Bedingt durch seine Geschichte findet Rom als literarisches Symbol ebenso vielfältige wie widersprüchliche Verwendung. Ein die gesamte Bandbreite der der Stadt zugeschriebenen Eigenschaften umfassendes Bild von Rom zeichnet William Shakespeare in seiner "The Most Lamentable Tragedy of Titus Andronicus". Sie ist nicht Shakespeares einziges Stück, das sich mit Rom befasst, wird aber von vielen Wissenschaftlern nicht zu seinen sogenannten Römer-Dramen gezählt. Ein wichtiger Punkt, in dem sich Titus von diesen unterscheidet, ist, dass es nicht auf realen historischen Ereignissen oder Persönlichkeiten basiert und somit keinem konkreten Zeitpunkt in der Geschichte des römischen Reichs zugeordnet werden kann. Shakespeare vermischt stattdessen verschiedene Phasen dieser. Ronald Broude ist dennoch der Meinung, dass die Tragödie ein Rom zeigt, wie die Elisabethaner es gesehen haben: eines, in dem sich ihnen bekannte römische Tugenden und Laster vermischen und das von Problemen des realen Roms konfrontiert wird. Der Konflikt um die Thronfolge, mit dem die Tragödie einsetzt, ist einer, den die englische Bevölkerung zur Entstehungszeit des Titus selbst erlebte, da unklar war, wer nach dem Tod der kinderlosen Elisabeth I. die Herrschaft übernehmen würde. Fast vierhundert Jahre nach der Entstehung des Stücks wird es von deutschsprachigen Autoren wiederentdeckt. Inwiefern drei von ihnen ebenfalls ihre eigene Zeit in die Darstellung Roms in ihren Adaptionen einfließen lassen und welche Aussagen über diese sie dadurch treffen wollen, wird in dieser Arbeit untersucht.
Betrachtet werden die Bearbeitungen "Titus Andronicus. Eine Komödie nach Shakespeare" von Friedrich Dürrenmatt (1970), "Anatomie Titus Fall of Rome. Ein Shakespearekommentar" von Heiner Müller (1984) und "Schändung. Nach dem ‚Titus Andronicus‘ von Shakespeare" von Botho Strauß (2005). Drei für die Darstellung Roms zentrale Aspekte werden in den ausgewählten Titus-Bearbeitungen analysiert und untereinander sowie mit dem Original von Shakespeare verglichen. Zuerst wird betrachtet, wie Rom zu Beginn der Stücke eingeführt wird. Anschließend wird das Andere untersucht, das Rom in den jeweiligen Adaptionen gegenübersteht, da das Verhältnis Roms Verhältnis zu diesem Aufschluss über Eigenschaften Roms gibt. Zuletzt wird das Ende in Augenschein genommen, das in allen vier Texten ein anderes ist, und analysiert, inwiefern es etwas über die Zukunftsvisionen der Bearbeiter für ihre jeweilige Gesellschaft aussagt.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Shakespeares Rom
1.2 Die deutschsprachigen Adaptionen
2 Darstellung Roms in der Eingangsszene
2.1 Dürrenmatt: Die Verbrechen der Politik
2.1.1 Verurteilung von Krieg
2.1.2 Verdrehung des Rechts durch die römischen Machthaber
2.2 Müller: Rom als kapitalistische Erste Welt
2.2.1 Gegenwartsbezug der Kommentarebene
2.2.2 Roms Ausbeutungspolitik
2.3 Strauß: Die Bedeutung alter Formen in unsicheren Zeiten
2.3.1 Sicheres Wohnen außerhalb Roms
2.3.2 Alte Formen zur Sicherung der Ordnung
3 Rom und das Andere
3.1 Dürrenmatt: Die Mächtigen sind überall gleich
3.1.1 Die Sinnlosigkeit des Krieges und dessen Folgen
3.1.2 Das Verhalten der Mächtigen macht Aaron überflüssig
3.2 Müller: Die ausgebeuteten Völker und Landschaften
3.2.1 Naturgewalten
3.2.2 Die ausgebeuteten Völker der Dritten Welt
3.3 Strauß: Gewaltdarstellung in modernen Massenmedien
3.3.1 Die Goten als unsichtbare Bedrohung
3.3.2 Abstumpfung gegenüber Gewalt
3.3.3 Formen und Plötzlichkeit
4 Der Zustand Roms am Stückende
4.1 Dürrenmatt: Der Weltenball rollt dahin im Leeren
4.2 Müller: Der Weltuntergang als letztes Happyend
4.2.1 Fall of Rome
4.2.2 Das letzte Happyend
4.3 Strauß: Ein friedenstiftender Kind-Kaiser und viele offene Fragen
4.3.1 Titus‘ Rückzug ins Private
4.3.2 Der Kind-Kaiser und seine Mutter
Fazit
Literaturverzeichnis
- Citar trabajo
- Anne Zeiß (Autor), 2018, Zeitkritik anhand der Darstellung Roms in deutschsprachigen Adaptionen von William Shakespeares "Titus Andronicus", Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/451385
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