgl. Schulz 1999: 97ff.). Eher homogenisierende Wirkungen der Mediennutzung traten zwischen verschiedenen Bildungssegmenten auf, eher differenzierende Wirkungen dagegen zwischen unterschiedlichen Altersgruppen.
Ganz anders als Schulz versteht Rössler (2000) Fragmentierung als „weniger interpersonale Kommunikation über Politik“. Während Schulz’ Verständnis einer eher wertebasierten Desintegration der Gesellschaft entspricht, zielt die Definition von Rössler auf eine themenbasierte Desintegration, die auch der vorliegenden Arbeit zugrunde liegt. Ist die Gesellschaft fragmentiert, hat sie keine gemeinsamen Gesprächsthemen mehr, es findet keine direkte Kommunikation mehr statt, so dass letztendlich keine politischen Kollektivinteressen mehr ausgebildet werden und das demokratische System seine Grundlage verliert. Eine Studie, die sich genau mit dieser Art von gesellschaftlicher Desintegration beschäftigt, die auf Unterschiede hinsichtlich Themenrelevanzen, Positionen und Wissen über andere Standpunkte abzielt, liegt meiner Recherche nach noch nicht vor.
3. Fragestellung und Hypothesen
Da in der bisherigen Forschung die Fragmentierung der Gesellschaft zwar vielfach befürchtet, aber kaum einmal überprüft wurde, soll die vorliegende Arbeit dazu beitragen, diese Forschungslücke zumindest teilweise zu schließen. Anders als Schulz’ Fragmentierungsstudie kann meine Untersuchung keine Erkenntnisse über kausale Zusammenhänge liefern. Zwar können die Ausdifferenzierung des Medienangebots und der Mediennutzung als plausible Ursachen für eine Fragmentierung der Gesellschaft gelten und sie verleihen der Frage nach der Existenz einer solchen fraglos Relevanz. Dennoch konzentriert sich diese Untersuchung vielmehr auf die letztlich demokratietheoretisch entscheidende Frage nach der Manifestierung dieser Differenzierungen in den Köpfen der Menschen: Finden wir heute eine Gesellschaft vor, die desintegriert und damit unfähig zur allgemeinen Legitimierung demokratischer Entscheidungen ist?
Die Untersuchung soll daher auf folgende Frage eine Antwort geben:
Fragestellung 1:
Besteht die Gesellschaft aus Teilöffentlichkeiten, deren Mitglieder sich dahingehend unterscheiden, welche politischen Themen und Themendeutungen sie für relevant halten?
Die Beantwortung dieser Frage kann jedoch nur ein erster Schritt sein. Denn die Verschiedenartigkeit hinsichtlich Themenrelevanzen und Themendeutungen allein ist nicht das Problem, das die Fragmentierungsthese impliziert. Es ist schließlich legitim, andere Prioritäten zu setzen und andere Positionen zu vertreten, ja es ist sogar, wie wir gesehen haben, eine weitere und mitunter paradoxe Forderung des demokratischen Systems an die Medien, Pluralismus der Meinungen zu erzeugen. Entscheidend für die Feststellung, ob tatsächlich Fragmentierung im Sinne abgeschotteter Teilöffentlichkeiten ohne gemeinsame Kommunikationsbasis existiert, ist daher nicht nur, ob Menschen unterschiedliche Themen und Themendeutungen für relevant halten, sondern ob dies die einzigen Themen und Themendeutungen sind, von denen sie Kenntnis haben. Denn es macht einen Unterschied, ob ich aus einem breiten Fundus an Themen jene aussuche, die für mich Priorität haben, bzw. ob ich eine Position in kenntnisreicher Abgrenzung zu anderen Positionen beziehe oder ob ich so einseitig informiert bin, dass ich gar nicht weiß, welche anderen Themen und Themendeutungen meine Mitmenschen beschäftigen könnten. Mit dieser Abgrenzung eines funktionalen Pluralismus der Themen und Meinungen von dysfunktionaler Fragmentierung geht auch Hasebrink konform, wenn er schreibt, dass unterschiedliche Weltbilder und Realitätswahrnehmungen so lange kein Problem seien, „wie die einzelnen Gruppen diese Differenzen zur Kenntnis nehmen und ihrer eigenen Position gegenüberstellen können“ (1997: 277). Als weitere Forschungsfrage ergibt sich daher folgende:
Fragestellung 2:
Wenn Teilöffentlichkeiten mit unterschiedlichen Themen- und Themendeutungs-relevanzen existieren, sind diese Themen und Themendeutungen dann die jeweils einzig bekannten?
Das vorrangige Anliegen dieser Arbeit ist also deskriptiv-explorativer Art: Lassen sich bestimmte Muster in der Gesellschaft identifizieren, die sich zum einen hinsichtlich ihrer Themenrelevanzen und Positionen unterscheiden (notwendige Bedingung für Fragmentierung) und zum anderen hinsichtlich ihrer Kenntnis anderer Themen und Positionen (hinreichende Bedingung)? Bevor dabei die zentrale Frage nach dem „Ob“ der Fragmentierung beantwortet werden kann, ist zunächst einmal das „Ob“ einer pluralen Gesellschaft zu klären. Dabei wird vermutet, dass die Entwicklung bestimmter Themen- und Themendeutungs-relevanzen durch die Gesellschaftsmitglieder mit bestimmten Ausprägungen anderer Variablen wie z.B. soziodemografischer Merkmale oder politischer Grundorientierungen zusammenfällt. Gemäß dieser Vermutung lautet die Hypothese zur Existenz von Teilöffentlichkeiten und damit einer pluralen Gesellschaft:
Hypothese 1:
Wenn Teilöffentlichkeiten mit unterschiedlichen Themen- und Themendeutungs-relevanzen existieren, dann unterscheiden sie sich signifikant in den Merkmalen „Ge-schlecht“, „Alter“, „Bildung“, „Parteiidentifikation“, „Wertorientierung“, „Politisches Interesse“, „Mediennutzung“, „Politikverdrossenheit“ und „Ressourcen“ der sie kon-stituierenden Mitglieder.
Ein Zusammenhang zum Geschlecht wird vor allem im Hinblick auf die Positionierung zum abgefragten Thema „Frauenquote“ angenommen. Alter und Bildung könnten eine Rolle bei den Themenrelevanzen spielen, ebenso die Variable „Parteiidentifikation“, da es schließlich in der Logik von Parteien liegt, dass sie unterschiedliche thematische Schwerpunkte in ihrer Arbeit setzen. Die Positionierung auf der sozioökonomischen und libertär-autoritären Werteachse nach Kitschelt könnte dagegen vor allem für die Meinung der Befragten zu den Themen „Steuersenkungen“ und „Arbeitnehmerfreizügigkeit“ bedeutsam sein. Das politische Interesse wäre insofern relevant, dass Menschen, die sich weniger für das aktuelle politische Geschehen interessieren, womöglich weniger klare Meinungen zu den abgefragten Themen aufweisen. Die Rolle der Mediennutzung ist offensichtlich: Je nachdem welche Medien genutzt werden, verfügen die Menschen über andere Themenrelevanzen. Befragte, die politikverdrossen sind, nennen dagegen wohl weniger politische Sachthemen als vielmehr die Politiker selbst als wichtigste Probleme. Als letzte Variable, für die ein Zusammenhang zur Bildung bestimmter Themen- und Themendeutungsrelevanzen vermutet wird, ist die Ressourcenausstattung der Befragten. Hier liegt die Annahme zu Grunde, dass Menschen in schwierigen finanziellen Situationen stärker solche Problem für relevant halten, die unmittelbar mit dieser Lage zusammenhängen.
Konnte festgestellt werden, dass unterschiedliche Teilöffentlichkeiten existieren, lautet die nächste Frage, ob diese denn nun tatsächlich auch fragmentiert sind – und zwar nicht nur „ob“, sondern auch „wie stark“. Gewissermaßen als Unterpunkt der zweiten Fragestellung wird deshalb nicht nur überprüft, ob die Teilöffentlichkeiten Kenntnis oder keine Kenntnis über die Themen und Positionen anderer Teilöffentlichkeiten haben, sondern auch ob es unterschiedliche Grade an Kenntnis bzw. Unkenntnis zwischen den verschiedenen Teilöffentlichkeiten gibt. An welchen Kriterien dieser Grad der Fragmentierung festgemacht wird, wird in Kapitel 4 erläutert. Als Hypothese zur Existenz und zum Grad der Fragmentierung der Gesellschaft wird dabei folgendes vermutet:
Hypothese 2:
Wenn Teilöffentlichkeiten mit unterschiedlichen Themen- und Themendeutungs-relevanzen existieren, dann unterscheiden sie sich signifikant in ihren Fragmentierungsgraden.
Es wird demnach angenommen, dass manche Teilöffentlichkeiten einen hohen Fragmentierungsgrad aufweisen, andere hingegen einen niedrigen. Auch hier wird wieder davon ausgegangen, dass es bestimmte Variablen gibt, die mit der Stärke dieses Fragmentierungsgrads zusammenhängen. Eine erste Variable ist erneut die Mediennutzung. Hier sollten einige der in Kapitel 2 vorgestellten Befunde deutlich gemacht haben, dass die Nutzung öffentlich-rechtlicher Medienangebote aufgrund der ihnen auferlegten Integrationsfunktion einer Fragmentierung eher vorbeugen dürfte. Im Habermasschen Verständnis von Öffentlichkeit übt zudem die Ressourcenausstattung einen Einfluss auf die Fähigkeit von Gesellschafts-mitgliedern aus, sich an politischen Diskursen zu beteiligen und damit auch umfassend über die zu regelnden Themen informiert zu sein (vgl. Habermas 1992: 371). Der Zusammenhang zwischen Fragmentierung und politischen Grundorientierungen bzw. politischem Interesse beruht vor allem auf Plausibilitätsvermutungen. So wird angenommen, dass eine libertäre Wert-orientierung mit einer Offenheit für andere Standpunkte einhergeht, politisches Interesse per se zu einer größeren Informiertheit führt und Politikverdrossenheit einer Beschäftigung mit politischen Themen eher entgegenwirkt. Hinsichtlich der soziodemografischen Merkmale schien vor allem der Faktor Bildung relevant, wobei ein hoher Bildungsgrad als förderlich für die gesellschaftliche Integration angesehen wird. Auf dieser Grundlage ergeben sich mit Blick auf den Fragmentierungsgrad folgende Hypothesen:
Hypothese 3a:
Je „öffentlich-rechtlicher“ die Mediennutzung, desto niedriger der Fragmentierungs-grad.
Hypothese 3b:
Je besser die Ressourcenausstattung, desto niedriger der Fragmentierungsgrad.
Hypothese 3c:
Je libertärer die politische Grundorientierung, desto niedriger der Fragmentierungs-grad.
Hypothese 3d:
Je größer das politische Interesse, desto niedriger der Fragmentierungsgrad.
Hypothese 3e:
Je niedriger die Politikverdrossenheit, desto niedriger der Fragmentierungsgrad.
Hypothese 3f:
Je höher die Bildung, desto niedriger der Fragmentierungsgrad.
Die große Befürchtung, die mit der Fragmentierung der Gesellschaft verbunden ist, ist die Auflösung des Fundaments, auf dem jede Demokratie beruht: der mündigen Bürger, die für ihre Ansichten eintreten, miteinander über lösungsbedürftige Probleme diskutieren und sich so tatsächlich selbst regieren. Die Gesellschaft soll die Geschicke des Staates selbst lenken können und an seiner Entwicklung teilhaben – ein Desiderat, das gerade in jüngster Zeit offener denn je eingefordert wurde. Der Ruf nach mehr Partizipationsmöglichkeiten macht aber nur dann Sinn, wenn den Bürgern bewusst ist, dass es sich für eine bestimmte Sache oder gegen ein bestimmtes Problem einzusetzen gilt, wenn die Betroffenheit also auch wahrgenommen werden kann. Eine politische Entscheidung kann man nur dann gutheißen oder ablehnen, wenn man von ihr Kenntnis hat. Insofern betrifft die Frage, ob wir in Deutschland eine fragmentierte Gesellschaft vorfinden, auch die Partizipation der Bürger. Sind sie sich eines Problems überhaupt bewusst? Ist ihnen klar, dass ein bestimmtes politisches Thema aus verschiedenen Perspektiven betrachtet werden kann, von denen sie eine als sachlich richtig und angemessen empfinden und sie diese Position daher gegen andere Sichtweisen verteidigen? Sollte Fragmentierung vorliegen, sind diese Fragen zu verneinen. Folgende letzte Hypothese ist daher plausibel:
Hypothese 4:
Je höher der Fragmentierungsgrad, desto geringer die Partizipation.
4. Methodisches Vorgehen
Zur Beantwortung der übergeordneten Forschungsfragen und zur Überprüfung der beschriebenen Hypothesen wird auf einen selbstständig erhobenen Datensatz zurückgegriffen, der mittels einer Online-Befragung generiert wurde. Die Erhebung erfolgte anhand eines standardisierten Fragebogens, der auf Basis von theoretischen Überlegungen und in Anknüpfung an bereits bestehende Studien mit zum Teil gleichen Variablen entwickelt wurde. Technisch wurde die Befragung mithilfe der Software EFS Survey umgesetzt. Die Befragten (n = 108) wurden über egozentrierte Netzwerke rekrutiert. Es handelt sich damit um ein willkürliches Auswahlverfahren, wodurch die Untersuchung keinen Anspruch auf Repräsentativität erheben kann. So können anhand der Daten zwar keine Aussagen darüber getroffen werden, ob eine eventuell festzustellende Fragmentierung der Stichprobe auch in gleicher Weise in der gesamten deutschen Bevölkerung vorliegt, Erkenntnisse darüber, welche Befragtenmerkmale mit einem niedrigen und welche mit einem höheren Fragmentierungsgrad zusammenhängen, können jedoch auch anhand einer willkürlichen Stichprobe geprüft werden (vgl. Diekmann 2008: 379f.). Bevor genauer darauf eingegangen wird, auf welcher Datengrundlage die Auswertung basiert und wie diese Daten im Detail generiert wurden, soll zunächst noch einmal genauer deutlich gemacht werden, wie Fragmentierung operationalisiert und bei der Konstruktion des Fragebogens berücksichtigt wurde.
4.1 Konzeptionalisierung
4.1.1 Operationalisierung von Fragmentierung
Wie bereits erwähnt, wird Fragmentierung als themenbasierte Desintegration der Gesellschaft verstanden, die in zwei Schritten gemessen wird: Erstens durch die Themenrelevanzen und Positionen zu verschiedenen politischen Themen und zweitens durch das Bewusstsein über (andere) Themen und Positionen bzw. Argumente. Durch die Auswahl von Themen, an denen die Position auf den Werteachsen nach Kitschelt identifiziert werden kann, kann zudem die Brücke zu einem wertebasierten Verständnis von Desintegration geschlagen werden. Insgesamt wurden in der Befragung fünf politische Themen behandelt, deren Wahrnehmung und Bewertung anhand des „Quintamensional plan of question design“ nach Gallup abgefragt wurde. Um welche Themen es sich dabei im Einzelnen handelte und wie die Fragetexte konkret lauteten, wird im folgenden Kapitel näher erläutert. Zuvor ist jedoch besonders der zweite Schritt zur eigentlichen Feststellung von Fragmentierung erklärungsbedürftig. Statt nur zu überprüfen, ob Fragmentierung vorliegt oder nicht, wird vielmehr der genaue Grad der Fragmentierung untersucht. Die Frage nach ihrer Existenz wäre bei dieser Art der Messung bspw. dann zu verneinen, wenn die im ersten Schritt mittels Clusteranalyse identifizierten Teilöffentlichkeiten alle über einen niedrigen Fragmentierungsgrad verfügten. Gemessen wird der Fragmentierungsgrad anhand eines ungewichteten additiven Indexes, der sich aus folgenden drei Indikatorvariablen zusammensetzt:
1. Anzahl der bekannten Themen generell
2. Kenntnis von für den Befragten nicht relevanten Themen
3. Anzahl und Verteilung (einseitig, beidseitig) der bekannten Argumente
Je nach Ausprägung der Indikatorvariablen werden „Fragmentierungswerte“ zwischen 1 und 5 vergeben, wobei der Wert 1 auf einen niedrigen Fragmentierungsgrad hindeutet (keine Fragmentierung), der Wert 5 dagegen auf einen hohen (Fragmentierung). Tabelle 1 gibt einen Überblick darüber, welcher Fragmentierungswert für welche Art von Ausprägung vergeben wird11.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2: Fragmentierungswerte je Indikatorausprägung.
Als Idealvorstellung einer thematisch-integrierten Gesellschaft, in der die Bürger neben den Themen und Positionen, die ihnen persönlich wichtig sind bzw. die sie vertreten, auch Kenntnis über die Themen und Positionen anderer Gesellschaftsmitglieder haben, wird für die erste Variable die Ausprägung „5 Themen“, für die zweite die Ausprägung „80-100 Prozent“ und für die dritte Variable „2 oder mehr Argumente beidseitig“ angenommen. Der Fragmentierungsgrad eines Befragten berechnet sich wie folgt:
FG = (FW1 + FW2 + FW3) / 3,12 wobei:
FG = Fragmentierungsgrad eines Befragten
FW1 = Fragmentierungswert Variable 1
FW2 = Fragmentierungswert Variable 2
FW3 = Fragmentierungswert Variable 3
Zur Berechnung des Fragmentierungsgrads einer kompletten Teilöffentlichkeit ergibt sich schließlich diese Formel:
FGT = (FG1 + FG2 + FG3 +... + FGn) / x, wobei:
FGT = Fragmentierungsgrad der Teilöffentlichkeit
x = Mitgliederanzahl pro Teilöffentlichkeit
Auf diese Weise kann für jede Teilöffentlichkeit bestimmt werden, wie stark sie von anderen Teilöffentlichkeiten abgeschottet ist. Eine sehr hohe Abgrenzung liegt bei einem Fragmentierungsgrad zwischen 4,5 und 5 vor, eine hohe bei einem Fragmentierungsgrad zwischen 3,5 und 4,4, eine mittlere bei einem Fragmentierungsgrad zwischen 2,5 und 3,4, wenig Abgrenzung liegt bei Werten zwischen 1,5 und 2,4 vor und gar nicht abgeschottete Teilöffentlichkeiten erkennt man an einem Fragmentierungsgrad zwischen 1 und 1,4. In einer idealtypisch integrierten Gesellschaft würde jede Teilöffentlichkeit einen niedrigen Fragmentierungsgrad zwischen 1 und 2,4 aufweisen. Die Gesellschaft wäre damit einerseits plural strukturiert, da sich offensichtlich verschiedene Teilöffentlichkeiten entlang unterschiedlicher Themenrelevanzen und Positionen identifizieren lassen, andererseits aber nicht fragmentiert, da die verschiedenen Öffentlichkeiten dennoch Kenntnis von den Themen und Meinungen anderer Gesellschaftsmitglieder haben.
4.1.2 Entwicklung des Fragebogens
Der in dieser Untersuchung eingesetzte Online-Fragebogen bestand aus sieben Frageblöcken, die sich über mindestens 15 und maximal 35 Fragebogenseiten erstreckten. Zusätzlich zu diesen inhaltlichen Seiten erfüllten eine Willkommens- und eine Endseite die Funktion der Begrüßung bzw. Verabschiedung der Teilnehmer. Der Frageumfang umfasste mindestens 22 und maximal 47 Fragen. In 27 Fällen handelte es sich um geschlossene und in 20 Fällen um offene Fragen. Die Seiten- und Fragenanzahl war dabei jeweils abhängig von der individuellen Filterführung der Befragten.13
Eingeleitet wurde die Befragung mit einer Willkommensseite, auf der den Teilnehmern zunächst das Thema der Befragung – „Wahrnehmung gesellschaftlicher Probleme“ – vorgestellt wurde. Der neutralere Begriff „gesellschaftliche Probleme“ wurde der Bezeichnung „politische Probleme“ vorgezogen, um Personen, die weniger politikinteressiert sind, nicht schon auf der ersten Seite für die Teilnahme zu verlieren. Außerdem wurde auf die ungefähre Bearbeitungszeit von 20 Minuten verwiesen. Die Seriosität der Untersuchung sollte durch den Zusatz hervorgehoben werden, dass die Untersuchung im Rahmen einer Masterarbeit im Studiengang Politische Kommunikation an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf entwickelt wurde. Auch das genaue Ziel der Umfrage wurde den Teilnehmern beschrieben. Es folgten einige Hinweise zur Nutzung des Fragebogens sowie die Zusicherung, dass alle Angaben vollständig anonymisiert und vertraulich behandelt würden. Auch die Freiwilligkeit der Befragung wurde explizit betont. Abschließend wurde eine Email-Adresse angegeben, an die sich die Teilnehmer bei Fragen und Anmerkungen wenden konnten. Um die schnelle Aufnahme der wichtigsten Informationen zu fördern, wurden einzelne Textpassagen hervorgehoben (vgl. Dillman/Smyth/Christian 2009: 98). Insgesamt sollte die Willkommensseite zur Teilnahme anregen und Vertrauen erzeugen.
Inhaltlich war der Fragebogen in folgende sieben Frageblöcke gegliedert:
1. Wahrnehmung und Bewertung politischer Themen (Seite 2 bis 27)
2. Politische Grundorientierungen (Seite 28 bis 30)
3. Politisches Interesse (Seite 31)
4. Partizipation (Seite 32)
5. Politikverdrossenheit (Seite 33)
6. Mediennutzung (Seite 34 bis 35)
7. Soziodemografie (Seite 36)
Wahrnehmung und Bewertung politischer Themen
Im ersten Frageblock wurden zunächst die Themenrelevanzen der Befragten ermittelt. Dies geschah anhand der offen gestellten Fragen „Was ist Ihrer Meinung nach gegenwärtig das wichtigste/zweitwichtigste/drittwichtigste politische Problem in Deutschland?“. Die Frageformulierungen wurden aus der German Longitudinal Election Study (GLES) übernommen, einer langfristigen Untersuchung, deren Ziel „die Beobachtung und Analyse von Bundestagswahlen in Bezug auf die Wählerschaft“ ist (vgl. gesis 2011a). Aufgrund ihrer Position im Fragebogen erfüllen diese Fragen die Funktion der Einstiegsfragen. Üblicherweise sind Einstiegsfragen für die inhaltliche Auswertung ohne Bedeutung und dienen dem lockeren Einstieg in die Befragung (vgl. Scholl 2003: 152). Außerdem sollen sie zum auf der Willkommensseite angekündigten Thema der Untersuchung passen sowie Interesse und Neugier wecken (vgl. Schnell/Hill/Esser 2005: 343). Die Frage nach den wichtigsten politischen Problemen in Deutschland ist im Vergleich zu Einstiegsfragen anderer Umfragen sicher etwas anspruchsvoller, bezieht sich aber direkt auf das eingangs erwähnte Forschungsinteresse und hält somit, was die Willkommensseite verspricht. Es war notwendig, die Frage nach den Themenrelevanzen vor den Fragen zur Kenntnis konkreter politischer Themen zu stellen, da ansonsten die Gefahr bestanden hätte, dass als wichtigste Probleme eben genau diejenigen Themen genannt worden wären, deren Kenntnis zuvor abgefragt wurde (vgl. Möhring/Schlütz 2003: 121). Die Option, eine klassische Eisbrecherfrage zu wählen, die die Befragung locker und wenig anspruchsvoll eröffnet, für die inhaltliche Auswertung jedoch irrelevant gewesen wäre, ist aufgrund des ohnehin schon großen Umfangs des Fragebogens nicht genutzt worden. Auch die Wahl einer Frage aus einem anderen Frageblock war nicht praktikabel, da kein direkter Bezug zum angekündigten Befragungsthema bestanden und bei den Teilnehmern womöglich zu Verwirrung geführt hätte.
Nach der Abfrage der Themenrelevanzen folgte das „Herzstück“ der Befragung, die Feststellung des Themen- und Themendeutungsbewusstseins sowie die persönliche Position des Befragten zu fünf politischen Themen. Dieser Fragekomplex war in Bezug auf den Zeitaufwand der umfangreichste und verlangte den Teilnehmern die meiste Aufmerksamkeit sowie kognitives Engagement ab. Da die Aufmerksamkeit zu Beginn einer Befragung zunächst ansteigt, bevor sie mit zunehmender Fragedauer wieder sinkt (vgl. Diekmann 2008: 484), wurden diese für die Auswertung essentiellen Fragen an den Anfang des Fragebogens gesetzt. Das Vorgehen bei der Abfrage orientierte sich, wie bereits weiter oben erwähnt, an Gallups „Quintamensional Plan of Question Design“, der im Hinblick darauf entwickelt wurde, so genannte pseudo opinions zu vermeiden (vgl. Bishop 2005: 189f.). Die Befragten sollen nicht in eine Situation gedrängt werden, in der sie Meinungen und Bewertungen auch dann äußern, wenn die zu bewertenden Sachverhalte unbekannt sind (vgl. Diekmann 2008: 453). Davon abgesehen, dass man bei Befragungen immer darauf angewiesen ist, dass die Befragten ihre Antworten wahrheitsgetreu abgeben, kann man ihnen die Entscheidung, offen zu einer möglichen Unkenntnis zu stehen, durch die Art der Abfrage zumindest erleichtern. Ein Grundsatz, dem gerade in dieser Untersuchung besondere Beachtung geschenkt werden sollte. Denn wenn die Frage nach einer Fragmentierung der Gesellschaft beantwortet werden soll, ist es unabdingbar, auch Unwissen feststellen zu können. Das gewählte Fragedesign trägt diesem Sachverhalt Rechnung, indem es zunächst die Frage voranstellt, ob dem Befragten ein bestimmtes politisches Thema überhaupt bekannt ist („Haben Sie schon einmal von ... gehört oder gelesen?“). Wer diese Frage verneint, wird ausgefiltert und gelangt direkt zum nächsten Thema. Wird die Frage hingegen bejaht, wird der Befragte gebeten, seine Kenntnis des Themas noch einmal zu spezifizieren: „Was genau haben Sie gehört oder gelesen?“ Diese Frage dient der Kontrolle, denn sie kann aufdecken, ob die Angabe, das Thema zu kennen, tatsächlich zutrifft. Der Zusatz „Die Formulierung von Stichpunkten ist vollkommen ausreichend“ soll dem Befragten die Beantwortung der Frage erleichtern, indem der Aufwand niedrig gehalten wird. Mit der dritten Frage dringt der Fragebogen noch tiefer in das Wissen des Befragten vor: „Unabhängig von Ihrer eigenen Meinung – Was denken Sie, sind die Hauptargumente für oder gegen ...?“ Auch hier muss der Befragte wieder offen formulieren, er erhält dabei jedoch Unterstützung durch den gestalterischen Aufbau: Sowohl für die Pro- wie auch die Kontra-Argumente steht dem Befragten ein separates Textfeld zur Eingabe zur Verfügung. Auch die Option „Weiß nicht“ ist als mögliche Antwort vorgegeben.
Zusätzlich zu dieser offenen Abfrage der Argumente wird dem Befragten anschließend eine Listenauswahl vorgelegt. Auch hier wird er noch einmal darauf hingewiesen, dass es noch nicht darum gehe, Position zu beziehen, sondern nur die reine Kenntnis im Vordergrund steht. Je nachdem ob der Befragte zuvor Argumente genannt oder die Antwortoption „Weiß nicht“ markiert hatte, sind die Überleitungstexte leicht abgewandelt („Unabhängig von den Argumenten, die Ihnen eingefallen sind: Finden Sie in der folgenden Liste zusätzliche Argumente, von denen Sie schon einmal gehört oder gelesen haben?“; „Haben Sie vielleicht schon einmal von einem oder mehreren der folgenden Argumente gehört oder gelesen?“). Die Listenauswahl dient als eine Art Gedächtnisstütze und kann die Kenntnis weiterer Argumente sichtbar machen, die dem Befragten ad hoc zunächst nicht eingefallen waren. Die Voranstellung der offenen Abfrage ist jedoch ratsam, um der Erzeugung von Artefakten vorzubeugen.
Nachdem auf diese Weise das Bewusstsein über Themen und ihre Deutungen abgefragt worden war, ging es um die persönliche Position des Befragten („Nun zu Ihrer eigenen Einschätzung: Was denken Sie, sollte in Bezug auf ... getan werden?“). Die Beantwortung erfolgte offen, als weitere Antwortoptionen standen „Weiß nicht“ und „Ist mir egal“ zur Wahl. Wie schon bei der Abfrage des Themendeutungsbewusstseins wurde auch hier mit einer zusätzlichen Listenauswahl gearbeitet, die je nach zuvor gegebener Antwort mit unterschiedlichen Einleitungstexten vorgelegt wurde („Unabhängig von der Position, die Sie gerade bezogen haben: Käme für Sie darüber hinaus eine der folgenden Maßnahmen in Frage? Wenn ja, welche?“; „Käme für Sie vielleicht eine der folgenden Maßnahmen in Frage? Wenn ja, welche?“).
Bei den fünf abgefragten Themen handelte es sich um „Steuersenkungen für untere und mittlere Einkommen“, „Arbeitnehmerfreizügigkeit für Menschen aus Osteuropa“, „Vorratsdatenspeicherung“, „Frauenquote“ und „Energiewende“. Die Auswahl der Themen erfolgte zum einen mit Blick auf die Ressortzugehörigkeit – es sollten möglichst verschiedenartige Themen einbezogen werden, zum anderen wurde Wert darauf gelegt, dass man anhand der Positionen zu bestimmten Themen feststellen kann, an welcher Stelle die Befragten auf den Werteachsen nach Kitschelt zu verorten sind. Zur Abbildung der sozioökonomischen Wertorientierung dient das Thema Steuersenkungen, da es zum einen die Frage nach einer gerechten Ressourcenverteilung beinhaltet („Kalte Progression“ abbauen) und die Steuersenkungen außerdem als staatlicher Lenkungseingriff in die Wirtschaft gesehen werden können (staatliche Ausgaben versus freie Wirtschaft und Haushaltskonsolidierung). Darüber hinaus ist das Thema Arbeitnehmerfreizügigkeit geeignet, um die Position auf der libertär-autoritären Werteachse zu identifizieren. Ein weiteres Kriterium für die Auswahl der Themen war ihre vorläufige Abgeschlossenheit, d.h. sie sollten während des Befragungszeitraums nicht mehr Teil der aktuellen politischen Debatte sein, damit sich alle Teilnehmer mit den gleichen Voraussetzungen an die Beantwortung der Fragen machen konnten. Dennoch sollten die Themen hinreichend aktuell und den Befragten somit noch im Gedächtnis sein.
Die Antwortvorgaben bei den verschiedenen Auswahllisten zum Themen-deutungsbewusstsein und zur persönlichen Position wurden induktiv mittels Lektüre unterschiedlicher Qualitätsmedien (z.B. Süddeutsche Zeitung, Der Spiegel) ermittelt, wobei für die Liste der Pro- und Kontra-Argumente darauf geachtet wurde, jeweils drei Argumente für jede Seite aufzunehmen.
Den Befragten wurde zu Beginn dieses Frageblocks mitgeteilt, zu wie vielen Themen ihnen Fragen gestellt werden, um ihnen eine Orientierung über den verbleibenden Umfang während der Befragung zu ermöglichen. Vollständigkeitschecks wurden bei den Fragen nach dem gegenwärtig wichtigsten Problem in Deutschland, der Kenntnis der verschiedenen Themen und Argumente sowie der eigenen Position verwendet. Insgesamt wurde mit dieser Funktion sparsam umgegangen. Sie wurde nur dann eingesetzt, wenn eine Beantwortung der Frage besonders wichtig für den weiteren Verlauf des Fragebogens oder die Untersuchung insgesamt war. Wurde eine mit einem Vollständigkeitscheck versehene Frage nicht beantwortet, erschien folgender Hinweis auf dem Bildschirm: „Sie haben eine oder mehrere Fragen nicht komplett ausgefüllt! Bitte komplettieren Sie diese Fragen, da Ihre Antworten auf diese Fragen für den weiteren Verlauf des Fragebogens wichtig sind.“
Politische Grundorientierungen
Neben den Themenrelevanzen, dem Themen- und Themendeutungsbewusstsein sowie der eigenen Position wurden weitere Merkmale erhoben, um die verschiedenen Teilöffentlichkeiten zum einen näher beschreiben zu können, zum anderen aber auch, um Zusammenhänge zwischen den Fragmentierungsgraden und bestimmten Merkmalen der Mitglieder der Teilöffentlichkeiten feststellen zu können. Zu diesen Merkmalen zählen erstens die politischen Grundorientierungen, unter denen in dieser Untersuchung die Parteiidentifikation, die Beurteilung der im Bundestag vertretenen Parteien und die Wertorientierung nach Kitschelt verstanden werden.
Für die Frage nach der Parteiidentifikation hat sich mittlerweile eine Formulierung etabliert, die sich in leicht abgewandelter Form sowohl in der German Longitudinal Election Study als auch in der Allgemeinen Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften (ALLBUS)14 wiederfinden lässt. In der vorliegenden Untersuchung lautet der Fragetext daher „In Deutschland neigen viele Leute längere Zeit einer bestimmten politischen Partei zu, obwohl sie auch ab und zu mal eine andere Partei wählen. Wie ist das bei Ihnen: Neigen Sie – ganz allgemein gesprochen – einer bestimmten Partei zu? Und wenn ja, welcher?“. Als Übergang zwischen dem Frageblock zur Wahrnehmung und Bewertung politischer Themen und jenem zu politischen Grundorientierungen wurde zudem der Überleitungstext „Kommen wir nun kurz zu den politischen Parteien“ eingefügt. Während bei der ALLBUS-Umfrage die Parteiidentifikation in zwei Schritten erhoben wird (zuerst müssen die Teilnehmer die Frage nach der Parteineigung nur bejahen oder verneinen, bevor sie dann – bei Vorliegen einer Parteineigung – die Partei benennen müssen), wird den Befragten in der GLES-Erhebung direkt eine Liste mit Parteinamen vorgelegt. Dieses Vorgehen wurde in dieser Untersuchung übernommen, um den Fragebogenumfang nicht unnötig zu vergrößern. Eine weitere Kürzung wurde dahingehend vorgenommen, dass nicht alle in Deutschland zur Wahl stehenden Parteien, sondern nur die im Bundestag vertretenen angeführt wurden. Als zusätzliche Antwortoptionen konnten „Andere Partei“, „Nein, ich neige keiner Partei zu“ und „Weiß nicht“ markiert werden. Es handelte sich demnach um eine geschlossene Frage.
...
1 Die weibliche Form ist der männlichen Form in dieser Arbeit gleichgestellt; lediglich aus Gründen der Vereinfachung wurde die männliche Form gewählt. Dies soll daher weder als Unaufmerksamkeit noch als Diskriminierung des weiblichen Geschlechts betrachtet werden.
2 Natürlich kennt die Kommunikationswissenschaft mit der Theorie des Agenda-Settings, der Kultivierungsforschung oder der Wissenkluft-Hypothese Fragestellungen, die sich mit homogenisierenden oder differenzierenden Medienwirkungen auf die Gesellschaft beschäftigen. Eine Studie, die sich explizit mit der Entdeckung von gesellschaftlichen Gruppen beschäftigt, die sich hinsichtlich Themen- und Themendeutungsbewusstsein sowie Meinungen zu verschiedenen politischen Themen unterscheiden, liegt meiner Recherche nach bisher noch nicht vor.
3 Für eine ausführliche Erklärung dieser zweischrittigen Fragestellung siehe Kapitel 2 und 3.
4 Öffentlichkeit ist in diesem Sinne als Medienöffentlichkeit zu verstehen, die sich von den räumlich, zeitlich und sozial beschränkteren Encounter- sowie Themen- oder Versammlungsöffentlichkeiten unterscheidet (vgl. Donges/Imhof 2010 für ausführlichere Informationen).
5 Für umfassende Informationen zum sozialen Wandel in Deutschland vgl. Schäfers (2004).
6 Für eine knappe, zusammenfassende Gegenüberstellung der beiden Ansichten vgl. Geißler 2004.
7 Die Verwendung des Begriffs „Öffentlichkeit“ ist in der Literatur uneinheitlich. So definiert bspw. Bernhard Peters sie im selben Aufsatz zunächst als „die moderne rechtlich-politische, staatliche Gemeinschaft“ (1994: 43), zwei Seiten später dann als „Sphäre öffentlicher, ungezwungener Meinungs- und Willensbildung der Mitglieder einer demokratischen politischen Gemeinschaft“ (ebd.: 45). Offenbar kann Öffentlichkeit sowohl als aus Personen zusammengesetztes Kollektiv gesehen werden als auch in einer sachlichen Dimension: einerseits als Produkt dieses Kollektivs, das andererseits aber wieder auf die Beschaffenheit des Kollektivs der Bürger – also der Gesellschaft – einwirkt. Wenn in dieser Arbeit die Frage nach der Fragmentierung der Öffentlichkeit gestellt wird, ist damit letztlich die Fragmentierung der Gesellschaft gemeint, wobei die Öffentlichkeit in ihrer sachlichen Dimension – wie auch in diesem Kapitel beschrieben – dieser Frage zugrunde liegt.
8 Analog zu Holtz-Bacha/Peiser (1999) geht die vorliegende Arbeit von einem themenbasierten statt eines wertebasierten Integrationsbegriffs aus und unterscheidet sich damit im Hinblick auf die Identifikation von Teilöffentlichkeiten bspw. von der Milieubildung Neugebauers.
9 Ähnliche Darstellungen finden sich u.a. bei McQuail 1994, Bonfadelli 2004, Handel 2000.
10 In Programmstrukturanalysen unterscheidet man zwischen externer und interner Vielfalt. Interne Vielfalt meint dabei, dass innerhalb eines einzelnen Senders unterschiedliche Inhalte (Genres, Sendungen, Themen usw.) angeboten werden, externe Vielfalt bedeutet, dass diese unterschiedlichen Inhalte durch die Gesamtheit aller Sender bereitgestellt werden muss.
11 Die Prozentwerte geben an, in welchem Umfang der Befragte auch solche Themen kennt, die nicht mit seinen Themenrelevanzen übereinstimmen. Nehmen wir z.B. an, ein Befragter nennt „Zu hohe Steuern“ als wichtigstes gegenwärtiges Problem in Deutschland. Das Thema „Steuersenkungen“ entspräche damit exakt seiner Themenrelevanz und spielte für die Berechnung der Kenntnis anderer Themen keine Rolle. Stattdessen blieben für diesen Befragten vier Themen übrig, von denen er bspw. angibt, von dreien schon einmal gehört zu haben. Die Kenntnis dreier von vier möglichen Themen entspricht einem Anteil von 75 Prozent und würde mit einem Fragmentierungswert von 2 in die Indexberechnung eingehen.
12 Da in der Erhebung fünf Themen abgefragt wurden, ist der Fragmentierungswert der Variable 3 der Mittelwert aus der Anzahl bekannter Argumente zu jenen Themen, über die die Befragten Kenntnis hatten. Für die einen ist dies also der Mittelwert aus den gekannten Argumenten für alle fünf Themen, für andere hingegen ergibt sich der Mittelwert z.B. nur aus den gekannten Argumenten zu zwei Themen, da sie nur von diesen beiden Kenntnis besaßen. In einem Fall kam es zudem vor, dass für einen Befragten die Variable 3 gar nicht berechnet werden konnte, da kein Thema, zu denen Argumente genannt werden sollten, bekannt war. In diesem Fall wurde der Fragmentierungsgrad nur anhand der Ausprägungen der Variablen 1 und 2 berechnet.
13 Der komplette Fragebogen kann im Anhang eingesehen werden.
14 Als Orientierung dienten das ALLBUS-Datenhandbuch 2008 (ZA4600) sowie der GLES-Fragebogen 2009 (ZA5300) (vgl. gesis 2011b und gesis 2011c).
- Citation du texte
- Master of Arts Christine Holthoff (Auteur), 2011, Fragmentierung der Öffentlichkeit? Wahrnehmung und Bewertung politischer Themen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/455671
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