Was motiviert Ehrenamtliche im Sport? Sind sie eher intrinsisch, extrinsisch oder altruistisch motiviert? Gibt es Zusammenhänge zwischen Motivation und Alter, Tätigkeit, Sportart? Welchen Einfluss haben geleistete und benötigte Unterstützung auf die Motivation von Ehrenamtlichen? Ist es entscheidend wodurch man seine Tätigkeit begonnen hat?
Das vorliegende Werk versucht aus einer Befragung von Ehrenamtlichen Erkenntnisse zu gewinnen und Eigenheiten sowie Zusammenhänge zu bisherigen Studien herzuleiten.
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Ehrenamt
2.1 Definition
2.2 Grenzen des Ehrenamts
2.3 Ehrenamt im Sport
2.3.1 Wertschöpfung durch Ehrenamt im Sport
3 Motivation zum Ehrenamt
3.1 Kosten-Nutzen Theorie
3.2 Rational-Choice-Theorie
3.3 Weitere Studien
4 Festlegung der Kriterien zur Befragung
5 Befragung der Ehrenamtlichen in den Vereinen
5.1 Allgemeine Auswertung
5.2 Auswertung im Hinblick auf das Alter
5.3 Auswertung nach Position
5.4 Auswertung im Hinblick auf den Anstoß.
5.5 Auswertung im Hinblick auf die Sportart
5.6 Auswertung im Hinblick auf die Vereinszugehörigkeit
5.7 Auswertung im Hinblick auf die gewünschte Unterstützung
5.8 Zusammenfassung der Ergebnisse
6 Vergleich zu den Ergebnissen bisheriger Studien
7 Was können die Vereine hinsichtlich Bindung und Gewinnung tun?
7.1 Beide Vereine
7.2 BTHV
7.3 HTC
8 Fazit
Literaturverzeichnis
Internetquellen
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Ausprägungsformen Ehrenamtlichen Engagements
Abb. 2: Altes versus neues Ehrenamt
Abb. 3: Operationalisierung der Motive für ehrenamtliches Engagement
Abb. 4: Fremdzugewiesene Motive ehrenamtlichen Engagements
Abb. 5: Anstoß zur Aufnahme der Tätigkeit nach Altersgruppen
Abb. 6: Zustimmung zu Motivdimensionen der einzelnen Altersgruppen
Abb. 7: Anstoß für das Ehrenamt je nach Position
Abb. 8: Zustimmung zu den Motivdimensionen je nach Position
Abb. 9: Zustimmung zu den Motivdimensionen aufgrund der Richtung des Anstosses
Abb. 10: Zustimmung zu den Motivdimensionen je nach Sportart
Abb. 11: Gewünschte Unterstützung je nach Sportart
Abb. 12: Vereinszugehörigkeit nach Geschlecht, Alter und Sportart
Abb. 13: Vereinszugehörigkeit
Abb. 14: Anstoß zum Ehrenamt nach Vereinszugehörigkeit
Abb. 15: Zustimmung zu den Motivdimensionen nach Vereinszugehörigkeit
Abb. 16: Unterstützung der Ehrenamtlichen durch die Vereine
Abb. 17: Gewünschte Unterstützung durch die Vereine
Abb. 18: Zustimmung zu Motivdimensionen aufgrund empfundener Unterstützung
1 Einleitung
Das Ziel dieser Arbeit ist es, die unterschiedlichen Motivationsansätze zu beleuchten, die zur Ausübung einer ehrenamtlichen Tätigkeit im Hockey und Tennis führen. Konkret soll dies anhand der Bonner Sportvereine BTHV und HTC Schwarz-Weiß erfolgen.
Es stellt sich neben den Gründen und Motivationen, die zur Übernahme eines Ehrenamts führen, für die Vereine die Frage, wie sie weitere ehrenamtlich Tätige für ihren Verein gewinnen und an ihn binden können. Da jedoch jene Gründe und Motivationen individuell stark variieren können, ist es notwendig, die Ehrenamtlichen anhand ihres Alters, ihrer Position und ihrer Sportart zu betrachten.
Zu Beginn soll hierzu der Begriff Ehrenamt definiert werden, ehe eine Abgrenzung des Begriffs zum Ehrenamt im Sport vorgenommen werden soll. Auch sollen allgemeine Aspekte wie der aktuelle Stand der ehrenamtlichen Situation im Sport in Deutschland, die Wertschöpfung durch ehrenamtliches Engagement und die ehrenamtliche Situation in beiden Sportvereinen kurz dargestellt werden.
Anschließend werden unterschiedliche wissenschaftliche Modelle zur Motivation ein Ehrenamt zu übernehmen und der weitere Stand der Forschung hierzu vorgestellt.
Im nächsten Kapitel werden die zu untersuchenden Kriterien der Befragung festgelegt. Die Befragung der Ehrenamtlichen beider Vereine zu ihrer Motivation soll dann auf die vorher bestimmten Kriterien hin ausgewertet werden und einen Abgleich zur tatsächlichen Situation liefern. Daraus soll ein klares Bild entstehen, was die Ehrenamtlichen in diesen Vereinen antreibt, ihre Tätigkeit auszuüben. Diskrepanzen zwischen Ehrenamtlichen in den Bereichen Hockey und Tennis, einzelnen Positionen, dem Alter, der Richtung des Anstoßes, der empfangenen Unterstützung und hinsichtlich der Vereinszugehörigkeit sollen festgestellt werden.
Diese Diskrepanzen können verschiedene Aspekte aufzeigen, die Erkenntnisse liefern, um Ehrenamtliche für die Vereine zu gewinnen und zu binden.
Ebenfalls soll die Befragung Aufschlüsse über die Zufriedenheit der ehrenamtlich Tätigen mit der Vereinsarbeit hinsichtlich vorhandener Unterstützung geben, damit hier etwaige Problemfelder für die Übernahme eines Ehrenamts ersichtlich werden.
Soweit möglich, sollen dann die potentiellen Ergebnisse mit bisherigen Studien verglichen werden.
Schließlich soll dann den Vereinen Hilfestellung gegeben werden, was sie hinsichtlich der Bindung und Gewinnung von Ehrenamtlichen innerhalb ihres Vereins verbessern können und vor allem wie sie ihre Vereinsarbeit rund um das Thema Ehrenamt verbessern können.
2 Ehrenamt
2.1 Definition
Zur Annäherung an eine Definition des Begriffs „Ehrenamt“ stellt sich die Frage, was Ehrenamt eigentlich ausmacht. Hierzu lassen sich sowohl aus der Definition von Heinemann/Schubert (1992) zu „Freiwilligenarbeit“ als auch aus der Definition von Buchholz (2006) wesentliche Charakteristika festhalten:
So heben Heinemann/Schubert die Merkmale „freiwillig, unentgeltlich, Erstellung von Leistungen und für und in Organisationen“ hervor.1
Buchholz benutzt ebenfalls die Begriffe „freiwillig, unentgeltlich und in einem organisatorischen Rahmen“, ergänzt jedoch die Merkmale „für andere und kontinuierlich“.2
Unter „freiwillig“ verstehen die Autoren eine Mitarbeit ohne physischen, rechtlichen und ökonomischen Zwang.
Zum Merkmal „unentgeltlich“ lässt sich nach Dierkes (1989) ergänzen, dass Ehrenamt eben nicht bezahlte, wie es auch die oben Genannten meinen, Berufsausübung ist.3
Für und in Organisationen bzw. in einem organisatorischen Rahmen bedeutet, dass die Freiwilligenarbeit sich auf die Ziele und Zwecke dieser Vereinigung bezieht und jene Vereinigung keine informelle Gruppe ist.
Nach Heinemann/Schubert (1992) ist die „Erstellung von Leistungen“ eine Wertschöpfung die außerhalb des Marktes stattfindet und aufgrund ihres Nutzens wertvoll ist.4
Mit dem Merkmal „für andere“ betont Buchholz (2006) den Unterschied zu individueller oder spontaner Hilfeleistung, die alltäglich vollzogen wird.5
Zuletzt soll das Ehrenamt möglichst „kontinuierlich“ und eben nicht einmalig oder kurzfristig sein.
Steuerrechtlich findet sich jedoch zum Begriff Ehrenamt eine Regelung, welche die nebenberuflichen ehrenamtlichen Tätigkeiten festlegt. Dies bemisst sich nach der Höhe der Aufwandsentschädigungen, die innerhalb der Tätigkeit geleistet werden. So dürfen diese den jährlichen Betrag von 2400 Euro nicht überschreiten, denn diese Pauschale gilt als steuerfrei.6
Wenn die Bezahlung ein wichtiges Kriterium für den Lebensunterhalt darstellt, sieht Wadsack (2017) eine zu starke Annäherung an eine berufliche Tätigkeit, weshalb es für ihn sinnvoller ist „Ehrenamt als Wahlamt, freiwillige Mitarbeit für alle anderen unentgeltlichen Aktivitäten und die berufliche Mitarbeit zu unterscheiden“.7
2.2 Grenzen des Ehrenamts
Da im Alltagsgebrauch häufig mehrere Begriffe wie bürgerschaftliches und zivilgesellschaftliches Engagement oder „alle Formen der Freiwilligenarbeit subsumiert werden“8 oder als synonym9 betrachtet werden, empfiehlt es sich für den (sport-)wissenschaftlichen Sprachgebrauch, den Differenzierungen von Heinemann/ Schubert (1992) zu folgen, welche die Ausprägungsformen des Ehrenamts nach vierKriterien differenzieren:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Ausprägungsformen Ehrenamtlichen Engagements10
Der Grad der Institutionalisierung unterscheidet zwischen formaler und informeller Freiwilligenarbeit. Dabei ist unter formaler Freiwilligenarbeit eine feste Position innerhalb einer Institution gemeint, an die eine Aufgabenübertragung gebunden sein kann. Meist erfolgt die Übernahme von formaler Freiwilligenarbeit durch Wahlen. Hingegen ist unter informeller Freiwilligenarbeit eine Form der unbezahlten Mithilfe und Unterstützung zu verstehen, welche sowohl von Mitgliedern als auch von Dritten ausgeübt werden kann.11
Im Grad der Leistungserstellung wird zwischen kollektiver und individueller Leistungserstellung unterschieden, da Leistungen individuell oder durch das Zusammenwirken von mehreren Vereinsmitgliedern, also im Kollektiv, erbracht werden können.12
Ein weiterer wesentlicher Differenzierungsgrad ist der Verpflichtungscharakter des Ehrenamts. So sind verschiedene Mitgliedschaftspflichten (z.B. Pflege der Clubanlage) innerhalb eines Vereins möglich, die man leisten muss. Diese stehen einer (freiwilligen) aktiven Mitarbeit gegenüber.13
Zuletzt wird zwischen der „Art der institutionellen Einbindung“ differenziert, damit in der Leistung eines Mitglieds und eines Nicht-Mitglieds unterschieden werden kann.14
Hierdurch lässt sich der Umfang der Unterstützung, welche innerhalb eines Vereins in vielfältigen Ausprägungen geleistet wird, beurteilen.15
2.3 Ehrenamt im Sport
Die in 2.1. dargelegten Definitionen, nach denen das Ehrenamt aus mehreren Kriterien besteht, kann nicht immer auf die ehrenamtlich Tätigen im Sport angewandt werden, da nicht immer alle Kriterien gleichzeitig zutreffen.
Denn wie schon Braun (2011) in seiner sportbezogenen Auswertung der Freiwilligensurveys anmerkte, hat sich ein Wandel des Ehrenamts vollzogen.16
Die alten und neuen Aspekte stellt er in einer Tabelle gegenüber:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Altes versus neues Ehrenamt17
Diese Tabelle verdeutlicht, dass besonders die Kriterien für andere und kontinuierlich nicht immer zutreffen. Dies wird auch im Hinblick auf die Auswertung der Befragung im späteren Teil dieser Arbeit relevant werden.
Der DOSB betrachtet Ehrenamt als „formale Legitimation einer Funktion oder eines Amtes“18, welche durch Wahl erfolgen kann. Dies meist dann, wenn es sich um eine sportpolitische Funktion in Verband oder Verein handelt. Natürlich zählen auch alle ausführenden Tätigkeiten wie Übungsleiter, Betreuer, Schiedsrichter oder Platzwart hierzu.
Im Sport erhalten insbesondere ehrenamtliche Trainer und Übungsleiter Aufwandsentschädigungen, deren Höhe sich nach der jeweiligen Vereinbarung richtet, wobei §3 EStG eine diesbezügliche Regelung hinsichtlich der Frage der Steuerfreiheit trifft. Jedoch erhalten Trainer mit einer Lizenz meistens Beträge oberhalb der Grenze für Aufwandsentschädigungen, sodass ihre Tätigkeit einen Minijob oder Nebenerwerb darstellt. Dennoch fallen diese Trainer unter ehrenamtlich Tätige, da sie, verglichen dazu, wenn sie ihren Stundenaufwand für eine andere Tätigkeit oder in einem anderen Minijob nutzen würden, keine marktübliche Bezahlung erhalten.19
Gerade der Spitzensport weist hier jedoch lukrativere Ehrenämter aus. So ist das Amt des DFB-Präsidenten gemäß Satzung zwar ein Ehrenamt, aber der DFB zahlt seinem Vorsitzenden dennoch eine monatliche Aufwandsentschädigung von 7200 Euro. 20
2.3.1 Wertschöpfung durch Ehrenamt im Sport
Aktuell engagieren sich etwa 1,7 Millionen Menschen im Sport ehrenamtlich. Hiervon sind 1,2 Mio. männlich und 0,5 Mio. weiblich. Verglichen zu Ehrenamtlichen außerhalb des Sports zeigt sich, dass sich Menschen jeder Altersgruppe engagieren. Dabei werden Positionen mit einer hohen vereinspolitischen Verantwortung jedoch eher von älteren Menschen (50 Jahre und älter) und Positionen in der Ausführungsebene eher von jüngeren Menschen (bis 45 Jahre) besetzt.21
Im Durchschnitt leistet ein Ehrenamtlicher 13,4 Stunden pro Woche, was einer jährlichen bundesweiten Wertschöpfung von 4,1 Mrd. Euro entspricht.22 Hierbei sind noch nicht die zahlreichen Helfer bei Events einkalkuliert.
Für Vereine ist die Bindung und Gewinnung ehrenamtlicher Helfer ein zentrales Problemfeld, besonders Vorstands- und Leitungsfunktionen sind immer schwieriger zu besetzen. Zudem wird dieses Problem als existenzbedrohlich gewertet.23
Generell stellt das ehrenamtliche Engagement innerhalb eines Sportvereins sicher, dass bspw. der Mitgliedsbeitrag nicht erhöht werden muss, da Kosten für zu besetzende Personen durch Hauptamtliche entfallen.24
3 Motivation zum Ehrenamt
Warum engagieren sich zahlreiche Menschen ehrenamtlich, wo doch besonders die Faktoren Zeit und Geld für viele eine Rolle spielen? Um sich dieser Frage zu nähern, sollte man sich zunächst kurz fragen, was Motivation überhaupt bedeutet.
So ist „Motivation […] eine momentane Gerichtetheit auf ein Handlungsziel, eine Motivationstendenz, zu deren Erklärung man die Faktoren weder nur auf Seiten der Situation oder der Person, sondern auf beiden Seiten heranziehen muss.“25 Dazu wird zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation unterschieden. Mit ersterer ist die Motivation aus der Tätigkeit selbst gemeint.26 Darunter fallen sowohl Erwartungen als auch Erlebnisse. Unter extrinsischer Motivation versteht man Motivation, die durch Anreize von außen entsteht.27
Bezogen auf das Ehrenamt hat sich anhand der letzten Freiwilligensurveys gezeigt, dass eher intrinsische Motive wie „Spaß haben“ gegenüber extrinsischen Motiven wie „beruflich vorankommen“ und „Dazuverdienen“ dominieren.28 Bezogen auf die Sportbranche zeigt sich dies auch anhand der Ergebnisse der sportbezogenen Sonderauswertung der Freiwilligensurveys, wo die intrinsische Erwartung, dass die Tätigkeit Spaß macht, immer am höchsten bewertet wurde.29
Darüber hinaus wurde in der Sportbranche vielfach untersucht, was Menschen dazu antreibt, sich ehrenamtlich zu engagieren. Im Folgenden sollen nun verschiedene Modelle und Theorien dazu vorgestellt werden, um der Frage nachzugehen, warum sich Menschen im Sport ehrenamtlich betätigen.
3.1 Kosten-Nutzen Theorie
Die Bereitschaft ein Ehrenamt zu übernehmen, lässt sich zunächst auf den homo oeconomicus zurückführen, wodurch mittels kooperativen Handelns eigene Interessen und Vorteile erzielt werden können.30 Hierbei gründen sich die Interessen und Vorteile auf materielle und ideelle Gegenleistungen.31
Nach Heinemann (1988) lassen sich drei Nutzenüberlegungen für ehrenamtliches Engagement anstellen:32 Die erste ist eine Form des Altruismus, womit eine persönliche Befriedigung gemeint ist, weil die Person anderen Menschen bzw. dem Verein hilft. Dadurch, dass sich das Wohl Anderer erhöht, kann wiederum der Einzelne sowohl sein Wohl als auch den Nutzen aus dem Ertrag seiner Tätigkeit steigern. Dazu wird weiter ausgeführt, dass eine altruistische Motivation auch mit der Distanz zwischen Spender und Empfänger zusammenhängt. In kleineren Gruppen kann nach diesen Überlegungen eine größere Bereitschaft vorliegen, „da der Beitrag zum Erfolg kalkulierbarer und sichtbarer ist.“33 Die zweite Nutzenkomponente bezieht sich auf das „psychische Einkommen“34, womit also nicht der Nutzen aus Wirkungen gemeint ist, sondern der Nutzen aus der Tätigkeit selbst. Der Sinn kann sich in drei Arten unterteilen: Einerseits mittels einer subkulturellen Einbindung, die bspw. in einem Vorstand entsteht, aufgrund gemeinsamer Werthaltungen. Andererseits durch Gewinnung von Anerkennung, Prestige, Achtung und Dankbarkeit von Vereinsmitgliedern. Zuletzt kann die Tätigkeit als sinnvoll erachtet werden, wenn eine persönliche Zufriedenheit erreicht wird. Hierbei kann auch eine Rolle spielen, ob die Erreichung von bestimmten Zielen als sinnvoll erachtet wird.
Zur zweiten Nutzenkomponente wird angemerkt, dass der Sinn des Ehrenamts dann entsteht, wenn die Tätigkeit als Kompensation von Unzufriedenheit in Beruf oder Familie ausgeübt werden soll.35
Wurde in der ersten Nutzenkomponente noch von Altruismus gesprochen, handelt es sich bei der dritten um Egoismus, da sich hier mit der Frage nach der Erwartung einer Gegenleistung für den Spender vom Leistungsempfänger beschäftigt wird. Als Gegenleistungen sind hier Mitwirkung und Durchsetzung eigener Interessen möglich, „aber auch materielle Vorteile oder der Aufbau von Geschäftsbeziehungen bzw. politischen Verbindungen“36.
Diesen dargestellten Überlegungen stehen Kosten gegenüber. Zum einen können Opportunitätskosten entstehen, was bedeutet, dass durch das Ehrenamt keine Zeit mehr für andere Dinge wie Freizeit, Familie oder Beruf bleibt. Zum anderen führt der Umstand, dass eigene Vorstellungen erst durch Abstimmungen „durchgesetzt und dann in ihrer Durchführung kontrolliert werden müssen“37, dazu, dass Entscheidungs-, Durchsetzungs- und Kontrollkosten entstehen können. Dies kann häufig problematisch sein, da die Kosten auf dem Weg eigene Vorstellungen durchzusetzen hoch werden können und das Risiko besteht, enttäuscht zu werden, wodurch psychologische Kosten entstehen.
Relativierend wird bezüglich dieser Theorie angeführt, dass damit nicht individuelles Verhalten erklärt werden kann, „da die jeweilige konkrete Ausgestaltung der Motivstruktur empirisch zu ermitteln“ sei.38
Hinsichtlich der Motivation lässt sich das Argument anführen: „Engagement lohnt sich wegen der Gewinnung von Lebenssinn und Befriedigung“39.
Abschließend formuliert Heinemann die These, dass der Einzelne sich ehrenamtlich engagiert, wenn der erwartete Nutzen die Kosten übersteigt, wobei jedoch die Kalkulation im Vorhinein erschwert ist und nur durch eine genaue Tätigkeitsbeschreibung erleichtert werden kann, damit der Einzelne eine rationale Entscheidung für ein Engagement trifft.40
3.2 Rational-Choice-Theorie
Erste Rational-Choice-Modelle, die die Entscheidung zur Übernahme eines ehrenamtlichen Engagements in einem Sportverein erklären sollen, stammen von Flatau (2009) und Emrich, Pitsch, Flatau (2010).41
Bei dieser Theorie wählen Menschen aus mehreren Handlungsoptionen, nach Abwägung der entstehenden Kosten und des Nutzens, eine rational aus.42 Bezogen auf das ehrenamtliche Engagement werden dem Menschen egoistische Präferenzen unterstellt.43 Dieser Ansatz soll zeigen, „dass sich Nutzenorientierung und ehrenamtliches Engagement nicht ausschließen, es der gängigen, zum Teil impliziten Altruismusannahme mithin nicht bedarf.“44 Denn Auszeichnungen, die im Rahmen des ehrenamtlichen Engagements verliehen werden könnten, stellen einen extrinsischen Anreiz da.45
Bei Emrich et al. (2010) wird der subjektiv zu erwartende Nutzen, welcher „die durch das Engagement generierten sozialen Kontakte und die positive Aufmerksamkeit durch andere Vereinsmitglieder sowie ggf. auch Vereinsexterne“46 berücksichtigt, den Kosten gegenübergestellt. Die hier entstehenden SEU-Modelle47 beziehen also sogenannte weiche bzw. „emotionale Aspekte der Entscheidung für die Übernahme eines Ehrenamts“48 ein. Dies zeigt Flatau (2009) anhand zweier Modelle, welche Werke von Nagel (2006) und Esser (2001) erweitern. Im ersten Modell werden die bisherige Dauer der Mitgliedschaft und der Vergemeinschaftungscharakter des Vereins, also der „Grad der Freundschaftlichkeit bzw. Familiarität der Sozialbeziehungen unter den Vereinsmitgliedern“49, neben sozialer Anerkennung und Klubgutnutzung berücksichtigt. Das zweite Modell beschäftigt sich mit der Vereinsperspektive und untersucht die Gründe für die Rekrutierung einer bestimmten Person. „Hierbei ist der Erwartungsnutzen des Vereins eine Funktion aus dem unter anderem auch von seiner Vereinssozialisation abhängigen Humankapital und dem erwarteten Zeiteinsatz des Kandidaten im Ehrenamt.“50
In der Folge haben empirische Analysen in Sportvereinen die Prüfbarkeit dieser Ansätze gezeigt. So konnte festgestellt werden, dass „altruistische und intrinsisch-egoistische Motive deutlich stärkere Zustimmung erfuhren, als extrinsisch-egoistische Motive, seien letztere nun materiell oder immateriell“51. Dies könnte mit „der höheren sozialen Erwünschtheit altruistischer Motive, welche indirekt die Hypothese des Nutzens aus Anerkennung bestätigen“52, zusammenhängen. Jedoch konnten die Autoren durch die Frage nach Motiven anderer Engagierter erkennen, dass bei dieser Fremdzuweisung von Motiven stärker die extrinsisch-egoistischen Motive als bei der Selbstzuweisung bewertet wurden, was damit zusammenhinge, dass die Befragten sich selbst weniger egoistisch reflektieren als andere ehrenamtlich Tätige.53
3.3 Weitere Studien
In diesem Abschnitt sollen noch einige weitere Studienergebnisse vorgestellt werden, die im Hinblick auf Motivation zum ehrenamtlichen Engagement relevant sein können.
Zunächst geht es um Ergebnisse zum Zusammenhang zwischen dem Alter Ehrenamtlicher und deren Motivation. Bei einer Umfrage in südwestdeutschen Fußballvereinen wurde ermittelt, dass ältere ehrenamtlich Engagierte stärker altruistisch motiviert sind.54 Es zeigt sich in den Ergebnissen auch, dass die Rolle des Ehrenamts steigt, da es „ein wichtiger Teil des Lebens“55 sei. Eine Erklärung, warum bei jüngeren Ehrenamtlichen nicht ähnliche Erkenntnisse gewonnen werden konnten, liefern die Autoren damit, dass jüngere Ehrenamtliche Motive präferieren, „die auf das Kennenlernen neuer Menschen und neuer beruflicher Fähigkeiten und auf den sozialen Status“ abzielen.56
Eine aktuelle Untersuchung widmet sich der Match-Qualität, welche „als Übereinstimmung zwischen den Motiven für die Aufnahme und Ausübung einer ehrenamtlichen Tätigkeit und den nachgelagerten Nutzenerfahrungen aus der Tätigkeit“57 definiert wird. Untersucht wurde dies anhand eines Datensatzes für rheinlandpfälzische Sportvereine. Die Ergebnisse zeigten, dass die Vereine selbst einen aktiven Beitrag zur Motivation und somit zur Steigerung der Match-Qualität leisten können. Diese Steigerung ergibt sich aus einer Kombination von „Hilfestellung, Unterstützung durch Hauptamtliche, Bereitstellung von Ressourcen und insbesondere durch Ehrungen und Anerkennungen“58 durch den Sportverein. Dies gilt besonders für Ehrenamtliche der operativen Ebene. Vor allem wird dieser Aspekt jedoch betont, da die interne Unterstützung für das Ehrenamt wichtiger als die externe Unterstützung (Arbeitgeber) zu sein scheint. Zudem hat eine positive Match-Qualität vermutlich Einfluss auf die Bindungsdauer des Ehrenamtlichen, da eine solche zur Aufrechterhaltung der Motivation beitragen kann.
Ebenfalls sollen bezüglich der Motivation zu ehrenamtlichem Engagement die Motive zur Entscheidung nochmals beleuchtet werden. Hierzu lassen sich aus „Emotionale Einflüsse bei der Entscheidung zu ehrenamtlichem Engagement“ von Flatau/Emrich (2016) folgende Aspekte gewinnen: Der Ansprache kommt eine wichtige Bedeutung zu, da bereits hier Emotionen hervorgerufen werden können.59 Denn diese können „zu einer automatisch-spontanen Reaktion führen oder sich im inneren Kampf zwischen eigenen Interessen und den wahrgenommenen sozialen Erwartungen einer geschätzten Person zeigen“60. Dies erklären die Autoren beispielhaft an der Ansprache durch einen Vereinsvorstand, da das Gefühl gewertschätzt zu werden, eine höhere Bereitschaft zu altruistischem Handeln auslöst und daher eher zu einer spontanen Zusage verleitet.
[...]
1 Vgl. Heinemann/Schubert, 1992, S. 14.
2 Vgl. Buchholz, 2006, S. 9f.
3 Vgl. Dierkes, 1989, S. 10.
4 Vgl. Heinemann/Schubert, 1992, S. 14f.
5 Vgl. Buchholz, 2006, S. 9f.
6 Vgl. § 3 Nr. 26 EStG.
7 Vgl. Wadsack, 2017, S. 255.
8 Vgl. Delschen, 2006, S. 17.
9 Vgl.
10 Eigene Darstellung.
11 Vgl. Heinemann/Schubert, 1992, S. 14f.
12 Vgl. ebenda, S. 15.
13 Vgl. ebenda.
14 Vgl. ebenda. www.bpb.de/apuz/245597/das-ehrenamt-empirie-und-theorie-des-buergerschaftlichenengagements.
15 Vgl. ebenda, S. 16.
16 Vgl. Braun, 2011, S. 19.
17 Eigene Darstellung.
18 Vgl. DOSB, 2017, S. 9.
19 Vgl. Hollstein, 2017, S. 14.
20 Vgl. https://www.tagesspiegel.de/themen/agenda/neuer-dfb-praesident-reinhard-grindel-der-aufsteiger/13695030.html.
21 Vgl. Breuer/Feiler, 2017, S. 19f.
22 Vgl. ebenda.
23 Vgl. ebenda, S. 23ff.
24 Vgl. DOSB-Broschüre, 2017, S. 30.
25 Vgl. Heckhausen, 1980, S. 3.
26 Vgl. https://wpgs.de/fachtexte/motivation/intrinsische-und-extrinsische-motivation/.
27 Vgl. ebenda.
28 Vgl. Simonsen/Vogel/Tesch-Römer, 2017, S. 38.
29 Vgl. Braun, 2011, S. 43.
30 Vgl. Delschen, 2006, S. 34.
31 Vgl. Baur/Braun, 2000, S. 101.
32 Vgl. Heinemann, 1988, S. 126-129.
33 Vgl. ebenda.
34 Vgl. ebenda.
35 Vgl. Winkler, 1988, S. 210.
36 Vgl. Heinemann, 1988, S. 127f.
37 Vgl. ebenda.
38 Vgl. ebenda, S. 137.
39 Vgl. Evers, 2000, S. 28f.
40 Vgl. Heinemann, 1988, S. 129.
41 Vgl. Flatau/Rohkohl, 2017, S. 101.
42 Vgl. ebenda, S. 90.
43 Vgl. Flatau, 2009, S. 262.
44 Vgl. ebenda.
45 Vgl. Frey/Neckermann, 2006, S. 71.
46 Vgl. Flatau/Rohkohl, 2017, S. 99.
47 SEU: subjected expected utility.
48 Vgl. Flatau/Rohkohl, 2017, S. 101.
49 Vgl. ebenda, S. 99.
50 Vgl. ebenda.
51 Vgl. Emrich/Pierdzioch/Balter, 2013, S. 138.
52 Vgl. Flatau/Rotkohl, 2017, S. 99.
53 Vgl. Emrich et al., 2013, S. 141.
54 Vgl. Emrich/Pierdzioch, 2014, S. 21.
55 Vgl. ebenda, S. 19.
56 Vgl. ebenda, S. 7.
57 Vgl. Behrens et al., German Journal of Exercise and Sport Research 1, 2017.
58 Vgl. ebenda.
59 Vgl. Flatau/Emrich, 2016, S. 58.
60 Vgl. ebenda.
- Quote paper
- Jan-Christian Diekers (Author), 2018, Motive zum ehrenamtlichen Engagement im Sport, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/452151
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