In dem Seminar „Wissenschaftstheoretischer Richtungsstreit“ beschäftigten wir uns mit Sinn, Zweck und den verschiedenen Feldern der Wissenschaftstheorie. Das Wort >Wissenschaftstheorie< ist ein zusammengesetzter Begriff aus den Wörtern >Wissenschaft< und >Theorie<. Die erste Aufgabe im Seminar war somit, eine Definition dieser beiden Wörter zu finden und die Verknüpfung nachzuvollziehen. Bei meiner Recherche in einem Fremdwörterlexikon fand ich unter dem Stichwort Theorie folgenden Eintrag: „(…) 1. reine Erkenntnis ohne Rücksicht auf Anwendbarkeit; 2. wissenschaftliche Lehre, die zu einheitlicher Erklärung, Ableitung bestimmter Gegebenheiten aufgestellt wird; 3. bloß erdachte Gedankenbildung im Gegensatz zur Erfahrung“ (von Kienle 1982:451).Im Seminar wurde herauskristallisiert, dass ein Theoretiker jemand ist, der „schaut“ (aus dem griechischen theoria=schauen), wogegen ein Wissenschaftler jemand ist, der aktiv etwas tut und somit Erfahrungen sammelt. Die Theorie - so der allgemeine Tenor sei daher oftmals idealistisch oder scheitere an den Grenzen der Realisierbarkeit, was auch durch den Eintrag im Fremdwörterlexikon (s. Punkt 3) gestärkt wird. Daher wurde im Seminar besonders hervorgehoben, dass man auch als Theoretiker aktiv am Geschehen beteiligt sein sollte, und zwar als „kritischer Beobachter“. Der Begriff der Theorie war somit geklärt.
Das Wort >Wissenschaft< genauer zu erklären und zu erläutern stellte sich als komplizierter heraus und nahm in den Sitzungen mehr Zeit in Anspruch. Im Seminar fanden wir heraus, dass >Wissenschaft< im Allgemeinen etwas ist, das von einem Lehrstuhl aus gelehrt wird. Wissenschaftliche Erfahrungen sind somit abzugrenzen von so genannten Alltagserfahrungen, die als unreflektierte und unsystematische Erfahrungen gelten. Wir grenzten den Begriff weiter ein, indem wir >Wissenschaft< als eine bestimmte Tätigkeit bezeichneten, die in einem ausgegrenzten Kulturgebiet stattfindet. >Wissenschaft< wird überdies mit dem Ziel betrieben, ein bestimmtes Wissen zu erlangen. Bei der Ansammlung von Wissen handelt es sich um eine geistige und körperliche Tätigkeit mit dem Endziel, Wahrheit zu erlangen. Tätigkeiten sind in dem Sinne z.B. Experimente, Interviews oder das Sichten und Arbeiten von und mit Archivquellen. Das Wissen, das hierbei gewonnen wird, ist ein Wissen durch Erfahrung.
Inhaltsverzeichnis
1) Einleitung
2) Begriffsklärung: Was ist Hermeneutik?
3) Die Darstellung Geisteswissenschaftlicher Pädagogik bei König und Zedler
4) Die Darstellung Geisteswissenschaftlicher Pädagogik bei Gudjons
5) Die Darstellung Geisteswissenschaftlicher Pädagogik bei Zirfas und Wulf
6) Die Darstellung Geisteswissenschaftlicher Pädagogik bei Koring
7) Die Darstellung Geisteswissenschaftlicher Pädagogik bei Krüger
8) Die Darstellung Geisteswissenschaftlicher Pädagogik bei Bollnow
9) Stellungnahme
10) Literaturverzeichnis
1) Einleitung
In dem Seminar „Wissenschaftstheoretischer Richtungsstreit“ beschäftigten wir uns mit Sinn, Zweck und den verschiedenen Feldern der Wissenschaftstheorie. Das Wort >Wissenschaftstheorie< ist ein zusammengesetzter Begriff aus den Wörtern >Wissenschaft< und >Theorie<. Die erste Aufgabe im Seminar war somit, eine Definition dieser beiden Wörter zu finden und die Verknüpfung nachzuvollziehen.
Bei meiner Recherche in einem Fremdwörterlexikon fand ich unter dem Stichwort Theorie folgenden Eintrag: „(…) 1. reine Erkenntnis ohne Rücksicht auf Anwendbarkeit; 2. wissenschaftliche Lehre, die zu einheitlicher Erklärung, Ableitung bestimmter Gegebenheiten aufgestellt wird; 3. bloß erdachte Gedankenbildung im Gegensatz zur Erfahrung“ (von Kienle 1982:451). Im Seminar wurde herauskristallisiert, dass ein Theoretiker jemand ist, der „schaut“ (aus dem griechischen theoria = schauen), wogegen ein Wissenschaftler jemand ist, der aktiv etwas tut und somit Erfahrungen sammelt. Die Theorie – so der allgemeine Tenor – sei daher oftmals idealistisch oder scheitere an den Grenzen der Realisierbarkeit, was auch durch den Eintrag im Fremdwörterlexikon (s. Punkt 3) gestärkt wird. Daher wurde im Seminar besonders hervorgehoben, dass man auch als Theoretiker aktiv am Geschehen beteiligt sein sollte, und zwar als „kritischer Beobachter“. Der Begriff der Theorie war somit geklärt.
Das Wort >Wissenschaft< genauer zu erklären und zu erläutern stellte sich als komplizierter heraus und nahm in den Sitzungen mehr Zeit in Anspruch. Im Seminar fanden wir heraus, dass >Wissenschaft< im Allgemeinen etwas ist, das von einem Lehrstuhl aus gelehrt wird. Wissenschaftliche Erfahrungen sind somit abzugrenzen von so genannten Alltagserfahrungen, die als unreflektierte und unsystematische Erfahrungen gelten. Wir grenzten den Begriff weiter ein, indem wir >Wissenschaft< als eine bestimmte Tätigkeit bezeichneten, die in einem ausgegrenzten Kulturgebiet stattfindet. >Wissenschaft< wird überdies mit dem Ziel betrieben, ein bestimmtes Wissen zu erlangen. Bei der Ansammlung von Wissen handelt es sich um eine geistige und körperliche Tätigkeit mit dem Endziel, Wahrheit zu erlangen. Tätigkeiten sind in dem Sinne z.B. Experimente, Interviews oder das Sichten und Arbeiten von und mit Archivquellen. Das Wissen, das hierbei gewonnen wird, ist ein Wissen durch Erfahrung. Ich komme an dieser Stelle noch einmal auf Punkt 3 des Eintrags aus dem Fremdwörterlexikon zum Stichwort Theorie zurück: „(…) 3. bloß erdachte Gedankenbildung im Gegensatz zur Erfahrung“. Die Wissenschaft, deren Erkenntnisgewinn wie beschrieben auf Erfahrungen basiert, stellt somit einen Gegensatz zur Theorie dar.
Daraus schließe ich, dass >Wissenschaftstheorie< eine Mischung aus Erkenntnis-gewinn durch Erfahrung und kritischer Beobachtung ist. Die >Wissenschaftstheorie< verschafft einen kritisch genauen Blick auf die Wissenschaft. Sie beschäftigt sich mit der Selektion wissenschaftlicher Arbeiten und hilft, diese genauer zu bestimmen. Des weiteren erfuhren wir im Seminar, dass sich die >Wissenschaftstheorie< in drei Aufgabengebiete unterteilt.
Das erste Aufgabengebiet beschäftigt sich mit der Theorie der Wissenschaften. Fragen, die es in diesem Aufgabengebiet zu klären gilt sind z.B.: Was ist Wissenschaft? Wie kommt es zur Unterscheidung zwischen verschiedenen Wissenschaften? Was ist der Unterschied zwischen Disziplin und Profession?
Das zweite Aufgabengebiet beschäftigt sich mit Sprache und Logik, da ein Großteil der >Wissenschaftstheorie< aus sprachlichen Tätigkeiten besteht. Es wird beispielsweise beschrieben, analysiert, differenziert oder definiert. Zu unterscheiden ist diese in der Wissenschaft genutzte „Wissenschaftssprache“ wiederum von der so genannten „Alltags- oder Umgangssprache“. Wir stellten fest, dass es insbesondere die Sprache ist, die zwei bedeutende wissenschaftliche Positionen, die Hermeneutik und den Kritischen Rationalismus, voneinander trennt. Auf verschiedene Darstel-lungen der Hermeneutik werde ich im Verlauf dieser Hausarbeit eingehen.
Das dritte Aufgabengebiet beschäftigt sich mit der Methodenlehre der >Wissenschaftstheorie<. Hierbei werden wiederum drei Grundmethoden voneinander unterschieden: Die Beobachtung, die Erklärung und das Verstehen.
Die Beobachtung wird wiederum in zwei Methoden unterteilt: Zum einen die Beobachtung durch induktive Schritte und zum anderen die Beobachtung durch deduktive Schritte. Beobachtung durch induktive Schritte bedeutet, dass Aussagen erst nach der Beobachtung gemacht werden, wogegen bei der Beobachtung durch deduktive Schritte zuerst eine Aussage formuliert wird, auf die die Beobachtung folgt.
Auch die Erklärung wird noch einmal unterteilt in (immer ungenaue und waghalsige) Alltagserklärungen und Erklärungen in wissenschaftlicher Hinsicht. Bei Erklärungen in wissenschaftlicher Hinsicht sind drei Bestandteile von Bedeutung: Die generellen Gesetzesaussagen, die singulären Randbedingungen und die singulären Aussagen.
Das Verstehen zu guter letzt ist ein unendlicher Prozess, der nur künstlich abgebrochen werden kann.
Wie bereits angedeutet, haben wir im Seminar „Wissenschaftstheoretischer Richtungsstreit“ zwei für die Pädagogik wichtige wissenschaftliche Richtungen kennen gelernt. Die Hermeneutik und den Kritischen Rationalismus. Ich widme mich im weiteren Verlauf nun der Hermeneutik anhand der zur Verfügung gestellten Einführungsliteratur und der gestellten Hausarbeitsaufgabe. Ich werde im Folgenden den Begriff der Hermeneutik erklären, im Anschluss die Sichtweisen und Schwerpunkte der verschiedenen Autoren darlegen, Gemeinsamkeiten oder Differenzen in den einzelnen Darstellungen herausarbeiten und abschließend persönlich Stellung zur Diskussion beziehen.
2 )Begriffsklärung: Was ist Hermeneutik?
Unter dem Stichwort Hermeneutik finde ich im Fremdwörterlexikon folgenden Eintrag: „(…) die Kunst, Schrift- oder Kunstwerk sinnvoll auszulegen; die Methodologie der historischen Geisteswissenschaft als auslegende Wissenschaft (…)“ (von Kienle 1982:165). In dem Wort Hermeneutik steckt überdies der Name des griechischen Gottes Hermes, dem Mittler zwischen Göttern und Menschen. Ich verstehe dementsprechend unter Hermeneutik die Fähigkeit und Lehre, Phänomene (Kunst, Literatur oder andere Kulturäußerungen) sinnvoll auszulegen und somit verständlich machen zu können. In Bezug auf den griechischen Gott Hermes erkläre ich mir die Kulturäußerungen als so kunstvoll, gottähnlich anmutend und damit geradezu unerklärbar, dass es eines Mittlers bedarf, diese Phänomene zu klären und verständlich zu machen. Weiterhin bestehen die Aufgaben der Hermeneutik in der „interpretativen Erklärung von Grundbegriffen; Verstehen eines Textes unter Berücksichtigung der Situation, Motivation, Intention und des historischen Kontextes seines Verfassers; Erfassung einer überhistorischen Wahrheit eines Textes; Ermittlung des Textsinnes für den Interpreten und seine Zeit; Berücksichtigung der Subjekt-Objekt-Dialektik.“ (Stimmer 2000:309)
Zunächst hatte sich die Hermeneutik „in der Theologie, der Geschichtswissenschaft und der Rechtswissenschaft entwickelt“ (vgl. ebd. S. 309), was das für die pädagogische Wissenschaftstheorie vielleicht etwas abstrakt anmutende Aufgabenfeld erklärt.
Den Grundstein für die hermeneutische (= verstehende) Erziehungswissenschaft legte Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher (21.11.1768 – 12.02.1834). „Nach dem Studium der Philosophie, Theologie und der alten Sprachen in Halle (1787 – 1790) und Tätigkeiten als Hauslehrer und Prediger war er zunächst Professor der Theologie in Halle (1804 – 1806) und ab 1810 in Berlin. Dort entwarf er in seinen Vorlesungen über Pädagogik (1813, 1820/21 und 1826), deren Text durch Nachschriften und in seinem Nachlass erhalten blieb, die Grundlage einer hermeneutischen Erziehungs-wissenschaft. (…) Seinerzeit war Schleiermacher eher als bedeutender Theologe und Philosoph bekannt. Seine erziehungswissenschaftliche Theorie gewann erst später an Bedeutung, als sie unter anderem Dilthey, Spranger und Nohl und damit die Geisteswissenschaftliche Pädagogik wesentlich beeinflusste.“ (vgl. ebd. S. 579)
3 ) Die Darstellung Geisteswissenschaftlicher Pädagogik bei König und Zedler
Eckard König und Peter Zedler gehen davon aus, dass Wilhelm Dilthey (1833 – 1911) der eigentliche Begründer der „Geisteswissenschaftlichen Pädagogik“ ist, obgleich dieser die Pädagogik persönlich nie als geisteswissenschaftliche Disziplin deklariert hat. Nach König und Zedler sind die bekanntesten und damit wichtigsten Vertreter der „Geisteswissenschaftlichen Pädagogik“ Herman Nohl (1879 – 1969) und Eduard Spranger (1882 – 1963), zwei Schüler Diltheys, sowie die Nohl-Schüler Wilhelm Flitner (1889 – 1991) und Erich Weniger (1863 – 1961). Ebenso erwähnen sie Theodor Litt (1880 – 1962), den Nachfolger Sprangers als Professor für Philosophie und Pädagogik an der Universität Leipzig.
In ihren Ausführungen in „Theorien der Erziehungswissenschaft“ (Weinheim 1989) beziehen sich König und Zedler auf Herman Nohl und seine Ansichten über die Geisteswissenschaftliche Pädagogik und stellen anhand seiner Arbeiten die Hauptthesen dar:
Ausgangspunkt für die pädagogische Theorie in der Geisteswissenschaftlichen Pädagogik seien, laut König und Zedler anhand der Schriften Nohls, konkrete pädagogische Situationen. Nohl selbst schreibt von der Erziehungswirklichkeit als „aus dem Leben erwachsend“ oder „aus seinen Bedürfnissen und Idealen“, was meiner Meinung nach den Zusammenhang mit konkreten (pädagogischen) Situationen, insbesondere individuellen Situationen, verdeutlicht. Des Weiteren betonen König und Zedler, dass die Erziehungswirklichkeit als ein „sinnvolles Ganzes“ verstanden werde. Die Erziehungswirklichkeit müsse für die betreffende Person, den jungen Mensch, eine Bedeutung besitzen. Ich verstehe diese Anforderung so, dass dem Jugendlichen in der Erziehung klare Ziele, die noch in seiner Zukunft liegen, vor Augen geführt werden, dass der junge Mensch einen Plan und eine tiefere Bedeutung hinter dem sieht, wozu man ihn bewegen möchte und ihm damit eine klare, auf seine Bedürfnisse, Ziele und Möglichkeiten angepasste Struktur aufzeigt. Dies diene, meiner Meinung nach, zur besseren Reflektion und mache dem Jugendlichen seine Situation deutlicher. König und Zedler betonen im weiteren Verlauf, dass das Menschenbild in der Geisteswissenschaftlichen Pädagogik ein ganz anderes sei als in der verhaltenstheoretischen Erziehungswissenschaft. „Verhalten wird nicht als Reaktion auf Reize gedeutet, sondern Menschen werden als „handelnde Subjekte“ gesehen, die ihrer Situation eine bestimmte Bedeutung geben und auf der Basis dieser Bedeutung handeln.“ (König / Zedler 1998)
Als einen weiteren wichtigen Punkt führen König und Zedler an, dass es die Aufgabe der Pädagogik als einer „hermeneutischen Disziplin“ sei, die Bedeutung der Erziehungswirklichkeit zu erfassen. Für mich treffend und verständlich machen sie es mit folgendem Satz: „(…) die Situation zu verstehen, heißt die Bedeutung zu erfassen, die die Situation für das Kind besitzt.“ (vgl. ebd.) Es sei also wichtig nachzuvollziehen, warum das Kind / der Jugendliche in bestimmter Art und Weise reagiert. Hierbei gelte es, alle Möglichkeiten zu berücksichtigen – nur so kann in der Art und Weise gehandelt werden, die dem jungen Menschen nützlich sei und dass er sich verstanden fühle.
Als einen weiteren Punkt im Verständnis der Geisteswissenschaftlichen Pädagogik führen König und Zedler an, dass Erziehungswirklichkeit das Ergebnis einer geschichtlichen Entwicklung sei. Sie sehen hier einmal die gemeinsame Geschichte, beispielsweise die Geschichte der Erziehung in Deutschland generell (unter Berücksichtigung kultureller und industrieller Veränderungen), und die individuelle Geschichte des einzelnen Kindes oder Jugendlichen. Diese beiden Faktoren gilt es, so interpretiere ich, stets zu berücksichtigen, da die individuelle Situation stark von den verschiedenen geschichtlichen Voraussetzungen abhängt und somit stets von Mensch zu Mensch verschieden ist. Nohl sagt treffend: „Pädagogik ist immer geschichtliches Leben, Bewegung und darum nichts Statisches, sondern ihrem Wesen nach Entwicklung, unerbittlich vorwärts schreitend.“ (Nohl zit. n. König / Zedler 1998)
Als nächsten und letzten Punkt in ihrer Aufzählung der Hauptthesen führen König und Zedler an, dass aus der historischen Betrachtung der Erziehungswirklichkeit Entwicklungsmöglichkeiten und Bildungsideale würden. Dies besagt, dass auch auf die bisherige Entwicklung Rücksicht genommen und sie in die Analysen für die Zukunft einbezogen werden müsse. Auch Nohl verwendete, so König und Zedler, oftmals die historische Entwicklung, um Prognosen abzugeben oder den Verlauf aufzuzeigen. Auch bei der historischen Betrachtung sei es wiederum wichtig, den individuellen (die persönliche Entwicklung des jungen Menschen) und gesellschaftlichen Aspekt (z.B. das gegenwärtige Bildungsideal) mit einzubeziehen und zu unterscheiden. Wichtig sei, so König und Zedler, „die Ausrichtung auf den einzelnen Jugendlichen und die Ausrichtung auf die „objektiven Inhalte“ einer Epoche und einer Kultur.“ (Nohl zit. n. König / Zedler 1998)
Abschließend zu dieser letzten These merken König und Zedler an, dass aus der Hermeneutik der Erziehungswirklichkeit eine normative Orientierung für das praktische Handeln gewonnen werde. Ich verstehe das so, dass aus Vergangenheit und Gegenwart praktisch „gelernt“ und somit ein neues Bildungsideal geschaffen / ermöglicht wird. Dies stehe im Gegensatz zur Verhaltenswissenschaft, wo lediglich Sachverhalte beschrieben und erklärt, nicht aber gedeutet werden und somit auch nicht für das praktische Handeln von Nutzen sind, so König und Zedler.
Im weiteren Verlauf befassen sie sich mit der Forschungsmethodik. Sie merken an, dass es kaum methodische Überlegungen gäbe. Stattdessen würden bestimmte hermeneutische Verfahren intuitiv angewandt. Trotzdem sei bei Nohl ein klar strukturiertes Vorgehen erkennbar und rekonstruierbar, das König und Zedler als „teilnehmende Beobachtung“ bezeichnen und welches sich in vier Schritte aufteilen lässt: 1. Die Beobachtung der konkreten Situation, wobei die wichtigste Aufgabe im Verstehen der jeweiligen Person liege, 2. Der Rückgriff auf eigene Erfahrungen, indem man sich in die jeweilige Person hineinversetzt – von Dilthey sehr treffend als ein „Wiederfinden des Ich im Du“ bezeichnet, 3. Der Rückgriff auf gemeinsame Erfahrungen, in dem es darum ginge sich mit dem jungen Menschen zu identifizieren und seine Erfahrungen, seinen (Lebens-) Hintergrund auf der Basis des gemeinsamen Kulturkreises zu berücksichtigen und 4. Die Berücksichtigung der historischen Entwicklung, was unmittelbar mit dem dritten Schritt verknüpft sei, da die gegenwärtige Situation als Ergebnis der historischen Entwicklung gedeutet würde.
Im weiteren Verlauf beschäftigen sich König und Zedler mit den Konsequenzen für die pädagogische Praxis. Sie widmen sich zuerst den Erziehungszielen. Wieder berufen sie sich auf Nohl, der deutlich macht, dass das Ziel der Erziehung Bildung sei und nicht die Vermittlung von Qualifikation. Hierbei sei natürlich zu klären, was Bildung überhaupt ist. Unter „Bildung“ verstehe ich – wie der Name es bereits sagt – das „herausbilden“ der persönlichen Anlagen, Interessen und Fähigkeiten, die bereits in dem Jugendlichen vorhanden sind aber der Hilfe eines Dritten bedürfen, um vollends ausgeprägt zu werden. Für mich wäre dies die „Bildung“ auf der individuellen Stufe. Des Weiteren verstehe ich unter dem Endziel allgemeiner „Bildung“ die Befähigung des Jugendlichen zu eigens gesetzten Zielen in seiner individuellen Lebenswelt zu gelangen und zwar dadurch, dass ihm das Handwerkszeug mit auf den Weg gegeben wird, das er dafür benötigt. König und Zedler berufen sich in der Frage nach dem Begriff „Bildung“ wiederum auf Nohl, der sie als „subjektive Seinsweise der Kultur“, als „innere Form und geistige Haltung der Seele“ (Nohl zit. n. König / Zedler 1998) beschreibt. Abschließend betonen sie, dass die geisteswissenschaftliche Pädagogik unter dem Begriff der Bildung grundlegende Kenntnisse, Fähigkeiten und Einstellungen verstehe, die für das Leben des einzelnen innerhalb eines Kulturraums unverzichtbar erscheinen.
Als nächstes stellen König und Zedler die These auf, dass es keine allgemeingültigen Bildungsziele gäbe, sondern Bildung stets historisch bestimmt sei. Für mich ist diese Aussage ausgesprochen plausibel, da geschichtliche Ereignisse, der allgemeine Fortschritt und sich ständig ändernde äußere Einflüsse auch von der Bildung und den Bildenden fordern, nicht starr und statisch zu bleiben. Außerdem kann man, meiner Meinung nach, nicht die gleichen aktuellen Bildungsziele, die derzeit in Deutschland vorherrschen, auf z.B. Afrika übertragen, da andere Kulturkreise andere Bildungsziele verfolgen. Das greifen auch König und Zedler im Folgenden auf, wenn sie behaupten, dass Bildung gesellschaftlich und individuell bestimmt sei. Abschließend erwähnen sie auf, dass die Festlegung der jeweils gültigen Bildungsziele ein hermeneutisches Verfahren erfordere: Das Verhalten des Kindes / des Jugendlichen müsse verstanden werden, ebenso wie der historische und persönliche Hintergrund zu berücksichtigen sei.
Um zu verdeutlichen, wie sich das Konzept Geisteswissenschaftlicher Pädagogik auf alltägliche Erziehungssituationen anwenden lässt, greifen König und Zedler auf Alfred Adler (1870 – 1937), einen Schüler Sigmund Freuds und Begründer der Individualpsychologie, und Rudolf Dreikurs (1897 – 1972), einen Schüler Adlers der die Individualpsychologie auf alltägliche Erziehungssituationen umsetzte, zurück. Dreikurs verdeutlicht, dass menschliches Tun nicht kausal erklärbar sei, sondern eine Bedeutung besitze. Menschliches Handeln sei zielgerichtet und beträfe meist eine entsprechende Reaktion der Gruppe / der Gesellschaft, der der junge Mensch zugehörig ist. Daher gelte es zu beobachten, welches Ziel der junge Mensch mit seinem Verhalten verfolgt, um ihn so besser verstehen und erfolgreicher intervenieren zu können.
Im weiteren Verlauf beschäftigen sich König und Zedler mit Wolfgang Klafki, um den hermeneutischen Ansatz für den Unterricht darzustellen. Klafki vertritt die Ansicht, dass der Lehrer den Schülern den „Lehrstoff“ unter gewissen Aspekten zu vermitteln habe. Vereinfacht gesagt wären es Fragen wie „Welche Bildungsmöglichkeit liefert der Inhalt?“, „Welche Bedeutung hat der Inhalt für die Kinder?“ und „Welche Bedeutung hat der Inhalt für die Kinder als angehende Erwachsene?“, die sich der Lehrende zu stellen habe. Für mich zeigt sich hierbei, dass der ganzheitliche Ansatz der Geisteswissenschaftlichen Pädagogik auch im Bereich der Schule sehr gut integrierbar ist.
Abschließend widmen sich König und Zedler der Diskussion Geisteswissen-schaftlicher Pädagogik. Sie unterteilen die Kritik in 1. Kritik von Seiten der empirischen Verhaltenswissenschaft und 2. Kritik von Seiten der Kritischen Erziehungswissenschaft. Von Seiten der empirischen Verhaltenswissenschaft würde das Verstehen als unwissenschaftlich angesehen. „Verstehen liefere nur subjektive Annahmen, die bestenfalls Hypothesen für empirische Untersuchungen bieten können (…).“ (König / Zedler 1998) Der Geisteswissenschaftlichen Pädagogik wurde Unwissenschaftlichkeit vorgeworfen und damit auch die Frage laut, ob man wirklich von einer selbstständigen Wissenschaft sprechen könne, was für mich ein nachvollziehbarer Kritikpunkt ist. Für mich sind Verhaltensweisen derart vielfältig interpretierbar und unterschiedlich auslegbar, dass niemals mit 100-prozentiger Wahrscheinlichkeit bewiesen werden kann, ob die Interpretation (und somit das „Verstehen“) richtig ist. Wissenschaftlich beweisen ließe sich dies in meinen Augen schwer. Von Seiten der Kritischen Erziehungswissenschaft käme der Vorwurf, zu sehr der Tradition ausgeliefert zu sein. „Führt nicht (…) der Rückgriff auf das Verstehen bei der Aufstellung von Handlungsanweisungen unter der Hand dazu, dass das „Überlieferte, das Gegebene, das Wirkliche“ als „das Richtige, Gültige, Vernünftige“ unterstellt wird?“ (vgl. ebd.) Weitere Kritikpunkte, die König und Zedler anbringen sind die unscharfe Begrifflichkeit (z.B. der Bildung), die fehlende Forschungsmethodik und die fehlenden Verfahren zur Überprüfung von Normen auf ihre Legitimation. Im Allgemeinen liefern König und Zedler jedoch ein objektives Bild der Geisteswissenschaftlichen Pädagogik.
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- Citar trabajo
- Isabel Chowanietz (Autor), 2003, Zentrale Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Darstellung von Geisteswissenschaftlicher Pädagogik anhand ausgewählter Einführungsliteratur - Hermeneutik, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/45271
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