Ich werde mich in dieser Facharbeit mit dem Einfluss der Migration auf die deutsche Sprache beschäftigen, wobei ich zuerst die Merkmale der türkischen Sprache beleuchte, bevor die Veränderungen in der deutschen Umgangssprache ins Zentrum der Arbeit rücken.
Die deutsche Sprache befindet sich seit Jahren im Wandel und vor allem in der gesprochenen Sprache lassen sich bedeutende Veränderungen feststellen. Insbesondere die englische Sprache übt einen großen Einfluss auf das neue Deutsch aus, jedoch gewinnen die Migrantensprachen wie Türkisch, Russisch und Arabisch immer mehr an Bedeutung für die Alltagssprache. Während sich das Gesprochene immer mehr vom Hochdeutschen entfernt, sind die neuen Sprachmischungen, wie zum Beispiel Türkisch-Deutsch, eine wichtige Quelle für sprachliche Veränderung und insbesondere Simplifizierung.
Das Ziel dieser Arbeit ist es, eine Erklärung für diese Entwicklung darzulegen. Dabei werden die linguistischen Aspekte der türkischen Sprache genauer betrachtet, um dort eine Quelle der Veränderung auszumachen. Meiner Meinung nach ist die Veränderung der Alltagssprache allgegenwärtig. Es ist für mich spürbar, wie grammatische Strukturen an Bedeutung verlieren und im Zuge von Simplifizierung abgebaut werden. Aus diesem Grund möchte ich die Quellen dieses Trends erkunden. Ein wichtiger Aspekt wird dabei der Einfluss der Migrantensprachen sein.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Vorbemerkungen
3 Einführung in die Migrationslinguistik
3.1 Die Rolle der türkischen Sprache in Deutschland
4 Einführung in die Strukturen der türkischen Sprache
4.1 Türkisch: Der agglutinierende Sprachtyp
4.2 Die Kasus
4.3 Präpositionen und Personalpronomen
4.4 Satzbau und Wortschatz
4.5 Die Steigerung
5 Beispiele und Erklärungen für Veränderungen
6 Migrantensprachen als Ursache des Wandels
6.1 Realitätsabgleich
6.2 Relativierungen
7 Fazit und Bewertung
8 Literaturangaben
1 Einleitung
Ich werde mich in der folgenden Facharbeit mit dem Einfluss der Migration auf die deutsche Sprache beschäftigen, wobei ich zuerst die Merkmale der türkischen Sprache beleuchte, bevor die Veränderungen in der deutschen Umgangssprache ins Zentrum der Arbeit rücken.
Die deutsche Sprache befindet sich seit Jahren im Wandel und vor allem in der gesprochenen Sprache lassen sich bedeutende Veränderungen feststellen. Insbesondere die englische Sprache übt einen großen Einfluss auf das neue Deutsch aus, jedoch gewinnen die Migrantensprachen wie Türkisch, Russisch und Arabisch immer mehr an Bedeutung für die Alltagssprache. Während sich das Gesprochene immer mehr vom Hochdeutschen entfernt, sind die neuen Sprachmischungen, wie zum Beispiel Türkisch-Deutsch, eine wichtige Quelle für sprachliche Veränderung und insbesondere Simplifizierung. Denn bereits 2010 gaben 84 % der Deutschen an, dass sie deutliche Veränderungen ihrer Sprache feststellen. Ein Drittel führte diese Veränderungen auf die Präsenz der Migrantensprachen zurück.1
Das Ziel dieser Arbeit ist es, eine Erklärung für diese Entwicklung darzulegen. Dabei werden die linguistischen Aspekte der türkischen Sprache genauer betrachtet, um dort eine Quelle der Veränderung auszumachen. Meiner Meinung nach ist die Veränderung der Alltagssprache allgegenwärtig. Es ist für mich spürbar, wie grammatische Strukturen an Bedeutung verlieren und im Zuge von Simplifizierung abgebaut werden. Aus diesem Grund möchte ich die Quellen dieses Trends erkunden. Ein wichtiger Aspekt wird dabei der Einfluss der Migrantensprachen sein, da die Linguistik aber ein immens großes und komplexes wissenschaftliches Feld abdeckt, werde ich mich konkret auf den Einfluss des Türkischen beschränken.
2 Vorbemerkungen
Zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Arbeit ist der Einfluss der Migration auf die deutsche Sprache nicht ausreichend erforscht, um empirische belegbare Schlussfolgerungen zu treffen. Der Linguist Volker Hinnenkamp beschreibt die Situation so: „Die Sprachwissenschaft im deutschsprachigen Raum hat bisher nur wenige der gegenwärtigen migrationsspezifischen Sprachkontakt-konstellationen des Deutschen dokumentiert und analysiert“.2
Eine Korrelation zwischen Politik, Mehrsprachigkeit und sprachlicher Veränderung konnte noch nicht hinreichend belegt werden, denn es gibt noch keine aufschlussreichen Daten zum Einfluss der Migrantensprachen. Es gibt auch keine einschlägigen Studien, die die sprachlichen Interferenzen, d. h. die direkten Übernahmen aus dem Türkischen, etc. wirklich eingehend analysieren.3 Deswegen ist es zurzeit auch nicht möglich, einen möglichen Entwicklungstrend der deutschen Sprache schlüssig zu beweisen, genauso wenig, wie es stichfeste statistische Daten zu den gleich beschriebenen Fällen gibt. Es kann auch nicht exakt ausgemacht werden, was das „durchschnittliche“ Migrantendeutsch ist, und ob dies die gesprochene Standardsprache von Deutschen ohne Migrationshintergrund verändert.
Die Erkenntnisse basieren aus diesen Gründen auf Indizien, die sich auf vielfältiger Beobachtung des gesprochenen Deutsch von Linguisten und Migrationsforschern stützen. Das hat zur Folge, dass die hauptsächliche Methode der Arbeit das Analysieren von wissenschaftlichen Texten ist. Am Schluss dieser Arbeit vergleiche ich zudem noch meine Alltagserfahrung mit den Erkenntnissen der Wissenschaft, um ein Fazit zu formulieren.
3 Einführung in die Migrationslinguistik
Die Migrationslinguistik untersucht unter anderem den Sprachwandel und möglichen Sprachverlust von L14 in einem Migrationskontext. Dies entsteht durch die Dominanz von L2 gegenüber L1. Sprecher der dominanten Sprache sind in der Regel nicht in der Lage, die dominierte Sprache zu verstehen oder zu sprechen, sodass in interkulturellen Kommunikationen L2 gesprochen wird. Durch den Wandel der soziokulturellen Orientierung von Migranten und der damit größer werdenden Bedeutung von L2, unterzieht sich L1 durch fehlende Praxis automatisch einem Wandel, der in den folgenden Resultaten enden kann.5
3.1 Die Rolle der türkischen Sprache in Deutschland
Die wichtigsten sozialen Gruppen der türkischen Gemeinde in Deutschland haben sich nach und nach aus der Gastarbeitergeneration der 1960er und -70er Jahre entwickelt. Die Ethnolekte6, die diese Gruppen sprechen, wären ohne die Zweisprachigkeit ihrer Eltern nicht möglich gewesen. Das Türkische nimmt in Deutschland die Oberhand über die Migrantensprachen und ist die Nummer Eins in Sachen Einfluss auf Pidginsprachen7, wie damals das Gastarbeiterdeutsch oder heute das „Kiezdeutsch“. Dabei haben sich unterschiedliche Sozial-gruppierungen herauskristallisiert, die einen unterschiedlichen Umgang mit der türkischen Sprache aufweisen. Die gut integrierte Mittelschicht, die perfekt zweisprachig und sozial unauffällig ist, wird dementsprechend nur wenig Einfluss auf neue Sprachmuster haben. So sind es viel mehr die „Ghettotürken“, die in Parallelgesellschaften mit ihrer Bildungsferne für Veränderung sorgen.
4 Einführung in die Strukturen der türkischen Sprache
Türkisch ist die Migrantensprache mit dem größten Sprecheranteil in Deutschland und besitzt eine Dominanz gegenüber anderen ausländischen Sprachen. In den Mustern der Muttersprache der Migranten steckt der Grund für die Sprachvarietäten der mehrsprachigen Sprecher. Das ist der Grund, weswegen man sich zuerst die Strukturen des, in diesem Fall, Türkischen ansehen muss, um zu verstehen, wie die Sprachveränderungen im Deutschen zustande kommen.
4.1 Türkisch: Der agglutinierende Sprachtyp
Die türkische Sprache zeichnet sich dadurch aus, dass die grammatischen Bedeutungen nacheinander an die Wortwurzel „angeklebt“ (von lateinisch agglutinare – ankleben) werden. Jede agglutinierte Silbe hat dabei nur eine einzige bestimmte Bedeutung, was der Grund dafür ist, dass ein Wort einen immensen Umfang (größer als im Deutschen) annehmen kann. Daher ist festzustellen, dass die Bedeutung der türkischen Wörter direkt optisch dargestellt wird und ein Wort so einen ganzen deutschen Satz ersetzen kann.
Ein Beispiel: evlerimizde - In unseren Häusern ev-ler-imiz-de - Haus-Plural-unser-in
Es gibt so gesehen nur einen Anzeiger für eine grammatische Kategorie: z. B. -ler für Plural oder -de für den Ort. Dass eine Kategorie möglichst sparsam ausgedrückt wird, nennt man das „kreolische Prinzip“ und kommt auch im Neudeutschen mit dem frequenten Abbau der Grammatik zum Ausdruck.8
Agglutinierende Sprachen besitzen häufig eine Vokalharmonie, sprich ähnliche Vokale in den Silben, weil dies das Verständnis langer Wörter vereinfacht. Weiterhin ist dieser Sprachtyp durch die Distanz zu typisch europäischen Merkmalen, wie Artikeln, grammatischen Geschlechtern und Nebensätzen mit Konjunktionen gekennzeichnet.
4.2 Die Kasus
Wie auch im Deutschen gibt es im Türkischen vier bedeutsame Fälle.9 Die Kasus werden im Türkischen durch das Hinzufügen einer Silbe am Ende eines Wortes angezeigt. Jedoch fallen die Kasus in der türkischen Sprache deswegen psychologisch und akustisch nicht ins gleiche Gewicht wie im Deutschen. Außerdem bringt das Türkische eine äußerst effektive Methode hervor, neue Wörter zu bilden, die den Kasus vollständig umgehen. So können zwei Substantive ohne Zwischenverbindung nebeneinander gestellt werden und durch einsilbige Endungen zu einer Bedeutungseinheit verbunden werden. Aus ceza - Strafe und kanun - Gesetzbuch wird ceza kanunu - Strafgesetzbuch. Die Deklination nach Kasus wird umgangen. Das alles hat ein deutlich geringeres Kasusbewusstsein zur Folge, wozu auch die fehlenden Artikel beitragen.
4.3 Präpositionen und Personalpronomen
Es gibt im Türkischen keine Präpositionen und folglich auch mit Sicherheit kein Gefühl für Präpositionen, wie sie in den flektierenden Sprachen10 vorkommen. Im Gegenzug besitzt das Türkische dafür Postpositionen, also nachgestellte Wörter, und das gilt für einfache wie für komplexe Ausdrücke. Da Türkisch zu den Sprachen gehört, die das Personalpronomen weglassen können, wenn es Subjekt ist, gilt dort ähnliches wie bei den Präpositionen. Das Subjekt versteht sich von selbst und wird ohnehin hinten am Verb angehängt, sodass ein Personalpronomen überflüssig wird. In einigen Fällen muss man das Personalpronomen fast gezwungenermaßen auslassen, um die Bedeutung nicht zu verfälschen.
4.4 Satzbau und Wortschatz
Die Satzstellung ist im Türkischen, anders als im Deutschen, nicht Subjekt – Verb – Objekt, sondern Subjekt – Objekt – Verb. Der größte Unterschied kommt jedoch ans Licht, wenn es um das Verb sein geht, denn die Formulierung mit sein kann im Türkischen ganz verschwinden und fällt generell auch weniger ins Gewicht. Der Grund dafür ist, erstens, das Anhängen der entsprechenden Silbe an das Wortende. Daraus folgt eine im Schriftbild und in der Akustik geringe Präsenz, da die Wortbedeutung intuitiv mitverstanden wird. Und zweitens, das Auslassen von sein in Mini-Sätzen wie: „Ali burada_“ – „Ali _ hier“ = „Ali ist hier“.11 Auch in der schriftlichen Standardsprache ist dies mittlerweile vollkommen zulässig. Der Wortschatz ist weitestgehend unterschiedlich und hat nur wenige gegenseitige Abstammungen. So sind nur 158 Wörter aus dem Türkischen ins Deutsche übernommen worden, erstaunlich wenig in 50 Jahren.12
4.5 Die Steigerung
Im Türkischen erfolgt die Steigerung der Adjektive ausschließlich über „mehr“. Aus „schön“ – güzel wird „schöner“ – daha güzel. Auch im Englischen und vielen anderen Migrantensprachen besteht diese Variante, weswegen diese Form der Steigerung vermehrt wahrgenommen werden kann.
[...]
1 Vgl. A.-K. Gärtig/A. Plewnia/A. Rothe, Wie Menschen über Sprache denken, 195, 207
2 V. Hinnenkamp, Sprachgrenzen überspringen, 9
3 U. Hinrichs, Multi Kulti Deutsch, 13
4 L1: Muttersprache; L2: Durch Immigration oder Bildung erlernte Zweitsprache
5 W. Stölting-Richert, Migration und Sprache, 1570
6 Sprachliche Variation von Sprechern in einer ethnischen Minderheit
7 Funktionale Mischung aus mehreren Sprachen mit schlichter Grammatik
8 U. Hinrichs, Multi Kulti Deutsch, 62, 71
9 Streng genommen sechs, jedoch sind zwei nicht von Bedeutung für die Alltagssprache
10 Eine Sprache, die grammatische Funktionen durch Erweiterung der Wortstämme ausdrückt
11 U. Hinrichs, Multi Kulti Deutsch, 77
12 K.-H. Best, Turzismen im Deutschen, 56-63
- Quote paper
- Domenic Hartmann (Author), 2018, Türkisch-Deutsch. Wie Migration die deutsche Sprache verändert, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/452244
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