Thomas Hobbes, der von 1588 bis 1679 lebte, gilt vielen als der eigentliche Begründer der neuzeitlichen politischen Wissenschaft. Der Anspruch von Wissenschaftlichkeit und Systematik als Grundlagen seiner Staatsphilosophie unterscheidet ihn von seinen Vordenkern, wie beispielsweise Machiavelli, und führt dazu, dass Hobbes' Theorien eine solche Relevanz zukommt.
Grundlage seiner Staatsbegründung bildet dabei ein Gedankenexperiment: Was wäre, wenn es keinen Staat, keine übergeordnete Macht, keine Regeln gäbe? Hobbes Antwort darauf ist eindeutig: Krieg und Unsicherheit, "bellum omnia contra omnes", "ein Krieg aller gegen aller", wie er es nennt. Diese in seinem Gedankenexperiment als "Naturzustand" bezeichnete Situation gilt es nach Hobbes also als oberste Priorität zu überwinden, da sie die schlechteste Lebensmöglichkeit für die Menschen darstellt. Eine Überwindung des Naturzustandes ist dabei ausschließlich durch die Schaffung eines Staates möglich. Dessen Aufbau muss dementsprechend so gestaltet sein, dass der Staat seinem Errichtungszweck auch nachkommen kann: Die Unterwerfung aller Menschen unter einen oder eine Gruppe, den sogenannten "Souverän", sieht Hobbes als notwendige Voraussetzung, damit dieser aufgrund seiner absoluten Macht im Gegenzug die Menschen voreinander schützen und für Ordnung, Sicherheit und Frieden sorgen kann.
So ist nach Hobbes ein Staat dieser Form, der "Leviathan", aus dem Eigeninteresse der Menschen entstanden.
Thomas Hobbes
(1588-1679)
1.1 Biographisches
- geboren am 5. April 1588 in England, gestorben am 4. Dezember 1679
-Sohn eines einfachen Landpfarrers
- klassische Ausbildung: genaue Kenntnis des Griechischen & Lateinischen und der klassischen
Philosophie
- begann mit 14 Jahren sein Studium, in dem er sich überwiegend der Physik & Logik widmete
-nach Abschluss des Studiums: Hauslehrer bei einer Adelsfamilie bis zu seinem Tod
- unternahm zahlreiche und ausgedehnte Reisen lernte bedeutende Philosophen & Politiker kennen, z.B. Galileo Galilei und Rene Descartes, die seine Werke stark beeinflussten
1.2 Zeitgeschichtliche Umstände
zahlreiche politische Unruhen:
- 30-jahriger Krieg (1618-1648)
- Bürgerkrieg zwischen engl. Krone und Parlament (1642-1648)
- Militärdiktatur Oliver Cromwells (1653-1658)
2. Einordnung - Grundansatz Vertragstheorie (Überblick)
-Hobbes gilt vielen als eigentlicher Begründer der politischen Philosophie der Neuzeit trifft (im Gegensatz zu Machiavelli) wissenschaftliche, systematische Aussagen
-Weltbild der Neuzeit: geprägt von Wissenschaft, Vernunft & Hinwendung zum Einzelnen Politik: Menschen sehen Staat aus individueller Perspektive und verfolgen Eigeninteresse Herrschaft wird nicht mehr als gegeben hingenommen, sondern muss legitimiert werden Hobbes Theorie der Herrschaftslegitimation: Vertragsgedanke
Gedankenexperiment:
Vorstellung: Staat nicht vorhanden, keine übergeordnete Macht (Hobbes nennt das Naturzustand)
Naturzustand: brutal und kriegerisch, weil keine Regeln, Gesetze und Ordnungen
- Menschen leben in ständiger Angst » negativer Zustand, der überwunden werden sollte » nur möglich durch Vertrag zwischen Menschen
-jeder gibt seine Rechte ab und hält sich an bestimmte Regeln
- besseres Zusammenleben für alle
- dieses politische Gebilde aus Vertragsschließenden = Staat
3. Grundlagen des Wissenschaftsverständnisses - Staatsphilosophie „more geometrico“
- seit Beginn des 16. Jhd erleben mathematische Wissenschaften großen Aufschwung Ideal einer reinen Wissenschaft „more geometrico“ über Mathematik hinaus vorbildhaft
- Hobbes sah sich als ersten echten Staatsphilosophen, da er die Ursachen des Staates wissenschaftlich erklären konnte Benennung seiner Staatsphilosophie „more geometrico“ nach dem Vorbild der Wissenschaftlichkeit „more geometrico“
- Grundlagen von Hobbes Wissenschaftsverständnis elementar, um seine Staatsphilosophie „more geometrico“ zu verstehen
Hobbes Definition von Philosophie:
„Philosophie ist die rationale Erkenntnis der Wirkungen oder Erscheinungen aus ihren bekannten Ursachen oder erzeugenden Gründen und umgekehrt der möglichen erzeugenden Gründe aus den bekannten Wirkungen.“ (Schwaabe, 2010, S. 132) (K:I 1.2; vgl. L:46)
philosophisches Wissen = Wissen von Erzeugungsweisen
- Beispiel Kreis: Um zu wissen, was ein Kreis ist seine Entstehungsweise betrachten
Kreis „nachbilden“ Figur, deren Punkte alle gleich weit vom Mittelpunkt entfernt sind exakte Definition
„die Erkenntnis der Wirkung aus der Erkenntnis des erzeugenden Grundes“ (Schwaabe, 2010, S. 133)
- Übertragung auf den Staat Staatsphilosophie
Staat: Um zu wissen, was ein Staat ist seine Entstehungsweise betrachten Menschen als kleinste Bestandteile des Staates sichern ihr Zusammenleben durch gegenseitigen Vertrag Definition Staat
- sicheres Wissen (Maker's knowledge = Wissen des Herstellers) auch hier möglich, da Staat nur ein künstliches, vom Menschen geschaffenes Gebilde ist (Menschen machen Vertrag)
Ursachen der Staatsbildung = Einzelteile des Staates = Menschen
Erzeugung des Staates = Zusammenwirken der Menschen = Abschluss eines Vertrages
Beschaffenheit des Menschen als Einzelteil des Staates muss untersucht werden
Ausgangspunkt der Staatsphilosophie „more geometrico“ : Anthropologie
4. Anthropologie - Menschenbild
- Hobbessche Anthropologie: materialistisch (stark von Galileo beeinflusst )
Mensch ist, wie alles andere auch, ein Körper, in Raum und Zeit bewegte Materie („matter in motion“) für Hobbes ist sicheres Wissen ausschließlich Wissen von Körpern
Mensch als Teil physikalischer Natur
- teilt sich mit anderen Körpern fundamentale Eigenschaften: auf zentrales Ziel programmiert: Bewegung fortzusetzen, Leben zu erhalten
- alle weiteren Eigenschaften des Menschen, durch die er sich vom Tier abgrenzt, werden unter dieser Perspektive des Überlebensprogramms gesehen
- Mittelpunkt der Hobbesschen Anthropologie: Summum malum Aristoteles:summum bonum): gewaltsamer Tod Streben des Menschen, diesen „worst case“ zu verhindern Überlebenskampf
- Mensch strebt nach Selbsterhaltung dauerhafter Befriedigung seiner Bedürfnisse:
„Denn es gibt kein finis ultimus, d.h. letztes Ziel, oder summum bonum, d.h. höchstes Gut, von welchen in den Schriften der alten Moralphilosophen die Rede ist. (...) Glückseligkeit ist ein ständiges Fortschreiten des Verlangens von einem Gegenstand zu einem anderen, wobei jedoch das Erlangen des einen Gegenstandes nur der Weg ist, der zum nächsten Gegenstand führt. Der Grund hierfür liegt darin, daß es Gegenstand menschlichen Verlangens ist, nicht nur einmal und zu einem bestimmten Zeitpunkt zu genießen, sondern sicherzustellen, daß seinem zukünftigen Verlangen nichts im Wege steht“
(Schwaabe, 2010, S. 135) (L:11)
- herausragende Bedeutung für menschlichen Überlebenskampf: Macht
- durchgehendes Verlangen nach neuer Macht = allgemeiner Trieb der ganzen Menschheit
- nicht nur, weil Menschen gierig und unzufrieden sind, sondern weil die gegenwärtige Macht und die Mittel zu einem angenehmen Leben ohne den Zugewinn weiterer Macht nicht sicherzustellen sind Logik der Machtakkumulation
Grundpfeiler der menschlichen Existenz: Selbsterhaltung, Lustmaximierung und Machtakkumulation
- negatives Menschenbild teilweise zurückzuführen auf Grausamkeit seiner Zeit
5. Gedankenexperiment: Der Mensch im Naturzustand
- Naturzustand: hypothetisches Konstrukt
- Vorstellung: Es gibt keinen Staat, keine übergeordnete Macht, kein Gesetz
- Für Hobbes: Naturzustand = Kriegszustand
„bellum omnium contra omnes“ - Krieg aller gegen alle, da jetzt Mechanismen der Selbsterhaltung, Lustmaximierung und Machtakkumulation ungebremst wirken
- vorstaatlicher Krieg kein andauernder akuter Krieg, sondern durchgehende latente Bedrohung
berühmter Ausdruck „homo homini lupus“ - der Mensch ist dem Menschen ein Wolf:
nicht: die Menschen greifen sich zwangsläufig tatsächlich an, sondern
Menschen belauern einander als ob sie sich jederzeit angreifen würden
allein die Annahme von Existenz einiger böser Menschen zwingt alle Menschen zu einem Handeln, das von der potenziellen Schlechtigkeit jedes Menschen ausgehen muss
[...]
- Quote paper
- Elena Höppner (Author), 2017, Thomas Hobbes. Zeitgeschichtliche Umstände, Anthropologie und Leviathan, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/451256
-
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X.