In Bereichen wie Politik, Mode und Unterhaltung hat Homosexualität heutzutage an Normalität gewonnen. Homosexuelle können in ihren Berufen Erfolg und Anerkennung erreichen. Anders im Fußball: Hier ist Homosexualität noch immer eines der größten Tabuthemen.
Abfällige Aussagen von Fans, aber auch von prominenten Spielern, Trainern und Funktionären sind keine Seltenheit. Sebastian Scheib geht der Frage nach, warum sich in Deutschland bis heute kein aktiver Fußballprofi als homosexuell geoutet hat.
Fußball gilt als klischeehafter Männersport, in dem Aggressivität, Kraft und Ausdauer zählen. Homosexualität hingegen nimmt unsere Gesellschaft noch immer als Schwäche war. Sebastian Scheib untersucht ein zentrales Problemfeld unserer Gesellschaft und hat dafür mit zahlreichen Spielern, Fans und Aktivisten gesprochen.
Aus dem Inhalt:
- LSBTTIQ;
- Homophobie;
- Coming-Out;
- Männlichkeit;
- Diskriminierung;
- Fanszene
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Begrifflichkeiten
2.1 Homosexualität
2.2 LSBTTIQ
2.3 Regenbogenflagge
2.4 Coming-out
2.5 Outing
2.6 Homophobie
3 Männerdomäne Fußball
3.1 Vom wilden Volkssport zum geregelten Männersport
3.2 Hegemoniale Männlichkeit
3.3 Komplizenhafte Männlichkeit
3.4 Untergeordnete Männlichkeit
3.5 Marginalisierte Männlichkeit
3.6 Homoerotik im Fußball
4 Homosexualität im deutschen Fußball
4.1 Homophobie im Fußball
4.2 Initiativen
4.3 Pioniere
4.4 Abschreckendes
4.5 Frauenfußball
5 Methodisches Vorgehen
5.1 Einordnung
5.2 Die Beschaffenheit qualitativer Daten
5.3 Qualitative Forschung in der Sportwissenschaft
5.4 Das qualitative Interview
6 Die Interviewpartner
6.1 Matthias Gehring
6.2 Alexander Anton
6.3 Markus Kellmann
6.4 Tobias
6.5 Till Schüssler
6.6 Daniel, Hasan und Marek
6.7 Dirk Leibfried
6.8 Marcus Urban
6.9 Stefan Moritz
6.10 Tanja Walther-Ahrens
6.11 ProfDrMartin K.WSchweer
6.12 Sven Wolf
6.13 Durchführung der Interviews
7 Auswertung der Interviews
7.1 Ergebnisse der Interviews
7.2 Kritische Reflexion
8 Fazit
9 Literaturverzeichnis
10 Anhang
„Jeder, der will, kann schwul oder lesbisch sein, aber wir reden hier vom Sport, von Fußball. Im Sport muss man das klar trennen“ (Remzi Kaplan, Türkyiemspor Berlin, 2014)
„Eure Väter sind ganz froh über die Jungs vom Bahnhof Zoo“ (Banner beim Spiel 1. FC Köln gegen Hertha BSC am 18.03.2017)
„Thomas Hitzlsperger sagt, dass er Männer liebt. Es ist beschämend, dass Mut dazugehört, uns mitzuteilen, was uns eigentlich nichts angeht“ (Esther Schapira in den Tagesthemen Kommentar, 2014)
„Ich kenne einige schwule Profis, sogar in der holländischen Nationalmannschaft. Die schützen sich, indem sie verheiratet sind oder eine Freundin haben. Man weiß, dass man die ganze Welt betrügt und vor allem sich selbst“ (John Blankenstein, 2006)
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Homophober Aufnäher für Fankleidung das sich gegen den Verein SV Werder Bremen richtet
Abbildung 2: Homophobes Banner das sich gegen die Fanfreundschaft von Hertha BSC und den Karlsruher SC richtet
Abbildung 3: Banner der Hertha Junxx
Abbildung 4: Julian Draxler mit einer regenbogenfarbenen Kapitänsbinde
Abbildung 5: Eckfahne beim Länderspiel Dänemark gegen Deutschland
Abbildung 6: Ablaufmodell zusammenfassender Inhaltsanalyse
1 Einleitung
In Bereichen wie Politik, Mode und Unterhaltung ist das Thema Homosexualität heutzutage Gang und Gebe. Beispiele wie Ellen Degeneres, Elton John, Wolfgang Joop, Jim Parson, Anne Will oder Klaus Wowereit zeigen, dass Homosexuelle in ihren Berufen Erfolg und Anerkennung erreichen können. Im Fußball gehört das Thema Homosexualität noch zu den größten Tabus und ist dennoch hochaktuell. Die Liste über angebliche homosexuelle Spieler ist lang und noch größer sind die abfälligen Aussagen und diskriminierenden Zitate von prominenten Spielern, Trainern und Funktionären (Leibfried & Erb, 2011). Christoph Daum brachte im Mai 2008 im Rahmen einer Fernsehdokumentation Schwule in Verbindung mit Kinderschändern. Auch der italienische Nationalspieler Cassano fiel bei der Europameisterschaft 2012 in Polen und der Ukraine durch schwulenfeindliche Äußerungen negativ auf (Rohlwing, 2015). Weiterhin lehnen viele Fans das Thema Homosexualität im Fußball prinzipiell ab und benutzen Wörter wie schwul als beleidigende Ausdrucksform. Es hat den Anschein, dass Fußball auch nach dem Outing von Thomas Hitzlsperger im Januar 2014 eine schwulenfreie Zone ist. Schließlich gab es seit dem Outing von Herrn Hitzlsperger kein weiteres Outing oder Coming-out von aktiven deutschen oder internationalen Fußballspielern in den deutschen Profiligen.
In der Bundesrepublik Deutschland leben laut de Hek (2011) circa 10- 15% homosexuelle Männer. In den ersten drei deutschen Profiligen spielen 1580 Spieler aktiv für ihre jeweiligen Vereine. Rein statistisch ist es nach de Hek eher unwahrscheinlich, dass es in den Profiligen keine homosexuellen Spieler gibt. Laut der Sportjournalistin Katrin Müller-Hohenstein muss es homosexuelle Spieler in den deutschen Profiligen geben.
„Wenn man eine Fußballmannschaft als Abbild der durchschnittlichen männlichen Bevölkerungsstruktur hernimmt, so kann man davon ausgehen, dass es im deutschen Profifußball homosexuelle Spieler gibt“ (Rohlwing, 2015, S. 9).
Deshalb stellt sich die zentrale Frage, warum sich bisher kein aktiver Fußballprofi in den deutschen Profiligen zu seiner Homosexualität bekannt hat. Eine Erklärung lautet, dass Fußball ein Männersport ist, der von Aggressivität, Kraft und Ausdauer lebt und in dem es nicht zugelassen wird Schwäche zu zeigen. Um einen genaueren Überblick über Homosexualität zu erhalten werden im Folgenden zunächst einige Begrifflichkeiten erklärt. Anschließend wird darauf eingegangen wie in der Bundesrepublik Deutschland mit Homosexualität umgegangen wird und umgegangen worden ist (Kapitel 2). Weiter wird der Sport Fußball und dessen Entstehung genauer erklärt und darauf eingegangen warum dieser Sport als Männersport tituliert wir. Im selbigen Kapitel wird deshalb auf die verschiedenen Formen der Männlichkeit eingegangen sowie auf die Homoerotik, die im Fußball vorzufinden ist. Anschließend wird sich diese Arbeit in Kapitel 4 mit der Homosexualität im deutschen Fußball auseinandersetzten und das Themengebiet näher beleuchten. Zunächst wird auf die verschiedenen Arten von Diskriminierungen eingegangen, welche im deutschen Fußball oftmals an den Tag gelegt werden um danach auf Gegenstrategien, die von unterschiedlichen Parteien bisher aufgebaut worden sind, einzugehen. Es werden einige nationale und internationale Vorbilder und Pioniergeister genannt, die sich sowohl im Amateur- als auch im Profibereich wiederfinden. Anknüpfend soll auf einige negative Beispiele eingegangen werden, die durch Outing zustande gekommen sind. Des Weiteren widmet sich diese Arbeit auch dem Frauenfußball und deren Einstellung gegenüber dem Thema Homosexualität. Das Kapitel Frauenfußball wird hier nicht intensiv durchleuchtet, wie der Männerfußball, da es sonst die Kapazität dieser Arbeit überschreiten würde. In Kapitel 5 wird die methodische Vorgehensweise beschrieben und darauf eingegangen wo diese wissenschaftliche Arbeit einzuordnenden ist. In Kapitel 6 werden die zwölf Interviewpartner vor- sowie die Betrachtung der Interviewsituation dargestellt um anschließend in Kapitel 7 die Auswertungen der Interviews zu präsentieren. Die umfangreichen Ergebnisse werden zusammenfassend präsentiert und erläutert. Nach den Ergebnissen wird sich diese Arbeit mit einer kritischen Reflexion auseinandersetzen um das methodische Vorgehen sowie die Ergebnisse zu hinterfragen. Mit einem abschließenden Fazit endet diese Arbeit (Kapitel 8).
Um die Lesbarkeit zu wahren, schließt die Verwendung der männlichen Form die weibliche mit ein, soweit nicht anders angegeben.
2 Begrifflichkeiten
Dieses Kapitel widmet sich den zentralen Begrifflichkeiten dieser Masterarbeit. Im Fokus stehen die Begriffe Homosexualität, LSBTTIQ, Regenbogenflagge, Coming-Out, Outing und Homophobie. Diese Begriffe werden in den folgenden Unterkapiteln definiert und im Weiteren behandelt.
2.1 Homosexualität
Der Begriff Homosexualität bezeichnet „die sexuelle Orientierung von Menschen, die Menschen ihres Geschlechts begehren“ (Bildungs- und Sozialwerk des Lesben- und Schwulenverbands e.V., 2013, S. 4). Homosexualität beschreibt somit das sexuelle Interesse von Frauen und Männern, die sich vorwiegend auf das eigene Geschlecht konzentrieren. Der Ursprung des Wortes Homosexualität setzt sich aus dem griechischen Wort Homo (gleich) und den lateinischen Wort Sexus (Geschlecht) zusammen. Jedoch kann das Wort Homo auch aus dem Lateinischen mit Mann oder Mensch übersetzt werden. Laut Herzer (2000) gibt es für diese Übersetzung keine Vereinheitlichung, da man sich entweder nur auf die männliche oder auf die menschliche Liebe beziehen kann. Im zweiten Wortteil Sexus wird eher auf die sexuelle Handlung gedeutet als auf die angeborene Veranlagung.
Im Jahre 1869 wurde das erste Mal der Begriff Homosexualität durch den österreich-ungarischen Schriftsteller Karl M. Kertbeny geprägt. Sein anthropologisches Interesse und sein Sinn für Gleichgerechtigkeit veranlassten ihn sich intensiv mit der Thematik auseinanderzusetzen. Er war einer der ersten sich dazu äußernden Schriftsteller, die der Ansicht waren, dass Homosexualität angeboren und somit unveränderlich sei.
Homosexualität war in Deutschland für lange Zeit strafbar, sodass mehr als 50.000 Männer bis zum Jahre 1969 für ihre sexuelle Orientierung verurteilt wurden. Bis dahin galt der umstrittene Paragraph 175 in Deutschland, welcher aus dem Strafgesetzbuch der Kaiserzeit stammt.
„Die widernatürliche Unzucht, welche zwischen Personen männlichen Geschlechts oder von Menschen mit Thieren begangen wird, ist mit Gefängnis zu bestrafen; auch kann Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden“ (Bleibtreu- Ehrenberg, 1978, S. 340).
In der Zeit des Nationalsozialismus wurde dieser Paragraph weiter verschärft und als Paragraph 175a in das Strafgesetzbuch eingeführt. Im Jahre 1969 wurde der Paragraph zwar beschwichtigt jedoch wurden noch bis ins Jahr 1994 ca. 3500 Männer aufgrund ihrer sexuellen Orientierung verurteilt.
Homosexuelle Männer waren verpflichtet sich bei der Polizei zu melden und mussten in der Abteilung Sitte angeben, dass sie homosexuell sind (Stempfle, 2017). Homosexuelle Frauen wurden in dem gesamten Paragraph 175 nicht erwähnt, da Frauen eine selbstbestimmte Sexualität nicht zugestanden wurde. Seit 2002 ist es Lesben und Schwulen erlaubt eine eingetragene Partnerschaft einzugehen. Kritiker sahen diese eingetragene Partnerschaft als eine Ehe zweiter Klasse an, unter anderem weil homosexuelle Paare mit adoptierten Kindern keine Steuervorteile erhalten würden. Im Sommer 2017 wurde nach heftigen Diskussionen die Ehe für alle beschlossen. Diese soll ab dem 01.10.2017 in Kraft treten. Der Bundestag hat in seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause beschlossen, dass homosexuelle Paare heiraten dürfen und ihre Ehe eine rechtliche Ehe ist. Insgesamt stimmten 393 Abgeordnete für eine Ehe für alle und überboten somit die 226 Abgeordneten, die dagegen stimmten (Reuters, 2017). Die Ehe für alle beinhaltet einerseits die rechtliche Heirat gleichgeschlechtlicher Paare, wie auch deren Möglichkeit Kinder zu adoptieren. Bislang wurden Homosexuelle bei Adoptionen benachteiligt oder kaum berücksichtigt. Wissenschaftler gehen davon aus, dass ca. fünf bis sieben Prozent der deutschen Bevölkerung homosexuell sind.
2.2 LSBTTIQ
Die Buchstaben LSBTTIQ stehen für ein Netzwerk, das sich für die Akzeptanz und Anerkennung der Vielfalt einsetzt. Sie stehen für die Akzeptanz der Vielfalt von Geschlecht wie auch für die Akzeptanz von Lebensformen jenseits heteronormativer Einstellungen. Das Netzwerk setzt sich somit für das Recht auf eine selbstbestimmte sexuelle Orientierung bzw. Identität ein.
Die Buchstaben im Namen stehen für Folgendes:
L- Lesbisch
Der Begriff lesbisch steht für homosexuelle Frauen. Also Frauen, welche Frauen begehren und lieben.
S- Schwul
Dieser Begriff bezieht sich auf homosexuelle Männer. Also Männer, die Männer begehren und lieben.
B- Bisexuell
Der Begriff Bisexualität wird aus dem lateinischen Wort bi (zwei) abgeleitet. Bisexuelle Menschen fühlen sich sowohl emotional als auch sexuell zu beiden Geschlechtern hingezogen.
T- Transsexuell
Transsexuelle sind Menschen, die ihr biologisches Geschlecht mit Hilfe von Operationen oder durch die Einnahme von Hormonen verändern. Der Ausdruck transsexuell sagt nichts über die sexuelle Identität eines Menschen aus.
T- Transgender
Mit dem Begriff Transgender werden Personen bezeichnet deren soziales Geschlecht ein anderes als ihr biologisches Geschlecht ist. Diese Menschen vollziehen Geschlechtsidentitätswechsel, welche sich entweder zeitlich begrenzen z.B. bei Auftritten als Drag Queen oder ganz ohne Zeitbegrenzung stattfinden. Ein Beispiel hierfür wäre eine biologische Frau, die in ihrem Alltag ihre zugewiesene heterosexuelle Norm ablehnt und als Mann lebt.
I- Intersexuell
Der Begriff intersexuell beschreibt Menschen, die in einem Körper geboren werden, der „nicht der medizinischen Norm von eindeutig männlich oder eindeutig weiblich entspricht“ (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, o.J., S. 28). Diese Menschen können z.B. männliche Geschlechtsorgane haben dennoch weiblich aussehen oder zwar als Mädchen aufwachsen jedoch in der Pubertät männliche Merkmale wie Bartwuchs oder Stimmbruch entwickeln (ebd.). Laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung kommen in Deutschland zwischen 150- 340 Kinder jährlich mit solchen Merkmalen zur Welt. Wenn heutzutage das Geschlecht nicht eindeutig erkennbar ist, werden intersexuelle Menschen in ihren Pässen weder als Frau noch als Mann benannt. Im Alltäglichen werden diese Menschen häufig als Zwitter bezeichnet.
Q- Queer
Der Begriff Queer umfasst alle Menschen, die mit ihrer sexuellen und/ oder geschlechtlichen Identität von der gesellschaftlichen Norm abweichen. Der Begriff stammt aus dem Englischen und wird mit verrückt, seltsam oder suspekt übersetzt. Lange Zeit wurde die Bezeichnung queer als abwertende Formulierung verwendet. Personen, die sich heutzutage als queer bezeichnen sind stolz einen eigenen Lebensweg und ein eigenes Liebesmodell zu führen (ebd.).
2.3 Regenbogenflagge
Die Regenbogenflagge symbolisiert seit den 1970er-Jahren die Lesben- und Schwulenbewegung und gilt als weltweites Symbol für Vielfalt in dieser Community. Der amerikanische Künstler Gilbert Baker entwarf die Regenbogenfahne mit der Intention, dass diese eine bessere und gerechtere Welt für die gesamte Weltbevölkerung, vor allem für Minderheiten, darstellen soll. Die verschiedenen Farben symbolisieren die Vielfalt der Bevölkerung. Die Farben stehen für Folgendes: Fuchsia = Sexualität, Rot = Leben, Orange = Gesundheit, Gelb = Sonnenlicht, Grün = Natur, Türkis = Kunst, Königsblau = Harmonie, Violett = Geist (Walther-Ahrens, 2011).
2.4 Coming-out
Mit dem Begriff Coming-out bezeichnet man einen Prozess, bei dem eine Person offen mit der eigenen Sexualität heraustritt um diese nicht mehr zu verstecken. Der gesamte Prozess erstreckt sich meist über einen längeren Zeitraum. Zunächst beginnt das „innere“ Coming-out, in welcher sich die Person ihren eigenen Wünschen und Gefühlen wahrnimmt und diese anerkennt. Hierbei handelt es sich, laut Walther-Ahrens (2011, S. 24) um den Prozess des „sich-bewusst-Werdens“ oder „sich-selbst-Eingestehens“ der eigenen Sexualität.
Die zweite Phase ist das „äußere“ Coming-out. In dieser Phase vertraut man sich einer oder mehreren Personen an. Laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (o.J.) beginnt der Prozess des Coming-out bereits in der Pubertät und kann bei einigen Personen mehrere Jahre andauern, bei manch Einem sogar ein ganzes Leben lang. Einige dieser Personen erleben nie ein Coming-out. Abhängig ist der Prozess des Coming-out von den Reaktionen und der Offenheit des Umfelds wie Familie, Freunde usw. Beispiele für prominente Coming-outs liefern Thomas Hitzlsperger und der ehemalige Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit.
2.5 Outing
Im Gegensatz zum Coming-out wird beim Outing die sexuelle Orientierung einer anderen Person ohne deren Zustimmung veröffentlicht. Dies ist auch unter dem Begriff Zwangs-Outing bekannt. Ein solches Outing kann oft negative Folgen für die Betroffenen haben, da die Reaktion des Umfelds nie absehbar ist. Laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (o.J.) werden besonders prominente Personen dazu gezwungen ihre Homosexualität öffentlich bekannt zu geben. Prominente Beispiele für ein (Zwangs-)Outing sind Alfred Biolek und Hape Kerkeling.
2.6 Homophobie
Der Begriff Homophobie leitet sich laut Bildungs- und Sozialwerk des Lesben- und Schwulenverbands (2013) aus dem Griechischen ab und setzt sich aus den Wörtern homos (gleich) und phobos (Angst, Phobie) zusammen. Der Begriff deutet auf eine irrationale, sachlich unbegründete Angst vor homosexuellen Menschen und deren Lebensweisen hin. Diese Phobie kann sich durch Ausgrenzung, Diskriminierung, oder Gewalt ausdrücken. Die gravierendste Form der Homophobie findet laut Walther-Ahrens (2011) in der Gedankenlosigkeit und Ignoranz statt. Diese Form der Diffamierung kommt alltäglich vor und wird von Heterosexuellen nicht wahrgenommen (ebd.). Bei dem Begriff Homophobie handelt es sich um eine ausgelebte Abneigung oder Feindseligkeit gegenüber Lesben und Schwulen (Bündnis 90/ Die Grünen, 2012). Homophobe Tendenzen im Sport machen sich dadurch bemerkbar, dass Attribute wie Stärke, Leistungsorientierung, Durchsetzungsvermögen und Dominanz immer noch als typisch männlich angesehen werden. Männliche Hochleistungssportler werden als männlich, d.h. heterosexuell betrachtet, während weibliche Hochleistungssportlerinnen als lesbisch angesehen werden (Magnus Hirschfeld Stiftung, 2013). In den Köpfen der Menschen herrschen deutliche stereotype Vorstellungen über die Geschlechter und deren jeweilige sexuelle Orientierung. Walther-Ahrens spricht davon, dass Fußball in den Köpfen vieler Menschen eine schwulenfreie Zone ist. Schwule im Fußball kann es nicht geben, da sie kein Fußball spielen können. Man verbindet sie vielmehr mit grazilen Tanzsportarten, wie Ballett (2011).
Die Ursachen für die Abneigung gegen Lesben und Schwule sind in der Gesellschaft und Wissenschaft umstritten. Eggeling (2010) geht davon aus, dass diese durch Nichtwissen und klischeehafte Unkenntnis wie auch Unverständnis für die homosexuelle Lebensform ausgelöst werden. Eine weitere mögliche Erklärung ist, laut Bündnis 90/ Die Grünen (2012), die Gefährdung des patriarchalen Männerbildes. Die zweigeschlechtliche Familie mit ihrer Rollenverteilung und der Vorstellung von Männlichkeit und Weiblichkeit wird hierbei als natürlich angesehen. Die Homosexualität allerdings wird dabei als etwas Fremdes betrachtet. Fremdes löst laut Eggeling (2010) häufig Angst und Ablehnung aus. Homophobie stellt laut Schweer eine „extreme Ausdrucksform der Heteronormativität“ dar, welche sich durch unbewusste Angst und Unsicherheit charakterisiert (2010, S. 117). Einigen Autoren nach zu urteilen kommt Homophobie in der Sportart Fußball auffällig häufig vor. Kennzeichnend ist die Stimmung auf und um den Fußballplatz herum, in der „der Begriff schwul mit Vorliebe als Schimpfwort bspw. für Akteure der gegnerischen Mannschaft benutzt werde“ (ebd., S. 115).
3 Männerdomäne Fußball
„Unsere Kultur erzieht uns, dass Männer stark sind und nicht über Gefühle sprechen“ sagte der einstige Basketballprofi John Amaechi über die Männlichkeit im Sport (ZDF Sportstudio, 2010). Das folgende Kapitel setzt sich mit der Frage auseinander was man unter dem Begriff Männlichkeit versteht und welche Formen von Männlichkeit es gibt. Es zeigt auf, dass es im Fußball nicht die Männlichkeit schlechthin gibt, sondern, dass bei diesem Sport mehrere Formen von Männlichkeit aufeinandertreffen und miteinander verbunden sind. Die Konstruktion des Begriffs fällt von Nationalität zu Nationalität sehr unterschiedlich aus und spielt eine zentrale Rolle im Fußball, da hier Spieler aller Nationen aufeinandertreffen. Die Formen der Männlichkeit können sich laut de Hek (2011) entweder einander gleichen oder in Abhängigkeit voneinander stehen. Connell (1999) konstituiert den Begriff Männlichkeit zwischen Frauen und Männern sowie zwischen Männern untereinander. Die männliche Vielfalt wird von vielen Männern als eine Bedrohung der eigenen Männlichkeit wahrgenommen und somit existiert eine regelrechte Männlichkeitshierarchie im Fußball. Im ZDF-Sportstudio sagte Amaechi aus, dass sich viele Athleten entweder selbst als „hyper maskulin“ darstellen oder von der Öffentlichkeit so dargestellt werden.
„Wenn man ein wirklicher Sportler, Topsportler sein möchte, dann muss man hyper maskulin sein und absolut heterosexuell sein. Manche denken, dass es nicht reicht eine Frau zu haben als Sportler, sondern ein Topsportler braucht zwei oder drei oder vier Frauen. Und schwul zu sein das ist das Gegenteil was die Leute von einem Topsportler erwarten, obwohl die Sexualität ja ganz und gar keinen Einfluss auf die sportliche Leistung hat“ (ZDF Sportstudio, Interview mit John Amaechi, 2010).
Um einen genaueren Blick auf die Entstehung der Männlichkeit im Fußball zu geben werden zunächst die Anfänge des Fußballs beschrieben um danach auf die verschiedenen Formen der Männlichkeit einzugehen.
3.1 Vom wilden Volkssport zum geregelten Männersport
Um eine genauere Vorstellung zwischen dem Sport Fußball und dem Begriff Männlichkeit zu erhalten, muss man zunächst die Historie des Spiels begreifen. Kreisky (2006, S. 24) beschreibt diese Sportspiele als „rituelle Darstellungen dominanter Werte“, bei denen es „auch um Selbstdefinition als soziale oder geschlechtliche Gruppe bzw. (Sub-)Kultur“ geht.
Laut Kreisky (2006, S. 24) spekulieren Experten darüber, wo der Fußball seine Wurzeln hat. Eine Annahme ist, dass Chinesen Anfang des dritten Jahrtausends vor der Zeitrechnung diesen Sport ausgeübt haben sollen. Eine andere Vermutung geht davon aus, dass die Azteken den Sport erfunden haben sollen (Bredekamp, 1993; Stemmler, 1998). Die jedoch wichtigste und einflussreichste Grundlage erlebte man in den Anfängen des zehnten Jahrhunderts in England. Angefangen hat es mit einem kaum geregeltem „Volksspiel“ zwischen verschiedenen Dörfern, bei dem man ein fußballähnliches Spiel spielte. Bei diesem Spiel gab es keine Regeln und keine Teams, spielentscheidend waren lediglich Ausdauer und Kraft. Dieses wilde, körperbetonte Spiel wurde mit der Zeit immer beliebter da die Spieler ihren Emotionen freien Lauf lassen konnten, was ihnen im normalen Alltag nicht gewährt wurde. Laut Elias & Dunning, (1971/ 1982, S. 96) erwies sich diese Art des Fußballs als eine „Form institutionalisierter Gewalt“, die gesellschaftliche Spannungen innerhalb dörflichen Gemeinschaften und den verschiedenen sozialen Gruppen mindern konnte.
Mit Anbruch der Industriellen Revolution im späten 18. Jahrhundert kam es zum Ende des wilden Volkssports. Die untere Bevölkerungsschicht wurde mit Gewalt in das Fabriksystem gezwungen und der beliebte Sport Volksfußball wurde verboten. Lediglich in privaten Public Schools wurde laut Kreisky (2006) das Fußballspiel in organisierter Form angeboten. Aus dem einst robusten, körperbetonten Spiel wurde ein körperloses, faires Spiel mit einem Regelwerk. Diese Regeln sollten das Spiel berechenbarer machen, vor allem weil es anfänglich noch ohne einen Schiedsrichter auskommen musste. 1863 wurden Fußball und Rugby voneinander getrennt und es kam zu der Gründung der „Football Association“ in England. Laut Kreisky (ebd.) erwies sich Fußball mit der Zeit als die beliebtere Sportart, unter anderem weil sich das Spiel als variantenreicher darstellte und die Regeln verständlicher waren.
Mit der Gründung der Football Association blieb auch das Geschlecht des Fußballs weitestgehend unbeachtet. Laut Kreisky (ebd.) ging man davon aus, dass der Sport Fußball nur von Männern betrieben werden kann. Auch noch heute findet man im Sprachgebrauch die Inszenierung, dass Fußball männlich sei. So werden lokale, regionale, nationale und internationale Turniere der Männer lediglich mit dem Begriff Fußball tituliert, während Frauenfußball geschlechtlich explizit genannt werden muss „um sein Anderssein, sein Minderwertigsein nach außen hin sichtbar zu machen“ (ebd. 2006, S. 27). Des Weiteren fielen die Anfänge des modernen Fußballs in eine Zeitepoche als das Militär ein sowohl politisches als auch gesellschaftliches Bild prägte. Tugenden wie Aufopferung, Ehre, Kameradschaft und Pflichterfüllung wurden auf dem Sportplatz ausgetragen und lenkten dazu, dass der Sportplatz sinnbildlich zu einem Ort der hegemonialen Männlichkeit wurde. Fairness und regelkonform hatten zu dieser Zeit auf dem Fußballplatz noch keine Verwendung und wurden erst später in den Sport einbezogen.
Fußball gilt laut de Hek (2011, S. 72) als eine „Domäne heterosexueller, monokultureller Männlichkeit“ dessen Raum als ein „Ort der Inszenierung von Männlichkeiten“ geprägt und dargestellt wird. Es ist eine „Männerdomäne, ein Männerbund, eine Männerbastion“ sowie „ein Schutz- und Rückzugsraum für überkommene Männlichkeitsvorstellungen“ (ebd.) und wird somit automatisch zur Männersache erklärt.
3.2 Hegemoniale Männlichkeit
Der Begriff hegemoniale Männlichkeit bezieht sich laut Connell (1999, S. 98) „auf die gesellschaftliche Dynamik, mit welcher eine Gruppe eine Führungsposition im gesellschaftlichen Leben einnimmt und aufrechterhält“. Unter dem Begriff Hegemonie versteht man somit die Vorherrschaft einer Institution oder Organisation politischer, religiöser oder kultureller Hinsicht, welche sich durch die Überlegenheit einer Person darstellt. Durch die hegemoniale Männlichkeit kommt es zu einer Hierarchie unter Männern und somit automatisch zu Ausgrenzungen und Abwertungen anderer Formen von Männlichkeit. Als zentrales Merkmal dieser Form von Männlichkeit steht die eigene Heterosexualität im Vordergrund und die Abwertung sowie Diskriminierung von Homosexualität (de Hek, 2011, S. 74). Für einen hegemonialen Fußballspieler ist es wichtig, dass er selbstverständlich als heterosexuell wahrgenommen und dass seine Leistung als überdurchschnittlich anerkannt wird. De Hek (ebd.) beschreibt diesen Prototyp als einen Führungsspieler, der für spielentscheidende Situationen zuständig ist und an dem sich der Rest der Mannschaft orientiert. Diese Spieler stehen durch ihr Können und ihren (möglichen) Erfolg sowohl bei Fans, in den Medien als auch bei den eigenen Mitspielern und Funktionären im Mittelpunkt. Laut de Hek (ebd.) gehen diese Spieler über die eigene Schmerzgrenze hinaus um den höchst möglichen Erfolg zu erzielen.
3.3 Komplizenhafte Männlichkeit
Der Begriff komplizenhafte Männlichkeit entsteht laut Connell (1999, S. 98) aus der hegemonialen Männlichkeit. In dieses Bild passen Männer, welche hegemoniale Männlichkeit nicht darstellen oder repräsentieren aber dennoch mit ihr in Verbindung stehen. Laut Heißenberger (2008, S. 22) ist für sie „die hegemoniale Männlichkeit mehr eine normative Orientierungsfolie denn verkörperte Realität“, d. h. es sind Männer, die aus der hegemonialen Männlichkeit ihren Nutzen ziehen. Für diese stehen, neben der Unterdrückung der Frau, Ansehen, Erfolg und Macht im Vordergrund. Laut de Hek (2011, S. 75) stehen die meisten Fußballspieler mit dem komplizenhaften Männlichkeitsbild in Verbindung zu einander, da sie stets im Schatten der Führungsspieler stehen und es nur wenige Führungsspieler in einer Mannschaft gibt. Diesen Spielern werden gute durchschnittliche fußballerische Leistungen zugesprochen. Ferner kennzeichnen sich diese durch ein hartes Zweikampf- und Abgrenzungsverhalten gegenüber Frauen und Homosexuellen um sich so einen Platz in der Mannschaft zu finden.
3.4 Untergeordnete Männlichkeit
De Hek (2011, S. 75) behauptet, dass über Generationen hinweg ein Gedankenbild von Männlichkeit und Weiblichkeit in der Gesellschaft entstanden ist, welches durch geschlechtsspezifische Verhaltensweisen und Eigenschaften reduziert wird. Meuser versteht unter der untergeordneten Männlichkeit einen spezifischen Habitus wobei „die Angehörigen einer Geschlechterkategorie gemäß einem Prinzip handeln, das für diese, nicht aber für die andere Geschlechtskategorie Gültigkeit hat“ (2006, S. 117). Unter dem Begriff Männlichkeit verbindet die Gesellschaft, laut Walther (2006, S. 5), Attribute wie Mut und Durchsetzungsvermögen. Weiblichkeit steht demnach für Einfühlsamkeit und Schwäche. Wer diesen Idealen nicht entspricht ist somit unbeliebter und wird schneller für Misserfolg verantwortlich gemacht. Laut de Hek (2006, S. 76) werden Sportler, die ein weibliches Verhalten an den Tag legen, als schwach angesehen. Homosexualität wird in der heteronormativen Welt als Angriff auf die Männlichkeit wahrgenommen, weshalb diese de Hek (ebd.) nach in der Männlichkeitshierarchie im unteren Bereich ihren Platz einfindet. Oft wird die untergeordnete Männlichkeit mit der Weiblichkeit gleichgesetzt, man findet insbesondere bei Beleidigungen die symbolische Nähe zu dem Weiblichen. Bis heute existiert die Annahme, dass Homosexuelle keinen Fußball spielen können und dass der Fußball eine schwulenfreie Zone ist (Walther-Ahrens, 2011, S. 93).
3.5 Marginalisierte Männlichkeit
Bei der marginalisierten Männlichkeit wird der Prozess der Randgruppenbildung durch die Gesellschaft beschrieben. Hierbei werden Randgruppen ethnischer oder anderer Herkunft durch die dominante Männlichkeit an den Rand gedrückt und somit untergeordnet. Laut de Hek (2006, S. 77) fehlen den Männern der marginalisierten Männlichkeit die Grundlagen der sozialen, habituellen ökonomischen Eigenschaften um der hegemonialen Männlichkeit anzugehören. Heißenberger (2008, S. 23) geht davon aus, dass es Sportler gibt, die aufgrund ihrer Leistung zum Vorbild werden könnten, aber aufgrund ihrer Nationalität oder ethnischen Herkunft niemals von der Bevölkerung als Idol wahrgenommen bzw. in Betracht gezogen werden würden. Sie werden stets der marginalisierten Männlichkeit zugeordnet.
3.6 Homoerotik im Fußball
Im Fußball wird der Begriff Mannschaft in den Vordergrund gestellt auch wenn es herausragende Spieler gibt, die ein Spiel in gewissen Situationen entscheiden könnten. Größtenteils ist das Spiel so komplex, dass eine Mannschaft nur in Zusammenarbeit verschiedene Spielkombinationen durchführen kann um den Gegner zu überwinden. Hierzu gehören unter anderem ein starker Zusammenhalt in der Mannschaft sowie ein blindes Verständnis unter den einzelnen Spielern. Gerade deshalb lautet eine der bekanntesten Fußballweisheiten „11 Freunde müsst ihr sein“. Neben diesen Aspekten ist der Fußball ein sehr körperbetonter Sport, der den Athleten vollen Einsatz abverlangt wie auch auf körperliche Höchstleistung abzielt. Der körperliche Einsatz verbunden mit Aggressivität und Kraft ist ein gängiges Bild im Fußball. Der Teamgeist und der Körper der Athleten stellen eine zentrale Rolle im Fußball dar und zählen somit als Voraussetzung für ein Männerbündnis. So verbringen Fußballer, insbesondere die Profisportler trotz ihrer täglichen Trainingseinheiten, in der Regel viel Zeit miteinander. Dienstreisen zu den Austragungsorten mit Übernachtungen in Hotels, Interviewanfragen, Werbetermine etc. stehen an der Tagesordnung der Profispieler. Die gemeinsame Zeit unter den Profifußballern ist laut Rohlwing (2015) sehr hoch und intensiv. In dieser Zeit werden die persönlichen körperlichen Grenzen ausgetestet um gemeinsame Ziele zu erreichen. Des Weiteren stehen die Spieler in dieser Zeit in hohem Maß an körperlicher Nähe zueinander. Sei es während dem Spiel oder in den Umkleidekabinen.
Einerseits zeichnet sich der Fußball, laut Leibfried & Erb (2011, S. 27) durch eine gewisse Resistenz gegenüber Homoerotik aus. Andererseits ist der Fußball für Homosexuelle wie geschaffen, denn hier ist es Männern gestattet Emotionen an den Tag zu legen. Der Fußball ist voll von Ritualen, Gesten und Verhaltensmustern „die homoerotische Assoziationen wecken“ (ebd.). Im Fußball scheint es völlig normal, dass Männer sich küssen, einen Klaps auf den Hintern geben, körperlich nah sind und nach einem Torerfolg übereinander herfallen „als begännen sie eine Orgie“ (ebd.). Sowohl Spieler, Funktionäre, Betreuer als auch Fans zeigen während eines Spiels emotionale und körperliche Nähe, ohne dass dieses Verhalten in Frage gestellt wird. Laut Walther-Ahrens (2011, S. 94) gehört das Umarmen und Anspringen unter Männern zur Fußballkultur. Es hat den Anschein, dass der Sportplatz „ein Mekka der Homosexualität“ ist (Leibfried/ Erb, 2011, S. 24). De Hek (2006, S. 78) bezeichnet dieses Phänomen jedoch als „fußballerische Kräfte der Vermännlichung“, bei dem alle Spieler automatisch als heterosexuell angesehen werden und Körperkontakt zwischen Männern in der Öffentlichkeit erlaubt und gestattet ist. Laut Connell (1999, S. 107) leben Männer in einer patriarchalen Welt, in der es nicht gestattet ist Gefühle oder Emotionen zu zeigen. Laut Kreisky (2006, S. 32) ist das männliche Geschlecht ein „Geschlecht ohne Emotionen“, welches sich nur im Ausleben von „leistungs- und konkurrenzgerechter Emotionen oder gar nur destruktiver Gefühle“ orientieren soll. Auf dem Fußballplatz ist es Männern jedoch gestattet sowohl negativen als auch positiven Emotionen freien Lauf zu lassen, weshalb der Fußball als „Reservat männlicher Leidenschaft“ bezeichnet wird (ebd.). Eine weitere Erklärung liefert Heißenberger (2008, S. 109). Ihm zufolge ist der Sport Fußball männlich, was für ihn beinhaltet, dass Fußballer auch männlich sein müssen. Umarmungen oder Küsse bei einem Torerfolg unter Männern, die einen Hauch von Homoerotik in diese Sportart bringen sind laut de Hek (2011, S.79) nur Anzeichen von platonischen Freundschaften bzw. Kameradschaften. Die Spieler sollen sich gegenseitig als Kameraden wahrnehmen und somit die Verbundenheit und Treue unter Mitspielern nach innen und außen hin vermitteln. Diese Anzeichen werden als „Beweis von Teamgeist und/oder Männlichkeit akzeptiert und nicht als homosexuelle Orientierung wahrgenommen“ (ebd.). Daher werden Spieler wie David Beckham, der einst mit lackierten Fingernägeln auf den Sportplatz trat auch nicht als homosexuell bezeichnet, höchstens als metrosexuell (Leibfried & Erb, 2011, S. 28). Zulässig sind diese Rituale nur solange klar ist, dass die Spieler kein sexuelles Interesse aneinander haben. Würde sich ein Spieler als homosexuell outen, so könnte diesem Spieler unterstellt werden, dass für ihn das sexuelle Begehren im Vordergrund stünde. Deshalb funktioniert, laut Leibfried & Erb (ebd.), diese Männlichkeit des Fußballs nur über eine Ausgrenzung von Frauen und Schwulen, die sich in sexistischer oder homophober Form widerspiegelt. Walther-Ahrens sieht hier die Gefahr, dass der Fußball „durch seine traditionellen Rollenbilder- die Homosexualität unsichtbar machen beziehungsweise nicht zum Vorschein kommen lassen“ und somit eine feindselige Haltung gegenüber homosexuellen Spielern verstärkt wird (2011, S. 95).
4 Homosexualität im deutschen Fußball
Fußball gehört in Deutschland zu den beliebtesten Sportarten. So sammeln sich Wochenende für Wochenende viele Menschen um entweder Fußball zu spielen und/ oder sich Fußball gemeinsam anzuschauen. Der DFB verzeichnete im Jahr 2016 eine Mitgliederanzahl von 6,9 Millionen sowie 25,075 Vereine, die beim DFB registriert sind. Insgesamt verteilen sich diese Vereine bzw. Mitgliederanzahlen auf 21 verschiedene Landesverbände und fünf großen Regionalverbände, die unter der Obhut des DFBs stehen (DFB, 2016). Trotz einer hohen Anzahl an verschiedenen Kulturen, Religionen oder Ethnien können nicht alle unbeschwert und angstfrei Fußball spielen. Noch immer werden Lesben und Schwule über weite Strecken ignoriert oder sogar abgelehnt. Dies ist unter anderem ein Beleg dafür, warum sich laut de Hek bis heute kein aktiver Fußballprofi zu seiner Homosexualität bekannt hat (2011). Hier muss man hinterfragen, ob es keine aktiven homosexuellen Spieler gibt, die in der Bundesliga oder in der Nationalmannschaft spielen und ebenso, ob Fußball und Homosexualität immer noch unvereinbar sind. Leibfried & Erb (2011, S. 11f) stellen die Hypothese auf, dass homosexuelle Athleten bereits frühzeitig aus dem Profigeschäft aussortiert werden, da sie dem psychischen Druck bzw. den möglichen Anfeindungen nicht Stand halten könnten. Die ständige Doppelbelastung die eigene Homosexualität zu verstecken und sportliche Höchstleistung zu erzielen würde homosexuelle Spieler so sehr belasten, dass sie ihre Karriere beenden noch bevor diese richtig begonnen hat. Rohlwing (2015) geht davon aus, dass dieser Prozess des Aufhörens bereits in den Jugendmannschaften stattfindet oder auch, dass homosexuelle Spieler Freundinnen von Vereinsseite zur Verfügung gestellt bekommen „um den Anschein zu wahren“ (ebd., S.51f). Auch Walther-Ahrens (2011) geht davon aus, dass einige Spieler bereit sind Scheinehen einzugehen um als heterosexueller Männer in der Öffentlichkeit aufzutreten. Ergänzend soll es mehrere Escort-Service geben, die sich auf homosexuelle Spieler spezialisiert haben um den betroffenen Spielern Frauen zu öffentlichen Veranstaltungen zur Verfügung zu stellen. Corny Littmann, ehemaliger Präsident des FC St. Pauli, zufolge, wird es für homosexuelle Spieler immer schwieriger das Privatleben geheim zu halten. In den letzten Jahren sind einige Zeitungen und Journalisten verstärkt auf die Suche nach versteckten Geheimnissen gegangen um Druckmittel gegen Spieler zu besitzen. Diese Druckmittel werden meist mit Exklusivinterviews zurückbezahlt.
„Ich habe ja mit Redakteuren der Bild-Zeitung geredet über das Thema schwule Fußballer. Dann sind die Mikrofone aus und dann erzählen die dir, wer alles schwul ist im deutschen Fußball. Nicht nur, dass sie es wissen, sondern sie haben auch die Fotodokumente dazu, die haben alles. (...) Es ist auch ein Druckmittel, das von der Medienseite mit Sicherheit auch genutzt wird. Das ist ein Geschäft auf Gegenseitigkeit, was die da betreiben. Es betrifft wahrscheinlich nicht nur die Schwulen, sondern auch andere“ (Rohlwing, 2015, S. 85).
Auch das Bild von „11 Freude müsst ihr sein“ passt laut Rohlwing (ebd.) nicht mehr in das heutige Bild des Fußballs. Zwar zeichnet sich die Sportart Fußball durch ein Team aus, jedoch neigen die meisten Spieler, aufgrund der Wettbewerbssituation im Kader dazu, zu Einzelkämpfern zu werden. Jeder Spieler muss für sich unter der Woche im Training seine persönliche Höchstleistung an den Tag legen um am Wochenende unter den ersten Elf zu stehen. Persönlichkeitsmerkmale wie Disziplin, Selbstbeherrschung, Selbstsicherheit werden vor das Team gestellt. Anzeichen von Schwäche auf und abseits des Platzes sind unterdessen nicht erlaubt. Zu den Schwächen zählt Rohlwing Depressionen und Homosexualität (ebd.). Als abschreckendes Beispiel weist er auf den Freitod von Robert Enke im Jahre 2009 hin. Keiner wusste von der Erkrankung des damaligen Nationaltorhüters, weder die Mannschaft, der Verein noch das soziale Umfeld.
Im Vorfeld der Fußballweltmeisterschaft 2010 in Südafrika sprach der damalige Spielerberater von Michael Ballack von einer „Schwulen-combo“ (Leibfried & Erb, 2011, S.13) in der deutschen Nationalmannschaft und löste mit dieser Aussage eine mediale Diskussion aus. Damit vermittelte er den Eindruck, dass es homosexuelle Fußballer in der deutschen Nationalmannschaft gebe und er deren Identität kenne. In Folge dessen begann die Boulevardpresse damit willkürlich Namen von Nationalspielern zu nennen, die möglicherweise schwul sein könnten. Anfangs wollte sich der DFB nicht dazu äußern, forderte jedoch einige Zeit später, dass sich der Berater von Michael Ballack zu seinen Äußerungen konkretisieren solle. Bis zum heutigen Tag haben weder der Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff noch der Bundestrainer Joachim Löw Stellung zu den Äußerungen genommen, noch die Gerüchte aus der Welt gebracht (Leibfried & Erb, 2011, S. 13). Das Fußballmagazin „Rund“ veröffentlichte 2006 zum ersten Mal ein Interview mit einem schwulen Profifußballer, der anonym blieb. Auf dem Titelblatt war folgende Überschrift zu lesen: „Einer von elf Profis ist schwul. Das riskante Leben eines homosexuellen Spielers: Ein Outing wäre mein Tod“ (Rund, 2006). Ebenfalls im selben Heft veröffentlichten die Redakteure eine „Top Elf der garantiert Nicht-Schwulen“ Liste in denen Namen wie Gerry Ehrmann, Oliver Kahn und „Trainer und potente Lichtgestalt: Franz Beckenbauer“ etc. genannt wurden (ebd., S. 28).
Weitaus problematischer wird es laut Walther-Ahrens (2011, S. 142) wenn Homosexualität mit dem Begriff Pädophilie verknüpft wird, da so ein falsches Bild vermittelt wird. Zahlreiche Untersuchungen haben ergeben, dass Pädophilie und Homosexualität nicht in Zusammenhang stehen. Trotzdem haben einige Menschen Angst vor Übergriffen von schwulen Trainern auf Kinder und Jugendliche. Auch der einstige Trainer des 1. FC Köln Christoph Daum äußerte sich 2008 in einem Fernsehinterview kritisch dazu.
„Da wird es deutlich, wie sehr wir dort aufgefordert sind, gegen jegliche Bestrebungen, die da gleichgeschlechtlich ausgeprägt ist, vorzugehen. Gerade den uns anvertrauten Jugendlichen müssen wir mit einem so großen Verantwortungsbewusstsein entgegentreten, dass gerade die, die sich um Kinder kümmern, dass wir denen einen besonderen Schutz zukommen lassen. Und ich hätte da wirklich meine Bedenken, wenn dort von Theo Zwanziger irgendwelche Liberalisierungsgedanken einfließen sollten. Ich würde den Schutz der Kinder über jegliche Liberalisierung stellen“ (Walter-Ahrens, 2011, S. 142).
Die Kulturwissenschaftlerin Tatjana Eggeling beschäftigt sich schon seit längerem mit dem Thema Homosexualität im Sport und berät mittlerweile schwule Fußballer. Sie kritisiert, dass homosexuelle Spieler automatisch dem Weiblichen zugeordnet und somit als schwächer dargestellt werden. Homosexuelle Fußballer werden als weich, emotional, zickig, wenig durchsetzungsfähig usw. dargestellt. Ihrer Meinung nach bemühen sich viele homosexuelle Fußballer so heterosexuell wie möglich aufzutreten (Eggeling, 2010). Dieses heterosexuelle Auftreten kann in unterschiedlichster Art und Weise stattfinden. Wie z.B. durch betont harte Zweikampfführung, Schwulenwitze in der Kabine oder durch demonstratives Auftreten in weiblicher Begleitung. Auch der ehemalige DDR Fußballer Marcus Urban schreibt in seiner Biographie, dass er immer härter in die Zweikämpfe ginge und mehr Witze über Schwule machte um ja nicht in Verdacht zu geraten.
„Marcus legte sich eine unsichtbare Maske zu, hinter der ihn niemand enttarnen konnte. Auf dem Spielfeld wurde er ruppiger, aggressiver, aufbrausender. Wenn jemand einen Schwulenwitz erzählte, lachte er mit. Er schubste seine Gegner, beleidigte sie, nannte sie sogar „schwule Sau“. Als Prolet konnte kein Verdacht auf ihn fallen, redete er sich ein. So verstrickte er sich in einem absurden Denkmuster, schwärmte von schönen Frauen, um nicht als verrückt durchzugehen“ (Blaschke, 2008, S. 40f).
Der Fußball beharrt laut Eggeling (2010) auf überkommene Normen und Werte, Geschlechterverhältnisse und -rollen und zeichnet sich durch einen nicht gesellschaftlichen Wandlungsprozess aus. Viele homosexuelle Spieler sind der Ansicht, dass „sie ohne Fußball nichts mehr wert und auf ein Leben ohne Fußball überhaupt nicht vorbereitet sind“ (Rohlwing, 2015, S. 55). Daher ordnen diese Spieler alles ihrer Karriere unter, auch die eigene sexuelle Orientierung. Anknüpfend kann ein professioneller Fußballer seinen Beruf im Alter zwischen 19 und 35 Jahren, also 16 Jahre lang ausüben. In dieser Zeit wird der ein oder andere Spieler häufiger die Vereine wechseln und/oder verletzt sein. Durchschnittlich sind laut Rohlwing (2015) Spieler zwei bis vier Jahre verletzt und wechseln nach zwei, maximal drei Jahren den Verein. Nur in den seltensten Fällen bleibt ein Spieler von der Jugendmannschaft bis zu seinem Karriereende in einer Mannschaft. Laut Corny Littmann gibt es bei Transfers Kriterien, nach welchen ein Spieler zugeordnet wird. Beim ersten Kriterium steht das spielerische Potential im Vordergrund. Beim zweiten Kriterium das Entwicklungspotential. Das dritte Kriterium beinhaltet mögliche Risikofaktoren, die ein Spieler in die Mannschaft bringen könnte. Zu diesen möglichen Risikofaktoren gehören die Verletzungsanfälligkeit des Spielers sowie seine Charakteristika. Dabei wird genau beleuchtet ob ein Spieler alkoholabhängig oder spielsüchtig ist, ob er Nikotin raucht oder wechselnde Frauengeschichten hat. Die sexuelle Neigung der Spieler wird laut Littmann (ebd., S. 56) sehr kritisch begutachtet. Einige Vereine sind der Meinung, dass ein schwuler Spieler Unruhe in die Mannschaft bringen könnte und auch die meisten Trainer wären in so einem Fall nicht kompetent genug um mit dem Thema umzugehen.
4.1 Homophobie im Fußball
“Within the sacred walls of the football ground, men can kiss and hug and blub over one another in a way which would, outside those walls, require a minimum of ten pints – because, naturally, it’s the game they all love, not one another” (Simpson, 1999, S. 31).
Homosexuelle Spieler lernen bereits früh, dass Homosexualität im Fußball nicht geduldet ist und sie deshalb ihre sexuelle Neigung verstecken müssen. Gerade in diesem Umfeld äußert sich die Abneigung gegen Homosexualität oftmals in homophoben Beleidigungen oder in Schwulenwitzen. Bereits im Juniorenbereich wird ein Fehlpass häufig mit dem Ausdruck „schwuler Pass“ betitelt oder ein Gegner als Weichei, Warmduscher oder Schwuchtel bezeichnet (Eggeling, 2010). Hierbei wird das neutrale Wort „schwul“ bewusst in abwertender und verletzender Art und Weise genutzt und verwendet. Schwul wird gleichgesetzt mit schwach, lästig und eklig. Im Vordergrund dieser Beleidigungen und Sprüche steht nicht nur die Entmännlichung und Erniedrigung der Spieler, sondern auch der Fans, Gegenspieler, Mitspieler oder Schiedsrichter. Eine mögliche Erklärung für die Verwendung solch homophober Verhaltensweisen, Beleidigungen und Provokationen dem Gegner gegenüber ist das gegnerische Team aus ihrer Konzentration während dem Spiel zu reißen um sein eigenes Team zu einem Sieg zu führen. Vielfach wird Schwulenfeindlichkeit und Sexismus als ein Teil der kulturellen Logik des Fußballs verstanden (Walther-Ahrens, 2011, S 85). Auch unter den Fans, sowohl im Amateur- als auch Profibereich, gehören Beschimpfungen dieser Art zum Standardrepertoire und werden selten sanktioniert. Laut Walther-Ahrens (ebd.) gehören manche Sprüche und Lieder mittlerweile so zum Fußball dazu, sodass ihre Bedeutung nicht mehr hinterfragt wird. Marcus Urban geht davon aus, dass Homophobie erst durch die Verdrängung rassistischer Äußerungen zustande gekommen ist (Blaschke, 2008. S. 31). In den 80ern und in den frühen 90er-Jahren wurden die Bundesligastadien mehrfach für offene rassistische und antisemitistische Äußerungen genutzt. Rassistische Äußerungen, Gesänge und Plakate werden bereits seit einigen Jahren sanktioniert und führen in manchen Fällen bis zur strafrechtlichen Verfolgung, sodass man von einem deutlichen Fortschritt in der Bewältigung solcher Verhaltensweisen sprechen kann. Jedoch sind diese, laut Marcus Urban (ebd.), nicht wirklich verschwunden, sondern lediglich verdrängt worden. Manche Anhänger suchten sich daraufhin andere Diskriminierungsformen, welche nicht konsequent bestraft werden, wie die Homophobie im Fußball. Für diese Personen scheint es, dass in deutschen Fußballstadien diese Verhaltensweisen eher toleriert werden als außerhalb vom Fußballplatz. So fühlen sie sich sicher, da sie in der Menschenmasse, auf die sie im Stadion treffen, sagen können, was sie sonst nie sagen können oder dürfen. Marcus Urban (ebd.) geht davon aus, dass es kein Bundesligaspiel gibt, welches ohne Homophobie stattfindet.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Homophober Aufnäher für Fankleidung das sich gegen den Verein SV Werder Bremen richtet (Walter-Ahrens, 2011, S. 86).
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Abbildung 2: Homophobes Banner das sich gegen die Fanfreundschaft von Hertha BSC und den Karlsruher SC richtet (Leibfried & Erb, 2011, S. 131).
Wie durch Fans, so auch durch Spieler und Verantwortliche im Fußball, werden Vorurteile im Fußball durch homophobe Aussagen gestützt. 2011 machten die Spieler Gerald Asamoah (damals Schalke 04) und Roman Weidenfeller (damals BVB) in der Bundesliga Schlagzeile. Der dunkelhäutige Spieler Gerald Asamoah bezichtigte den Dortmunder Torwart, Roman Weidenfeller, ihn während des Fußballspiels „schwarzes Schwein“ genannt zu haben. Dem Torwart Weidenfeller drohte wegen rassistischer Beleidigung eine Sperre von sechs Spielen. Vor dem Sportgericht äußerte sich der Torwart, dass er den Spieler Asamoah nicht bezüglich seiner Hautfarbe als „schwarzes Schwein“ beleidigt, sondern ihn lediglich als „schwules Schwein“ bezeichnet habe. Das Sportgericht hatte damals Roman Weidenfeller vom Vorwurf des Rassismus freigesprochen und ihn lediglich für drei Spiele gesperrt (Graber, 2016). Weitere homophobe Beispiele lieferten 2009 der damalige Spieler des Hamburger SV Marcell Jansen und der Cottbusser Spieler Ervin Skela auf die Frage, wie sie schwule Spieler in einem Fußballteam finden würden.
Jansen: „Ich hätte damit kein Problem, so lange ich nicht belästigt werde, weil das werde ich lieber von Frauen“.(Walther-Ahrens, 2011, S. 97).
Skela: „Das ist jedem seine eigene Entscheidung. Aber ich weiß nicht, im Fußball mit so jemandem unter der Dusche zu stehen. Ich weiß nicht, das finde ich schon komisch“ (ebd.).
In vielen Köpfen herrschen laut Walther-Ahrens (ebd.) dieselben Klischees und Vorurteile, welche benannt werden und somit Ängste verfestigen. Häufig spiegelt das Duschen unter den Spielern die größte Angst wider. Denn viele homophobe Spieler vermuten, dass Schwule alle Männer sexuell anziehend finden und nur darauf warten bis sie zusammen duschen gehen können.
Überdies gibt es noch die verdeckte Homophobie, welche sich vorrangig durch das Nichtwahrnehmen von Homosexualität im Fußball ausdrückt. Diese Diskriminierungsform ist gekennzeichnet durch Unsichtbarkeit, Schweigen und durch konsequente Verleumdung von Homosexualität im Fußball (de Hek, 2011, S. 71). Viele Personen rund um den Fußball glauben weiterhin, dass es keine homosexuellen Profispieler gibt und, dass in Folge dessen Homosexualität im (Profi-)Fußball nicht existiert. Ferner wird jeder Spieler unbewusst als heterosexuell dargestellt und auch angesehen. Die Heterosexualität wird automatisch als „unhinterfragte Norm, also eine Heteronormativität“ dargestellt (ebd., S. 71). Diese Form der Nichtwahrnehmung von homosexuellen Sportlern findet man häufig im Fußball. Sofern sich ein Spieler nicht als „richtiger Mann“ verhält, wird diesem die selbstverständlich aufgelegte Heterosexualität aberkannt und so wird er zeitgleich als homosexuell dargestellt. Somit wird dieser Spieler mit der direkten Homophobie konfrontiert (ebd.). Als Folge dessen werden von den gegnerischen Fans Stadion-Choreographien und Aufnäher für Fankleidung entworfen, die durch homophobe Beleidigungen den Gegner erniedrigen und herabsetzen sollen (siehe Abb.1 und Abb. 2).
Die Autoren Dirk Leibfried und Andreas Erb widmeten sich in ihrem Buch „das Schweigen der Männer“ der Frage, wie der deutsche Fußball mit dem Thema Homosexualität umgeht bzw. wie innerhalb eines Vereins mit Homophobie umgegangen wird. Rein statistisch gesehen müsste und dürfte es in jedem Bundesligaverein einen schwulen Profispieler geben. Eigens dafür entwickelten sie einen Fragebogen und schickten diesen an alle 36 Proficlubs der 1. und 2. Bundesliga. Der Fragenkatalog richtete sich mit sechs Fragen an die Mannschaftskapitäne sowie die Vereinsführung. Von den Mannschaftskapitänen wollten sie erfahren ob das Thema Homosexualität im Team zur Sprache kam und ob sie jemals damit konfrontiert wurden und auch wie sie reagieren würden wenn sich ein Mitspieler bezüglich dieses Themas an sie wendet. Die Vereinsführung wurde gefragt wie sie auf ein Outing im Club reagieren würde, welche Auswirkungen diese zur Folge hätte, ob sich der Verein konkret mit dem Thema Homosexualität und Homophobie auseinandergesetzt hat und ob es eine Zusammenarbeit mit einem schwul-lesbischen Fanclub gibt (Leibfried & Erb, 2011, S. 55f). Lediglich zwölf Vereine haben sich bei den Autoren rückgemeldet und nur vier dieser Vereine haben den damaligen Fragenkatalog beantwortet. Zu den Vereinen, die geantwortet haben, gehörten Borussia Mönchengladbach, Hamburger SV, 1. FC Kaiserslautern und FSV Frankfurt. Die anderen Vereine hatten in einer kurzen Nachricht lediglich mitgeteilt, dass sie den Fragenkatalog nicht beantworten werden (ebd.). Laut Walther-Ahrens ist dies ein Beweis dafür, dass Homophobie und Sexismus noch immer zum Fußball dazu gehören wie ein Stadionbesuch mit Bratwurst und Bier (Walther-Ahrens, 2011, S. 92).
4.2 Initiativen
Ideal wäre, wenn das Thema Homosexualität und Fußball in den Köpfen der Menschen als normal angesehen wird und das homosexuelle Spieler als selbstverständlich angesehen werden (Walter-Ahrens, 2011). Doch wird dieses Thema nicht als selbstverständlich im Sport Fußball betrachtet, weshalb das besagte Themengebiet immer wieder angesprochen und thematisiert werden muss. Walther-Ahrens (2011, S. 122) kritisiert Vereine wie Verbände da niemand das Thema freiwillig behandeln will. Vielmehr setzen sich Initiativen aus der Schwulen- und Lesbencommunity damit auseinander, die das Thema präsent machen und gegen Homophobie im Fußball ankämpfen. Deren Ziel ist es alle Personen rund um den Fußball über Homophobie im Fußball aufzuklären und diese erfolgreich zu bekämpfen. Auf diese Weise wollen sie erreichen, dass zum einen ein schwulen- und lesbenfreundliches Klima für Fans herrscht und zum anderen, dass sich homosexuelle Spieler ohne Sorgen outen können. Weiter geht es um die Bewusstmachung über das Thema sowie den Abbau von Vorurteilen. Die Homosexuellenbewegung in Deutschland geht laut de Hek (2011, S. 106) auf Initiativen aus den USA zurück, wo in den 70er- und 80er-Jahren Homosexuelle damit begannen eigene Veranstaltungen zu organisieren um gegeneinander und miteinander Sport unter Wettkampfbedingungen zu betreiben. Somit wollten sie für mehr Toleranz werben. In den folgenden Kapiteln werden einige Initiativen im deutschsprachigem Raum vorgestellt.
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- Citation du texte
- Sebastian Scheib (Auteur), 2019, Homosexualität im deutschen Fußball. Männlichkeitsideale, Diskriminierung und Homophobie in einer Männerdomäne, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/452721
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