Chlorhühner in Europa, Gefährdung des Umweltschutzes und der Souveränität der EU-Staaten befürchtet die eine Seite – Wirtschaftswachstum, Schaffung von Arbeitsplätzen und Preissenkungen für die Konsumenten erhofft sich die andere Seite. Die Skepsis und Unsicherheit der Bevölkerung innerhalb des EU-Raumes, besonders in Deutschland und Österreich, über das seit 2013 verhandelte Abkommen ist groß. Dieser Artikel möchte einige dieser Kritikpunkte erläutern und die derzeitige Stimmungslage in Österreich aufzeigen.
TTIP – oder wie ein Abkommen ganz Österreich bewegt
Chlorhühner in Europa, Gefährdung des Umweltschutzes und der Souveränität der EU-Staaten befürchtet die eine Seite – Wirtschaftswachstum, Schaffung von Arbeitsplätzen und Preissenkungen für die Konsumenten erhofft sich die andere Seite (vgl. o.N. EU-Trade-Policy, 2015: online). Die Skepsis und Unsicherheit der Bevölkerung innerhalb des EU-Raumes, besonders in Deutschland und Österreich (vgl. Sollgruber, o.D.: online), über das seit 2013 verhandelte Abkommen, ist groß. Dieser Artikel möchte einige dieser Kritikpunkte erläutern und die derzeitige Stimmungslage in Österreich aufzeigen.
Was ist TTIP?
Die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (engl.: Transatlantic Trade Investment Partnership) ist ein Abkommen, das den Handel zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten Amerikas erleichtern soll und gehört zu den zehn Prioritäten der Juncker-Kommission. Das Abkommen soll die EU wirtschaftlich stärken und den Zugang zum US-Markt unter anderem durch die Reduktion oder Abschaffung von Zöllen auf ein- oder ausgeführte Waren verbessern. Bürokratische Hürden, die durch verschiedene Standards beider Handlungspartner entstehen und mit Kosten verbunden sind, sollen durch die Zusammenarbeit in Regulierungsfragen wegfallen und die Wettbewerbsfähigkeit dadurch erhöht werden (vgl. o.N. EU-Handelspolitik, 2015: online). Doch nicht nur die Unternehmen sollen davon profitieren, mehr noch sollen dadurch auf beiden Seiten Arbeitsplätze entstehen und das jährliche Einkommen einer vierköpfigen Familie ansteigen. Die EU bezieht sich hier auf eine, wie sie betont, unabhängige Studie, die die Auswirkungen eines Freihandelsabkommens zwischen der EU und den Vereinigten Staaten erforscht hat (vgl. o.N. EU Memo, 2016: online).
TTIP für Österreich
Im Jänner 2015 hielt die EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström im Zuge eines Treffens mit den Sozialpartnern in Wien eine Rede, in der sie die positiven Effekte des Freihandelsabkommens für die österreichische Bevölkerung anführte. In Österreich sind die Exportkosten in die USA in gewissen Branchen sehr hoch, etwa in der Automobilbranche. Durch die Reduktion oder Wegfallen dieser Kosten, würde der Export in die USA für viele Unternehmen noch attraktiver werden, wodurch unter anderem das Wirtschaftswachstum angekurbelt und neue Arbeitsplätze geschafft werden könnten. Ein neuer Handelsvertrag mit den USA sei auch ein wichtiger Schritt, um Europas Stellung und Einfluss in einer sich wirtschaftlich immer schneller verändernden Welt weiterhin zu behaupten (vgl. o.N. Trade-EU, 2015: online).
Kritik an TTIP
Der Waren- und Dienstleistungsaustausch zwischen der EU und den USA erfolgt auch ohne TTIP bereits, 2013 war die USA für die EU der größte Exportpartner (vgl. o.N. EU Memo, 2015: online). Derzeit exportieren derzeit etwa 3000 österreichische Unternehmen in die USA, 11% der Arbeitsplätze in Österreich sind durch den EU-Warenexport mit den Vereinigten Staaten besetzt (vgl. o.N. EU-TTIP in Österreich, 2015: online). Eine überzeugende Statistik könnte angenommen werden, dennoch entstand schon bald nach Kundmachung dieses Vorhabens Skepsis und Misstrauen in der EU-Bevölkerung. In Österreich, und auch in Deutschland, wurde diese Kritik immer lauter und bewegte Menschmassen dazu, sich durch Proteste und Demonstrationen gegen Abschluss dieses Abkommens zu positionieren. Die Zölle für den Warenaustausch seien bereits weitgehend sehr gering, weshalb KritikerInnen vermuten, dass es in diesen Verhandlungen hauptsächlich um Handelsbeschränkungen gehe, die durch Standards und Regelungen auszumachen sind. Die Bereiche des Konsumentenschutzes, die Lebensmittelsicherheit oder die Klimapolitik könnten betroffen sein und eine Regulierung nach unten erfahren, da die EU hier strengeren Richtlinien nachgeht als die USA es derzeit handhabt (vgl. Kampl, Der Standard, 2014: online).
Chlorhühner?
In diesem Zusammenhang wurde oft das „Chlorhuhn“ aus den Vereinigten Staaten als Negativbeispiel genannt. In den USA wird das Geflügel nach der Schlachtung durch Wasser gekühlt und dann durch Chlorgemische, am häufigsten ist Chlordioxid, gereinigt, um Bakterien abzutöten. In Europa ist der Import von mit Chlor behandeltem Geflügel nicht erlaubt. Fraglich ist der gesundheitsgefährdende Aspekt der dabei bemängelt wird, denn auch in Zuchtbetrieben in Österreich kommt Chlordioxid zum Einsatz. Betriebe müssen dies hierzulande derzeitig weder kennzeichnen, noch gibt es explizite Vorgaben zum Einsatz dieser Mittel in Österreich (vgl. Szigetvari, Der Standard, 2014: online).
Ein massiver Kritikpunkt war auch der Investitionsschutz für Investoren aus anderen Staaten, eine Klagewelle von Investoren aus den USA wird befürchtet. Umstritten ist hier der Einsatz von privaten Schiedsgerichten, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit Urteile fällen, ohne die Möglichkeit zur Berufung. Intransparenz, Entscheidungen zu Gunsten eines Unternehmens durch, eigeninteressensvertretende Richter und Beschränkung der Staaten in der Gesetzgebung wird von KritikerInnen angeführt. (vgl. Obersteiner/Petsche, DerStandard, 2014: online). Doch Investitionsschutzverträge gibt es schon seit den 60er Jahren und wurden erstmals in Europa aufgesetzt. EU-Mitgliedsstaaten sind zurzeit Vertragspartner bei über 1000 derartigen Verträgen, Österreich hat bisher 60 dieser bilateralen Verträge abgeschlossen (vgl. Sollgruber, o.D.: online).
Derzeitiger Stand
Greenpeace veröffentlichte im Mai 2016 geheime Dokumente über den derzeitigen Verhandlungsstatus des Abkommens, laut denen die USA auf eine Durchsetzung ihrer Standards bezüglich Produktsicherheit festhält und auch in anderen Kritikpunkten kein Entgegenkommen signalisiert. Hielt die EU-Kommission 2015 beispielsweise der Kritik der Bevölkerung an der derzeitigen Ausführung des Investorenschutzes noch optimistisch mit dem Vorschlag eines multilateralen, internationalem Investitionsgericht (vgl. o.N. EU-News-TTIP, 2015: online) entgegen, wurde durch die publizierten Geheimdokumente dargelegt, dass die USA in Kernthemen der EU wenig entgegenkommt (vgl. Szigetvari, Der Standard, 2016: online).
Resümee
Das Handelsabkommen unterlag seit Beginn der Verhandlungen hohem öffentlichem Interesse. Nicht zu bestreiten sind die Veränderungen, die mit dem Zustandekommen von TTIP einhergehen würden, wie bei jedem neuen Abkommen zwischen Staaten, deshalb sind Bedenken und Ängste der Bevölkerung nachvollziehbar. Jedoch muss angeführt werden, dass bei näherer Betrachtung der Hauptkritikpunkte mit zweierlei Maß gemessen wird. Einige dieser Regelungen bestehen bereits in der EU bzw. werden sie in Österreich bereits angewandt. Es ist davon auszugehen, dass sich viele der KritikerInnen womöglich zu oberflächlich mit der Thematik beschäftigt haben und in vielen Kritikpunkten sich durch die Befürchtungen von Skeptikern mitreißen ließen, ohne dabei Fakten dazu zu verlangen. Der derzeit allgemein ablehnenden Haltung zur EU, nicht zuletzt wurde das Thema „Öxit“ in Österreich diskutiert, ist es wohl zuzuschreiben, dass etwaige Beschwichtigungs- und Aufklärungsversuche seitens der zuständigen EU-Kommissare in der Bevölkerung fehlschlugen und sich immer noch eine breite Masse bei Protesten gegen das TTIP-Abkommen zusammenfindet. Hierzu ist anzumerken, dass eine positive Haltung der BürgerInnen zu TTIP insofern wichtig sein könnte, da auch die jeweiligen Parlamente der EU-Mitgliedsstaaten das fertige Abkommen absegnen müssen. Sollten diese das trotz enormen Protest ihrer BürgerInnen tun, könnte das den PolitikerInnen massive Sympathiepunkte und in weiterer Folge womöglich deren Wiederwahl kosten.
Dass die EU jedoch mit den USA auf einen mächtigen Verhandlungspartner trifft, der durchaus auch an seinen Standpunkten festhält, zeigte sich der Bevölkerung spätestens durch die Veröffentlichung der geheimen Dokumente. Auch die EU-Handelskommissarin zeigt sich heute weit weniger optimistisch, was ebenfalls mit der diesjährigen Präsidentenwahl in den USA zusammenhängen mag, als noch vor einem Jahr. Das Zustandekommen des Abkommens steht in den Sternen. Die Verhandlungen gehen laut der EU-Kommissarin dennoch weiter (vgl. APA, Der Standard, 2016: online). Es bleibt also spannend.
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- Quote paper
- Emilie Rechberger (Author), 2016, TTIP (Transatlantic Trade Investment Partnership). Oder wie ein Abkommen ganz Österreich bewegt, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/452769