Der Weimarer Schulkompromiss 1920 verhinderte das von den Reformpädagogen erhoffte Einheitsschulwesen: Das Zentrum bestand auf Bekenntnisschulen, während die SPD bekenntnislose Schulen forderte. Das Ergebnis war ein Nebeneinander von Gemeinschafts-, Bekenntnis- und weltlichen Schulen. Die für alle Kinder gemeinsame Grundschule wurde zwar beschlossen, aber auf 4 Jahre begrenzt. Da Artikel 174 besagte, dass bis zum Erlass eines Reichsgesetzes die bestehende Rechtslage in Kraft bleibe, blieb die Schul- und Unterrichtsorganisation in den meisten Fällen so wie sie im Kaiserreich gewesen war.
Die Ausnahme bildeten die von Reformpädagogen ins Leben gerufenen Versuchsschulen. Ihre Grundsätze waren Koedukation, Verzicht auf Prügelstrafe und die Einführung von Gesamtunterricht und ganzheitliche m Lernen. Versuchsschulen waren nicht an Lehrpläne gebunden, durften ihr Kollegium frei wählen und durften auch Schüler, die außerhalb ihres Bezirks wohnten, aufnehmen. Die Eingliederung in das bestehende Schulsystem war nicht einfach und nur durch eine gewisse Anpassung möglich. Das Beispiel der Lichtwarkschule zeigt jedoch, dass die Anpassung nicht zum Nachteil für das Schulleben und die Schüler sein musste. Gerade in einer Großstadt ist es wichtig, dass sich alle Schulen zumindest grob einem System anpassen um Schulwechsel nicht unmöglich zu machen, aber auch, damit die Schüler untereinander zu Recht kommen und sich im späteren Berufsleben keine aus der Schulbildung resultierenden Probleme ergeben.
Nachfolgend soll die Organisation des Unterrichts an der Lichtwarkschule genauer untersucht werden, besonders im Hinblick auf die Anpassung und Einpassung der Lichtwarkschule in das hamburgische Schulsystem. Als Quelle dient dazu ein 1929 publizierter Aufsatz von Heinrich Landahl, dem Schulleiter der Lichtwarkschule.
Inhaltsverzeichnis:
1. Einleitung
2. Die Lichtwarkschule in Hamburg
3. Die Organisation des Unterrichts (Heinrich Landahl)
4. Der geglückte Versuch zwischen Anpassung und Reform
Quellen- und Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Der Weimarer Schulkompromiss 1920 verhinderte das von den Reformpädagogen erhoffte Einheitsschulwesen: Das Zentrum bestand auf Bekenntnisschulen, während die SPD bekenntnislose Schulen forderte. Das Ergebnis war ein Nebeneinander von Gemeinschafts-, Bekenntnis- und weltlichen Schulen.[1] Die für alle Kinder gemeinsame Grundschule wurde zwar beschlossen, aber auf 4 Jahre begrenzt. Da Artikel 174 besagte, dass bis zum Erlass eines Reichsgesetzes die bestehende Rechtslage in Kraft bleibe, blieb die Schul- und Unterrichtsorganisation in den meisten Fällen so wie sie im Kaiserreich gewesen war.[2]
Die Ausnahme bildeten die von Reformpädagogen ins Leben gerufenen Versuchsschulen. Ihre Grundsätze waren Koedukation, Verzicht auf Prügelstrafe und die Einführung von Gesamtunterricht und ganzheitlichem Lernen. Versuchsschulen waren nicht an Lehrpläne gebunden, durften ihr Kollegium frei wählen und durften auch Schüler, die außerhalb ihres Bezirks wohnten, aufnehmen.[3] Die Eingliederung in das bestehende Schulsystem war nicht einfach und nur durch eine gewisse Anpassung möglich. Das Beispiel der Lichtwarkschule zeigt jedoch, dass die Anpassung nicht zum Nachteil für das Schulleben und die Schüler sein musste. Gerade in einer Großstadt ist es wichtig, dass sich alle Schulen zumindest grob einem System anpassen um Schulwechsel nicht unmöglich zu machen, aber auch, damit die Schüler untereinander zu Recht kommen und sich im späteren Berufsleben keine aus der Schulbildung resultierenden Probleme ergeben.
Nachfolgend soll die Organisation des Unterrichts an der Lichtwarkschule genauer untersucht werden, besonders im Hinblick auf die Anpassung und Einpassung der Lichtwarkschule in das hamburgische Schulsystem. Als Quelle dient dazu ein 1929 publizierter Aufsatz von Heinrich Landahl, dem Schulleiter der Lichtwarkschule.
2. Die Lichtwarkschule in Hamburg
Die Lichtwarkschule wurde 1920/21 gegründet. Sie war die einzige Versuchsschule des höheren Schulwesens in Hamburg, auch landesweit gab es nur sehr wenige ihrer Art.[4] Hervorgegangen aus der Realschule Winterhude (1914 gegründet), war die Lichtwarkschule zunächst eine Jungenschule, deren relativ junges Kollegium zusammen mit der Elternschaft beschloss eine Versuchsschule zu gründen. Den Namen ‚Lichtwarkschule’ erhielt die Schule auf Antrag des Lehrkörpers am 02.02.1921. Alfred Lichtwark (1852-1914), der ehemalige Direktor der Kunsthalle, war Initiator der Kunsterziehungsbewegung und ein Kritiker einer einseitig auf den Intellekt fixierten schulischen Erziehung gewesen.[5] Da die Schule bis 1925 kein eigenes Gebäude hatte, musste der Unterricht in anderen Schulen, darunter auch in Baracken im Hinterhof des Johanneums stattfinden, die von Schülern und Lehrern künstlerisch dekoriert wurden. Georg Jäger, der damalige Schulleiter, war sogar der Meinung, dass die kleinen, flachen Baracken für die Schüler als Ort des Lernens viel geeigneter seien als die großen, schönen Schulgebäude, die mit ihren dicken Mauern mehr an Klöster erinnerten.[6]
Als 1925 das neue Gebäude am Stadtpark bezogen wurde, waren auch die räumlichen Bedingungen für den kunsterzieherischen und arbeitsunterrichtlichen Schwerpunkt der Schule gegeben.[7] Durch den Sparzwang konnten keine reformpädagogischen Ideen am Bau selber verwirklicht werden, sodass das Gebäude sich nicht wesentlich von anderen Schulen unterscheidet. Das besondere pädagogische Profil der Lichtwarkschule und ihre Einzigartigkeit im höheren Schulwesen lockten dennoch Schüler und seit dem Umzug auch zu fast gleich hohem Anteil Schülerinnen aus dem gesamten Stadtgebiet.[8]
3. Die Organisation des Unterrichts (Heinrich Landahl)
Die vorliegende Quelle Die Organisation des Unterrichts ist ein Aufsatz aus dem Buch Die Lichtwarkschule in Hamburg: Beiträge zur Grundlegung und Berichte 1928. Es ist 1929 in Hamburg erschienen und in der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg ausleihbar. Die Quelle ist vollständig, in Deutsch geschrieben und in lateinischer Schrift gedruckt. Das Lesen dieser Quelle fällt sehr leicht, weil der Text in einer gut verständlichen Sprache mit kurzen Sätzen und einfachem Wortschatz verfasst ist. Der Aufsatz dient der Beschreibung, daher werden keine besonderen rhetorischen Stilmittel verwandt.
Der Verfasser des Textes ist Heinrich Landahl, er war von 1927-1933 Schulleiter der Lichtwarkschule. Landahl wurde am 25.01.1895 als Sohn eines Volksschullehrers in Altona geboren. Nach dem Abitur 1913 studierte er in München höheres Lehramt, wurde 1914 als Kriegsfreiwilliger eingezogen, wurde jedoch verwundet und setzte schon 1916 sein Studium in Leipzig fort um dort 1919 das Staatsexamen abzulegen. Landahl war hochschulpolitisch sehr aktiv in einer der Deutschen Demokratischen Partei nahe stehenden Studentengruppe, seit Dezember 1918 war er Mitglied der Deutschen Demokratischen Partei (ab 1930 Deutsche Staatspartei) und von 1924-1933 Mitglied der Hamburger Bürgerschaft.[9]
Die Organisation des Unterrichts ist 1928 entstanden und wurde gleichsam als Rückblick, als Beschreibung der derzeitigen Situation und als weiteres Ziel der Lichtwarkschule verfasst. Der Text richtet er sich an die gesamte Öffentlichkeit. Da die Diskussion um die Reformpädagogik in den zwanziger Jahren besonders aktuell war, war er zu der Zeit wahrscheinlich von größerem Interesse für die Allgemeinheit als es heute der Fall ist. Aus dem Aufbau des Textes und seiner Sprache lässt sich schließen, dass Heinrich Landahl bewusst die Allgemeinheit ansprechen wollte und nicht nur Menschen, die über eine höhere Bildung verfügen. Landahl erläutert die vielen Unterschiede der Lichtwarkschule zu den Regelschulen, aber auch die nötigen Anpassungen. Er beginnt mit dem Äußeren und erklärt zunächst der Notwendigkeit der Eingliederung in das bestehende Schulsystem, damit nicht „eine durch Andersartigkeit und Fremdheit abgeschlossene Inselschule“[10] geschaffen werde. Nachfolgend beschreibt er die Entwicklung der Lichtwarkschule von ihrer Konzeption als Deutsches Gymnasium mit Kursen und Arbeitsgemeinschaften bis zu ihrer Ausführung als Deutsche Oberschule mit der gemeinsamen Arbeitsstunde in den ganzen Klassen. Eine eingefügte Stundentafel zeigt die Stundenzahl der kulturkundlichen, naturkundlichen und künstlerischen Fächer. Landahl geht auf die hohe Anzahl der Wochenstunden ein und erklärt, dass diese sich aus dem neuen Konzept für den Turnunterricht ergäben. Die sechs Wochenstunden Turnunterricht ersetzten das Pausenturnen und den Spielenachmittag, die durch Zeitverluste beim Umziehen im Fall des Ersteren und lange Schulwege im Fall des Zweiten, unpraktikabel waren. Die Einführung der Doppelstunde von jeweils 85 Minuten war eine wichtige Neuerung, da der seltenere Fachwechsel bei der selbsttätigen Arbeit der Schüler von großem Vorteil war. Von den Doppelstunden profitierte besonders die Kulturkunde, die sich aus den Fächern Deutsch, Geschichte und Religion zusammensetzte. Sie war mit zehn Wochenstunden das wichtigste Fach an der Lichtwarkschule. Der gesamte kulturkundliche Unterricht wurde von einem Lehrer abgehalten um die Einheit des Faches zu verdeutlichen. Der Naturkunde widmet Landahl nur einen kurzen Absatz, da sie im Konzept der Lichtwarkschule einen geringen Stellenwert hatte. Er schreibt jedoch weiter: „Diesen Dualismus, in dem die Kulturkunde durchaus der stärkere und bestimmende Teil ist, wollen wir versuchen zu überwinden oder mindestens einzuschränken versuchen.“[11] Zum Schluss geht Landahl auf den fremdsprachlichen Unterricht ein, der aus obligatorischem Englisch und wahlweise Latein oder Französisch bestand. Englisch war kulturkundlich geprägt: Die Sprache wurde durch die direkte, imitative Methode vermittelt. Französisch und Latein musste angeboten werden um die Anerkennung des Abiturs im gesamten Reich zu sichern. Die geringe Anzahl der Wochenstunden für diese Sprachen machte den kulturkundlichen Ansatz unmöglich. Landahl schließt jedoch nicht aus, dass auch das systematische Erlernen der Grammatik und der Vokabeln einer Sprache auch zur positiven Entwicklung einiger Schüler beitragen könne.
[...]
[1] Herrmann, Ulrich (Hg.): „Neue Erziehung“ – „Neue Menschen“. Ansätze zur Erziehungs- und Bildungsreform in Deutschland zwischen Kaiserreich und Diktatur, Weinheim, Basel 1987, S. 20.
[2] http://www.dhm.de/lemo/html/dokumente/verfassung/index.html, 22.7.2004.
[3] Lehberger, Reiner: „Schule als Lebensstätte der Jugend“. Die Hamburger Versuchs- und Gemeinschaftsschulen in der Weimarer Republik, in: Amlung, Ullrich et al. (Hg.): „Die alte Schule überwinden“. Reformpädagogische Versuchsschulen zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus, Bd. 15, Frankfurt am Main 1993, S. 35.
[4] Schmitt, Hanno: Topografie der Reformschulen in der Weimarer Republik. Perspektiven ihrer Erforschung, in: Amlung, Ullrich et al. (Hg.): „Die alte Schule überwinden“. Reformpädagogische Versuchsschulen zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus, Bd. 15, Frankfurt am Main 1993, S. 18.
[5] Lehberger, Reiner: Die Lichtwarkschule in Hamburg. Hamburg 1996, S. 5.
[6] Wendt, Joachim: Die Lichtwarkschule in Hamburg (1921-1937). Eine Stätte der Reform des höheren Schulwesens. Hamburg 2000, S. 71.
[7] Ebda., S. 88.
[8] Lehberger, 1996, S. 9.
[9] Wendt, S. 215-216.
[10] Landahl, Heinrich: Die Organisation des Unterrichts, in: Die Lichtwarkschule in Hamburg. Beiträge zur Grundlegung und Berichte 1928, Hamburg 1929, S. 17.
[11] Ebda., S. 21.
- Citation du texte
- Kirsten Nath (Auteur), 2004, Zwischen Anpassung und Reform. Die Schulorganisation der Lichtwarkschule in Hamburg (1921-1937), Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/45268
-
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X.