Die Arbeit beschäftigt sich mit dem Thema, ob und wie Journalisten und Medien eine Kontrolle politischer Verantwortung in der Europäischen Union wahrnehmen. Zu diesem Zweck werden Entwicklung und Wandel des Brüsseler Pressecorps untersucht, welche auf das Wirken von Politik- und Medienakteuren in der EU Einfluss hatten. Des weiteren wird an Hand eines Fallbeispiels die erfolgreiche Umsetzung solch einer transnationalen Kontrolle durch Medien erörtert und analysiert. Letztlich wird die Frage beantwortet, ob sich das Öffentlichkeitsdefizit der EU verschärft hat oder nicht.
Ungeachtet der korrekten rechtlichen Autorisation durch nationale Parlamente und Bürgerentscheide ist die demokratische Legitimation der EU unter Fachleuten nach wie vor strittig, da es bisher nur nationale und keine gesamteuropäische politische Medienöffentlichkeit gibt. Herr Scharpf vertritt die These, dass der EU „die strukturellen Voraussetzungen fehlen, auf denen authentische demokratische Prozesse fußen“ . Medienöffentlichkeit ist für eine freiheitlich-demokratische Grundordnung von außerordentlicher Bedeutung, da sie politische Verantwortung einer öffentlichen Kontrolle unterzieht und Transparenz für die Bürger ermöglicht. Da die Europäische Union allerdings ein Gebilde sui generis darstellt, muss der Anspruch an Öffentlichkeit modifiziert werden, da eine bloße Projektion aus dem nationalen Rahmen heraus hier nicht angemessen ist. Die These des ehemaligen Verfassungsrechtlers Dieter Grimm, dass eine europäische Öffentlichkeit auf Grund linguistischer Heterogenität und rein national orientierter Massenmedien vorerst nicht möglich sei, muss zurückgewiesen werden, weil dies eine Übertragung nationaler Ansprüche an Öffentlichkeit auf das transnationale Gebilde EU darstellt. Die Reduktion der Problemstellung auf sprachliche Vielfalt und national orientierte Medienmärkte stellt heute kein Hindernis für eine adäquate Generierung politischer Öffentlichkeit in Europa dar. Da es aber aufgrund von Sprachen- und Normenvielfalt derzeit keine gemeinsame europäische Massenmedien gibt, kann eine gemeinsame und allgemeine EU-Medienöffentlichkeit nur über eine Vielzahl nationaler Medien unterschiedlicher Länder erreicht werden, welche halbwegs synchron und vernetzt über eine Normenverletzung und deren Entwicklung bzw. Folgen berichten.
Inhaltsverzeichnis
1) Einleitung
2) Funktion und Verhältnis von Medien zu Politik
3) Entwicklung des Brüsseler Pressecorps und seine Bedeutung für die Kontrolle politischer Verantwortung durch Öffentlichkeit
3.1)Aufwertung europapolitischer Berichterstattung
3.2) Transnationalisierung von Nachrichtenquellen
3.3) demographischer & linguistischer Wandel
3.4) Einstellungen der Journalisten gegenüber der EU
4) Der Echo/Cresson Fall als Beispiel für die Kontrolle politischer Verantwortung in der EU
5) Zusammenfassung und Schlussbetrachtung
6) Literatur
1) Einleitung:
Die Organe der Europäischen Union treffen immer mehr verbindliche Entscheidungen, die wesentliche Bereiche des sozialen und wirtschaftlichen Lebens europäischer Bürger betreffen. Ungeachtet der korrekten rechtlichen Autorisation durch nationale Parlamente und Bürgerentscheide ist die demokratische Legitimation der EU unter Fachleuten nach wie vor strittig, da es bisher nur nationale und keine gesamteuropäische politische Medienöffentlichkeit gibt. Herr Scharpf vertritt die These, dass der EU „die strukturellen Voraussetzungen fehlen, auf denen authentische demokratische Prozesse fußen“[1]. Medienöffentlichkeit ist für eine freiheitlich-demokratische Grundordnung von außerordentlicher Bedeutung, da sie politische Verantwortung einer öffentlichen Kontrolle unterzieht und Transparenz für die Bürger ermöglicht. Da die Europäische Union allerdings ein Gebilde sui generis darstellt, muss der Anspruch an Öffentlichkeit modifiziert werden, da eine bloße Projektion aus dem nationalen Rahmen heraus hier nicht angemessen ist. Die These des ehemaligen Verfassungsrechtlers Dieter Grimm, dass eine europäische Öffentlichkeit auf Grund linguistischer Heterogenität und rein national orientierter Massenmedien vorerst nicht möglich sei, muss zurückgewiesen werden, weil dies eine Übertragung nationaler Ansprüche an Öffentlichkeit auf das transnationale Gebilde EU darstellt. Die Reduktion der Problemstellung auf sprachliche Vielfalt und national orientierte Medienmärkte stellt heute kein Hindernis für eine adäquate Generierung politischer Öffentlichkeit in Europa dar. Da es aber aufgrund von Sprachen- und Normenvielfalt derzeit keine gemeinsame europäische Massenmedien gibt, kann eine gemeinsame und allgemeine EU-Medienöffentlichkeit nur über eine Vielzahl nationaler Medien unterschiedlicher Länder erreicht werden, welche halbwegs synchron und vernetzt über eine Normenverletzung und deren Entwicklung bzw. Folgen berichten.
Diese Hausarbeit beschäftigt sich mit dem Thema, ob und wie Journalisten und Medien eine Kontrolle politischer Verantwortung in der Europäischen Union wahrnehmen. Zu diesem Zweck werden Entwicklung und Wandel des Brüsseler Pressecorps untersucht, welche auf das Wirken von Politik- und Medienakteuren in der EU Einfluss hatten. Des weiteren wird an Hand eines Fallbeispiels die erfolgreiche Umsetzung solch einer transnationalen Kontrolle durch Medien erörtert und analysiert. Letztlich wird die Frage beantwortet, ob sich das Öffentlichkeitsdefizit der EU verschärft hat oder nicht.
2) Funktion und Verhältnis von Medien zu Politik
Konstituierend für eine freiheitliche und demokratische Grundordnung, wie wir dies beispielsweise in Deutschland, den Staaten Europas und der gesamten westlichen Hemisphäre haben, ist neben anderen Faktoren, auch das Recht auf freie Meinungsbildung. Diese wird über Grundrechte wie dem Recht auf freie Meinungsäußerung, die Pressefreiheit und die Versammlungsfreiheit garantiert. Wird Politik als soziale Interaktion begriffen, so ist Politik in einer Demokratie untrennbar mit politischer Kommunikation verbunden, da in einer funktionierenden Demokratie politische Herrschaft begründungspflichtig und zustimmungsabhängig ist, was sich nicht in periodischen Wahlgängen erschöpft. Vielmehr bezieht eine Demokratie ihre Legitimität auch aus der Generierung politischer Öffentlichkeit durch die Medien. Diese politische Medienöffentlichkeit zeichnet sich durch ein dauerhaft präsentes Publikum aus, welches potentiell alle Mitglieder einer Gesellschaft umfasst. Medienöffentlichkeit hat die Funktion der Beschaffung, Bereitstellung und Verbreitung von Informationen, Kenntnissen und Meinungen. Sie vermittelt der Öffentlichkeit politische Maßnahmen und zeigt den für diese Handlungen Verantwortlichen, so dass eine möglichst hohe Transparenz für die Bürger ermöglicht wird, welche letztlich die Regierungspartei(en) wählen. Ohne die Schaffung einer jedem Bürger offenstehenden Öffentlichkeit, wäre eine Verantwortungszuweisung politischen Handelns und freier Meinungsbildung nicht möglich.
Es gibt unterschiedliche Auffassungen darüber, welche Rolle Medien in einer Demokratie gegenüber der Politik tatsächlich spielen oder wahrnehmen sollten. Idealtypisch wird zwischen 3 Arten unterschieden: dem „Symbiose/Interdependenz-Paradigma“, dem „Instrumentalisierungs-Paradigma“ und den „Medien als 4. Gewalt“. Während es sich bei den ersten genannten Typen um deskriptive, d.h., die Wirklichkeit beschreibende und darstellende Konzepte handelt, ist die Auffassung der „Medien als einer 4. Gewalt“ ein normatives Konzept, welches eine als positiv bewertete Medienrolle beschreibt.
Die Vorstellung von den Medien als einer faktischen 4. Gewalt neben Legislative, Exekutive und Judikative, gründet in der Annahme, Journalisten würden oder sollten eine kritische gesellschaftliche Kontrollfunktion wahrnehmen. Die politische Öffentlichkeit generierenden Massenmedien sollten als Kontrollinstanz walten, welche den staatlichen drei Gewalten prüfend gegenüberstehen. Für ein Funktionieren sind dem gemäß zwei Voraussetzungen zu erfüllen:
1. Die Medien müssen wirtschaftlich unabhängig sein; sie dürfen nicht unter ökonomischen Druck gesetzt werden können, welcher ihre Kontrollfunktion kompromittiert.
2. Zwischen Medien und Politik muss ein Verhältnis der Autonomie und Distanz bestehen.
Von großer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang das berufliche Leitbild, dem sich Journalisten verpflichtet fühlen. Man kann hier einerseits zwischen dem Idealtypus eines Kooperations- und Verlautbarungsjournalismus, andererseits dem Idealtypus eines kritischen und Investigationsjournalismus unterscheiden. Der erstgenannte Typus ist an einer engen Zusammenarbeit mit politischen Akteuren interessiert und hält definitionsgemäß keine Distanz zu diesen. Es ist offensichtlich, dass dieser Typus inkompatibel mit der Vorstellung von „Medien als 4. Gewalt“ sein muss. Der Typus eines kritischen oder investigativen Journalismus hingegen hat ein Interesse an der Veröffentlichung von mutmaßlichen Normenverletzungen, da er sich selbst als Kontrollinstanz gegenüber politischen Akteuren versteht. Sein Berufsethos ist prinzipiell mit dem Konzept der „Medien als 4. Gewalt“ kompatibel. Dennoch ist auch hier zu beachten, dass von einem Distanz-Verhältnis zu politischen Akteuren nicht automatisch ausgegangen werden kann, da auch investigative Journalisten gewollt oder ungewollt (partei)politisch instrumentalisiert werden können. Des weiteren ist die Legitimation der Medien als einer 4. Gewalt insgesamt strittig, da sich die 3 staatlichen Gewalten verfassungsrechtlich gegenseitig kontrollieren.
3) Entwicklung des Brüsseler Pressecorps und seine Bedeutung für Kontrolle politischer Verantwortung durch Öffentlichkeit
3.1) Aufwertung europapolitischer Berichterstattung
Durch die deutliche Kompetenzausweitung der EU mit dem Vertrag von Maastricht veränderte sich die Perzeption der Bedeutung Europas für die nationalen Zentralredaktionen nachhaltig. Entscheidungen von EU-Institutionen, wie das Bossman-Urteil oder die Aufnahme von Frauen in kämpfende Einheiten der Deutschen Bundeswehr verdeutlichten jedermann nachdrücklich und eindrucksvoll die Wirkung von Entscheidungen der EU auf Nationalstaaten und deren Regionen. Dieser Umstand führte zu einer kontinuierlichen Aufwertung europapolitischer Berichterstattung, welche sich sowohl in einer Aufstockung des Brüsseler Korrespondentenpersonals als auch in der Erhöhung des Wettbewerbsdrucks äußerte.
Bis Anfang der 90er Jahre wurden Nachrichten aus Brüssel bezüglich der EG keine sonderliche Aufmerksamkeit geschenkt. Meist handelte es sich um Neuigkeiten, die nur für spezielle Berufssparten, z.B. Bauern, von Interesse waren. Des weiteren fühlte sich ein Großteil des Brüsseler Korrespondentenkorps den europäischen Institutionen und ihren Vertretern verpflichtet, was sich an der vorherrschenden Praxis eines Verlautbarungsjournalismus zeigte, welcher wiederum Interesse an einer kritischen Beleuchtung, sondern eher an der Kooperation und Publikation von Pressemitteilungen der Kommission hatte.
Mit dem Inkrafttreten des Maastrichter Vertrages von 1993 erhöhte sich die Anzahl der Korrespondenten in Brüssel kontinuierlich: So wuchs das Pressekorps jährlich im Zeitraum von 1993 bis 1999 zwischen 5-10%. Dies musste natürlich quantitative Auswirkungen auf die Berichterstattung der nationalen Medien haben: Eine von der Kommission in Auftrag gegebene Medienanalyse ermittelte einen quantitativen Anstieg von Berichten mit EU-Bezug im Zeitraum 1995-1997 um ca. 60%. Interessanterweise trugen aber 33% der Berichte eine deutsche Ortsmarke, was auf Recherchen aus der Heimatredaktion hindeutet. Dies kann mit der Ausweitung und Ergiebigkeit auch national verfügbarer Quellen, wie dem Internet erklärt werden, über welches kosten- und zeitgünstig alle Pressemitteilungen der EU-Institutionen in englischer, französischer und meist auch deutscher Sprache erreichbar sind.
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[1] Meyer, Christoph O.; Europäische Öffentlichkeit als Kontrollsphäre: Die Europäische Kommission, die Medien und politische Verantwortung, S.28:
„the structural preconditions on which authentic democratic processes depend are also lacking“
- Quote paper
- Robert Schütte (Author), 2003, Die Medien im europäischen Integrationsprozess: Medien als 4. Gewalt, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/45547
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