Die vorliegende Habilitationsschrift untersucht moderne rehabilitative Aspekte nach einer Kehlkopfentfernung (Laryngektomie). Der Verlust des Kehlkopfes bedeutet für den Patienten einen tiefgreifenden Einschnitt. Durch die Separierung von Speise- und Atemwegen nach Entfernung des als Weiche funktionierenden Kehlkopfes kommt es neben dem Verlust der eigenen Stimme auch zur einer Abkoppelung des nasalen und pharyngealen Segments von den tiefen Atemwegen.
Fortschritte in der Therapie von Larynx- und Hypopharynxkarzinomen, sowohl unter chirurgischen Aspekten wie auch in der Strahlen- und Chemotherapie, haben zu einer Verbesserung der Prognose dieser Erkrankung geführt. Folglich rücken zunehmend rehabilitative Aspekte, die auf eine Verbesserung der Lebenssituation der Patienten abzielen, in den Blickpunkt. In den letzten Jahren hat insbesondere die Stimmrehabilitation, die die soziale Reintegration des Patienten in seine Umgebung ermöglicht, maßgebliche Fortschritte gemacht. Die Verwendung von Stimmprothesen ermöglicht eine schnelle und komplikationsarme Bildung einer Ersatzstimme, die ein flüssiges Sprechen unter Erhalt der individuellen Stimmmerkmale ermöglicht. Die Rehabilitationsquote bei der Verwendung von Stimmprothesen liegt zwischen 80 und 90%.
Insgesamt betrachtet verlangt die Behandlung von bösartigen Erkrankungen im Larynx-/Hypopharynxbereich, die eine Laryngektomie notwendig machen, ein Therapieregime, das neben rein onkologischen Gesichtspunkten auch die komplexe Rehabilitation der Patienten berücksichtigt. Die möglichst primäre Stimmrehabilitation mittels Stimmprothesen, die konsequente Schulung unter Einsatz von automatischen Tracheostomaventilen sowie ein frühzeitiges Erkennen und eine angepasste Therapie von Komplikationen im Bereich der Stimmfistel sind geeignet, bei einem hohen Prozentsatz von Patienten trotz Kehlkopfverlust eine zufriedenstellende gesellschaftliche Rehabilitation zu ermöglichen und ein hohes Maß an Lebensqualität zu erhalten.
Inhaltsverzeichnis
I. Übersicht der in der Habilitationsschrift kumulierten Veröffentlichungen
II. Inhaltsverzeichnis
IV. Abkürzungsverzeichnis
1. Grundlegende Aspekte
1.1. Epidemiologie
1.2. Therapieansätze beim Larynxkarzinom
1.3. Geschichte der Laryngektomie
1.4. Folgen der Laryngektomie für den Patienten
1.4.1. Verlust der Stimme
1.4.2. Verlust der Atemkonditionierung
1.4.3. Verlust des Geruchsinns
1.5. Möglichkeiten der Stimmrehabilitation
1.5.1. Ösophagusstimme (Ruktusstimme)
1.5.2. Elektrische Sprechhilfen
1.5.3. Chirurgische Techniken zur Stimmrehabilitation
1.6. Stellenwert der Stimmrehabilitaton mit Stimmprothesen
1.6.1. Technische Aufbau von Stimmprothesen
1.6.2. Technik des Operationsverfahrens
1.7. Fingerfreies Sprechen nach Stimmrehabilitation mit Stimmprothesen
1.8.Probleme bei der stimmprothetischer Versorgung
1.9. Lebensqualität nach Laryngektomie
1.10. Ziel der Habilitationsschrift
2. Chirurgische Stimmrehabilitation nach Laryngektomie mittels Stimmprothesen – neue Erkenntnisse:
2.1. funktionelle Ergebnisse nach chirurgischer Stimmrehabilitation mit Stimmprothesen
2.2. Stimmfistelkomplikationen und Komplikations-management nach Stimmrehabilitation mit Stimmprothesen
2.2.1. Ventilassozierte Probleme
2.2.2. Fistelassozierte Probleme
2.2.3. Genese der periprothetischen Leckage
2.2.4.Periprothetische Leckage und Radiatio
2.3. Stellenwert des gastroösophagealen Refluxes als Risikofaktor für die Stimmfistelerweiterung
2.4. Therapiemöglichkeiten bei Fistelerweiterung und periprothetischer Leckage
2.4.1. Management der Stimmfistelerweiterung und peri-prothetischen Leckage durch eine medikamentöse Antirefluxtherapie
2.4.2. Chirurgische Therapiemöglichkeiten bei Stimmfistelerweiterung und periprothetischer Leckage
2.5. Sekundäre Punktion bei schwierigen anatomischen Verhältnissen
2.6. Stellenwert von automatischen Tracheostoma-ventilen für die Rehabilitation nach Laryngektomie
2.7. Stellenwert der pulmonalen Rehabilitation nach Laryngektomie
2.8. Aktuelle Entwicklungen auf dem Gebiet der Stimmprothesen
2.9. Lebensqualität und Stimmqualität bei Stimmprothesenträgern
2.10. Lebensqualität und Stimmqualität bei Stimmprothesenträgern unter dem Einfluss eines ösophagealen Refluxes
3. Zusammenfassung
4. Literaturverzeichnis
5. Lebenslauf
6. Danksagung
7. Publikationsverzeichnis
8. Sonderdrucke der Publikationen
III: Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Tabellen:
Tabelle 1: Ursachen einer periprothetischen Leckage
Tabelle 2: Inzidenz der periprothetischen Leckage nach Stimmrehabilitation mit Stimmprothesen
Tabelle 3: Zusammenhang periprothetische Leckage und Radiatio
Tabelle 4: Eigene Erfahrungen in der Therapie der periprothetischen Leckage
Tabelle 5: Konservative Maßnahmen zur Behandlung der periprothetischen Leckage
Tabelle 6: Chirurgische Methoden zur Behandlung erweiterter Stimmfisteln
Tabelle 7: Klimatische Verhältnisse in der Trachea nach Laryngektomie
Abbildungen
Abbildung 1: Anatomie des oberen Aerodigestivtraktes vor und nach Laryngektomie
Abbildung 2: Prinzip der Ösophagusstimme und Elektrolarynx
Abbildung 3: Stimmrehabilitation mittels Sprechkanüle durch Gussenbauer und Billroth
Abbildung 4: Prinzip der Stimmbildung bei Verwendung von Stimmprothesen
Abbildung 5: Aufbau einer Stimmprothese
Abbildung 6: Algorhythmus zur Behandlung der periprothetischen Leckage
IV. Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Moderne Entwicklungen in der Rehabilitation nach kompletter Kehlkopfentfernung
1. Grundlegende Aspekte
1.1. Epidemiologie
Pro Jahr erkranken ca. 135000 Patienten an einem Plattenepithelkarzinom des Larynx. Somit macht diese Tumorentität etwa 2% aller bösartigen Tumore aus [134, 135, 179]. In Deutschland erkranken jährlich etwa 3000 Männer und etwa 400 Frauen an einem Larynxkarzinom. Als Ursachen werden neben dem chronischem Alkohol- und Tabakabusus als Hauptrisikofaktoren Virusinfektionen, Mangelernährung, Umwelteinflüsse, eine berufliche Schadstoffexposition, genetische Prädispositionen sowie ein gastroösophagealer Reflux diskutiert [18, 54, 179, 252]. Das männliche Geschlecht überwiegt mit einem Verhältnis von 5 zu 1. Der Altersgipfel liegt zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr [135, 179].
1.2. Therapieansätze beim Larynxkarzinom
In Abhängigkeit von der Tumorgröße werden Larynxtumore durch eine Strahlentherapie, eine simultane Radio-Chemotherapie oder chirurgische Verfahren behandelt. Bei kleinen Tumoren der Kategorie T1 oder T2 können meist kehlkopferhaltenen Teilresektionen über einen externen Zugang oder endoskopisch unter Verwendung eines CO2-Laser durgeführt werden. Größere Tumoren werden in der Regel durch eine komplette Laryngektomie behandelt. In Deutschland werden ca. 1300-1500 Laryngektomien jährlich durchgeführt. Auf Grund der Fortschritte in der organerhaltenden Radio-Chemotherapie muss dieses Verfahren den Patienten allerdings auch angeboten werden.
1.3. Geschichte der Laryngektomie
Die erste totale Laryngektomie zur Behandlung eines Kehlkopfkarzinoms wurde 1874 durch Theodor Billroth durchgeführt [77]. Wegen der damaligen Operationstechnik mit collarer Ausleitung des Ösophagus und des nicht kompletten Pharynxverschlusses wies dieser Eingriff eine sehr hohe postoperative Morbiditäts- und Mortalitätsrate auf [28]. Die Einführung des kompletten Pharynxverschlusses durch Gluck 1894 konnte die Mortalitätsrate auf deutlich senken und der Anteil an Dauerheilungen signifikant anheben [28, 77]. Dieses Operationsverfahren mit endständiger Ausleitung der Trachea und einem Pharynxverschluss in vertikaler, horizontaler oder T-Naht Technik wird bis heute angewendet.
Bis in die neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts fokussierte sich die Behandlung von Kehlkopftumoren nahezu ausschließlich auf einen kurativen onkologischen Ansatz. Erst in den letzten Jahren hat sich eine ganzheitliche Sichtweise entwickelt. Betraf diese zunächst die Wiederherstellung der Kommunikationsfähigkeit durch eine Stimmrehabilitation findet sie nun auch zunehmend Bedeutung im Bereich der pulmonalen Rehabilitation.
1.4. Folgen der Laryngektomie für den Patienten
Der Verlust des Kehlkopfes bedeutet für den Patienten einen tiefgreifenden Einschnitt. Durch die Separierung von Speise- und Atemwege nach Entfernung des als Weiche funktionierenden Kehlkopfes, kommt es neben dem Verlust der eigenen Stimme auch zur einer Abkoppelung des nasalen und pharyngealen Segments von den tiefen Atemwegen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1 : Anatomie des oberen Aerodigestivtraktes vor und nach Laryngektomie mit kompletter Separierung von Luft- und Speiseweg
1.4.1. Verlust der Stimme
Die mit dem Verlust der Stimme verbundene mögliche soziale Isolation wird von vielen Patienten, die mit der Diagnose eines Larynxkarzinoms und der Option der totalen Laryngektomie konfrontiert werden, als schlimmste vorstellbare Folge einer solchen Operation angegeben. Da die Stimme ein entscheidendes individuelles Merkmal des Menschen ist, wird ihr Verlust auch als partieller Identitätsverlust wahrgenommen.
1.4.2. Verlust der Atemkonditionierung
Aufgrund der kompletten Trennung des oberen und unteren Atemwegs nach einer Laryngektomie kommt es häufig zu einer Beeinträchtigung der Lungenfunktion. Die fehlende Konditionierung der eingeatmeten Luft bedingt eine Irritation der Bronchialschleimhaut, einen vermehrten Hustenreiz, eine exzessive Sputumproduktion und Verkrustungen im Bereich der Trachea [2, 4, 6, 9]. Mittelfristig kommt es zu Veränderungen des Flimmerepithels im Bereich der tiefen Atemwege im Sinne von Metaplasien mit Untergang der Zilien und stark eingeschränkter Transportkapazität [194]. Hierdurch vermindert sich die physischen und psychischen Leistungsfähigkeit [1, 2, 3, 4, 6, 7, 8, 9, 11, 107, 210]. Die betroffenen Patienten beklagen Müdigkeit und Schlafprobleme sowie eine Beeinträchtigung des Geruchs- und Geschmackssinns. Nicht selten berichten die Patienten über eine reaktive depressive Verstimmung mit einer konsekutiven Einschränkung von Sozialkontakten [3, 4, 6, 8, 11, 27, 58, 99, 107].
1.4.3. Verlust des Geruchsinns
Verantwortlich den eingeschränkten Geruchssinn nach einer Laryngektomie ist der fehlende nasale Luftstrom. Die meisten gesunden Menschen riechen „passiv“ über die Nasenatmung oder durch Verwirbelung der Luft im Rachen und Nasenrachenraum bei der Nahrungsaufnahme. Nach einer Laryngektomie ist dies nur mit großen Einschränkungen möglich. Wenige laryngektomierte Menschen können allerdings durch spezielle Schnüffeltechniken Luft an das Riechepithel ventilieren. Ein intakter Geruchssinn ist für die Nahrungsantizipation und Geschmacksbestimmung von entscheidender Bedeutung. Weiterhin besitzt ein intaktes Riechvermögen auch eine Alarmfunktion (Riechen von Gas und Rauch). Insgesamt betrachtet führt ein Verlust des Riechvermögen zu einer zusätzlichen Beeinträchtigung der Lebensqualität, eine olfaktorische Rehabilitation nach Laryngektomie sollte deshalb angestrebt werden [125, 197].
1.5. Möglichkeiten der Stimmrehabilitation
Da für viele Patienten vor allen Dingen der Verlust des stimmbildenden Organs und somit die Einschränkung der Kommunikationsfähigkeit im Vordergrund steht, wurden bereits frühzeitig Techniken zur Stimmrehabilitation entwickelt. Hierbei handelt es sich sowohl um nichtchirurgische, als auch chirurgische Verfahren.
1.5.1. Ösophagusstimme (Ruktusstimme)
H. Gutmann beschrieb 1909 erstmals die Anbahnung der Ösophagusstimme (Ruktusstimme) zur Stimmrehabilitation nach Laryngektomie. Dieses Verfahren entwickelte sich in den darauf folgenden Jahrzehnten zur Standardmethode [28]. Bei diesem Verfahren werden ca. 80ml Luft in den oberen Anteil des Ösophagus eingeschluckt und vom Patienten willkürlich wieder abgelassen. Der Ösophagusmund, aus M. thyropharyngeus und M. cricopharyngeus sowie der deckenden Mukosa (pharyngoösophageales Segment), wird in Schwingungen versetzt und übernimmt die Funktion des Tongenerators (Neoglottis). Ein Grundton mit einer durchschnittlichen Frequenz von 50-64 Hertz kann so erzeugt werden [187].
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2a: Prinzip der Ösophagus(Ruktus)Stimme. Die Phonation erfolgt im pharyngoösophagealen Segment. 2b:Prinzip der Stimmbildung mit Elektrolarynx. Stimmbildung über externe Anregung der Mundbodenmuskulatur
Die Ruktusstimme ermöglicht eine fingerfreie Phonation. Beide Hände bleiben während des Sprechens einsetzbar. Gestikulieren wie auch ein beidhändiges Arbeiten sind möglich. Allerdings ist das Erlernen der Ösophagusstimme zeitaufwendig, mit einer, im Vergleich zu anderen Stimmersatzverfahren, deutlich geringeren Erfolgsquote. Nur ca. 60 % aller laryngektomierten Patienten sind in der Lage sind, die Ruktusstimme zu erlernen, nur 30 % der Betroffenen können gut mit diesem Verfahren kommunizieren [62, 219].
Darüber hinaus ist die Ösophagusstimme in Bezug auf phonatorische Parameter, wie Stimmlage, Stimmumfang und Verständlichkeit, anderen Verfahren, wie zum Beispiel der Prothesenstimme, unterlegen [61, 62, 219, 243].
Das Verfahren, das ohne technische Hilfsmittel durchführbar ist, bleibt jedoch eine Alternative für Patienten, bei denen eine chirurgische Stimmrehabilitation nicht möglich ist. Weiterhin wird das Erlernen der Ösophagusstimme im Sinne eines zusätzlichen Ersatzverfahrens, bei Ausfall der Stimmprothese, allen chirurgisch rehabilitierten Patienten empfohlen.
1.5.2. Elektrische Sprechhilfen
Bei der Verwendung elektrische Sprechhilfen, wie dem Elektrolarynx, wird die Hals- oder Mundbodenmuskulatur über einen externen Vibrator in Schwingungen versetzt. Durch Resonanz- und Engebildung im Artikulationsbereich (Mundhöhle und Rachen) können Phoneme gebildet werden [62]. Allerdings wird bei dieser Methode immer eine Hand für die Stimmbildung benötigt. Die Stimme hat einen blechernen, mechanischen Klang, der wegen der vorgegebenen Frequenz des Vibrators nur sehr eingeschränkt moduliert werden kann.
1.5.3. Chirurgische Techniken zur Stimmrehabilitation
Bereits 1873 entwickelte Karl Gussenbauer, ein Mitarbeiter Theodor Billroths, eine Sprechkanüle für den ersten laryngektomierten Patienten. Ähnliche Konstruktionen wurden durch Foldman 1874 in Großbritannien eingesetzt [28, 77]. Diese Sprechkanülen erforderten jedoch die Anlage einer weiten tracheoösophageale Fistel, die mit einem massiven Aspirationsrisiko und einer deutlich erhöhten Morbidität verbunden war. Folglich wurde diese Form der Stimmrehabilitation relativ schnell wieder verlassen. Bis in die 30iger Jahre des letzten Jahrhunderts erfolgte die Stimmrehabilitation nahezu ausschließlich durch Anbahnung der Ruktusstimme.
In den letzten drei Jahrzehnten haben sich die Techniken der chirurgischen Stimmrehabilitationsmaßnahmen nach Laryngektomie weiterentwickelt. Der Grundgedanke einer ventilartigen Verbindung (Fistel) zwischen Trachea und Speiseröhre ist aber bei allen Verfahren erhalten geblieben.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3 Stimmrehabilitation mittels Sprechkanüle durch Gussenbauer und Billroth 1873
Durch die Nutzung des kompletten Lungenvolumens besteht der entscheidende Vorteil dieses Ersatzmechanismus im Vergleich zur Ruktusstimme darin, dass zur Phonation ca. 3000ml Luft zur Verfügung stehen. Es resultieren längere Phonationszeiten, eine kräftigere Stimme und ein größeres Stimmvolumen. Das Sprechen mittels Stimmfistel ist wesentlich einfacher zu erlernen, die Stimme klingt natürlicher und der Rehabilitationserfolg ist größer [243].
1.5.3.1. Operationstechniken ohne Prothese
Die Verwendung eines tracheoösophagealen Shunts zur Nutzung des Lungenvolumens zur Phonation wurde von Gutmann 1931 wiederbelebt, der über einem Patienten berichtete, der sich selbst eine tracheoösophageale Fistel beigebracht hatte [28]. Gutmann, der dieses Verfahren mittels Diathermie an seinen Patienten durchführte, stellte diese Versuche jedoch wegen der ausgeprägten Aspiration nach wenigen Patienten wieder ein. Die Idee des tracheoösophagealen Shunts wurde in den folgenden Jahren jedoch von vielen HNO-Chirurgen weiter verfolgt und teilweise mit gutem Rehabilitationserfolg umgesetzt.
Die Verfahren nach Staffieri und Asai stellten den Beginn moderner chirurgischer Stimmrehabilitationschirurgie dar [195, 256]. Mit beiden Verfahren ermöglichen ein zufriedenstellendes Stimmergebnis, wegen der erheblichen Aspirationsgefahr haben sie inzwischen jedoch an Bedeutung verloren [195].
Mit dem Verfahren nach Maier und Weidauer [180], einer Weiterentwicklung der Technik nach Asai, wurde 1994 eine Technik eingeführt, die die Aspirationsproblematik weitgehend beseitigt. Mit einem Muskelfaszienlappen des Musculus pectoralis und einem Hypopharynxschleimhautsteifen wird eine Sprechfistel gebildet, die lateral und weit kranial, nämlich unterhalb des unteren Tonsillenpols, mündet und beim Schluckakt komprimiert wird. Diese Technik eignet sich allerdings nur für Larynxtumore, die unter ausreichenden Pharynxschleimhauterhalt reseziert werden können. 1984 beschrieb Ehrenberger eine Methode, bei der ein Jejunalsegment siphonartig, mikrovaskulär zwischen Pharynx, Trachea und Ösophagus transplantiert wird [73]. 1994 veröffentlichten Remmert et al. eine Modifikation dieses Verfahrens zur weiteren Reduzierung des Aspirationsrisikos durch die Augmentation des Jenunumsiphons mit einer Musculus digastricus Schlinge [224]. Hagen et al. publizierten 1990 das Verfahren der Laryngoplastik. Bei dieser Methode wird zur Bildung der Neoepiglottis ein mikrovaskularisierter, mit einen Septumknorpelstück verstärkter, Radialislappen verwendet [96].
Letztendlich konnte sich jedoch keines der rein chirurgischen Stimmshuntverfahren durchsetzen, was in den meist äußerst schwierigen chirurgischen Techniken, den deutlich verlängerten Operationszeiten und dem langfristig, auf Grund von Fistelstenosen, abnehmenden Rehabilitationserfolg begründet war. Ferner wird die Morbidität der Patienten durch die ausgedehnten chirurgischen Eingriffe wesentlich erhöht [261]. Der Einsatz chirurgischer Stimmrehabilitationsverfahren unter Verwendung von Stimmprothesen stellt deshalb eine gute Alternative zu den rein chirurgischen Verfahren dar.
1.5.3.2. Operationstechniken mit Stimmprothese
Die Idee die Aspirationssymptomatik bei Anlage eines tracheoösophagealen Shunts durch einen ventilartigen Platzhalter zu verhindern, wurde durch Mozolewski 1972 wiederentdeckt. Er beschrieb die Verwendung eines Polyvinylröhrchens mit 5 mm Durchmesser, welche mittels einer Polyethylenfolie von 0,007 mm Stärke zu einem simplen Einwegventil gemacht wurde [199]. Von Mozoleswki wurde auch erstmals die Anlage einer Stimmfistel im Rahmen einer Sekundärpunktion mit retrograder Protheseneinlage dargestellt [200]. 1979 entwickelten Singer und Bloom eine Stimmprothese mit einem Duckbill-Ventil und publizierten 1982 die ersten zweijährigen Erfahrungen [39]. Weitere Modifikationen führten dann zur Entwicklung der ersten Verweilstimmprothese.
In Europa begann die Entwicklung von Stimmprothesen Anfang der 80iger Jahre mit der Panje-Prothese, der Groningen-Prothese, der Hermann-Prothese sowie dem Provoxprothesensystem [102, 104, 184, 269, 270].
1.6. Stellenwert der Stimmrehabilitaton mit Stimmprothesen
Die Stimmrehabilitation mit Stimmprothesen konnte sich im angloamerikanischen Raum, ebenso wie in England und den Niederlande schnell durchsetzen. Bereits Mitte der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts wurden in diesen Länder zwischen 70 und 80% der Patienten mit dieser Technik versorgt. In Deutschland waren zu dieser Zeit nur ca. 15% der laryngektomierten Patienten Stimmprothesenträger. Der Großteil der Patienten wurde mittels rein chirurgischer Verfahren und durch Erlernen der Ruktusstimme mit mäßigem Erfolg rehabilitiert [96]. Erst in den letzten zehn Jahren fand auch hier ein Umdenken statt. Inzwischen liegt der Anteil von Stimmprothesenträgern in Deutschland bei ca. 80%.
Der Vorteil dieses Verfahren gründet sich zum einen auf der einfachen und komplikationsarmen Operationstechnik, die die Gesamtoperationsdauer nur minimal verlängert. Zum anderen besticht der schnelle Rehabilitationserfolg, der die erste Phonation bereits wenige Tage nach der Laryngektomie möglich macht. Die Erfolgsquote hinsichtlich einer gut verständlichen Stimme liegt bei 90% [28, 33, 34, 65, 110, 111, 113, 114, 150, 170, 208, 243, 270].
Unabhängig vom Typ der verwendeten Prothese ist die Stimmqualität, der Sprachfluss und die Verständlichkeit bei stimmprothetisch versorgten Patienten besser, als bei den nicht prothetischen Methoden, wie der Ösophagusstimme oder der Verwendung des Elektrolarynx.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4 Prinzip der Stimmbildung bei Verwendung von Stimmprothesen. Phonation im Bereich des pharyngoösophagealen Segments. Verschluss des Tracheostomas digital oder mittels HME-Filter.
1.6.1. Technische Aufbau von Stimmprothesen
Prinzipiell handelt es sich bei Stimmprothesen um Einwegventile aus Silikon, die ausschließlich dem Aspirationsschutz dienen. Die Form ähnelt einem Kragenknopf mit zwei Flanschen und einer verbindenden Röhre, in der sich das Ventilkläppchen befindet.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Aufbau einer Stimmprothese (Provox2 Prothese Firma AtosMedical, Hörby, Schweden)
Die Prothesen sind in unterschiedlichen Durchmessern (16-22,5 French) und Längen (4-12,5 mm) erhältlich, um eine individuelle Anpassung zur gewährleisten. Aufgrund der Materialeigenschaften des Silikons sind Stimmprothesen anfällig für eine Besiedlung mit Candidaspezies. Hierdurch kann es zu Formveränderung, Ventilfehlfunktionen und insgesamt zu einer Begrenzung der Lebensdauer der Prothesen kommen. Hinzu kommt die nutzungsbedingte Materialermüdung. Die Lebensdauer moderner Silikonstimmprothesen liegt bei 3-6 Monaten.
Weltweit haben sich im Wesentlichen zwei Prothesentypen durchgesetzt. Zum einen die Provox®-I- und Provox®–II-Prothese (AtosMedical, Hörby, Schweden) mit einem Außendurchmesser im Schaftbereich von 22,5 French (7,5 mm). Zu anderen wird besonders im englischen und amerikanischen Raum die Blom-Singer®-Prothese (Inhealth Technologies, Cartinteria, CA, USA) mit einem Außendurchmesser von 20 French (6,7 mm), respektive 16 French (5,3 mm) und einem entsprechend geringeren Innendurchmesser verwendet. Der größere Innendurchmesser der Provoxprothese bedingt einen geringeren Luftwiderstand bei der Phonation und damit eine Vereinfachung der Stimmbildung. Die Gründe für die Wahl des einen oder anderen Prothesentyps sind historischen Ursprungs. Während in den Vereinigten Staaten durch Blom und Singer erst 16Fr und später 20Fr Prothesen eingesetzt wurden, setzten die Arbeitsgruppen in Europa von vorne herein 22Fr oder 23Fr Prothesen wegen ihres geringeren Strömungswiderstandes zur Stimmrehabilitation ein [10, 36, 39, 46, 85, 98, 102, 108, 110, 113, 114, 115, 190, 191, 234, 245, 247, 248, 255, 271, 277]. Befürworter größere Prothesendurchmesser argumentieren mit einer einfachere Phonation und einer bessere Stimmqualität [111, 112, 175]. Protagonisten kleinerer Prothesendurchmesser führen das geringere Risiko für eine periprothetische Leckage und Fistelerweiterung an [112, 129, 206, 230].
1.6.2. Technik des Operationsverfahrens
Grundsätzlich zeichnen sich die stimmprothetischen Verfahren durch die Möglichkeit der unkomplizierten, den Patienten wenig belastenden, primären Stimmrehabilitation, d. h. das Einsetzen der Prothese während der Laryngektomie, und die daraus resultierende schnelle Stimmrehabilitation aus. Das Operationsverfahren selbst ist chirurgisch einfach und verlängert die Operationsdauer nur um wenige Minuten. In der Literatur werden inzwischen bei der Verwendung moderner Stimmprothesensysteme Rehabilitationsraten zwischen 85 und 95% berichtet [10, 13, 22, 25, 33, 38, 41, 43, 45, 53, 55, 65, 76, 80, 85, 101, 115, 133, 141, 157, 158, 162, 168, 169, 208, 210, 217, 244, 258, 261, 270, 271, 280].
Neben dieser bevorzugten Art der primären Stimmfistelanlage, kann auch zu einem späteren Zeitpunkt eine sekundäre Anlage erfolgen.
1.6.2.1.Technik der primären Stimmprothesenanlage:
Die primäre Stimmprothesenanlage erfolgt im Rahmen der Laryngektomie. Nach Resektion des Larynx wird zunächst eine anteriore Myotomie des M. cricopharyngeus durchgeführt, um eine muskuläre Hypertonie im pharyngoösophagealen Segment zu vermeiden und die Stimmanbahnung zu erleichtern.
Nach Einführen eines rohrförmigen Pharynxprotektors wird die Punktion des Paries membranaceus ca. 5-10mm unterhalb des Tracheostomaoberrandes mittels eines speziellen Punktionsinstrumentariums durchgeführt. Mit Hilfe eines Führungsdrahtes aus Kunststoff wird die Stimmprothese retrograd in die tracheoösophageale Fistel eingebracht.
1.6.2.2.Technik der sekundären Stimmprothesenanlage:
Über ein starres Ösophaguskopes wird das pharyngo-ösophageale Segment aufgespannt und mittels eines speziellen Punktionsbesteckes die Stimmfistel angelegt. In retrograder Technik kann dann die Stimmprothese eingebracht werden. Aus unterschiedlichen Gründen kann bei einigen Patienten der Neopharynx nicht im Rahmen einer starren Ösophagoskopie eingestellt werden, so dass hier eine Punktion in herkömmlicher Weise nicht möglich ist. Durch spezielle Techniken kann jedoch auch in diesen Fällen eine sichere Stimmprothesenanlage erfolgen [174].
1.7. Fingerfreies Sprechen nach Stimmrehabilitation mit Stimmprothesen
Um die Luft aus der Lunge für die Phonation mit einer Stimmprothese nutzen zu können, muss bei der Ausatmung das Tracheostoma verschlossen werden. Der Verschluss erfolgt in der Regel durch Abdecken des Tracheostomas mit dem Zeigefinger oder Daumen. Der digitale Verschluss eines Tracheostomas bedeutet für viele Patienten eine Stigmatisierung [210]. Im Gegensatz zu anderen prothetischen Maßnahmen, z. B. nach Extremitätenverlust, wird die Behinderung nicht kaschiert, sondern der Patient ist gezwungen, mit dem Finger auf den fehlenden Kehlkopf zu zeigen. Durch die Verwendung automatischer Tracheostomaventile ist ein fingerfreies Sprechen möglich, der Rehabilitationserfolg kann nochmals verbessert werden.
1.8.Probleme bei der stimmprothetischer Versorgung
Schwerwiegende Komplikationen bei der stimmprothetischen Versorgung sind äußerst selten und existieren nur als Einzelfalldarstellungen in der Literatur. Beschrieben werden Tetraplegien im Rahmen der Stimmprothesenanlage, ausgeprägte lokale Infektionen, Prothesenaspirationen, perforationsassoziierte Mediastinitis, Ösophagusstrikturen und Darmverschlüsse nach Ingestion von Stimmprothesen [15, 26, 30, 120, 142, 156, 182, 206, 208, 216, 232, 234]. Geringfügige Komplikationen wie Verborkungen des Shuntventils, eine Candidabesiedlung sowie die Ausbildung von Granulationsgewebe und die transprothetische bzw. periprothetische Leckage werden im Rahmen der Nachsorge hingegen häufiger beobachtet. Während Probleme, wie eine Verborkung der Prothese, Pilzbesiedelung sowie transprothetische Leckagen relativ einfach durch einen Prothesenwechsel behandelt werden können, werden bei der periprothetischen Leckage sowie der übermäßigen Erweiterung der Stimmfistel größere Ansprüche an die Erfahrung des Arztes gestellt [65, 79, 84, 85, 89, 95, 113, 119, 150, 152, 154, 169, 172, 181, 206, 208, 234, 244, 270, 271]. Insbesondere die periprothetische Leckage mit der Aspiration von Speichel und Nahrungsbestandteilen stellt eine erhebliche Einschränkung der Lebensqualität der betroffenen Patienten dar. Eine geringgradige Fistelerweiterung kann im Laufe der Zeit bei ca. 25–30% aller mit einer Stimmprothese rehabilitierten Patienten beobachtet werden. Eine massive Fistelerweiterung, die eine orale Ernährung unmöglich macht, findet sich lediglich bei 5-8 % der Patienten [65, 79, 84, 85, 89, 95, 113, 119, 150, 152, 154, 167, 169, 172, 181, 206, 208, 234, 244, 270, 271].
Prinzipiell können zwei Typen der Fistelerweiterung unterschieden werden. Bei der dilatativ-atrophe Fistel liegt eine Atrophie des gesamten Paries membranaceus mit Muskulatur, Bindegewebe und Schleimhaut vor. Diese Form der Fistelerweiterung tritt häufig erst nach Jahren auf. Bemerkenswerte ist hierbei die nur geringe Tendenz dieser Fistel zur Schrumpfung und die schwere Therapierbarkeit.
Im Gegensatz dazu steht der infiziert-nekrotischen Typ, bei dem es durch lokale Infektion, Drucknekrosen bei zu kurzer Prothese oder wegen einer mechanischen Reizung durch die Prothese zu einer Schwellung des Gewebes im Bereich der Stimmfistel kommt. Eine lokale Minderperfusion im Bereich der Prothesenflansche führt letztendlich zu einer Nekrose der Schleimhaut. Die Fistelerweiterungen aufgrund des infiziert-nekrotischen Typs zeigen häufig große Durchmesser, sie sind aber unter antiinflammatorischer und antibiotischer Behandlung gut therapierbar [150].
Die Ursachen für Stimmfistelerweiterungen sind bis dato nicht vollständig geklärt. Diskutiert wird ein Zusammenhang mit einer Strahlentherapie, mechanischen Reizungen, internistischen Begleiterkrankungen, einer Refluxerkrankung sowie dem Zeitpunkt der Stimmfistelanlage [15, 32, 74, 130, 152, 169, 172, 206, 230, 275],
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1 mögliche Ursache für die Ausbildung einer periprothetischen Leckage oder Stimmfistelerweiterung
1.9. Lebensqualität nach Laryngektomie
Die Weiterentwicklungen im Bereich der Stimmrehabilitation, der pulmonalen Rehabilitation sowie in Techniken zur Verbesserung der Geruchswahrnehmung nach Laryngektomie bedeuten letztendlich eine Zunahme der posttherapeutischen Lebensqualität. Um die Qualität dieser Maßnahmen zu prüfen und vergleichbar zu machen sind Instrumente zur Erfassung der Lebensqualität notwendig. Standardisierte Frageninventare erlauben es, die mit dem Organverlust verbundenen Funktionseinbußen zu klassifizieren und die Effektivität rehabilitativer Maßnahmen zu evaluieren. Dies gilt besonders unter dem Aspekt des zunehmenden Einsatzes einer kombinierten Radio-/Chemotherapie als organerhaltenden Therapie, die die Notwendigkeit der totaler Laryngektomie zur Diskussion stellt [207].
1.10. Ziel der Habilitationsschrift
Ziel der vorliegenden Habilitationsschrift ist ein zusammenfassender Überblick zur den aktuellen Möglichkeiten der Rehabilitation nach Laryngektomie. Neben den Verfahren der Stimmrehabilitation wird ebenso die pulmonale Rehabilitation als relativ neues Verfahren beleuchtet. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Ursachenforschung und Therapie von Komplikationen, die mit der Stimmrehabilitation korreliert sind. Der Einfluss einer suffizienten Stimmrehabilitation sowie eines dezidierten Komplikationsmanagements auf die Lebensqualität laryngektomierter Patienten ist ein weiterer Schwerpunkt dieser Arbeit.
2. Chirurgische Stimmrehabilitation nach Laryngektomie mittels Stimmprothesen – neue Erkenntnisse:
Neben der onkologischen Kontrolle hat die Stimmrehabilitation in den letzten 20 Jahren eine wesentliche Bedeutung in der chirurgischen Therapie von Larynx- und Hypopharynx-Karzinomen gewonnen. Derzeit gilt die Stimmrehabilitation mittels Stimmprothesen als Gold-Standard in der Rehabilitation nach totaler Laryngektomie. Unabhängig von Typ der verwendeten Stimmprothese sind die Stimmqualität, der Sprachfluss sowie die Verständlichkeit nach stimmprothetischer Versorgung besser im Vergleich zu anderen Verfahren, wie der Ösophagusstimme oder der Verwendung des Elektrolarynx [60, 62].
Neben der Stimmrehabilitation, die einen wesentlichen Anteil an der sozialen Reintegration durch die Wiederherstellung der Kommunikationsfähigkeit hat, rückt zunehmend auch die pulmonale Rehabilitation in das Interesse des onkologisch tätigen HNO-Arztes. Die komplette Separierung des oberen Atemtraktes vom tracheobronchialen System hat in Folge der fehlenden Konditionierung der Atemluft vielfältige negative Auswirkungen auf die Lungenphysiologie und letztendlich auch auf die gesamte physische wie auch psychische Situation der Patienten. Die Verwendung von Heat-Moisture-Exchangern (Wärme-Flüssigkeits-Tauscher, „künstliche Nasen“) verspricht deutliche Verbesserungen auch in diesem Aspekt der Rehabilitation nach Laryngektomie [1, 3, 5, 6].
Um den Rehabilitationserfolg frühzeitig einzuleiten erfolgt die stimmprothetische Versorgung wenn möglich bereits im Rahmen der Laryngektomie, die pulmonale Rehabilitation sollte ebenfalls unmittelbar nach der Operation begonnen werden.
2.1. funktionelle Ergebnisse nach chirurgischer Stimmrehabilitation mit Stimmprothesen
(Lorenz KJ, Groll K, Ackerstaff A, Hilgers F, Maier H (2007) Hands-free speech after surgical voice rehabilitation with a Provox® voice prosthesis- Experience with the Provox FreeHands HME tracheostoma valve® system. Eur Arch Otolaryngol 264: 151-157
Tisch M, Lorenz KJ, Störrle E, Maier H: (2003) Lebensqualität laryngektomierter Patienten nach chirurgischer Stimmrehabilitation Erfahrungen mit der Provox Prothese. HNO 51; 467-472)
Die Wiederherstellung der Kommunikationsfähigkeit ist ein wichtiger Aspekt in der Rehabilitation laryngektomierter Patienten. Hierbei ist weniger die Stimmqualität per se als vielmehr die Verständlichkeit der Stimme von wesentlicher Bedeutung. Den gut rehabilitierten Kehlkopflosen zeichnet die problemlose verbale Verständigung mit fremden Personen aus. Zur Überprüfung dieser Fähigkeit bei stimmprothetisch versorgten Patienten wurde im eigenen Patientengut der Post-Laryngektomie-Telefon-Test (PLTT) eingesetzt, der ein zuverlässiges und valides Instrument zur Messung der Sprachverständlichkeit darstellt [62, 283]. 30 eigene Patienten wurden mittels dieses Tests untersucht. Hierbei zeigte sich bei 19 Patienten (63,3 %) eine Verständlichkeit von 100%, d.h. alle vom Patienten gesprochenen Sätze wurden vom Zuhörer am Telefon verstanden. Nur bei sechs Patienten (20%) betrug der Verständlichkeitsverlust mehr als 50%. Hinsichtlich der Dynamikumfangs (DUL) sowie des Frequenzumfangs (FUL) zeigte sich bei den mit Provoxstimmprothesen versorgten Patienten eine Einschränkung dieser Parameter mit einem Dynamikumfang von 7,28dB versus 12dB, und einem von Frequenzumfang von 14,6 Halbtönen versus 23,8 Halbtönen [261].
Andere Arbeitsgruppen berichten mit Erfolgsquoten zwischen 81% und 95% über ähnlich gute Verständlichkeitsergebnisse bei der Verwendung von Stimmprothesen [10, 13, 22, 25, 33, 38, 41, 43, 45, 53, 55, 65, 76, 80, 85, 101, 115, 133, 141, 157, 158, 162, 208, 210, 217, 244, 258, 261, 270, 271, 280].
Diese Ergebnisse untermauern die Bedeutung der chirurgischen Stimmrehabilitation mittels Stimmprothese im Vergleich zu konventionellen Verfahren wie Ösophagusstimme und Sprechhilfen. Der Stellenwert dieses Verfahrens wird auch durch die Tatsache unterstrichen, dass bei stimmprothetisch versorgten Patienten innerhalb des ersten halben Jahres postoperativ in 70–80% der Fälle eine verbale Verständigung möglich war. Bei Anbahnung der Ösophagusstimme gelang lediglich bei 26% der Patienten eine Wiederherstellung der verbalen Kommunikationsfähigkeit [261].
Die Ergebnisse der Stimmfelduntersuchung am eigenen Patientengut korrelieren im Wesentlichen mit der, über das Fragebogeninventar erhobenen, Eigen- und Fremdeinschätzungen der Patienten zu ihrer Stimmqualität. Die Einschränkung des Dynamikumfangs wie auch des Frequenzumfangs spiegelt sich in der Aussage wieder, dass die Stimmprothesenpatienten über eine mäßig eingeschränkte Fähigkeit zur Modulation und zum Ausdruck von Emotionen klagen.
Neben der Einschätzung der Verständlichkeit durch Dritte anhand des Telefontests ist für den Erfolg der Stimmrehabilitation die subjektive Einschätzung der Stimmqualität von besonderer Bedeutung.
Eine für die Patienten zufriedenstellende verbale Kommunikationsfähigkeit wurde innerhalb von 12 Wochen postoperativ erreicht. Vergleicht man dazu die Ergebnisse bei Anbahnung der Ösophagusstimme, zeigt sich, dass hier nur 26% der Patienten innerhalb von 6 Monaten zur verbalen Kommunikation in der Lage waren.
Durch eine logopädische Therapie, kann der Rehabilitationserfolg nochmals deutlich verbessert werden. Alle im Rahmen des Interviews erfassten Patienten erhielten eine logopädische Therapie, die allerdings erst im Rahmen der Anschlussheilbehandlung erfolgte. Fast 95% der Patienten gaben an, dass diese logopädische Therapie notwendig ist, um mit der Stimmprothese sprechen zu können. Bei 75% der Patienten konnte durch die logopädische Betreuung eine deutliche Verbesserung der Artikulation erreicht werden. Aktuelle Beobachtungen an eigenen Patienten zeigen, dass durch eine frühzeitige, d.h. noch während der ersten postoperativen Woche beginnende, logopädische Therapie der Erwerb der verbalen Kommunikationsfähigkeit innerhalb der ersten 14 Tage nach der Kehlkopfentfernung erreicht werden kann.
2.2. Stimmfistelkomplikationen und Komplikations-management nach Stimmrehabilitation mit Stimmprothesen
(Lorenz KJ, Maier H (2009) Chirurgische Therapie von Stimmshunt-Komplikationen unter besonderer Berücksichtigung eines supraösophagealen Refluxgeschehens - Fallbericht und Literaturübersicht -. HNO 57:1317-1324)
Wie jedes operative Verfahren ist auch die stimmprothetische Versorgung nicht frei von Komplikationen. Voraussetzung für einen erfolgreichen Einsatz dieser Rehabilitationstechnik ist deshalb die Kenntnis möglicher Probleme und der erforderlichen Maßnahmen für das Komplikationsmanagement. Schwere peri- und postoperative Komplikationen sind äußerst selten [15, 30, 86, 120, 142, 172, 182, 183, 206, 210, 232, 241]. Geringfügige Komplikationen wie Verborkungen des Shuntventils, eine Candidabesiedlung oder die Ausbildung von Granulationsgewebe sowie die transprothetische bzw. milden periprothetische Leckage werden häufiger beobachtet [32, 40, 45, 59, 86, 95, 110, 114, 150, 154, 169, 172, 181, 184, 206, 208, 244, 257, 271]. Vor allem periprothetische Leckage, insbesondere bei einer übermäßigen Erweiterung der tracheoösophagealen Fistel, erfordert ein individuelles und allgorhythmisch abgestuftes Therapiekonzept.
2.2.1. Ventilassozierte Probleme
Unter ventilassoziierten Problemen werden Funktionsstörungen der Stimmventile mit resultierender transprothetischer Leckage aufgrund einer Fehlfunktion der Ventilklappe verstanden. Die häufigste Ursache ist eine Candida-Besiedelung des Silikonmaterials, die in unterschiedlichem Ausmaß bei allen Stimmprothesen zu beobachten ist und durch Formveränderungen der Prothese zu einer transprothetischen Leckage führt [122, 151, 161, 205]. Eine unzureichende Pflege, die letztendlich zu Borkenbildungen im Bereich des Shunts und damit Blockierung des Ventilkäppchens führt, kann ebenfalls eine transprothetische Leckage verursachen. Letztendlich weist jede Stimmprothese eine begrenzte Lebensdauer auf, da es im Rahmen der Phonation zu Materialbelastungen und letztendlich zu Materialermüdungen kommt, die die Haltbarkeit der Prothesen insgesamt begrenzen. Die Lebensdauer von Stimmprothesen wird in der Literatur mit 90 bis 250 Tagen angegeben, der Durchschnittswert bei Provoxprothesen® muss bei ca. 140 Tagen angesetzt werden [10, 32, 33, 38, 40, 59, 110, 112, 115, 119, 129, 150, 154, 155, 172, 175, 181, 208, 244, 271, 280].
2.2.2. Fistelassozierte Probleme
Fistelassoziierte Probleme betreffen nicht die Stimmprothese als solche, sondern die chirurgisch zwischen Ösophagus und Trachea angelegte Stimmfistel. Zu den fistelassoziierten Problemen gehören Granulationen oder überschiessende Narbenbildungen, die zu einer Protrusion und Dislokation der Prothese führen können [65, 182]. Die Gewebereaktion kann dabei so ausgeprägt sein, dass es zu einem taschenartigen Überwuchern des Prothesenflansches mit erschwerter Phonation kommt. Die Therapie besteht in der laserchirurgischen oder hochfrequenzchirurgischen Abtragung der Granulationen bzw. Narben. Bei geringeren Ausprägungen ist auch die lokale Touchierungsbehandlung mit Silbernitrat oder ähnlichen Substanzen möglich [32, 244]. Eine Taschenbildung kann auch durch die Verwendung einer längeren Prothese behandelt werden, die das Granulationsgewebe überbrückt und damit eine Phonation ermöglicht.
Das für den Patienten unangenehmste fistelassoziierte Problem ist die Erweiterung der tracheoösophagealen Stimmfistel. Die periprothetische Leckage behindert nicht nur die ungestörte Nahrungsaufnahme, auf dem Boden einer dauerhaften Aspiration sind auch schwere bronchopulmonale Infekte möglich.
2.2.3. Genese der periprothetischen Leckage
Bis dato sind die der periprothetischen Leckage und insbesondere der Fistelerweiterung zugrunde liegenden Ursachen nicht völlig geklärt. Diskutiert werden im Wesentlichen lokale Entzündungsreaktionen im Bereich der Fistel sowie eine Atrophie des perifistulären Gewebes als Spätfolge einer prä- oder postoperativen Strahlentherapie. Weiterhin werden Mikrobewegungen der Prothese, Traumatisierung im Bereich der Fistel beim Prothesenwechsel oder ein pathologischer gastroösophagealer Reflux als Ursachen angenommen [15, 22, 23, 32, 34, 40, 41, 71, 72, 74, 129, 130, 131, 152, 153, 154, 167, 168, 172, 182, 206, 208, 212, 276]. Einigen Autoren vermuten, dass mit zunehmendem Prothesendurchmesser das Risiko für eine pathologische Fistelerweiterung zunimmt. [32, 65, 129, 150, 230, 244]. Eine 2010 durchgeführte Metaanalyse der Publikationen zu diesem Thema konnte jedoch keine signifikante Korrelation zwischen dem Stimmprothesendurchmesser und der Inzidenz von Stimmfistelerweiterungen nachweisen [127].
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2: Literaturübersicht zur periprothetischen Leckage nach stimmprothetischer Rehabilitation. Abkürzungen: k.A. (keine Angabe), Fr (French 1/3 mm), präop. (präoperativ), postop. (postoperativ)
Die Inzidenz der periprothetischen Leckage wird in der Literatur mit 25–45% angegeben [14, 15, 32, 65, 119, 167, 168, 172, 230].
Eine massive Fistelerweiterung mit einem Durchmesser von mehr als 12–15 mm findet sich lediglich bei 5–8% aller stimmprothetisch versorgten Patienten. Im eigenen Patientenkollektiv fanden sich bei 29 von 60 Patienten (48%) periprothetische Leckagen unterschiedlichen Schweregrades [167, 168, 169, 172]. Sieben Patienten zeigten eine periprothetische Leckage mit einem Fisteldurchmesser von mehr als 15 mm, 22 weitere Patienten wiesen eine Leckage geringeren Ausmaßes (9–15mm) auf, die teilweise mehrfach mittels Augmentation durch Siloxan®, Tabaksbeutelnaht, Schrumpfungsversuche oder Übernähung therapiert wurde [165, 172].
[...]
- Arbeit zitieren
- Kai Lorenz (Autor:in), 2011, Moderne Aspekte der Rehabilitation nach totaler Kehlkopfentfernung (Laryngektomie), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/452708
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