Aufgrund der Vielschichtigkeit, die den Begriff „Konflikt“ ausmacht, wird mit der vorliegenden Arbeit zunächst ein Blick in die Konflikttheorie geworfen, um einen Überblick über die verschiedenen Arten von Konflikten zu geben. Diesem Vorgehen kommt insofern eine hohe Bedeutung zu, als dass die Einordnung eines Konfliktes den ersten Schritt zur Konfliktbewältigung darstellt. Weiterhin werden innerhalb dieses Komplexes die Klassifizierung nach SCHUNK sowie das ambivalente Potential von Konflikten erläutert, bevor im anschließenden Teil der Praxisbezug zum Sportunterricht beschrieben wird. Der letzte Abschnitt widmet sich Konfliktlösungsstrategien bevor im abschließenden Fazit die Kerngedanken verdichtet werden.
Tagtäglich sind die Nachrichten überflutet mit Meldungen über Konflikte von regionaler bis hin zu internationaler Tragweite. Dabei sind es bereits die alltäglichen Konflikte im Kleinen, die ihren medial präsenten Pendants in nichts nachstehen, sie in der Häufigkeit gar übertreffen. Durch die Forderung nach Kommunikation und Kooperation kommt es in besonderem Maße in der Lebenswelt „Schule“ zu Missverständnissen, Meinungs- und Interessenunterschieden. Hierbei nimmt der Sportunterricht durch den erhöhten Bewegungsspielraum sowie dem dem Sport eigenen Wettkampfcharakter eine spezielle Rolle ein. Der Kampf um Positionen, um strategische Spielsituationen oder um spielentscheidende Punkte fördert die Entstehung und Austragung von Konflikten. Hierbei gilt es, Konflikte nicht ausschließlich als Störungen wahrzunehmen, sondern als Motor für Entwicklungen und die Aneignung von Bewältigungsmechanismen.
Das Durchdringen von Konflikten hinsichtlich ihrer Ursachen und Auswirkungen sowie die Fähigkeit, diese konstruktiv zu lösen und in der Folge präventiv zu verhindern beziehungsweise zielgerichtet zu nutzen, stellt eine immanent wichtige Charaktereigenschaft dar, die es den Schülern zu vermitteln gilt. Diese Komponente der Selbst- und Sozialkompetenz wird trotz der Verortung im Rahmenlehrplan zugunsten von mehr Unterrichtszeit, einem oberflächlich betrachtet reibungslosen Stundenablauf, etc. häufig vernachlässigt. Die gängige Vorstellung von der Beseitigung von Konflikten als Idealtypus stellt indes nur eine oberflächliche Lösung dar, lässt in der Praxis jedoch eher eine Verschiebung auf zeitlicher oder persönlicher Ebene erkennen. Das Kanalisieren und Nutzbarmachen der Energie, die bei Konflikten entsteht, bildet hingegen ein Feld mit reichlich Potential.
Inhaltsverzeichnis
1.Einleitung
2.Theoretische Dimensionen des Begriffes „Konflikt“
2.1.Differenzierungsmöglichkeiten des Konfliktbegriffs
2.2.Unterscheidung nach SCHUNK
2.3.Das ambivalente Potential von Konflikten
3.Konflikte im Sportunterricht
4.Lösungsstrategien
5.Zusammenfassung
6.Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Mit einer geballten Faust kann man keinen Händedruck wechseln.
Indira Gandhi (1917-1984)
Tagtäglich sind die Nachrichten überflutet mit Meldungen über Konflikte von regionaler bis hin zu internationaler Tragweite. Dabei sind es bereits die alltäglichen Konflikte im Kleinen, die ihren medial präsenten Pendants in nichts nachstehen, sie in der Häufigkeit gar übertreffen. Durch die Forderung nach Kommunikation und Kooperation kommt es in besonderem Maße in der Lebenswelt „Schule“ zu Missverständnissen, Meinungs- und Interessenunterschieden. Hierbei nimmt der Sportunterricht durch den erhöhten Bewegungsspielraum sowie dem dem Sport eigenen Wettkampfcharakter eine spezielle Rolle ein. Der Kampf um Positionen, um strategische Spielsituationen oder um spielentscheidende Punkte fördert die Entstehung und Austragung von Konflikten. Hierbei gilt es, Konflikte nicht ausschließlich als Störungen wahrzunehmen, sondern als Motor für Entwicklungen und die Aneignung von Bewältigungsmechanismen. Das Durchdringen von Konflikten hinsichtlich ihrer Ursachen und Auswirkungen sowie die Fähigkeit, diese konstruktiv zu lösen und in der Folge präventiv zu verhindern beziehungsweise zielgerichtet zu nutzen, stellt eine immanent wichtige Charaktereigenschaft dar, die es den Schülern1 zu vermitteln gilt. BERKEL nennt diese Konfliktkompetenz demzufolge auch „eine der wichtigsten Führungsfähigkeiten“.2 Diese Komponente der Selbst- und Sozialkompetenz wird trotz der Verortung im Rahmenlehrplan3 zugunsten von mehr Unterrichtszeit, einem oberflächlich betrachtet reibungslosen Stundenablauf oder ähnlichen Gründen häufig vernachlässigt. Die gängige Vorstellung von der Beseitigung von Konflikten als Idealtypus stellt indes nur eine oberflächliche Lösung dar, lässt in der Praxis jedoch eher eine Verschiebung auf zeitlicher oder persönlicher Ebene erkennen. Das Kanalisieren und Nutzbarmachen der Energie, die bei Konflikten entsteht, bildet hingegen ein Feld mit reichlich Potential.
Aufgrund der Vielschichtigkeit, die den Begriff „Konflikt“ ausmacht, wird mit der vorliegenden Arbeit zunächst ein Blick in die Konflikttheorie geworfen, um einen Überblick über die verschiedenen Arten von Konflikten zu geben. Diesem Vorgehen kommt insofern eine hohe Bedeutung zu, als dass die Einordnung eines Konfliktes den ersten Schritt zur Konfliktbewältigung darstellt. Weiterhin werden innerhalb dieses Komplexes die Klassifizierung nach SCHUNK sowie das ambivalente Potential von Konflikten erläutert, bevor im anschließenden Teil der Praxisbezug zum Sportunterricht beschrieben wird. Der letzte Abschnitt widmet sich Konfliktlösungsstrategien bevor im abschließenden Fazit die Kerngedanken verdichtet werden.
2. Theoretische Dimensionen des Begriffes „Konflikt“
Nähert man sich dem Begriff „Konflikt“ etymologisch, wird klar, weshalb er gemeinhin mit „Kampf“ und „Aufeinanderprallen“ übersetzt wird, sind dies doch die wortwörtlichen Übersetzung des lateinischen Nomens „conflictus“. Aufeinanderprallen können in diesem Verständnis Meinungen, Interessen und Ziele. Dass Konflikte nicht ausschließlich negativ konnotiert sein müssen, zeigt indes die chinesische Schrift, in der sich „Konflikt“ aus zwei Zeichen für „Gefahr“ und „Chance“ zusammensetzt.4 Als Lehrkraft sollte dies der Ansatz sein, den es zu verfolgen gilt: Konflikte als Chance für Veränderungen wahrzunehmen. Konflikte zeigen Probleme auf, in deren Folge durch faire Kommunikation Standpunkte offengelegt und kooperative Lösungen zum Wohle aller direkt und indirekt Beteiligten gefunden werden können. Ein gerechter Umgang mit Konflikten ist ferner gekennzeichnet durch die Anerkennung des Gegenübers und seiner Interessen. Mit dieser Argumentation soll keine Lanze für die durchgängige sofortige Behandlung von Konflikten gebrochen werden: beizeiten haben andere Umstände Priorität – sei es während einer schriftlichen Arbeit – oder es ist schlicht der falsche Zeitpunkt oder eine ungünstige Personenkonstellation, um die Probleme adäquat anzugehen. Vielmehr möchte der Autor darauf hinweisen, dass nicht das Vorhandensein von Konflikten als gefährlich einzustufen ist, sondern unangemessene oder gar fehlende Austragungsformen.
Ganz gleich ob weltpolitische Belange oder kindliche Meinungsverschiedenheiten: die Grundstrukturen aller Konflikte ähneln einander stark und werden im folgenden Kapitel erläutert. Wenngleich eine einheitliche Definition aufgrund der stark divergierenden Blickwinkel der jeweiligen Forschungsdisziplinen sowie den unterschiedlichen Kriterien, die auf Konflikte angewandt werden, unmöglich scheint, so sind es dennoch zwei Punkte, denen vorrangig Beachtung geschenkt werden muss. So gilt es, Konflikte als sozialen Tatbestand zu betrachten; sie weder mit ihren Ursachen und Auslösern noch mit ihren Austragungsformen und Konsequenzen zu verwechseln. Diese Eingrenzung fällt nicht immer leicht – wohnen Konflikten doch zumeist eine gewisse Dynamik und nicht sofort erkennbare Ursachen und Beeinflussungen inne. Infolgedessen werden sie in modernen Sozialwissenschaften auch als Prozesse betrachtet.5
Der zweite Punkt betrifft die Ermittlung der Konfliktursachen. Unabhängig von den offensichtlichen Gründen und Austragungsformen gilt es, die eigentlichen Ursachen zu analysieren, um die Konfliktsituation umfassend und nachhaltig zu lösen. Denn nicht nur in dem Versuch einer allgemeingültigen Definition zeigt sich die Vielschichtigkeit des Konflikt-Begriffes sondern umso mehr in der Praxis. Oftmals lassen sich Konflikte kategorisch nicht einwandfrei zuordnen, variieren sie in Ursprung, Handlungsebene und Folgen.
Um Anknüpfungspunkte für die Bearbeitung von Konflikten im Sportunterricht zu geben, wird zunächst ein theoretischer Überblick skizziert.
2.1. Differenzierungsmöglichkeiten des Konfliktbegriffs
Widmet man sich der Thematik „Konflikt“ findet sich eine Vielzahl an potentiellen Konfliktarten und -begriffen: von A wie Appetenz-Appetenz-Konflikt bis Z wie Zielkonflikt. So vielfältig die Annäherungen seitens der verschiedenen Fachrichtungen sind, so eint sie alle die grundlegende Trennung in Konflikte auf intrapersoneller und interpersoneller Ebene. Während interpersonelle Konflikte mehrere Konfliktparteien involvieren, laufen intrapersonelle Konflikte innerhalb einer Person ab. Beiden Typen liegen dabei gegenläufige Interessen und Handlungstendenzen zugrunde, die aufgrund der Unvereinbarkeit von Denken, Fühlen und Wollen zu unterschiedlich stark ausgeprägten Beeinträchtigungen des Handelns führen. Gleichzeitig schließen sich beide Konfliktarten nicht notwendigerweise aus: so kann ein Schüler die negativen Emotionen eines inneren Konfliktes andere Schüler spüren lassen und so einen sozialen Konflikt verursachen.
Von außen zumeist leichter zu erkennen, jedoch nicht gleichsam leichter zu lösen sind interpersonelle Konflikte. Hierbei scheinen die Interessen von mindestens zwei Personen, Gruppen und Organisationen unvereinbar. Bezogen auf das System „Schule“ können sich diese Konflikte auf mannigfaltige Weise zutragen. So sind Konflikte zwischen einzelnen Schülern, Schülergruppen, Klassenverbänden, Schulen als Gemeinschaften, Schulleitung, Schulbehörde sowie zwischen weiteren Mitarbeitern im Rahmen der Schulverwaltung, wie beispielsweise einem Hausmeister oder Hallenwart, denkbar.
Ist diese erste Unterscheidung getroffen, folgt für intrapersonelle Konflikte eine weitere Ebene, die den Typus des Konflikts weiter einzugrenzen versucht. So erfolgt eine Bestimmung, ob es sich um einen Entscheidungs-, Bewusstseins- oder Intrarollen-Konflikt handelt. Bei Erstgenannten konkurrieren unterschiedliche Motive um die Entscheidungsfindung. Dies kann im schulischen Feld die Bewerbung einer Lehrkraft für eine Klassenleiterposition sein, ebenso wie Schüler vor die Wahl gestellt sind, sich im Rahmen von Klassensprechertätigkeiten o.Ä. eher aktiv oder eher passiv zu ihren Mitschülern zu verhalten. Ein geeignetes Beispiel für den Bewusstseinskonflikt stellt das Hinterfragen bereits getroffener Entscheidungen dar. Dieses Phänomen tritt besonders bei Lehrkräften auf und wächst mit dem zunehmenden Bewusstsein für Handlungsalternativen. Georg E. BECKER zufolge tritt diese Konfliktform im Schulalltag ungefähr 20 Mal je Unterrichtsstunde auf und summiert sich über den Tagesverlauf entsprechend.6
Der Intrarollenkonflikt besteht in der Vielfalt der an die Lehrkraft gerichteten Erwartungen. Aufgrund der sozialen Stellung werden ihr die verschiedensten – oftmals konträren – Verhaltensweisen zugedacht. Der Lehrkraft obliegt sodann die Entscheidung, welcher Erwartung sie entspricht oder unter Umständen zu entsprechen hat.
Intrapersonelle Konflikte lassen sich überdies in die bereits in den 1930ern von Kurt LEWIN erstmals vorgenommene und nach wie vor gültige Einteilung in Appetenz-Appetenzkonflikt, Aversions-Aversionskonflikt sowie Appetenz-Aversionskonflikt einordnen.7 Lewin zufolge wirken Kräfte in Form von Annäherungs- und Vermeidungswünschen auf die handelnde Person. Hierbei stellt der Appetenz-Aversionskonflikt die angenehmste Variante dar, lassen sich Entscheidungen zwischen positiven und gleichermaßen erstrebenswerten Optionen doch zumeist mühelos treffen. Ein mögliches Beispiel im Schulalltag wäre ein sportlicher Schüler, der bei einer Leistungsabnahme die Wahl zwischen zwei von ihm gleichermaßen beherrschten Elementen hat.
Im Gegensatz dazu steht der Aversions-Aversionskonflikt, der ausschließlich negative Konsequenzen nach sich zieht. In der fiktiven Klasse wäre dies ein Schüler am unteren Ende der Leistungsskala, der in der Ausübung beider zur Wahl stehenden Elemente massive Schwierigkeiten hat.
Eine Mischform nimmt der Appetenz-Aversionskonflikt ein. In ihm bietet sich eine attraktive Option, die jedoch auch Nachteile mit sich bringt. Ein durchschnittlicher Schüler hätte so beispielsweise die Möglichkeit, ein einfaches Element sicher auszuführen und mit der Konsequenz einer schwächeren Benotung zu leben oder ein stark benotetes, risikoreiches Element auszuprobieren, dessen Ausübung jedoch misslingen kann.
Die Schwierigkeit intrapersoneller Konflikte besteht in dem Umstand, dass sie lediglich von der handelnden Person gelöst werden kann. Zwar ist es ihr möglich, Ratschläge oder Hilfestellungen einzuholen, eine Entscheidung muss sie jedoch selbst treffen.8 Dies ist jedoch keineswegs ein Nachteil, manifestiert sich Schwarz zufolge darüber gar die individuelle Persönlichkeit.9
Auf der Ebene der interpersonellen Konflikte lassen sich Zugänge über die Einteilung in Interrollen-, Intergruppen- und Intragruppenkonflikt finden. Aufgrund der Tatsache, dass in dieser Konfliktform mindestens zwei Personen beteiligt sind, gilt es zu erwähnen, dass Konflikte auch dann vorliegen können, wenn eine Person nichts davon weiß.10 Die Konfliktbehandlung ist in solchen Fällen schwierig, da eine Ausweitung und gegebenenfalls eine Eskalation des Konflikts erst offenkundig wird, wenn die eigentliche Ursache in der Vergangenheit liegt und durch offenkundige Handlungen überlagert wird.
Im Gegensatz zum Rollenkonflikt auf der inneren Ebene, der durch verschiedene Erwartungen an ein und dieselbe Rolle charakterisiert ist, beschreibt der Interrollenkonflikt die Entscheidungsnot bezüglich divergierender Rollen, die eine Person ausfüllt. Hierbei kann der Grad der Ausprägung variieren, so dass sich Handlungstendenzen von sich ähnelnden Rollen – beispielsweise bei der Gestaltung eines Wandertages aus der Sicht eines Sport- oder Geschichtslehrers – bis hin von strikt zu trennenden Rollen – vergnügungssuchender Ehemann statt fleißiger Lehrkraft – gegenüberstehen.
Intergruppenkonflikte bestehen dann, wenn sich Gruppen uneins sind und unterschiedliche Ziele verfolgen. Diese Form von Konflikten tritt speziell im Sportunterricht auf, sind doch insbesondere Sportspiele dadurch gekennzeichnet, sich gegen das gegnerische Team durchzusetzen.
Haben hingegen die Mitglieder innerhalb eine Gruppe unterschiedliche Auffassungen – seien es abweichende Ziele, seien es die Mittel, ein gemeinsames Ziel zu erreichen – so besteht ein Intragruppenkonflikt. Dies kann sich bei der Wahl eines Sportspiels ebenso zutragen wie bei der zu spielenden Taktik.
Unabhängig vom Umstand, welche Konfliktform vorliegt, ist zu konstatieren, dass sich inneres Konflikterleben und äußeres Konfliktverhalten wechselseitig beeinflussen.11 12
2.2. Unterscheidung nach SCHUNK
Neben der zuvor getätigten persönlichkeitsbedingten Einteilung lässt sich ein weiterer Zugang zur Konfliktanalyse durch die Einteilung der Konflikttypen nach Monika SCHUNK finden, die speziell in Bezug auf das System „Schule“ Anwendung findet. Differenziert werden demnach in Werte-, Struktur-, Sachverhalts-, Interessen- und Beziehungskonflikte. Wenngleich diese Unterscheidung in der Theorie funktioniert, sei an dieser Stelle neuerlich der Hinweis angebracht, dass diese Trennung in der Schulpraxis nicht so scharf gezogen werden kann. Das Lehrpersonal sieht sich viel eher Mischformen dieser Typen gegenübergestellt.
Wertekonflikte kommen häufig durch soziokulturell differente Erziehungsformen vor. Den Schülern wird durch ihre Familie – teils beabsichtigt, teils eher unbewusst – ein Wertegefüge vermittelt, welches sie so auch in der Schule repräsentieren. Dies kann sich sowohl auf ethnische Gegebenheiten als auch auf religiöse, weltanschauliche oder grundlegende Einstellungen beziehen.
Strukturkonflikte zeichnen sich durch ungleich verteilte Machtverhältnisse aus. Dies wird insbesondere bei Konflikten zwischen Schülern und Lehrkräften deutlich – so bei der Ausreizung und Übertretung bestehender Normen und Regeln seitens der Schüler.
Als Paradebeispiel für Konflikte in Schulen lässt sich der Sachverhaltskonflikt nennen: hierbei spitzt sich die Lage durch unterschiedliche Sichtweisen sowie einen uneinheitlichen Wissensstand der Beteiligten zu. Fehlerhafte oder gar falsche Informationen tragen einen wesentlichen Teil dazu bei.
Ebenso lassen sich Interessenskonflikte im Schulalltag verorten. Dies kann anhand individueller Leistungsvergleiche zwischen Schülern ebenso vorkommen wie in der Vermeidung unangenehmer Aufgaben wie dem Abbau von Sportgeräten.
Beziehungskonflikte hingegen sind durch zwischenmenschliches Verhalten geprägt. Im Umgang mit anderen Schülern entstehen unangenehme Situationen, denen in der Folge ausgewichen wird. Dieses Verhalten kann zu einem gestörten Verhältnis zwischen einzelnen Schülern bis hin zu ganzen Gruppen führen. Ferner gibt es auch hier die Möglichkeit, dass bestimmte Situationen durch persönliche Emotionen anders wahrgenommen werden, als sie sich für den Kommunikationspartner darstellen. Dies birgt die Gefahr, dass der Konflikt aufgrund mangelnder oder ausbleibender Kommunikation für die Gegenseite nicht als solcher wahrgenommen wird und sich verfestigen oder schlimmstenfalls eskalieren kann.
Häufig verlagern sich oben genannte Konfliktinhalte auf die Ebene der Sachverhaltskonflikte, deren Problematik sich als unbeteiligter Außenstehender am ehesten wahrnehmen lässt. Peter HÖHER spricht in diesem Kontext von einem „sichtbaren Konfliktvordergrund“, während sich die anderen Konflikttypen in den „Hintergrund“ verschieben.13
Analog dazu lässt sich die Einteilung in offensichtliches Handeln und hintergründiges Empfinden und Verhalten auf das populäre Bild des Eisbergs projizieren. Im Hinblick auf Konflikte ist mit dem Handeln der Beteiligten lediglich die Spitze des Eisbergs zu sehen, während sich der weitaus größere Teil unter der Wasseroberfläche verbirgt. Dementsprechend schwierig gestaltet sich daher die Ursachenfindung, da Hintergründe, Entstehungszusammenhänge und Verlauf quasi im Dunkeln liegen.
2.3. Das ambivalente Potential von Konflikten
Bereits im einleitenden Abschnitt dieser Arbeit hat der Autor die nützliche Wirkungsfähigkeit von Konflikten angerissen und dafür plädiert, dieses Potential zu nutzen. Allzu oft liegt dieses Feld brach, wird versucht, Konflikte schnellstmöglich aus der Welt zu schaffen. Den positiven Nutzen, den Konflikte mit sich bringen können, soll nun jedoch auch nicht zu viel Gewicht beigemessen werden. Der bejahende Gedanke darf nicht losgelöst von den Risiken, die Konflikte mit sich bringen, betrachtet werden, schließlich stören Konflikte immer auch den eigentlichen Lernprozess auf der Sachebene. Es verhält sich folglich wie mit dem Tanz auf dem Drahtseil: Konflikte dürfen nicht ausschließlich negativ betrachtet und behandelt werden; gleichzeitig bilden sie jedoch nicht zwingend die Voraussetzung für erfolgreiche Veränderungen. Diese Disparität soll im Folgenden näher erläutert werden. Wurden Konflikte lange Zeit tabuisiert – nicht zuletzt dank der überwiegenden Berichterstattung über gewalttätige Konflikte und der damit einhergehenden negativen Wahrnehmung durch die Öffentlichkeit14 – werden ihre positiven Aspekte im Sinne von teambildenden Maßnahmen in jüngster Zeit geradezu über den grünen Klee gelobt. Dies geht soweit, dass einige Autoren Konflikte gar als Notwendigkeit der Evolution beschreiben.15 Um auch hier den Balanceakt zwischen oben genannter Position und konträren Meinungen – Klaus P. BEER beispielsweise nennt die allzu positivistischen Sichtweisen „[…] zeitgeistliche[] Kopfgeburten mit kurzen Verfallsdatum“16 – zu bewältigen, ist es zweckmäßig, die Fakten zu betrachten.
Als grundlegendste Eigenschaft von Konflikten ist das Aufdecken von Unterschieden zu nennen. So offenbaren sich in einem Konflikt eine Vielzahl an divergenten Ansichten und Auffassungen, die jeweils Teil der Persönlichkeit eines Individuums sind. Nur durch das Bekanntwerden der jeweiligen Standpunkte und Ziele ist die gemeinsame Bewältigung in den verschiedensten Formen möglich, ergibt sich im Idealfall „[…] aus These und Antithese eine innovative Synthese“17. Durch die Begegnung mit abweichenden Wahrnehmungen können die Konfliktparteien dazu angeregt werden, ihren eigenen Standpunkt zu überdenken, um anschließend durch die so entstandenen klaren Verhältnisse Spannungen untereinander abzubauen. Konflikte forcieren qua ihrer Bearbeitung die Kommunikation zwischen den Konfliktparteien. Die Suche nach Argumenten für das Durchsetzen der eigenen Position oder zur Konsensfindung ermöglichen es in der Folge neue Ideen zu entwickeln, gegebenenfalls gar einen organisatorischen Wandel anzustreben. Speziell in der Bearbeitung von Konflikten, in die mehrere Personen involviert sind, werden wesentlich mehr verschiedene Aspekte berücksichtigt, als durch Einzelpersonen. Dies ist – neben weiteren Gründen – als eine Ursache für den verstärkten Einsatz von Gruppenarbeit als Methode im Unterricht anzusehen. Gleichermaßen gilt es die „parasitäre Existenz“18 – also die zunehmende Beeinträchtigung geregelter Abläufe zugunsten der Konfliktbearbeitung – von Konflikten zu minimieren. Dem selektiven Sinn durch die Verdeutlichung von Unterschieden kann paradoxerweise auch ein verbindendes Element an die Seite gestellt werden. Besonders in Gruppenprozessen kommt Konflikten diese doppeldeutige Wirkung zu. Einerseits stabilisieren sie bestehende Gefüge, indem zu stark von der Gruppennorm abweichende Einzelinteressen aus der Gruppe ausgeschlossen werden.19 Andererseits wirken sie destruktiv, wenn die unterlegene Konfliktpartei ihre Position oder ihre Ziele aufgeben muss. Diese Ambivalenz gilt es bei der Bearbeitung von Konflikten zu beachten.
Es lässt sich zusammenfassend konstatieren, dass Konflikte im Wesentlichen durch zwei Wirkungsweisen gekennzeichnet sind. Konstruktiv wirken sie als Antrieb von Entwicklungen und Wandlungen – sowohl auf individueller als auch auf kollektiver Ebene – sowie aufgrund ihrer Stabilisierungs- und Ordnungsfunktion.20 Destruktiv hingegen wirken Konflikte in der Hauptsache, weil die betreffenden Konfliktparteien nicht in der Lage sind, angemessen und konstruktiv mit Konfliktsituationen umzugehen. Dies äußert sich zumeist in physischen wie psychischen Beschwerden, mangelnder Kommunikation und einer Verlagerung der Problematik von der objektiven Betrachtung zur emotionalen Handlungsbereitschaft. Letztgenannte bedarf im Kontext des Sportunterrichts besonderer Betrachtung, die sich im folgenden Kapitel anschließt.
3. Konflikte im Sportunterricht
Die Bearbeitung von Konflikten stellt sich im System „Schule“ als besondere Herausforderung dar. Dies ergibt sich bereits aus der Konstellation Schule – Schüler. Als eine der bedeutendsten gesellschaftlichen Sozialisationsinstitutionen stellt sie einen Ort dar, an dem Schüler über viele Jahre mehr oder weniger unfreiwillig ihre Zeit verbringen und sich den stetigen Forderungen der Lehrkräfte ausgesetzt sehen.21 Aufgrund seiner Rolle als Wissensvermittler mit Entscheidungshoheit erwarten die Schüler vom Lehrpersonal häufig, dass es ihre Konflikte – sei es durch Unterstützung der eigenen Position oder durch Sanktionen der Gegenseite – stellvertretend für sie löst. Das Anliegen, das Kontingent an Konfliktlösungsmöglichkeiten für alle Schüler zu erweitern, wird aufgrund persönlicher Erfahrungen, Motivation und sozialer Prägungen indes unterschiedlich wahr- und angenommen. Die Bearbeitung von Konflikten ist folglich nicht nur durch ungleiche Erwartungen, Ziele und Sympathien seitens der Beteiligten beeinflusst, sondern durch deren Konfliktverhalten, das den Unterschied zwischen Konsens und Eskalation ausmacht. Davon ausgehend liegt die pädagogische Zielsetzung für die optimale Bearbeitung von Konflikten auf der Minimierung von Konfliktvermeidung, -verlagerung und -unterdrückung sowie gewalttätiger Austragung zugunsten eines kooperativen, konsensorientierten Verhaltens. Weiterführende Erläuterungen diesbezüglich schließen sich im Kapitel „Lösungsstrategien“ an.
Aufgrund des begrenzten Umfangs wird nachfolgend vordergründig auf Konflikte im Sportunterricht eingegangen, was jedoch keine zwingende Eingrenzung auf die lokalen und temporalen Gegebenheiten mit sich bringt. Der Großteil der Konflikte kann in veränderlicher Gestalt ebenso andernorts stattfinden – sei es auf dem Pausenhof, sei es während eines anderen Fachunterrichts.
Auf den ersten Blick erscheint das Unterrichtsfach Sport geradezu prädestiniert für die Konfliktthematik: sowohl negativ aufgrund der Quantität sich zutragender Konflikte als auch positiv im Sinne der sich dadurch bietenden Möglichkeiten zur Bearbeitung. Das Konfliktpotential scheint nahezu unerschöpflich: vom Kampf gegen die Uhr bis zum Kampf um die richtige Technik, von der Frage der Taktik bis zur Frage der Teamzusammenstellung, vom Respekt vor unterschiedlicher Leistungsfähigkeit bis zum Auflehnen gegen bestehende Hierarchien. Auf intra- wie auch auf interpersoneller Ebene gibt es eine Vielzahl an möglichen Konfliktursachen, denen es als Lehrkraft zu begegnen gilt.
Im Gegensatz zu theoriebasierten Schulfächern, die selten für alle gleichermaßen transparente Rückschlüsse auf die individuelle Leistungsfähigkeit zulassen, gibt es im Sportunterricht keine Möglichkeit sich „zu verstecken“. Für unsportliche Schüler entsteht so eine unangenehme Situation auf gleich zwei Ebenen: dem Bewusstsein um das mangelnde sportliche Können und der damit verbundenen fehlenden Motivation einerseits und der zu erwartenden Demütigung vor den Klassenkameraden durch die für alle sichtbare Leistungsabnahme. Ferner weitet sich dies zu einem weiteren Konfliktfeld aus, sobald die Methodik Gruppenübungen oder Mannschaftsspiele vorsieht. In diesen Formen der Kooperation sind es vorrangig Gruppenkonflikte, die durch den negativen Einfluss einzelner sportschwacher Schüler auf das Spiel der eigenen Mannschaft oder gar auf das Sportspiel an sich hervorgerufen werden.22
Doch auch Situationen zwischen Schülern, die auf dem gleichen sportlichen Niveau agieren, können in Konflikten resultieren, reizt der Sportunterricht durch den erhöhten Bewegungsspielraum doch zu Regelübertretungen an. Insbesondere betrifft dieser Umstand Sportspiele, deren Zielsetzung nichts anderes als die institutionalisierte Lösung von Konflikten ist. Den Rahmen für die Bearbeitung dieser Konfliktsituation gibt dabei ein zuvor festgelegtes und von allen Partizipierenden akzeptiertes Regelwerk vor. Dieses Regelwerk schreibt aufgrund der Zielsetzung durch das Erzielen von Punkten, Toren oder anderweitig messbaren Leistungen den Konflikt gewissermaßen vor.
Auch hier zeigt sich neuerlich die Vielschichtigkeit von Konflikten: so ist das Erringen eines Sieges durch ein Mehr an Punkten, Toren, etc. der erfolgreiche Gewinn eines externalisierten Guts. Zugleich steigt mit dem Gewinn jedoch auch die Möglichkeit, im Ansehen der beteiligten Schüler zu steigen, bisweilen durch die Kommunikation über die Grenzen des Klassenverbandes hinweg gar einen gewissen Ruhm zu erlangen. Dieser Effekt ist für einige Schüler erstrebenswerter als für andere, was die Konfliktentstehung wie auch die Schärfe, mit der Konflikte bisweilen ausgetragen werden, zumindest teilweise erklärt. Neben diesen institutionalisierten Konflikten lassen sich auch nicht-institutionalisierte Konflikte finden, etwa wenn negative Erlebnisse in Situationen des Sportunterrichts transferiert und in Form von überhartem körperlichen Einsatz reguliert werden.23
Dabei sind es nicht nur Interessensgegensätze unter Schülern, die im Sportunterricht ausgetragen werden, sondern ebenso generelle Disziplinprobleme. DREIKURS beschreibt Angelegenheiten diesen Charakters wie folgt: „Die Rebellion gegen die Autorität einigt alle jungen Menschen gegen die Gesellschaft der Erwachsenen“24. Dies gilt im Besonderen für besonders autoritäres, bisweilen gar autokratisches Verhalten seitens des Lehrpersonals. Entscheidungen, auf die die Schüler keinen Einfluss haben und die ihnen nicht transparent vermittelt werden, können so besonders in der pubertären Phase der Adoleszenz Aufsässigkeit provozieren.25 Dies äußert sich dann ebenfalls in Regelübertretungen in den Spielen und kann sowohl versteckt als auch offen ausgetragen werden. Eine weitere Ursache für ein solches Verhalten wird durch die unterschiedlichen Erwartungen an den Sportunterricht in der Schule generiert. Während die Schüler durch Erfahrungen aus dem Freizeitsport außerhalb der Schule geprägt sind und ähnliche Erlebnisse vom Schulsport erwarten – insbesondere im Faktor der Mitbestimmung – ist die Gestaltung des Sportunterrichts seitens des Lehrpersonals durch die immerwährende Verknüpfung mit pädagogischen Zielen – sozial-kooperatives Verhalten, Disziplin, Selbst- und Sozialkompetenz – bestimmt.26 Neben Zeitmangel durch die Nutzung externer Sportanlagen, Umkleiden, Auf- und Abbau von Geräten führen desgleichen Ressourcenknappheit bestimmter einen abwechslungsreichen Unterricht gewährleistenden Materialen zu den Faktoren, die für Lehrkräfte wie für Schüler gleichermaßen frustrierend sein können.27
Weitere Konfliktursachen können sich beispielsweise im übersensiblen Gerechtigkeitsempfinden, aufgrund stereotyper Vorurteile, mangelnder Leistungsbereitschaft, fehlender Vorbildfunktion seitens der Lehrkraft oder auch unterschiedlicher Wahrnehmung des Verletzungsrisikos finden lassen.28 Generell verleitet die formale Auflösung der sonst üblichen Strukturen wie einer festen Sitzordnung zu Störungen. Eben in diesem organisatorischen Bereich sind die meisten Konfliktaustragungen verortet. Diese zeigt sich sowohl im angeleiteten wie auch im selbstständigen Bereich, wobei Letztgenannter differenzierter strukturiert ist. So erstreckt sich das Konfliktpotential unter anderem auf das Umräumen von Geräten, selbstständiges Üben, den Stationsbetrieb, der Organisation von Mannschaften und vieles mehr.29 Diese Auflistung ist bei weitem nicht vollständig, erfüllt jedoch mit der Darstellung der Breite möglicher Konfliktursachen bereits in der bestehenden Form ihren Zweck.
Als Parameter, die Einfluss auf die Konfliktentwicklung haben seien an vorderster Stelle die persönliche Bewältigungsdimension der Schüler, die Institutionalisierung und Einhaltung des Regelwerks sowie der Einfluss Unbeteiligter auf Entscheidungsfindungen im Sinne eines Spielleiters genannt.
4. Lösungsstrategien
Analog zu den bis dato erarbeiteten Ergebnissen gestalten sich auch die Lösungsmöglichkeiten vielschichtig wie der Konflikt an sich. Von daher überrascht es kaum, dass es kein Patentrezept gibt, stattdessen immer eine individuelle Betrachtung notwendig ist. Eine differenzierte Darstellung der potentiellen Ansätze würde eine eigene Arbeit füllen und ist von daher in diese Überblicksbetrachtung nicht vorgesehen.30
Aller Ursachenforschung voraus soll ein Aspekt erläutert werden, der für den Konfliktverlauf von besonderer Bedeutung ist: die emotionale Kompetenz. Ähnlich wie der Konfliktbegriff gibt es auch hier keinen einheitlich anerkannten Kernsatz, sondern nur verschiedenartige Annäherungen, von denen sich die in Bezug auf die Thematik dieser Arbeit treffendste wie folgt charakterisiert: emotionale Kompetenz ist die Summe aus Selbstwahrnehmung, Selbstkontrolle und Motivationsfähigkeit.31 Auf Konflikte bezogen heißt das, dass das Individuum in der Lage ist, Situationen einzuschätzen und entsprechend zu handeln, indem es seine eigenen Gefühle versteht, diese kommuniziert und die Gefühle des Gegenüber erkennen, nachvollziehen und verstehen kann. Die Fähigkeit, eigene Gefühle zu managen und mit rationaler Logik abzugleichen statt affektiv zu handeln, beeinflusst den Erfolg im Umgang mit Konflikten.
In Konflikten leidet jedoch genau diese Symbiose aus Rationalität und Emotionalität. Dies liegt vor allem daran, dass Konflikte bereits in ihrer Entstehungsphase negative Gefühle bei den Konfliktparteien auslösen, die die objektive Betrachtung sowie den konstruktiven Umgang einschränken und die affektive Aktionsbereitschaft steigern. Infolgedessen rückt der Interessensgegensatz in den Hintergrund, wird die unterschiedliche Wahrnehmung zum Streitthema. Oder verkürzt gesagt: die Problematik verlagert sich von der objektiven auf die subjektive Dimension. Infolgedessen muss der Interessengegensatz gar nicht – oder nicht mehr – real existieren, es reicht, wenn er von den Konfliktparteien als solcher empfunden wird.32
Dies ist der Punkt, an dem die Konfliktbearbeitung durch die Lehrkraft oder einen Mediator ansetzen sollte. Als unbeteiligter Dritter unterliegt er nicht der für die Konfliktparteien geltenden Logik, kann er Rationalität deutlich machen und zum Ausstieg aus dem Konflikt bewegen.33 Die Betrachtungsweisen der beteiligten Konfliktparteien müssen hinterfragt, erläutert, kommuniziert und mit dem je eigenen Standpunkt auf ihre fortdauernde Gültigkeit hin überprüft werden. Klärt sich eine Vermutung als fehlerhaft auf, entfällt somit auch die Grundlage für den Konflikt. Diese Erkenntnis muss dann von allen Beteiligten wahr- und angenommen werden. In der Praxis lassen sich Konflikte indes in den seltensten Fällen derart beilegen. KIPER und MISCHKE zufolge ist es unzureichend, Missverständnisse aufzuklären und Emotionen auszusprechen. „Wenn die Schülerinnen und Schüler ihren Konflikt direkt miteinander regeln wollen, kann das nur mit Aushandeln geschehen. […] Es braucht eine Vereinbarung, die die Anliegen beider berücksichtigt.“34
Als unbeteiligter Dritter ist es in der Rolle als Streitschlichter immanent wichtig auf Fehleinschätzungen von Informationen hinzuweisen. Insbesondere weil das Konkurrenzdenken in Konfliktsituationen die Sichtweise soweit einengt, dass der Fokus mehr auf der Betonung der Unterschiede liegt, denn auf der Suche nach Gemeinsamkeiten. So müssen unrealistische Deutungen von der realen Situation abgegrenzt werden, muss die Art und Entstehung von Konflikten gemeinsam herausgearbeitet werden. Ab einer bestimmten Konfliktphase lässt sich die Situation nur unter Zuhilfenahme von Außenstehenden lösen.35 Generell gilt, dass die Lehrkraft im Idealfall lediglich als Moderator auftreten sollte, um den Schülern die Chance zu geben, selbstständig zu argumentieren. Resultate, die durch die Konfliktparteien erarbeitet wurden, erweisen sich als haltbarer als durch Dritte erwirkte Lösungen. Gleichsam ist es ihr auch möglich, mehr Einfluss auf den Konfliktverlauf zu nehmen, indem sie die Struktur des Konflikts für alle offenlegt und durch Perspektivwechsel alternative Möglichkeiten, wie etwa einen Kompromiss aufzeigt.36 Vorrangig geht es also um das Aufdecken zuwiderlaufender Interessen, damit auf dieser Grundlage ein konstruktives Streitgespräch entstehen kann.37 Wenngleich nicht alle Konflikte nach dem win-win-Prinzip gelöst werden können, sollte das zumindest partielle Erreichen der Zielsetzungen aller Involvierten angestrebt werden. Denn nur dann erweisen sich Konflikte für alle als funktional, wenn sie ein „Fortschreiten […] in der Anpassung bestimmter sozialer Beziehungen […] zur Folge haben.“38 Streiten während einer Unterrichtseinheit also zwei Gruppen, ob sie lieber Fußball oder Basketball spielen möchten, lässt sich dieser Streit durch den Konsens, beide Spiele zu gleichen zeitlichen Anteilen durchzuführen, beilegen. Gleichermaßen werden Akzeptanz, Kompromissfähigkeit und Problembewältigung geschult. Als problematisch ist in dieser Hinsicht auf das potentielle Übergehen von Konfliktdetails bei vorschnellen Einigungen hinzuweisen.
Überdies kann die Überprüfung von Konflikten auf deren Beseitigung durch mögliche Ausgleichshandlungen oftmals überraschende Lösungen hervorrufen. So führen Entschuldigungen – beispielsweise über eine Normübertretung – teils zur Beilegung der Problematik. Neben der verbalen Bitte um Nachsicht über ein begangenes Foul, können sie auch von Gestalt eines freiwillig wechselnden Ballbesitzes oder anderen praktischen Handlungen sein. Das unterschiedliche Konfliktverhalten seitens der Schüler nimmt also eine wichtige Rolle in der Bearbeitung von Konflikten ein: werden Konflikte konstruktiv behandelt, wird ihnen aus dem Weg gegangen oder werden sie aggressiv angegangen?39 Für die Lehrkraft bedeutet dies auch die Situation bezüglich der präferierten Lösungsmethode zu analysieren: sollte sie möglichst lehrerzentriert ablaufen oder eher auf kooperative Strategien setzen?
Weiterhin können Interventionen bereits präventiv auf Konflikte wirken, was sich wiederum anhand mehrerer Ebenen realisieren lässt. Auf der Ebene der Beeinflussung des Konfliktpotentials stellt sich das zum Beispiel durch die fortlaufende Überprüfung der Unterrichtssituation auf das Vorhandensein von Konfliktpotential dar. Der Umgang im Konfliktprozess lässt sich durch die präventive Schulung von Kommunikation verbessern. Letztlich lassen sich durch die Festlegung von Regeln die Konfliktfolgen eingrenzen.40
Ungleich häufiger kommt es jedoch zu kurativen Interventionen – also während des Konfliktprozesses. Hier wird hauptsächlich in die Steigerung oder Reduzierung der existenten Eskalation unterschieden. Die Reduzierung zielt in dieser Hinsicht auf die Runterregelung der Emotionen, um eine sachliche Handlungsfähigkeit wiederherzustellen. In die entgegengesetzte Richtung zielt die Steigerung des Eskalationsprozesses. Was zunächst paradox klingen mag, ist in dieser Form notwendig um die Existenz unterschiedlicher Standpunkten auszusprechen und damit den Konflikt als Tatsache anzuerkennen.41
Aufgrund dieser vielfältigen Zugangs- und Bearbeitungsmöglichkeiten von Konflikten bedarf es eines ebenso vielschichtig strukturierten Systems innerhalb des Sportunterrichts im Speziellen und der Schule im Allgemeinen. Nachhaltig wirksame Konfliktbearbeitung kann erst durch ein Miteinander mehrerer für sich oder kombiniert wirkender Konfliktlösungsinstrumente garantiert werden. Wesentlich ist der Zugang durch und die kollektive Wahrnehmung von mehreren Perspektiven. Das Repertoire reicht diesbezüglich vom Einsatz des Klassenrats, Vertrauenslehrern oder Mediatoren über gemeinsam aufgestellte Normen- und Regelkataloge bis hin zu Kommunikationstrainings oder anderen nicht durch den Lehrplan vorgegebenen Schulungsmethoden.42
5. Zusammenfassung
Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.
Albert Einstein
Wie sich eingangs der Arbeit angedeutet hat, sprengt eine umfangreiche Betrachtung der Konfliktproblematik und ihrer Kontextualisierung im Sportunterricht an Schulen den Rahmen einer Hausarbeit. Viele Sichtweisen und Bearbeitungsstrukturen konnten lediglich angerissen werden und verdeutlichen, welcher Situation sich Sportlehrkräfte im Unterricht ausgesetzt sehen. Nach der für sich genommen bereits komplexen Suche nach der Konfliktursache folgt eine schier unüberschaubare Anzahl an Zugängen, die sich zur Konfliktlösung anbieten. Gleichermaßen gibt es kein Patentrezept, kann eine als wirksam erlebte Bearbeitung in einer anderen Situation oder auch nur an einer anderen Haltung des Schülers wirkungslos verpuffen. Ebenso zeigt sich die Wirksamkeit ausgewählter Bearbeitungsformen nicht immer in kürzester Zeit, gilt es, neben Fingerspitzengefühl auch Geduld zu zeigen und Konfliktlösungsmethoden über einen längeren Zeitraum auszuprobieren. Ferner ist die Problematik der Konfliktbearbeitung ständigem Wandel unterzogen – durch eine sich weiterentwickelnde Gesellschaft einerseits, wie auch durch immer neue Forschungsansätze. Eine Überblicksdarstellung, wie diese Arbeit als Anliegen hatte, wird sich folglich in Zukunft mit aller Wahrscheinlichkeit noch komplexer darlegen lassen.
6. Literaturverzeichnis
Baillod, Jürg; Hascher, Tina: Das Wohlbefinden von Schülerinnen und Schülern und seine Bedeutung für die Schulsportforschung. In: Pühse, Uwe (Hrsg.) et al.: Schulsportforschung im Spannungsfeld von Empirie und Hermeneutik. Magglingen 2005, S. 129-148.
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Höher, Peter; Höher, Frederike: Konfliktmanagement. Konflikte kompetent erkennen und lösen. Freiburg 2001.
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Kiper, Hanna; Mischke, Wolfgang: Selbstreguliertes Lernen – Kooperation – Soziale Kompetenz. Fächerübergreifendes Lernen in der Schule, Stuttgart 2008.
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Krieger, Claus: ‘Wir/Ich und die anderen.’ Vergleichende Konstruktionen von Gruppenidentität im Sportunterricht. Eine qualitative Studie aus Schülersicht. Konstanz 2003, Dissertation, Universität Konstanz, Fachbereich Geschichte und Soziologie, Fach Sportwissenschaft.
Meyer, Berthold: Entstehung und Austragungsformen von Konflikten, Hindernisse
bei ihrer Regelung und Strategien, diese friedlich zu überwinden. In: Ders.: Konfliktregelung und Friedensstrategien. Eine Einführung. Wiesbaden 2011, S. 27-100.
Nolting, Hans-Peter: Störungen in der Schulklasse. Ein Leitfaden zur Vorbeugung und Konfliktlösung. Weinheim und Basel 62007.
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Schlick, Sigrun et al.: Führen leicht gemacht. Was Sie als Chef wirklich wissen müssen… . München 2007.
Schunk, Monika: Streitschlichter in der Schule, Praxishandbuch für die Ausbildung von Kindermediatoren. München 2005.
Schwarz, Gerhard: Konfliktmanagement: Konflikte erkennen, analysieren, lösen. Wiesbaden 82013.
Seidel, Wolfgang: Emotionale Kompetenz – Gehirnforschung und Lebenskunst. München 2004.
Thiel, Ansgar: Konflikte in Sportspielmannschaften des Spitzensports. Entstehung und Management. Schorndorf 2002.
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Thiel, Ansgar; Seiberth, Klaus; Mayer, Jochen: Sportsoziologie. Ein Lehrbuch in 13 Lektionen. Aachen 2013.
Wolters, Petra: „Schwierige“ Schülerinnen und Schüler. In: Sportpädagogik. Zeitschrift für Sport, Spiel und Bewegungserziehung. 2/2008.
[...]
1 Der besseren Lesbarkeit halber wird in dieser Arbeit die männliche Form verwendet, selbstverständlich sind dabei immer auch die weiblichen Schülerinnen gemeint. Gleiches gilt für sämtliche weiteren Personenbeschreibungen.
2 Berkel, Karl: Konflikt. In: Bierhoff, Hans-Werner; Frey, Dieter: Handbuch der Sozialpsychologie und Kommunikationspsychologie, Göttingen 2006, S. 669-675, hier: S. 672.
3 Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur Mecklenburg-Vorpommern: Rahmenplan Sport der Jahrgangsstufen 7-10 in Mecklenburg-Vorpommern, Erprobungsfassung, 2002, S. 4; S. 14.
4 Schlick, Sigrun et al.: Führen leicht gemacht. Was Sie als Chef wirklich wissen müssen… . München 2007, S. 143.
5 Gugel, Günther: Handbuch Gewaltprävention. Für die Grundschule und die Arbeit mit Kindern. Grundlagen - Lernfelder - Handlungsmöglichkeiten. Tübingen 2008, S. 3. Online via: http://www.friedenspaedagogik.de/content/download/4667/26361/file/Kapitel%204.2.1.pdf (Letzter Zugriff: 14.08.2014)
6 Becker, Georg E.: Lehrer lösen Konflikte. Handlungshilfen für den Schulalltag. Weinheim und Basel 112006, S. 19.
7 Kiper, Hanna; Mischke, Wolfgang: Selbstreguliertes Lernen – Kooperation – Soziale Kompetenz. Fächerübergreifendes Lernen in der Schule, Stuttgart 2008, S. 179.
8 Kellner, Hedwig: Projekte konfliktfrei führen – Wie Sie ein erfolgreiches Team aufbauen. München, Wien 2000, S. 28.
9 Schwarz, Gerhard: Konfliktmanagement: Konflikte erkennen, analysieren, lösen. Wiesbaden 82013, S. 99.
10 Kiper; Mischke, S. 180.
11 Berkel, S. 669.
12 Schunk, Monika: Streitschlichter in der Schule, Praxishandbuch für die Ausbildung von Kindermediatoren. München 2005, S. 12f.
13 Höher, Peter; Höher, Frederike: Konfliktmanagement. Konflikte kompetent erkennen und lösen. Freiburg 2001, S. 52.
14 Bark, Sascha: Zur Produktivität sozialer Konflikte. Wiesbaden 2012, S. 22.
15 Vgl.: Schwarz, S. 15ff.
16 Beer, Klaus P.: Was ist ein Konflikt? In: Ders.: Konfliktmanagement. Grundlagen und Zusammenhänge. Bad Harzburg 2007, S. 4. Online via: http://www.beer-management.de/docs/was_ist_ein_konflikt.pdf (Letzter Zugriff: 14.08.2014).
17 Meyer, Berthold: Entstehung und Austragungsformen von Konflikten, Hindernisse
bei ihrer Regelung und Strategien, diese friedlich zu überwinden. In: Ders.: Konfliktregelung und Friedensstrategien. Eine Einführung. Wiesbaden 2011, S. 27-100, hier: S. 35.
18 Luhmann, Niklas; zitiert nach Thiel, Ansgar; Cachay, Klaus: Soziale Konflikte im Sport. In: Weis, Kurt; Gugutzer, Robert (Hrsg.): Handbuch Sportsoziologie. Schorndorf 2008, S. 266-276, hier: S. 273.
19 Schwarz, S. 20f.
20 Bark, S. 107.
21 Glöckel, Hans: Klassen führen - Konflikte bewältigen. Bad Heilbrunn 2000, S. 67f.
22 Wolters, Petra: „Schwierige“ Schülerinnen und Schüler. In: Sportpädagogik. Zeitschrift für Sport, Spiel und Bewegungserziehung. 2/2008, S. 8.
23 Ritter, Matthias; Artner, Juliane: Konfliktsoziologie. Online via: http://de.wikibooks.org/wiki/Konfliktsoziologie (Letzter Zugriff: 14.08.2014)
24 Dreikurs, Rudolf; Grunwald, Bernice Bronia; Pepper, Floy Childers: Lehrer und Schüler lösen Disziplinprobleme. Weinheim 2007, S. 194.
25 Dreikurs et al., S. 23.
26 Bräutigam, Michael: Sportdidaktik. Ein Lehrbuch in 12 Lektionen. Aachen 42011, S. 55.
27 Ebd., S. 59f.
28 Baillod, Jürg; Hascher, Tina: Das Wohlbefinden von Schülerinnen und Schülern und seine Bedeutung für die Schulsportforschung. In: Pühse, Uwe (Hrsg.) et al.: Schulsportforschung im Spannungsfeld von Empirie und Hermeneutik. Magglingen 2005, S. 129-148.
29 Krieger, Claus: ‘Wir/Ich und die anderen.’ Vergleichende Konstruktionen von Gruppenidentität im Sportunterricht. Eine qualitative Studie aus Schülersicht. Konstanz 2003, Dissertation, Universität Konstanz, Fachbereich Geschichte und Soziologie, Fach Sportwissenschaft. S. 83f.
30 An dieser Stelle sei auf die Deeskalationsmodelle GLASLs und KREYENBERGs hingewiesen, die durch die Einteilung in Stufen, mehrschichte Bearbeitungsmöglichkeiten aufzeigen. Vgl. Glasl, Friedrich: Konfliktmanagement. Ein Handbuch für Führungskräfte, Beraterinnen und Berater. Stuttgart 82004, S. 236f.; Kreyenberg, Jutta: Handbuch Konflikt-Management. Konfliktdiagnose, -definition und -analyse. Konfliktebenen, Konflikt- und Führungsstile. Interventions- und Lösungsstrategien, Beherrschung der Folgen. Berlin 22005, S. 89.
31 Seidel, Wolfgang: Emotionale Kompetenz – Gehirnforschung und Lebenskunst. München 2004, S. 71.
32 Beer, S. 3.
33 Thiel, Ansgar: Konflikte in Sportspielmannschaften des Spitzensports. Entstehung und Management. Schorndorf 2002, S. 87f.
34 Kiper; Mischke, S. 256.
35 Kreyenberg, Jutta: Handbuch Konflikt-Management. Konfliktdiagnose, -definition und -analyse. Konfliktebenen, Konflikt- und Führungsstile. Interventions- und Lösungsstrategien, Beherrschung der Folgen. Berlin 22005, S. 89.
36 Thiel, Ansgar; Seiberth, Klaus; Mayer, Jochen: Sportsoziologie. Ein Lehrbuch in 13 Lektionen. Aachen 2013, S. 378f.
37 Großmann, Christina: Soziales Lernen und Gruppenentwicklung. Ein Praxishandbuch zur Förderung von sozialen Kompetenzen in Schule und Unterricht. Göttingen 2002, S. 90.
38 Coser, Lewis: Theorie sozialer Konflikte. Wiesbaden 2009, S. 10.
39 Nolting, Hans-Peter: Störungen in der Schulklasse. Ein Leitfaden zur Vorbeugung und Konfliktlösung. Weinheim und Basel 62007, S. 14.
40 Glasl, Friedrich: Konfliktmanagement. In: Meyer, Berthold: Konfliktregelung und Friedensstrategien. Eine Einführung. Wiesbaden 2011, S. 125-145, hier: S. 128f.
41 Glasl, S. 129f.
42 Vgl. Gugel, S. 8.
- Citation du texte
- Anonyme,, 2014, Konflikte und Konfliktbewältigungsstrategien im Sportunterricht, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/455592
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