Im Rahmen dieser Arbeit wird ein Text von Frank Hillebrandt mit der Überschrift „Praxistheorie“ vorgestellt. Der Artikel wurde im Jahr 2009 im Handbuch Soziologische Theorie von Kneer, Georg/Schroer, Markus veröffentlicht.
Im Rahmen dieser Arbeit wird ein Text von Frank Hillebrandt mit der Überschrift „Praxistheorie“ vorgestellt. Der Artikel wurde im Jahr 2009 im Handbuch Soziologische Theorie von Kneer, Georg/Schroer, Markus veröffentlicht.
Der Autor befasst sich mit dem Thema „Praktischer Sinn“ von Pierre Bourdieu, der als „Klassiker“ der Praxistheorie gilt. Frank Hillebrandt geht in seiner Abhandlung in fünf Stritten vor. Zuerst leitet er die Leserinnen in die Welt Praxistheorie ein. Dann wird die reflexive Sozialforschung dargestellt, um die Theorie der Praxis zu entwickeln. Später wird der Gegenstand der Soziologie neu gefasst. Daran schließen sich die zentralen Begriffe der Praxistheorie von Bourdieu an. Abschließend wird die Kritik an der von Bourdieu vertretenen Theorie gegeben, sowie die möglichen Perspektiven einer Weiterentwicklung der praxistheoretischen Soziologie. Dabei ist zu bemerken, dass alle Schritte, bis auf die Einleitung, der wichtigsten Grundannahmen der Praxistheorie von Bourdieu nachzeichnen.
In der Einleitung wird über die Differenzen zwischen den Begriffen Theorie und Praxis diskutiert. Zu Beginn stellt Hillebrandt sie als Gegenbegriffe dar. „…was in der Theorie schlüssig und logisch erscheint, sich in der Praxis nicht selten als unrealistisch erweist“. (S. 369). Dabei betont er, dass diese Meinung sich bei der genaueren Betrachtung der Geschichte soziologischer Forschung relativiert. Der Autor bezieht sich auf das von Marx formulierte Verständnis von Praxis, indem der Praxisbegriff für die Probe steht, Theorie in praktischer Absicht zu verfassen. Der Begriff Praxis wird dabei als „sinnlich menschliche Tätigkeit“ definiert. (S.369). Durch die Praxis wird jede Theorie selbst zu einer Form der Praxis. Man versucht, theoretische Denkweise mit dem praktischen Leben in Zusammenhang zu bringen. Marx war der Meinung, dass „Alles gesellschaftliche Leben ist wesentlich praktisch. Alle Mysterien, welche die Theorie zum Mystizismus veranlassen, finden ihre rationale Lösung in der menschlichen Praxis und in dem Begreifen dieser Praxis.“ (Marx 1969, S.7, zit. nach: Hillebrandt, S. 370).
Eine andere Quelle der soziologischen Forschung stellen für Hillebrandt Max Webers Ideen dar. Mit dem Handlungsbegriff wird nochmals bestätigt, dass die soziale Forschung nicht rein theoretisch ist. Sie ist als Erfahrungswissenschaft zu verstehen, die sich durch das Verstehen und das Interprätieren mit subjektivem Sinn sozialer Handlungen befasst.
Zurzeit gibt es keinen eindeutigen Begriff der soziologischen Praxistheorie. Es entwickeln sich zahlreiche praxisorientierte Forschungsgebiete. Dazu gehören zum Beispiel
- „Gender Studies“,
- „Cultural Studies“ mit der kultursoziologischen Untersuchung der Alltagspraxis sozialer Akteure und mit dem bekanntesten Vertreter Stuart Hall,
- „Science Studies“, die untersuchen, wie die Erkenntnisse zustande kommen und haben mehrere Vertreter wie Bruno Latour, Michel Callon, Steve Woolgar.
All diese an der Praxis orientierten Forschungsrichtungen haben folgendes gemeinsam: „Die Theoriebildung erscheint so als Ergebnis empirischer Praxisforschung“. (S. 372). Diese Position steht in Zentrum der Praxistheorie von Pierre Bourdieu.
In nächstem Teil des Artikels mit der Überschrift „Reflexive Sozialforschung – Objektivierungen objektivieren“ befasst sich Hillebrandt mit dem Versuch von Bourdieu zur Erzeugung einer neuen, ausschließlich soziologischen Erkenntnistheorie. Dabei nimmt Bourdieu Bezug auf marxistische Ideen und behauptet, dass „…die Produktion soziologischer Erkenntnisse nur als Praxis verstanden werden kann und dass sie deshalb mit Hilfe der von Marx vorbereiteten Relation zwischen Theorie und Praxis reflektiert werden muss.“ (S.373). Nur auf diese Weise können die Bedingungen in der Theoriebildung für die soziologische Praxis erfüllt werden.
Gleichzeitig ist es wichtig zu begreifen, dass die wissenschaftlichen Objektivierungen, wie zum Beispiel, Begriffe, Theorien, Methoden der Forschung, auch Formen der Praxis sind. Sie entstehen im akademischen Feld der wissenschaftlichen Produktion von Erkenntnissen, wo der Kampf um diejenigen Positionen stattfindet, welche von sozialen Akteuren angenommen werden müssen. Das erklärt, Bourdieu`s Meinung nach, wieso die soziologischen Theorien die soziale Praxis mit allgemeingültigen Gesetzmäßigkeiten erfassen wollen. Die Kausalgesetze, die für einen bestimmten Teil der Sozialität formuliert werden, lassen sich für alle Formen der Praxis übertragen. Diese allgemeingültigen Gesetzmäßigkeiten erklären die sozialen Prozesse. Da der Kampf aber nur im akademischen Feld geschieht, bleibt er unreflektiert, ist daher keine richtige Praxis für Bourdieu, sondern nur Reproduktion des scholastischen Feldes. Zum Schluss dieses Abschnitts geht der Autor noch auf die paradoxe Ausgangssituation der Soziologie der Praxis ein. „Zum einen wendet sie sich gegen die herrschenden Konventionen des wissenschaftlichen Feldes der Soziologie, und zum anderen möchte sie es ebenso entschieden vermeiden, der Spontansoziologie des Alltags unreflektiert zu folgen.“ (S. 374). Er ist der Ansicht, dass sich die Wissenschaftlichkeit der Soziologie präsentiert, indem sie ihre Begrifflichkeiten reflexiv gewinnt und die Objektivierungen objektiviert.
Imdritten Abschnitt „Praxis als Gegenstand der Soziologie – Denken in Relationen“ wird festgestellt, dass die Erforschung objektiver Strukturen, die sich mit einem logozentrischen System beschreiben lassen, untrennbar mit einer Erforschung habitualisierter Strukturen verbunden ist, die aus einer praktischen Logik gespeist werden. Deswegen muss die Analyse der Strukturen die Analyse der Wahrnehmungs-, Bewertungs- und Handlungsmuster mit berücksichtigen, weil die soziale Akteure nach diesen handeln. Als Gegenstand der Soziologie der Praxis wird „… die Relation zwischen zwei Realisierungen des historischen Handelns“ (Bourdieu und Wacquant 1996, S.160, zit. nach: Hillebrandt, S. 375) genannt. Es handelt sich dabei um den Zusammenhang zwischen Habitus und dem Feld. Um eine Theorie der Praxis zu konstruieren, ist es erforderlich die Praktiken zu analysieren, die in dieser Relation stehen. Durch dieses Zusammenspiel können die Alltagsmeinungen über die soziale Welt in die wissenschaftliche Untersuchung der Praxis mit berücksichtigt werden.
Gleichzeitig wird betont, dass die Akteure nicht intentional handeln, sondern sind an der Entstehung von Praxisformen beteiligt, indem die Inkorporierung von Denk-, Wahrnehmungs-, Bewertungs- und Handlungsdispositionen stattfindet. Dies alles wird bei Bourdieu mit dem Habitusbegriff verbunden.
Der vierter Abschnitt mit dem Name „Grundbegriffe der Praxistheorie – reflexive Begriffsbildung“ wirft einen Überblick auf die wichtigsten Begriffe der Bourdieu’schen Praxistheorie. Zuerst wird der Habitusbegriff als „…die durch Erfahrung erzeugten Denk-, Wahrnehmungs-, Bewertungs- und Handlungsdispositionen sozialer Akteure, durch die sie in Praxis verwickelt werden“ (S.377) definiert. Habitus wird als Grundhaltung gegenüber der Welt verstanden und führt dabei zu systematischen Stellungnahmen von sozialen Akteuren. Er ist nicht auf die Vernunft oder auf das Bewusstsein der Akteure beschränkt, sondern als ihre inkorporierte zweite Natur.
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- Quote paper
- Lana Luna (Author), 2015, Frank Hillebrandts Praxistheorie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/455544