Dürreperioden, Kriege, Trinkwassermangel, Hungersnöte, aber auch die hohen CO2-Emissionen der Nachbarländer Iran und Pakistan stellen eine immense Umweltbedrohung für Land und Leute Afghanistans dar. Zwar sind wir von Umweltbelastungen und Klimawandel weltweit alle betroffen, doch besonders an den Orten, wo in den letzten Jahren noch Kriege stattfanden, waren die Menschen zusätzlich zu Krieg und Verfolgung am stärksten von Auswirkungen des Klimawandels betroffen. Heutzutage wird Afghanistan trotz der andauernden Spannungen zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen mühsam wieder aufgebaut. Dazu gehört auch der Wiederaufbau und die zukünftige Bewahrung der Umwelt, um Menschen eine sichere Heimat und ein sicheres Auskommen bieten zu können. Durch die Annahme des Kyoto-Protokolls am 23.06.2013 hat sich Afghanistan dem Umwelt- und Klimaschutz verpflichtet. Seitdem steht die Umweltbildung der Menschen auf der Agenda. Doch verhalten sich tatsächlich diejenigen umweltbewusster, die an Bildungsmaßnahmen zum Umweltschutz teilgenommen haben? Und wie stehen sie zu den meist westlichen wissenschaftlichen Erkenntnissen der Umweltwissenschaft und wie wirkt sich ihre Haltung zu Umwelt und Wissenschaft auf ihr Umweltbewusstsein aus? Diese und ähnliche Fragen zu Umweltbildungsmaßnahmen und Umweltschutzbemühungen in Afghanistan müssen auch im Zusammenhang mit der Ideologie der freien Marktwirtschaft gesehen werden (Hoffmann, 2009). Die westliche Wirtschaftsform, die freie Marktwirtschaft weicht von der islamischen Ökologie ab und wurde im Jahre 2004 in der neuen afghanischen Verfassung verankert (Davary, 2004). Ziel dieser Arbeit ist es, einerseits ein besseres Verständnis über die Situation und Einstellung der Menschen zu Umweltthematiken zu gewinnen und damit andererseits auf effektive Maßnahmen hinzuweisen, die langfristig das Umweltbewusstsein der Menschen stärken könnten. Laut dem BMZ hat allein Deutschland in den letzten 15 Jahren über 2,9 Milliarden Euro in die Entwicklungshilfe Afghanistans gezahlt. Die Hauptziele der Entwicklungszusammenarbeit richten sich auch auf Verbreitung von Bildung und Ausbildung im Land. Doch sind die Bildungsmaßnahmen, die sich auf die Sensibilisierung des Umweltverhaltens richten, in Afghanistan effektiv? Lassen sich die Forschungserkenntnisse, die meist aus ressourcenreichen Ländern stammen, auf ein solches Land übertragen?
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Umweltproblematik und Umweltpsychologie
2.1 Umweltpsychologie und Umweltbildung
2.2 Umweltrelevantes und umweltbewusstes Verhalten
3 Umweltproblematik in Afghanistan
3.1 Hintergrund und Gesetzgebung zur Umweltproblematik
3.2 Umweltbewusstsein der afghanischen Bevölkerung
4 Forschungsstand und die Rolle der Variablen
4.1 Synthese und Ziel der vorliegenden Arbeit
4.2 Herangezogene Konstrukte
4.3 Erfassung der Umwelteinstellung durch Umweltwissen, Umweltwerte & Umweltintention.
4.4 Alter als Einflussfaktor auf Umwelteinstellung
4.5 Ideologie der freien Marktwirtschaft
4.6 Akzeptanz der Umweltwissenschaft
5 Hypothesen zur Umweltbildung und zu umweltbewusstem Verhalten in Afghanistan
6 Methode
6.1 Rekrutierung der Stichprobe
6.2 Untersuchungsablauf
6.2.1 Fragebogen zum Umweltverhalten
6.2.2 Fragebogen zur Ideologie der freien Marktwirtschaft
6.2.3 Fragebogen zur Akzeptanz der Umweltwissenschaften
7 Ergebnisse
7.1 Überprüfung der statistischen Voraussetzungen zur MANOVA
7.1.1 Prüfung auf Normalverteilung
7.2 Einteilung der Gruppen nach erhaltenen Bildungsmaßnahmen
7.2.1 Prüfung auf Varianzhomogenität
7.3 Der Zusammenhang zwischen Umweltbildungsmaßnahmen mit Umweltwissen, Umweltwerten und Umweltintention
7.4 Der Einfluss der Annahme der Ideologie der freien Marktwirtschaft auf das Umweltwissen, auf Umweltwerte und Umweltintentionen
7.5 Der Zusammenhang von Akzeptanz der Umweltwissenschaft auf Umweltwissen, Umweltwerte und Umweltintention
8 Diskussion
8.1 Zusammenfassung der Ergebnisse
8.2 Einschränkungen dieser Untersuchung
8.3 Implikationen und Fazit
Literaturverzeichnis
Anhang
Zusammenfassung
Um der Frage des Zusammenhangs zwischen einerseits Umweltwissen, Umweltwerten und Umweltintention mit andererseits Bildungsmaßnahmen, Ideologie der freien Marktwirtschaft sowie Akzeptanz der Umweltwissenschaften nachzugehen, wurde eine empirische Fragebogenuntersuchung an Studierenden der Umwelt- und Ingenieurwissenschaften (N = 435) an der Universität Kabul durchgeführt. Das Ziel der Untersuchung war, herauszubekommen, ob solche Personen aus den jeweiligen Studiengängen, die Bildungsmaßnahmen zum Umweltschutz erhalten haben, ein höheres Umweltbewusstsein zeigen, als solche, die keine Bildungsmaßnahmen erhalten haben; sowie ob die Ideologie der freien Marktwirtschaft und die Akzeptanz der Umweltwissenschaften einen Einfluss auf das Umweltverhalten aufzeigen.
In der vorliegenden Arbeit konnte ein Unterschied zwischen den jeweiligen Gruppen gefunden werden. Die multivariaten Varianzanalysen gaben an, dass die Gruppe mit Bildungsmaßnahmen zum Umweltschutz ein stärkeres Umweltbewusstsein zeigte; und dass die Akzeptanz der Umweltwissenschaft in einem positiven Zusammenhang mit dem Umweltbewusstsein steht sowie den Erfolg von Bildungsmaßnahmen fördert. Ein signifikant negativer Zusammenhang zwischen Ideologie der freien Marktwirtschaft und Umweltbewusstsein konnte aufgezeigt werden.
Schlüsselwörter: Umweltschutz, Umweltbewusstsein, Umweltwissen, Umweltwert, Umweltintention, Akzeptanz der Umweltwissenschaften, Ideologie der freien Marktwirtschaft
Abstract
In order to promote individuals’ environmental attitudes and ecological behavior different educational approaches have been suggested and tested (Kaiser & Fuhrer, 2003; Kellstedt, Zahran, & Vedlitz, 2008; Schahn & Matthies, 2008). In the same vein, free-market ideology and acceptance of climate science have been identified as influencing factors impairing ecological behavior (Heath, 2006; Lewandowsky, Gignac, & Vaughan, 2012). This research however has been conducted mainly in the Western world, neglecting other non-Western countries. To fill this gap, this study explored the effect of environmental education on environmental attitudes and ecological behavior in Afghanistan students (N = 435) in Kabul University and their relation to free-market ideology and acceptance of climate science. Results revealed a significant positive relationship of environmental awareness with ecological behavior for those students who received environmental education. Furthermore, ecological behavior was found to be positively correlated with acceptance of climate science and negatively correlated with free-market ideology. Results are discussed in respect of the planning of future environmental educational endeavors.
Keywords: Environmental protection, Environmental awareness, Acceptance of climate science, Free-market Ideology
Tabellenverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1. Mittelwertunterschiede von Umweltwissen, Umweltwerten, Umweltverhaltensintentionen zwischen den Gruppen mit erhaltenen Bildungsmaßnahmen.
Abbildung 2. Mittelwertunterschiede des allgemeinen Umweltverhaltens zwischen den Gruppen mit erhaltenen Bildungsmaßnahmen.
Abbildung 3. Einfluss der Ideologie der freien Marktwirtschaft auf die vier Gruppen.
Abbildung 4. Einfluss der Akzeptanz der Umweltwissenschaften auf die vier Gruppen.
Vorbemerkung
Aus gendergerechten Gründen, wird in dieser Arbeit das Prinzip der sprachlichen Symmetrie angewendet. So werden an den Stellen, wo es um Frauen und Männer geht, beide Geschlechter benannt (z.B. Studierende).
1 Einleitung
„Ein Buch über Afghanistan, über uns?, lachten die Leute mich aus. Ein Buch über ein Land, in dem es nichts gibt als Hunger und Elend, Kriege und Tote? Was gibt es darüber schon zu schreiben? Wer will denn ein solches Buch lesen?“ (Shakiba, 2001). Mit diesem Satz beginnt Siba Shakiba ihr Buch „Nach Afghanistan kommt Gott nur noch zum Weinen: Die Geschichte der Shirin-Gol.“ In dieser Lektüre wird deutlich, inwieweit Dürreperioden, Kriege, Trinkwassermangel, Hungersnöte, aber auch die hohen CO2-Emissionen der Nachbarländer Iran und Pakistan eine immense Umweltbedrohung für Land und Leute Afghanistans darstellen.
Zwar sind wir von Umweltbelastungen und Klimawandel weltweit alle betroffen, doch besonders an den Orten, wo in den letzten Jahren noch Kriege stattfanden, waren die Menschen zusätzlich zu Krieg und Verfolgung am stärksten von Auswirkungen des Klimawandels betroffen. Auch in Afghanistan, das durch jahrelange Kriege ging, sind die Kriegsfolgen und Umweltbelastungen bis heute spürbar.
Heutzutage wird Afghanistan trotz der andauernden Spannungen zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen mühsam wieder aufgebaut. Dazu gehört auch der Wiederaufbau und die zukünftige Bewahrung der Umwelt, um Menschen eine sichere Heimat und ein sicheres Auskommen bieten zu können. Durch die Annahme des Kyoto-Protokolls am 23.06.2013 hat sich Afghanistan dem Umwelt- und Klimaschutz verpflichtet. Seitdem steht die Umweltbildung der Menschen auf der Agenda. Doch verhalten sich tatsächlich diejenigen umweltbewusster, die an Bildungsmaßnahmen zum Umweltschutz teilgenommen haben? Und wie stehen sie zu den meist westlichen wissenschaftlichen Erkenntnissen der Umweltwissenschaft und wie wirkt sich ihre Haltung zu Umwelt und Wissenschaft auf ihr Umweltbewusstsein aus?
Diese und ähnliche Fragen zu Umweltbildungsmaßnahmen und Umweltschutzbemühungen in Afghanistan müssen auch im Zusammenhang mit der Ideologie der Freien Marktwirtshaft gesehen werden (Hoffmann, 2009). Die westliche Wirtschaftsform, die freie Marktwirtschaft weicht von der islamischen Ökologie ab und wurde im Jahre 2004 in der neuen afghanischen Verfassung verankert (Davary, 2004).
Da es in der bisherigen Forschungsliteratur kaum Erkenntnisse zum Umweltschutz bzw. Umweltbildungsmaßnahmen in Afghanistan gibt, widmet sich die vorliegende Arbeit dieser Region. Ziel ist es, einerseits ein besseres Verständnis über die Situation und Einstellung der Menschen zu Umweltthematiken zu gewinnen und damit andererseits auf effektive Maßnahmen hinzuweisen, die langfristig das Umweltbewusstsein der Menschen stärken könnten. Laut Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hat allein Deutschland in den letzten 15 Jahren über 2,9 Milliarden Euro in die Entwicklungshilfe Afghanistans gezahlt. Die Hauptziele der Entwicklungszusammenarbeit richten sich auch auf Verbreitung von Bildung und Ausbildung im Land. Doch sind die Bildungsmaßnahmen, die sich auf die Sensibilisierung des Umweltverhaltens richten, in Afghanistan effektiv? Lassen sich die Forschungserkenntnisse, die meist aus ressourcenreichen Ländern stammen, auf ein solches Land übertragen?
Das Hauptziel der Arbeit besteht darin zu untersuchen, ob und wie sich Umweltbildung, die Ideologie der freien Marktwirtschaft sowie die Akzeptanz der Umweltwissenschaften auf Umweltverhalten auswirken. Die Studie arbeitete mit einer Paper-Pencil-Untersuchung, an denen Studierende der Umweltwissenschaften sowie Studierende anderer Wissenschaften der Kabul University teilnahmen. Nach dem Vorstellen der theoretischen Grundlagen folgt die Ableitung der spezifischen Hypothesen. Anschließend wird der methodische Vorgang beschrieben; den Schluss bilden die Darstellung der Ergebnisse und deren Diskussion.
2 Umweltproblematik und Umweltpsychologie
Seit Jahrhunderten sind Menschen für Umweltschäden verantwortlich. Das Ausmaß des Problems hat sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts allerdings deutlich verstärkt: Erstmals in der Geschichte sind aufgrund von Umweltschäden die menschlichen Lebensgrundlagen bedroht (Homburg & Matthies, 1998). Nicht allein der Mensch, ebenso „das gesamte Leben auf unserem Planeten [ist] hochgradig gefährdet (Preuss, 1991, S.19). Globale Umweltprobleme wie der Rückgang der natürlichen Ressourcen, die Zerstörung der Ozonschicht, der Verlust an Biodiversität, die Überfischung der Meere, die zunehmende Verschmutzung von Luft und Trinkwasserbeständen sowie das anhaltende Bevölkerungswachstum stellen für Mensch und Natur große Herausforderungen dar (Stern, 1992; Kaiser & Fuhrer 2003; Oskamp, 2000). Aktuelle Umweltprobleme wie z.B. die Verschmutzung der Luft und der Meere sind kein lokales Problem mehr, sondern wirken sich global aus und bestehen über eine längere Zeit. Gemeinhin wirken Veränderungen im ökologischem System und Umweltprobleme entsprechend dem Prinzip der latenten Wirksamkeit (Preuss,1991) schleichend und werden daher zunächst kaum bemerkt. Sowohl die mittel- als auch langfristigen Folgen menschlicher Einflüsse auf Natur und Ökosystem sind daher, nicht zuletzt wegen ihrer Komplexität, nur schwer einschätzbar. Trotz moderner Messmethoden und vielschichtiger Modelle lassen sich Umweltveränderungen nur schwer berechnen, was teils zu ungenauen und zweifelhaften Prognosen führen kann (Homburg & Matthies, 1998).
Kein Zweifel: Umweltschäden durch den Menschen sind vorhanden. Deshalb stellt sich die Frage, wie Umweltschutzverhalten gefördert werden kann. Die Verhaltenswissenschaften setzen dabei beim Menschen an. So stellen Maloney und Ward (1973) fest: „Die Ökologische Krise ist eine Krise des unangepassten Verhaltens“ (S.583). Auch Fietkau (1984) sah im Verhalten des Menschen eine mögliche Lösung zur Bewältigung der ökologischen Krise. Neben technischer Modernisierung und politischem Vorgehen spielen daher zur Bewältigung der Umweltprobleme des 20. Jahrhunderts die Verhaltenswissenschaften, vornehmlich die Umweltpsychologie, eine wichtige Rolle.
Im Folgenden werden deshalb zunächst die Umweltpsychologie mit dem Schwerpunkt der Umweltbildung sowie umweltrelevantes bzw. umweltbewusstes Verhalten erörtert. Da ferner diese Arbeit erstmals das Umweltbewusstsein Studierender in Afghanistan untersucht, wird anschließend ein kurzer Einblick in die Umweltproblematik sowie das Umweltbewusstsein der afghanischen Bevölkerung gegeben. Die diversen Faktoren, die umweltbewusstes Verhalten beeinflussen können, werden schließlich aus den Perspektiven unterschiedlicher Modelle beleuchtet, um abschließend die Hypothesen für die hier vorliegende Untersuchung herzuleiten.
2.1 Umweltpsychologie und Umweltbildung
Die Umweltpsychologie beschäftigt sich mit den Verhaltensweisen, mit denen Menschen die Umwelt schützen können und wollen, sowie mit der Entwicklung und Evaluation von Maßnahmen zur Verhaltensänderung bei auftretendem umweltschädlichen Verhalten (Weigel & Weigel, 1978). Da Menschen sowohl die Betroffenen als auch die Verursacher von Umweltveränderungen sind, richtet die Umweltpsychologie ihren Fokus insbesondere auf die Mensch-Umwelt-Wechselwirkung, um den Einfluss der Umwelt auf den Menschen sowie das Verhalten des Menschen gegenüber der Umwelt zu betrachten (Hellbrück & Kals, 2012).
Ein Gebiet der Umweltpsychologie ist die Umweltbildung, die danach fragt, inwieweit sich umweltschützendes Verhalten fördern lässt (Hellbrück & Kals, 2012). Das Ziel der Umweltbildung ist es, Bewusstsein für einen verantwortungsvollen Umgang mit der Umwelt und ihren natürlichen Ressourcen zu vermitteln, um im nächsten Schritt Umweltschutzverhalten zu fördern (Bolscho, 2002). Mehrere Studien untermauern, dass Umweltbildung das Umweltwissen von Personen signifikant beeinflusst und umweltbewusstes Verhalten fördert (Burrus-Bammel, 1978; Gifford, Hay, & Boros, 1982; Gross, 1977; Maloney, Ward, & Braucht, 1975), zumindest in der westlichen Welt. Ausgehend davon untersucht diese Arbeit ebenfalls, inwiefern Umweltbildung das Umweltbewusstsein beeinflusst, erweitert allerdings das bisherige Forschungsgebiet, indem diese Frage meines Wissens erstmalig in einer nicht-westlichen Gesellschaft untersucht wird.
In ihren Methoden zielt Umweltbildung auf den Transfer von faktischem Wissen in den Alltag der Menschen. Lag der Fokus der Umweltbildung zunächst eher auf Naturschutz, so stehen heute die durch menschliches Handeln verursachte Umweltverschmutzung, die Förderung des verantwortungsbewussten Handelns sowie das Lehren des respektvollen Umgangs mit der Umwelt im Vordergrund der Umweltbildung. (Hungerford & Volk, 1990; Sia, Hungerford, & Tomera, 1986). Haan (1995) definiert die Umweltbildung als:
...die Aktivitäten im Bereich der formalen Bildung (Schule, Berufsausbildung, Universitäten), der nicht-formalen Bildung sowie die Öffentlichkeitsarbeit der Umweltbehörden und der Massenmedien, die darauf zielen, das Umweltwissen und das Umweltbewusstsein von definierten Zielgruppen zu verbessern (Seite 13).
Allerdings schenkt Haan in seiner Definition dem umweltgerechten Verhalten nicht genug Beachtung. Breidenbach (2001) ergänzt, dass Umweltbildung die „Bildung für alle zur Selbstbestimmungs-, Mitbestimmungs- und Solidaritätsfähigkeit, was die Fähigkeit zu einem bewussten und sachgemäßen Umgang mit den natürlichen Lebensgrundlagen einschließt“ (S. 18), ist. Damit bindet Breidenbach die Umweltbildung stark an staatliche Strukturen. Diese stehen in einem Land wie Afghanistan, wo in manchen Teilen des Landes aufgrund von instabilen politischen Verhältnissen Selbst- oder Mitbestimmung der Menschen stark begrenzt ist, allerdings nur eingeschränkt für effektive Umweltbildungsmaßnahmen zur Verfügung. Es fehlt sowohl an der Infrastruktur als auch an der persönlichen Freiheit der Menschen. Bei der Umweltbildung jedoch sind das Reflektieren der eigenen Lebenssituation, Wissen und Ausloten von Verhaltensalternativen sowie die kritische Begutachtung des eigenen Lebensstils entscheidend. Umweltbewusstes Handeln in komplexen Problemlagen erfordert umfassende kognitive Fähigkeiten wie Problemwahrnehmung und Problemlösefähigkeiten, deren Entfaltung Umweltbildung zu fördern anstrebt (Hoidn, 2009). Umweltbildung möchte die Zusammenhänge zwischen Ursache, Wirkung und Folgen verdeutlichen, zum Nachdenken anregen und umweltgerechtes Verhalten fördern. Um langfristigen Schutz der Umwelt zu gewährleisten, versucht sie weiterhin, Verhaltensweisen bei Menschen zu fördern, die einerseits dauerhaft ausgeübt werden (z.B. lebenslange Gewohnheiten und spontane Reflexe) und andererseits auf andere Situationen übertragbar sind (z. B. Papier in die Recyclingtonne werfen und Plastik in den Plastikcontainer; Monroe, 1993).
Global gesehen möchte die Umweltbildung einen gesamtgesellschaftlichen Lernprozess anregen. Die unmittelbare Einflussnahme der Umweltbildung erfolgt durch gezielte Aus- und Weiterbildungsprogramme über Medien, staatliche Institutionen wie Kindergärten, Schulen und Universitäten sowie Nationalparks, Umweltzentren und Hilfsorganisationen. Da das Erreichen eines jeden Einzelnen nicht realisierbar ist, baut Umweltbildung gleichermaßen auf die indirekte Beeinflussung der Menschen durch das Verbreiten von Meinungen und Werten. Die Multiplikatoren sind meist Personen, die durch ihre berufliche und gesellschaftliche Stellung die Gesellschaft beeinflussen und als Förderer und Vorbilder für Umweltbildung wirken können. Das können Regierungsmitglieder, Beamte, Journalisten, Nichtregierungsorganisationen sowie ländliche und städtische Gemeinschaften sein (Jänicke, 1990). Als Grundstein der vorigen Ausführungen dient das in der Tabelle 1 präsentierte Modell der gesellschaftlichen Multiplikatoren der Umweltbildung. Nichtformale Bildung wird hierbei nach Nohlen (2000) als: „jede organisierte Erziehungs-/Bildungsaktivität außerhalb des ausgebauten formalen Systems [bezeichnet] – ob selbstständig durchgeführt oder als bedeutender Bestandteil einer breiteren Bildungsaktivität -, die auf Zielgruppen gerichtet ist und der Erreichung bestimmter Lernziele dient“ (S. 101).
Tabelle 1
Multiplikatoren der Umweltbildung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Anmerkungen. Eigene Darstellung nach Jänicke (1990).
2.2 Umweltrelevantes und umweltbewusstes Verhalten
Umweltrelevantes Verhalten sind Handlungsweisen, die die Umwelt direkt oder indirekt, vor Ort oder global beeinflussen; demzufolge wären große Bereiche der alltäglichen Verhaltensweisen umweltrelevant. Umweltbewusst hingegen ist ein Verhalten, wenn sich die Handelnden über die Umweltrelevanz ihres Verhaltens im Klaren sind. Das Wissen um die Bedeutsamkeit des Verhaltens für die Umwelt bringt jedoch nicht zwangsläufig umweltbewusstes Verhalten hervor. Ein bewusstes umweltschädigendes Handeln ist ebenso möglich (Homburg & Matthies, 1998). Aus diesem Grund wird weiterhin zwischen umweltbewusstem und umweltschützendem Verhalten differenziert. Zur besseren Lesbarkeit dieser Arbeit und da es nicht einfach ist, Absichten und Motive von Studienteilnehmern zu überprüfen, werden in Anlehnung an den Begriff des „ecological behavior“ (Axelrod & Lehman, 1993, S.153), mit den Begriffen umweltrelevant, umweltbewusst und umweltschützend an dieser Stelle alle Handlungen bezeichnet, die einen Beitrag zu Erhaltung der Umwelt leisten.
Die Schwierigkeiten, den Begriff des Umweltbewusstseins zu definieren, zeichnet sich auch in der Forschung ab (Hellbrück & Kals, 2012). Es gibt diverse Entwürfe und Operationalisierungen zur Erkennung vom Umweltbewusstsein, die von einem eindimensionalen Konstrukt, das häufig lediglich die kritische Bewertung des aktuellen Umweltzustandes meint, bis hin zu mehrdimensionalen Konstrukten, die emotionalen, kognitiven und behavioralen Komponenten Rechnung tragen, reichen (Hellbrück & Kals, 2012; Spada, 1990; Stern, 1992). Maloney und Ward (1973) bemühten sich mit als erstes darum, Umweltbewusstsein als ein mehrdimensionales Konstrukt zu erfassen, indem sie eine Umweltskala mit den vier Subskalen „Wissen über ökologische Zusammenhänge“, „affektive Betroffenheit“, „verbale Handlungsbereitschaft“ und „selbstberichtetes Handeln“ konzipierten. Schahn (1999) erweiterte diese Operationalisierung später um ein kognitives, ein emotionales und ein handlungsbezogenes Element. Entsprechend wird umweltschonendes Handeln als eine Facette des Umweltbewusstseins erfasst (Maloney et al., 1975; Schahn & Holzer, 1990). Allerdings merkt Fischer (2002) dazu an, dass „genau genommen keine Untersuchung des Verhältnisses von Bewusstsein und Handeln möglich ist, sondern nur des Zusammenhangs zwischen verschiedenen Komponenten des Umweltbewusstseins, beispielsweise zwischen Emotionen und Handeln” (S. 13).
Während einige Studien nur schwache bis moderate Zusammenhänge zwischen Umweltbewusstsein und Umweltverhalten fanden (Diekmann & Preisendörfer, 1992; Hines, Hungerford, & Tomera, 1987; Scott & Willits, 1994) stießen andere auf sehr hohe Zusammenhänge (Weigel & Weigel, 1978). Diese scheinbar widersprüchlichen Ergebnisse hängen vermutlich mit der mangelnden Messvergleichbarkeit zusammen. So ist der Zusammenhang zwischen Bewusstsein und Verhalten umso geringer, je weniger die Maße in ihrer Spezifität übereinstimmen (Ajzen & Fishbein, 1977). Wird das Umweltbewusstsein etwa als abstrakte Werthaltung wie zum Beispiel eine generelle Sorge um die Umwelt operationalisiert, dann ergeben sich eher geringe Zusammenhänge mit einem konkreten Umweltverhalten. Werden die Probanden jedoch spezifisch nach ihren Einstellungen gegenüber konkreten umweltschonenden Verhaltensweisen befragt, ergeben sich höhere Zusammenhänge mit konkretem Verhalten (Oskamp et al. 1991).
Es mag nahe liegen, dass eine umweltbewusste Einstellung die Umsetzung umweltrelevanter Verhaltensweisen steigert. Umweltpsychologische Untersuchungen zeigen allerdings, dass Umweltbewusstsein selten mehr als 15-20% der Varianz des selbstberichteten umweltschützenden Handelns aufklärten (Diekmann & Preisendörfer, 1992; Fuhrer, 1995). Während einige Studien nur einen schwachen Zusammenhang zwischen Umweltbewusstsein und Umweltverhalten fanden r ≤ .21 (Scott & Willits, 1994). Diekmann und Preisendörfer (1992), fanden andere häufiger moderate (r = .45, Meinhold & Markus, 2005) bis sehr hohe Zusammenhänge, r = .62 (Weigel & Weigel, 1978). In einer Metaanalyse stellten Hines, Hugerford und Tomera (1987) bei insgesamt 128 Studien eine Durchschnittskorrelation von .35 zwischen umweltrelevanten Einstellungen und Verhalten fest. Nahe an diesem Wert finden Bamberg und Möser ( 2007) in ihrer Metanalyse eine Durchschnittskorrelation von r = .42. Beide Metaanalysen lassen auf eine “Kluft” zwischen Umweltbewusstsein und Umwelthandeln schließen, dass dem attitude-behavior gap in den Sozialwissenschaften (Herkner, 2001) nicht unähnlich ist. Zwar ist Umweltbewusstsein ein elementarer Prädiktor für umweltrelevantes Verhalten. Es ist jedoch für die Vorhersage umweltrelevanten Verhaltens allein nicht ausreichend. Aus diesem Grund betrachten viele Modelle zum umweltrelevanten Verhalten weitere mögliche Einflussvariablen, deren Erörterung im Anschluss an die Darstellung der Umweltproblematik in Afghanistan folgt.
3 Umweltproblematik in Afghanistan
3.1 Hintergrund und Gesetzgebungzur Umweltproblematik
Nach vielen Jahren des Bürgerkriegs übernahmen im Jahre 1996 die Taliban die politische Macht in Afghanistan. Mit dem Ziel, Afghanistan zum Gottesstaat zu machen, wurden Sport, Fernsehen Bilder und Musik verboten sowie zahlreiche Bildungseinrichtungen geschlossen (Wolf, 2002). Frauen konnten nur in Begleitung eines Mannes auf die Straße gehen und ihnen wurde das Tragen der Burka (eine Ganzkörperverschleierung) auferlegt (Wolf, 2002). Afghanistan wurde außerdem zum internationalen Schlupfloch von Terroristen. So fanden die Planungen der Anschläge vom 11. September in Afghanistan statt. Als Gegenwehr attackierten im Oktober 2001 die USA und Großbritannien das Land und stürzten das Taliban-Regime (Schetter, 2010). Die militärischen Auseinandersetzungen sowie die Zerstörung von Kerninstitutionen des Staates zerrissen die Wirtschaft und führten zu großer Armut in weiten Teilen der Bevölkerung. Krankheiten und Analphabetismus sowie der fast vollständige Zerfall der Geschlechtergerechtigkeit waren weitere Folgen (Government of Afghanistan, 2008). Seither beteiligen sich über 45 Länder am Wiederaufbau des Landes: Staatliche Institutionen und Strukturen werden gebildet sowie Bildungseinrichtungen, Straßen und Krankenhäuser gebaut (Wolf, 2002). Deutschland hilft mit rund 3.500 Bundeswehr-Soldaten beim Wiederaufbau der afghanischen Polizei und der Armee (Schetter, 2010).
Im Zuge der dramatischen Folgen arbeiten die Einwohner Afghanistans daran, die Armut zu durchbrechen und ihr von Krieg zerstörtes Land wieder aufzubauen. Doch Jahrelange Unruhen erschütterten über 60% der Infrastruktur des Landes und verursachten große Hungersnöte (United Nations Environment Programme, 2006). Hunderte Interviews und 60 Feldproben von Luft, Boden und Wasser, durchgeführt in 5 ländlichen Gebieten und 38 Städten Afghanistans, bestätigen, dass die langfristigen Folgen von fast 25 Jahren Krieg die einst reichen natürlichen Ressourcen Afghanistans größtenteils zerstört hat und ein hoher Grad an Umweltverschmutzung vorliegt (United Nations Environment Programme, 2003). Die natürliche Erzeugung von Nahrungsgrundlagen in Land- und Agrarwirtschaft, von denen über 80 Prozent der Afghanen abhängig sind, um ihre Existenzgrundlage zu sichern, verschlechterte sich verheerend (Khalatbari & Abbaszadeh, 2007).
Neben Kriegsschäden, der globalen Erderwärmung, Wassermangel, hohem Ausstoß von Treibhausgasen und weiteren Umweltverschmutzungen kommt die ungeregelte Abholzung der Wälder hinzu. Viele Äcker sind durch die massiven Veränderungen nicht mehr zu bewirtschaften. Die Menschen können ihren Lebensunterhalt nicht mehr verdienen. So werden tausende Menschen aus den ländlichen Gebieten zu Umweltflüchtlingen. Die daraus folgende Überlastung der urbanen Gebiete führt zu einer Bevölkerungsballung und verschärft die Konflikte um die ohnehin schon knappen Rohstoffe. Alte Maschinen und Autos steigern die CO2-Belastung. Auch leben rund 3,5 Millionen Einwohner Kabuls ohne Kanalisation und Müllabfuhr. Das beeinflusst die Absenkung des Grundwasserspiegels und erhöht die Nitratwerte (Khalatbari, 2007). Der UN-Untergeneralsekretär für humanitäre Angelegenheiten, Kenzo Oshima, bezeichnete Afghanistan im Jahre 2001 aufgrund dieser Gegebenheiten als „one of the worst places in the world to try to live“ (BBC news, 2001).
Trotz des Einsatzes von Hilfsorganisationen erhält das Thema Umweltschutz in Afghanistan wenig Aufmerksamkeit. Aus der afghanischen Verfassung geht das Schlagwort „Umwelt“ lediglich zwei Mal hervor und findet von elf Punkten an zehnter Stelle wie folgt Beachtung:
Wir, das Volk von Afghanistan, haben zur Sicherung von Wohlstand und gesunder Umwelt für alle Bewohner dieses Landes, die Verfassung unter Berücksichtigung der historischen, kulturellen und sozialen Realitäten des Landes sowie der Erfordernisse der Zeit durch unsere gewählten Vertreter in der Großen Ratsversammlung (Loya Dschirga) am 14. Jadi 1382 Hidschra (04.01.2004) in der Stadt Kabul verabschiedet.. (Davary, 2004; S. 3)
Weiterhin verpflichtet sich der Staat in Artikel 15 die „zum Schutz und zur Gesundung der Wälder und der Umwelt notwendige Maßnahmen zu ergreifen“ (Davary, 2004; S.5). Begriffe wie „Umweltschutz“ oder „Klimawandel“ kommen in der Verfassung jedoch nicht vor.
3.2 Umweltbewusstsein der Afghanischen Bevölkerung
Ein afghanisches Sprichwort besagt: „May Kabul be without gold rather than without snow.“ Das Sprichwort möchte deutlich machen, dass der Schnee auf den Bergen um Kabul für die Landwirtschaft und das Leben wertvoller ist als Gold. Ein anderes Sprichwort lautet: „Je mehr der Baum trägt, umso mehr neigt er sich.“ Auch hieraus kann man erkennen, dass für die Bevölkerung durchaus ein Bewusstsein dafür hat, dass die biologischen Ressourcen und die ökologischen Prozesse die Grundlage ihrer Existenz sind. Seit Jahrhunderten wird außer der dürren Wüsten und eisigen Berge die gesamte zur Verfügung stehende Landfläche für die lokale Land- und Tierwirtschaft genutzt. Doch nach wie vor ist das Umweltbewusstsein der Bevölkerung sehr gering (United Nations Environment Programme, 2006). Es entsteht ein Widerspruch zwischen dem Umgang mit der Umwelt und der tiefen kulturellen Verbundenheit zur Natur. Meist bedenken die Afghanen hinsichtlich der Umweltproblematik nur ihre eigenen Umstände. Das Ansteigen des Meeresspiegels, das Schmelzen der Gletscher oder das Aussterben von seltenen Tierarten findet bei den meisten Afghanen keine Betroffenheit (Akhlaghi, 2013).
Um dem Thema Umweltschutz in Afghanistan mehr Relevanz zu verleihen, wurde 2015 das Afghanistan Resilience Consortium (ARC) von den fünf Entwicklungsorganisationen Afghan, ActionAid, Concern Worldwide, Save the Children und United Nations Environment Programm (UNEP) gegründet. Hauptziel der ARC-Organisation ist die Reduktion von Naturkatastrophen und Förderung des Klimaschutzes. Um das Bewusstsein der Menschen zu stärken und sie für die Themen zu sensibilisieren, bietet die ARC-Organisation Bildungsmaßnahmen in Form von Seminaren an Universitäten an. Zudem stellt sie Materialien für Schulen, Öffentlichkeit und Konferenzen bereit. Weiterhin soll ein im Jahre 2013 eröffnetes Umweltinstitut der Universität in Kabul Fachkenntnisse im Bereich des Klimaschutzes und Naturkatastrophen vermitteln und die Studenten für Umweltthemen sensibilisieren. Absolventen dieses Studienangebots sollen zukünftig als Fachkräfte unter anderem in Regierungsorganisationen, denen es meist an ausgebildeten Umweltexperten mangelt, wie z.B. in der von der Regierung im Jahre 2005 gegründeten Nationalen Umweltschutz Agentur (NEPA), Posten übernehmen können (Kabul University, 2016).
Diese Masterarbeit richtet daher ihr Augenmerk aus gegebenem Anlass auf Studierende in Kabul. Es wird untersucht, inwiefern sich das Umweltverhalten der Studierenden, die sich mit Umweltthemen beschäftigen, von Studierenden die sich nicht mit den Themen befassen, unterscheidet.
4 Forschungsstand und die Rolle der Variablen
4.1 Synthese und Ziel der vorliegenden Arbeit
Um eine Synthese der bisher veranschaulichten theoretischen Grundlagen herzustellen, wird im folgenden Kapitel zunächst der Forschungsstand zur Rolle der fünf Variablen: Umweltwissen, Umweltintention, Umweltwerte sowie die Ideologie der freien Marktwirtschaft und Akzeptanz von Umweltwissenschaften im Umweltkontext dargestellt. Es folgt eine Skizzierung der Einbettung der Variablen in Umweltthemen und damit einhergehend die Fragestellung und das Ziel der vorliegenden Arbeit, was als Basis für die darauf folgende Herleitung und Formulierung der Hypothesen dient.
4.2 Herangezogene Konstrukte
Basierend auf dem New Ecological Paradigm (NEP) Skala, beschäftigt sich Kaiser in seiner Studie mit der Umwelteinstellung, die ein maßgebliches Konstrukt für die Erklärung von Umweltverhalten bildet (Kaiser et al., 1999). Nach Vining und Ebreo, (1992) bezieht sich die Umwelteinstellung auf das Umweltbewusstsein. Auf dieser Grundlage wird die Umwelteinstellung in Kaiser, Wölfing und Fuhrer’s (1999) Studie anhand von 28 Items erhoben und durch Umweltwissen, Umweltwerte und Umweltintention erfasst. Ein weiteres aktuelles eindimensionales Instrument ist bei Lewandowsky, Oberauer und Gignac, (2013) zu finden. In deren Fragebogen erfassen 35 Items unter anderem die beiden Konstrukte Ideologie der freien Marktwirtschaft, basierend auf (Heath, 2006) , sowie die Akzeptanz der Umweltwissenschaften erhoben. Nachfolgend wird einzeln auf die für die Arbeit relevanten oben erwähnten Konstrukte eingegangen.
4.3 Erfassung der Umwelteinstellung durch Umweltwissen, Umweltwerte & Umweltintention
Aus sozialpsychologischer Sicht ist Einstellung eine kognitive oder emotionale Bewertung, die sich auf Taten, Menschen, Objekte, Situationen und Ereignisse stützt. Diese können real oder auch imaginär sein (Maderthaner, 2008; Schahn & Giesinger, 2008). Kürzer gefasst ist die Einstellung eine Tendenz, „ein Einstellungsobjekt positiv oder negativ zu bewerten“ (Stroebe et al. 1996, S. 242).
Viele Forscher nehmen an, dass Einstellung eines der wichtigsten Konstrukte für die Erläuterung von Umweltverhalten darstellt. Diese wirkt sich auf das menschliche Verhalten im Allgemeinen und ganz speziell auf umweltverträgliches Verhalten aus (Newhouse, 1990; Haan, 1995). In der Tat kommen in fast zwei Dritteln aller umweltpsychologischen Publikationen Umwelteinstellungen vor (Kaiser, 1996). So überrascht es kaum, dass die Beziehung zwischen Umwelteinstellung und Umweltverhalten gut erforscht ist. Ein einheitliches Konzept scheint es dennoch nicht zu geben. Ein großes Manko ist hierbei die eingeschränkte Vergleichbarkeit von empirischen Studien (Kaiser et al., 1999). Die Beziehung zwischen Umwelteinstellung und Umweltverhalten scheint über die Studien hinweg mäßig zu sein (Hines et al., 1987; Smith, Haugtvedt, & Petty, 1994).
Allgemein wird die Umwelteinstellung im Ganzen erfasst (Kaiser et al., 1999). Konkrete Einstellungsmessungen erfassen die Haltung gegenüber einer spezifischen umweltbewussten Verhaltensweise, wie z.B. zum Trennen von Papier oder Müll-Recycling. Viele Forscher sind sich einig, dass die Messung der jeweiligen spezifischen Facetten des Umweltbewusstseins und Umweltverhaltens (z.B. mit dem Fahrrad fahren anstatt mit dem Auto, Energiesparlampen etc.) in gleichen Stichproben zu unterschiedlichen Resultaten führen (Schahn & Giesinger, 1993). So können Personen, die Wert auf Fahrrad- anstatt Autofahren legen, verschwenderisch in ihrem Stromverbrauch sein. Deshalb werden in dieser Arbeit empirisch verschiedene konkrete Verhaltensweisen für verschiedene Umweltbereiche betrachtet.
Methodische Mängel weisen darauf hin, dass die Beziehung zwischen Einstellung und Verhalten auch auf die Umwelteinstellung und Umweltverhalten Einfluss nimmt. Die Mängel sind auf fehlende Messkorrespondenz und fehlende Berücksichtigung der situationsbezogene Einflüsse auf einem bestimmten Verhalten zurück zu führen (Ajzen & Fishbein, 1977). Aufgrund der Vielzahl von situativen Einflüssen, sollte der Level der Spezifität allgemein gehalten werden. Um zu verstehen, was Umwelteinstellung charakterisiert, ist es wichtig, die drei Konstrukte: Umweltwissen, Umweltwerte und Umweltintention näher zu betrachten.
So wird bei Homburg & Matthies (1998) zwischen allgemeinem und konkretem Handlungswissen differenziert. Es wird davon ausgegangen, dass nur die Personen, die ein genaues Handlungswissen besitzen, ihre umweltbewusste Sicht in jeweilige Verhaltensweisen umsetzen können. Sie nehmen daher an, dass konkretes Handlungswissen mit Umweltverhalten korreliert. Auch das Umfeld der Menschen hat einen Einfluss auf ihre Umwelteinstellung. Dies sollte jedoch nicht stark verknüpft werden mit dem Einfluss auf das Umweltverhalten, denn der Einfluss des Umfeldes wird durch Umwelteinstellungen sowie konkrete Verhaltensintentionen gedämpft (Kaiser, 1996). Somit ist das Wissen über die Umweltproblematik nicht immer eine Garantie dafür, dass einzelne Menschen ein umweltbewussteres Verhalten annehmen werden (Hwang, Kim, & Jeng, 2000; Monroe, 1993).
Viele Studien bestätigen den Zusammenhang zwischen Wissen und Umweltverhalten. Oskamp und Kollegen (1991) beschäftigten sich in ihrer Studie mit dem Recyclingverhalten von Probanden. Sie stellen fest, dass das Recyclingverhalten einen größeren Zusammenhang, mit dem Wissen über die Besonderheiten des Recyclings und einen geringeren Zusammenhang mit dem allgemeinen Wissen über Umweltproblematiken hat. Personen, die Müll trennen, wissen mehr über die Publikationen zum Thema Recycling und haben besseres Wissen über die Materialen als die Personen, die keine Mülltrennung vornahmen (Vining & Ebreo, 1990). Personen die nicht recyceln, haben zwar eine ähnlich positive Einstellung zu Recycling wie Personen, die recyceln, aber wissen wesentlich weniger darüber (DeYoung 1989). Somit stellt Wissen eine Voraussetzung für umweltrelevantes Verhalten dar.
Zusammengefasst können Interventionen, die Wissen vermitteln, relevante Voraussetzungen für das Ändern von Verhaltensweisen hervorrufen: „ Appropriate behavior will not occur without appropriate knowledge“ (Kaiser & Fuhrer, 2003, S. 599). Eine Person, die sich das Ziel gesetzt hat, sich umweltschützend zu verhalten, braucht Wissen über Umsetzungs- und konkrete Handlungsmöglichkeiten. Durch das Weitergeben des nötigen Handlungswissens ist nach Homburg und Matthies (1998) die erste Bedingung für umweltfreundliches Verhalten gegeben.
Neben dem Umweltwissen wurden in der Forschung auch Daten zur Umweltintention erhoben. Diese wurde in der oben genannten Theorie des geplanten Verhaltens von Ajzen (1991) vorgestellt. So beeinflussen die subjektiven Normen und normative Überzeugungen über die Umwelt die Intention, sich ökologisch zu verhalten (Stutzman & Green, 1982). Diese Effekte reichen von sehr schwach (Midden & Ritsema, 1983), bis hin zu sehr stark (McGuinness et al., 1977). Verhaltensintentionen werden von Berger, Seebauer & Bergmann (2005) als Höchstwert der erwartenden Verhaltensfolge aufgefasst. Der Zusammenhang zwischen Verhaltensintention und dem tatsächlichem Verhalten macht rund r = .50 aus (Bamberg & Möser, 2007).
Zusätzlich zur Verhaltensintention werden Daten zu Umweltwerten erhoben. Nach Schwartz (2005) werden Werte definiert als Kriterien, anhand derer Personen ihre eigenen Handlungen, die anderer Personen und Geschehnisse beurteilen. Werte werden dabei in erster Linie als Überzeugungen über das Erwünschte aufgefasst, denen verschiedene Motive zugrunde liegen (Schwartz 2005). Nach Schultz und Zelezny (1999), liegen wenige Studien zur Umweltwerten vor. Es hat sich jedoch gezeigt, dass höhere Umweltwerte das Anliegen und die Sorge um die Umwelt steigern (Dunlap & Van Liere, 1986). Werte wie Respekt und Selbstachtung steigern ebenso die Recyclingaktivität und beeinflussen das Umweltverhalten positiv (McCarty & Shrum, 1993).
4.4 Alter als Einflussfaktor auf Umwelteinstellung
Es gibt viele Studien, die den Einfluss von soziodemographischen Variablen auf die Umwelteinstellung gründlich analysieren, um mehr Informationen zu den Bedingungen der Entstehung verschiedener Ausprägungen zu erlangen. Nachfolgend wird die Variable Alter näher beleuchtet.
Aus den Studien von Lowe und Pinhey (1982) sowie Mohai und Twight (1987) geht hervor, dass vor allem weibliche, gut gebildete, politisch liberale und junge Personen, vornehmlich aus Städten, das höchste Umweltbewusstsein zeigen. Der Befund, dass maßgeblich Jüngere höheres Umweltbewusstsein an den Tag legen, wird häufig durch die offenere Haltung von jungen Menschen gegenüber neuen Ideen erklärt und damit, dass sie wegen ihrer geringeren Eingliederung in das vorhandene soziale Gefüge generell größere Offenheit aufweisen (Buttel, 1979). Veränderungen in der Bevölkerung (z.B. eine generelle Steigerung des Umweltverhaltens) werden durch Periodeneffekte bzw. Kohorteneffekte erklärt. Diese basieren auf den für Kohorten typischen historischen Umständen und auf Lebensumständen, die keine Abhängigkeit vom absoluten Alter aufweisen, sondern vom Geburtsjahr (Glenn, 2003). Daher überlappen sich die drei oben erwähnten Effekte und lassen sich in Studien kaum getrennt durchleuchten.
So verändert sich die Wichtigkeit einzelner Faktoren auf das Umweltverhalten der Bürger nicht nur mit dem Alter, sondern auch mit steigendem Wissen über Umweltschutz. Beispielsweise gleicht zunehmendes Wissen über Umweltschutz den negativen Effekt des Alterns (Stern, Dietz & Guagnano, 1995) sowie den Unterschied zwischen Stadt und Land zur Gänze aus (Bogner & Wiseman, 1997). Weiterhin stellten Mohai und Twight (1987) fast, dass der Einfluss von Kohorteneffekten auf das Umweltbewusstsein unabhängig von Einkommen und beruflichem Status mit steigendem Alter sinkt. Derartige persönliche Faktoren im Kontext des Umweltbewusstseins waren im mittleren Erwachsenenalter am stärksten wirksam. Die höchsten Umwelteinstellungswerte fand er im jüngeren bis mittleren Erwachsenenalter (25 und 35 Jahren). Im niedrigen Altersbereich (jünger als 25 Jahren) fand er geringere Umwelteinstellungswerte als in der Gruppe der über 65 Jährigen. Auch Ewert und Baker (2001) stellten geringere Werte bei den unter 25 Jährigen fest. Blaike (1992) geht dazu passend von einer Überschneidung des Kohorteneffekts mit dem Effekt des Älterwerdens aus, was für die Menschen im mittleren Erwachsenenalter vermutlich zusätzlich durch das Aufwachsen in einer Phase steigenden Umweltbewusstseins, wie es in den 1960ger Jahren der Fall war, befördert wurde.
4.5 Ideologie der freien Marktwirtschaft
Die freie Marktwirtschaft gewährt wirtschaftliche Handlungsfreiheiten. Der Staat greift nicht in die Wirtschaft ein, sondern der Markt steuert sie mit dem Gesetz von Angebot und Nachfrage (Schneck, 2011). Nach Senf (1980) besteht die Ideologie der Marktwirtschaft aus: „denjenigen Auffassungen und Theorien, die davon ausgehen, dass die Funktionsmechanismen einer Marktwirtschaft dazu beitragen, die Produktion in Richtung auf die bestmögliche Befriedigung gesellschaftlicher Bedürfnisse zu lenken“ (S. 218). Lewandowsky und Kollegen (2013) fanden heraus, dass die Zustimmung zur freien Marktwirtschaft eine Ablehnung der Klimawissenschaft sowie andere wissenschaftliche Erkenntnisse vorhersagt. Der Klimawechsel wird in diesem Zusammenhang mit geringeren Konsequenzen assoziiert und weniger als vom Menschen gemacht angesehen als die Ergebnisse der Wissenschaft es nahe legen. Auf der anderen Seite ist die Billigung der freien Marktwirtschaft mit dem Glauben verbunden, dass umweltfreundliche Innovationen zukünftige Problematiken lösen können. Diese Ansicht wird auch über die Medien verbreitet (Meijers & Rutjens, 2014).
Oreskes & Conway (2010) berichten über wirtschaftsliberale Organisationen und Einzelpersonen, dass sie wissenschaftliche Erkenntnisse, die mögliche Auswirkungen auf Regularien haben könnten, als Bedrohung ansehen. Diese Analysen ergänzen empirische Ergebnisse, die zeigen, dass die Akzeptanz der Menschen zur freien Marktwirtschaft damit verbunden ist, sich ablehnend gegenüber der Klimawissenschaft zu verhalten (Heath, 2006). Gladwin, Newburry, und Reiskin (1997) sowie Shrivastava (1995) behaupten sogar, dass einer der Haupttäter der Umweltzerstörung und verantwortlich für alle Umweltprobleme die Ideologie der freien Marktwirtschaft sei. So gibt es Unternehmen, die sich in dem Glauben, die freie Marktwirtschaft und der Fortschritt der Umwelttechnik könnten die Umweltproblematik allein in Griff bekommen, einzig für ihre eigene Gewinnerzeugung verantwortlich fühlen. Ihre Grundannahme ist, dass alle ökologischen Auswirkungen auf wirtschaftliche Maßnahmen durch das Prinzip von Kosten und Nutzen reguliert werden könnten.
Damit einher geht der Optimismus, der mit der freien Marktwirtschaft assoziiert wird. Der freien Marktwirtschaft wird – vereinfacht - unterstellt, dass sich das System am Ende um alles kümmere (Heath & Gifford, 2006). Smith (1776) bezeichnet dies als the „invisible hand“. Aus dieser Perspektive gibt es kaum Grund für eine Person oder ein Unternehmen, das eigene Umweltverhalten selbstkritisch zu betrachten. Menschen neigen dazu, Informationen in einer eigennützigen Art und Weise zu interpretieren (z.B., Kunda, 1990; Wade-Benzoni et al. 2002). Diejenigen, die für die freie Marktwirtschaft plädieren, gehen oft davon aus, dass der Markt in Ruhe gelassen werden müsse und die Einmischung der Regierung unerwünscht sei.
[...]
- Citar trabajo
- Aida Aryan Far (Autor), 2017, Effekte der Vermittlung von Kenntnissen zum Umweltschutz an Studierende in Kabul, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/453071
-
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X.