Die Preise für Immobilien in Deutschland steigen kontinuierlich auf einem stabilen Niveau an. Dabei sind nicht nur begehrte Städte von der positiven Preisentwicklung betroffen, sondern weit darüber hinaus auch weniger gefragtere Regionen. Auf der anderen Seite verfolgt die Europäische Zentralbank seit Jahren die Politik der Niedrigzinsen, die insbesondere seit der Finanzkrise von diversen Ankaufprogrammen erweitert wurde.
Einen Zusammenhang zwischen Geldpolitik und Entwicklung der Immobilienpreise ist dabei klar abzuleiten. Viele verzinste Sparprodukte laufen aus und die niedrigen Zinsen machen eine neue Anlage weniger attraktiv. Aktien kommen als Anlage für viele Deutsche immer noch nicht in Frage, da sie nicht den Ruf einer sicheren Anlage genießen. Aus diesem Grund ist die Nachfrage nach Wohnungen wie auch nach Häusern, die als vermeintlich sichere Anlagen gesehen werden, gestiegen. Ob die aktuelle Preissteigerung der Weg in eine Spekulationsblase ist, ist eine Frage, mit der sich die Medienlandschaft tagtäglich beschäftigt.
Die Vergangenheit hat gezeigt, wie schnell ein überhitzter Immobilienmarkt zu Preisblasen führen kann und die Finanzstabilität stark ins Wanken bringen kann. In den letzten 20 Jahren ist das Risiko einer Preisblase auf dem deutschen Immobilienmarkt eher zu vernachlässigen gewesen. Laut der Deutschen Bundesbank folgen die Preise auf dem Immobilienmarkt Deutschland bis 2010 einer Seitwärtsbewegung. Während in anderen Ländern in Europa wie auch den USA die Preise exorbitant gestiegen sind, folgen in Deutschland die Preise erst seit 2010 einem kontinuierlichen Preisanstieg.
Die Geldpolitik spielt dabei eine maßgebliche Rolle. Wie kann in Zukunft das Risiko einer Überhitzung wirksam mit Hilfe von geldpolitischen Instrumenten der Europäischen Zentralbank wie auch der Deutschen Bundesbank minimiert werden? Wie stellt sich der deutsche Immobilienmarkt im Zusammenspiel mit Europa auf? Was besagt der aktuelle Stand im Euroraum, hat die EZB die instrumentalen Mittel, um die Gefahr eines Kollaps der Märkte zu minimieren? Hat Europa aus Zeit der Finanzkrise Schlüsse gezogen, um eine erneute Banken- und die daraus resultierende Finanzkrise zu vermeiden?
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung und Motivation
1.2 Ziel und Aufbau der Arbeit
2 Theoretische Grundlagen
2.1 Ziele und Strategien der Europäischen Zentralbank (EZB)
2.1.1 Zwei-Säulen-Strategie
2.1.2 Offenmarktgeschäfte
2.1.3 Mindestreserven
2.1.4 Ständige Fazilitäten
2.1.5 Aktueller geldpolitischer Kurs der EZB
2.2 Der Immobilienmarkt in Deutschland
2.2.1 Marktmerkmale und Besonderheiten des Immobilienmarktes
2.2.2 Determinanten der Immobiliennachfrage
2.2.3 Determinanten des Immobilienangebots
2.2.4 Charakteristiken des deutschen Immobilienmarktes
2.2.5 Kennzahlen zur Bewertung von Immobilienmärkten
2.3 Definition von Preisblasen auf dem Immobilienmarkt
3. Auswirkung der Geldpolitik auf Immobilienpreise
3.1 Relevanz der Immobilienpreise für Zentralbanken
3.2 Transmissionskanäle der EZB
3.2.1 Klassischer Zinskanal
3.2.2 Konsum- und Vermögenskanal
3.2.3 Kreditkanal
3.2.4 q-Kanal
3.2.5 Konjunkturelle Entwicklung
3.3 Konsequenz aus Niedrigzinsumfeld
3.4 Zusammenhang von Preisblasen und Geldpolitik
3.4.1 Identifikation von Immobilienblasen
3.4.2 User Cost of Housing
3.5 Maßnahmen zur Preisstabilisierung am Immobilienmarkt
3.5.1 Einführung eines Vermögenspreisindizes
3.5.2 Präventive Maßnahmen
3.5.3 Makroprudenzielle Maßnahmen
3.6 Quantitative Analyse
4 Vergleich mit europäischen Immobilienmärkten
4.1 Preisblasenbildung am Beispiel von Spanien
4.2 Auswirkung der makroprudenziellen Instrumente
4.3 Vergleich der Eurozone an ausgewählten Indikatoren
5 Fazit
Anhang
Literaturverzeichnis
Datenquellenverzeichnis
Eidesstattliche Erklärung
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieer Leseprobe nicht enthalten
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Indikatoren der Deutschen Bundesbank
Tabelle 2: Bilanz privater Haushalte in Deutschland
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Die Beschlussorgane der EZB
Abbildung 2: Zwei-Säulen-Strategie
Abbildung 3: Instrumente der Offenmarktpolitik
Abbildung 4: Leitzinsentwicklung der EZB von 1999 bis 2017
Abbildung 5: Bilanzsumme der ESZB von 1999 bis 2017
Abbildung 6: Eigentumsquoten im Zeitraum von 2010 bis 2016
Abbildung 7: Realer und nominaler Häuserpreisindex von Deutschland
Abbildung 8: Wirkungsweise Zinskanal
Abbildung 9: Zusammenhang Geldpolitik, Kreditmarkt und Immobilienpreise
Abbildung 10: M3 Wachstumsrate zum Vorjahr
Abbildung 11: Price-Income-Ratio in Europa für den Zeitraum 1980 bis 2017
Abbildung 12: Price-Rent-Ratio in Europa vom Zeitraum 1980 bis 2017
Abbildung 13: Wirkungsweise des Quantitative Easings
Abbildung 14: Korrelation zwischen Geldpolitik und Immobilienpreise
Abbildung 15: Reale Häuserpreisindizes für Europa vom Zeitraum 1980 bis 2017
Abbildung 16: Wohnungsbaukredite in Europa für den Zeitraum 2003 bis 2018
Abbildung 17: (Besicherte) Wohnungsbaukredite in Deutschland
Abbildung 18: Verschuldung und Bauinvestitionen in Prozent vom BIP
Abbildung 19: Nettosparquote in Europa im Zeitraum von 2007 bis 2017
Abbildung 20: Anteil Wohnungsbaukredite mit variabler Zinsbindung
1 Einleitung
1.1 Problemstellung und Motivation
Die Preise für Immobilien in Deutschland steigen kontinuierlich auf einem stabilen Niveau an. Dabei sind nicht nur begehrte Städte von der positiven Preisentwicklung betroffen, sondern weit darüber hinaus auch weniger gefragtere Regionen. Auf der anderen Seite verfolgt die Europäische Zentralbank seit Jahren die Politik der Niedrigzinsen, die insbesondere seit der Finanzkrise von diversen Ankaufprogrammen erweitert wurde. Einen Zusammenhang zwischen Geldpolitik und Entwicklung der Immobilienpreise ist dabei klar abzuleiten. Viele verzinste Sparprodukte laufen aus und die niedrigen Zinsen machen eine neue Anlage weniger attraktiv. Aktien kommen als Anlage für viele Deutsche immer noch nicht in Frage, da sie nicht den Ruf einer sicheren Anlage genießen. Aus diesem Grund ist die Nachfrage nach Wohnungen wie auch nach Häusern, die als vermeintlich sichere Anlagen gesehen werden, gestiegen. Ob die aktuelle Preissteigerung der Weg in eine Spekulationsblase ist, ist eine Frage, mit der sich die Medienlandschaft tagtäglich beschäftigt. Die Vergangenheit hat gezeigt, wie schnell ein überhitzter Immobilienmarkt zu Preisblasen führen kann und die Finanzstabilität stark ins Wanken bringen kann. In den letzten 20 Jahren ist das Risiko einer Preisblase auf dem deutschen Immobilienmarkt eher zu vernachlässigen gewesen (Henger, 2012, S. 13).
Laut der Deutschen Bundesbank folgen die Preise auf dem Immobilienmarkt Deutschland bis 2010 einer Seitwärtsbewegung. Während in anderen Ländern in Europa wie auch den USA die Preise exorbitant gestiegen sind, folgen in Deutschland die Preise erst seit 2010 einem kontinuierlichen Preisanstieg. Die Geldpolitik spielt dabei eine maßgebliche Rolle. Wie kann in Zukunft das Risiko einer Überhitzung wirksam mit Hilfe von geldpolitischen Instrumenten der Europäischen Zentralbank wie auch der Deutschen Bundesbank minimiert werden? Wie stellt sich der deutsche Immobilienmarkt im Zusammenspiel mit Europa auf? Was besagt der aktuelle Stand im Euroraum, hat die EZB die instrumentalen Mittel, um die Gefahr eines Kollaps der Märkte zu minimieren? Hat Europa aus Zeit der Finanzkrise Schlüsse gezogen, um eine erneute Banken- und die daraus resultierende Finanzkrise zu vermeiden?
1.2 Ziel und Aufbau der Arbeit
Das Ziel dieser Arbeit leitet sich aus der Fragestellung ab, inwiefern und inwieweit die Geldpolitik eine Auswirkung auf die Immobilienpreise in Deutschland hat und was die dazugehörigen Einflussfaktoren sind. Dabei soll insbesondere der Einfluss der Europäischen Zentralbank auf den deutschen Immobilienmarkt untersucht werden. Hierfür wird der aktuelle Kurs der Geldpolitik aufgezeigt und ein genauerer Blick auf den Zusammenhang der geldpolitischen Instrumente und die Preisentwicklung am Immobilienmarkt geworfen. Der nächste große Abschnitt befasst sich mit den Entwicklungen auf Europaebene. Hierfür werden die Immobilienmärkte in Deutschland insbesondere mit den Ländern in Spanien, Irland, Italien und in Frankreich verglichen. Zunächst werden Instrumente zur Bewertung einer möglichen Spekulationsblase dargestellt, um schlussendlich die Lage in Europa besser beurteilen zu können. Ziel ist es sein am Ende die Auswirkungen der Geldpolitik und die Herausforderungen des Immobilienmarktes mittels eines Vergleiches zu beurteilen.
Nach einer kurzen Skizzierung der Problemstellung und der Herangehensweise in dieser Arbeit in Kapitel 1 folgen in Kapitel 2 die theoretischen Grundlagen als Basis für die weiteren Kapitel. Als erstes wird in Kapitel 2.1 ein genauerer Blick auf die Politik der Europäischen Zentralbank geworfen. Nach allgemeinen institutioneller Informationen werden die formulierten Ziele und Strategien, insbesondere die Zwei-Säulen-Strategie in Kapitel 2.1.1 dargestellt. Was der Unterschied zwischen konventioneller und unkonventioneller Politik ist und was die exakten Instrumente der Europäischen Zentralbank sind, wird in den folgenden Kapiteln von Punkt 2.1 geklärt. Der zweite große Teil des Grundlagenkapitels in Punkt 2.2 beschäftigt sich mit den Markteigenschaften eines Immobilienmarktes und seine Implikationen für die Geldpolitik. Unter den folgenden Punkten werden die Determinanten für die Immobiliennachfrage wie auch Angebot bezeichnet als auch die Trigger für die Preisbildung. Als letzten Teil des Kapitels 2.2 wird auf die spezifischen Charakteristika des deutschen Immobilienmarktes eingegangen und wie die aktuellen Häuserpreistrends sind. Der letzte Unterpunkt von den Grundlagen zeigt eine klassische Definition einer Spekulationsblase auf und welche Lehren bisher aus der Vergangenheit gezogen worden sind.
Das Kapitel 3 zeigt die konkreten Auswirkungen der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank auf die Immobilienmärkte in Deutschland. Zunächst werden Konsequenzen für die Immobilienpreise aus dem Niedrigzinsumfeld aufgezeigt, um im nächsten Schritt die Transmissionskanäle der Europäischen Zentralbank angewandt auf den Immobilienmarkt auf das Konsum, Investitions- und Kreditverhalten zu analysieren. Inwiefern die Geldpolitik durch makroprudenzielle Maßnahmen Einfluss auf die Stabilität des Finanzsystems nehmen kann und inwiefern Spekulationsblasen in Europa und der Kurs der Geldpolitik zusammenhängen, wird in Punkt 3.4 und 3.5 geklärt. Als letzter Teil dieses Kapitels folgt auf Basis eigener Berechnungen eine quantitative Analyse, in der die Korrelation zwischen konventioneller wie auch unkonventioneller Geldpolitik und dem Häuserpreisindex in Deutschland gemessen wird.
Der Vergleich mit Deutschland und den Immobilienmärkten in anderen Europäischen Länder wird in Kapitel 4 behandelt. Hierfür werden verschiedene Kennzahlen, wie unter anderem die Verschuldungsquoten, das verfügbares Einkommen, die Sparquoten und die Entwicklung der Kreditvolumina für ausgewählte europäische Länder verglichen und anschließend beurteilt. Für den Vergleich liegt der Schwerpunkt auf dem Immobilienmarkt in Spanien. Zudem werden die neusten Maßnahmen der EZB auf die Wirksamkeit in einem heterogenen Europa untersucht. Die Arbeit mündet schlussendlich in einem Fazit.
2 Theoretische Grundlagen
2.1 Ziele und Strategien der Europäischen Zentralbank (EZB)
Im Rahmen der Gründung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) ist, auf Grundlage des Maastrichter Vertrages, das Europäische System der Zentralbanken (ESZB) gegründet worden (Platzer, 2015, S. 28 ff.). Das ESZB ist ein nicht-rechtsfähiger zwischenstaatlicher Verbund, der sich aus allen nationalen Zentralbanken der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) und der Europäischen Zentralbank (EZB) mit Sitz in Frankfurt am Main zusammensetzt. Somit werden auch die Zentralbanken von EU-Ländern dazu gezählt, die nicht Mitglied der Europäischen Währungsunion (EWU) sind (Seidel, 2011, S.2). Zu unterscheiden ist hingegen das Eurosystem von dem ESZB, da dieses, zuzüglich der EZB, nur die nationalen Zentralbanken der Mitgliedsstaaten umfasst, welche den Euro als gemeinsame Währung haben. Stellvertretend wird das ESZB von dem Gouverneursrat geleitet, der sich seit dem Jahr 2015 aus den 19 Präsidenten der jeweiligen nationalen Zentralbanken und sechs Mitgliedern des Direktoriums der EZB zusammensetzt (Reinders et al., S. 449). Das primäre Ziel der ESZB ist nach Art. 127 Abs. 1 AEUV die Gewährleistung der Preisstabilität in Europa. Als Grundlage für die Zielerreichung wird der harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI) herangezogen, der nahe plus zwei Prozent liegen soll. Der HVPI wird regelmäßig vom Statistischen Bundesamt veröffentlicht (Hennies, 2017, S. 4). Die grundlegenden Aufgaben lauten dabei, dass die Geldpolitik für die Gemeinschaft festgelegt und ausgeführt wird, dass die Devisengeschäften im Einklang mit dem Ziel der Preisstabilität durchgeführt werden, dass die offiziellen Währungsreserven der Mitgliedsstaaten gehalten und verwaltet werden und dass ein reibungsloses Funktionieren der Zahlungssysteme gefördert wird (Artikel 127, Absatz 2 AEUV).
Abbildung 1: Die Beschlussorgane der EZB
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Eigene Darstellung in Anlehnung an EZB, 2011b, S. 19)
Die Beschlussorgane innerhalb der EZB verfolgen zur Entscheidungsfindung ein System der Kollektivität. Wie aus Abbildung 1 zu entnehmen ist, gibt es drei Beschlussorgane, der EZB-Rat, das EZB-Direktorium und der Erweiterte Rat. In allen Beschlussorganen ist der Präsident wie auch der Vize Präsident vorsitzend. Dabei besteht der EZB-Rat aus dem gesamten Direktorium und seit dem Jahr 2015 aus 19 Präsidenten der nationalen Zentralbanken. Die Erlassung von Leitlinien und Beschlüssen, die von Relevanz sind, um die Erfüllung der Aufgaben im Eurosystem zu gewährleisten, ist neben der Festlegung der Geldpolitik im Euro-Währungsraum die Hauptaufgabe des EZB-Rates. Dabei gehören in den Bereich der Festlegung der Geldpolitik Beschlüsse, die die Leitzinssätze wie auch die Bereitstellung von Zentralbankgeld im Eurosystem betreffen. Dem Direktorium gehören vier weitere Mitglieder an, die auf Empfehlung des Rates der Europäischen Union ernannt und vom Europäischen Rat via Mehrheitsprinzip gewählt werden. In ihren Aufgabenbereich fallen alle administrativen Angelegenheiten wie auch die Gewährleistung der korrekten Durchführung der Beschlüsse. Das letzte Beschlussorgan, der Erweiterte Rat, setzt sich wie der Abbildung 1 zu entnehmen ist, im Gegensatz zum EZB-Rat aus den Präsidenten aller nationalen Zentralbanken zusammen, die Mitgliedsstaaten der EU sind. Damit sind auch Zentralbanken betroffen, die nicht im Euro-Raum sind. Dieser Rat trägt dennoch keine Verantwortung für geldpolitische Beschlüsse im Euro-Währungsraum (EZB, 2011b, S. 20).
2.1.1 Zwei-Säulen-Strategie
Das Kernelement der Zwei-Säulen-Strategie ist die Preisstabilität, die der EZB-Rat als Anstieg des HVPI für den Euroraum von unter zwei Prozent gegenüber dem Vorjahr definiert hat. Als verpflichtendes Ziel heißt es die Preisstabilität mittelfristig beizubehalten. Im Detail haben die jeweiligen Zentralbanken unterschiedliche Gewichtungen in ihren Zielsetzungen (Kißmer et al., 2002, S. 5). Dennoch steht im Zentrum jeder Ausgestaltung der Geldpolitik das nachhaltige Wachstum wie auch eine niedrig gehaltene Inflation und dementsprechend ein stabiles Preisniveau.
Dass das Ziel der Preisstabilität der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, begründet die EZB auf das Problem der Glaubwürdigkeit, das insbesondere auf dem Zeitinkonsistent-Problem basiert. Eine Strategie ist dann zeitinkonsistent, wenn sie ex-ante optimal ist, ex-post aber nicht mehr (Eichhorn, 2004, S. 4). In der Theorie wird zwischen zwei ökonomischen Problemen unterschieden: der „inflation bias“ und der „stabilization bias“. Geldpolitik kann in der Theorie entweder regelgebunden oder diskretionär organisiert werden. Beides hat Vor- und Nachteile. So büßt die Zentralbank bei totaler Regelgebundenheit im Fall von Schocks an Handlungsspielraum ein, weil sie von ihrer gesetzten Regel nicht abweichen kann.
Das andere Extrem ist eine diskretionäre Geldpolitik. Hier behält sich die Zentralbank die Entscheidung von Fall zu Fall vor. Vorteil ist die relativ gute Möglichkeit exogene Schocks zu absorbieren. Ohne einen regelgebundenen Mechanismus kann die daraus resultierende Folge ein inflation bias sein. Das Modell von Barro und Gordon erklärt, dass eine zu hohe Inflation erzeugt wird, weil die Privaten dieses Verhalten antizipieren und es ex post auf die Preise und Löhne umlegen, was aber keinen realwirtschaftlichen Vorteil hat (Bofinger et al. 1996, S. 137-150). Im zweiten Fall ist zeitliche Inkonsistenz auf die neo-keynesianische Angebotsfunktion bezogen, die einen positiven Zusammenhang zwischen Inflationserwartungen und Preissetzung hat. Die Entwicklung von Inflationsraten ist über die Jahre eine persistente makroökonomische Größe geworden über die Lohnsetzer, Beschäftigte und Unternehmen ihre Erwartungen bilden. Die Zentralbank kann im Falle eines inflationären Angebotsschocks den Anreiz haben, nicht auf vergangene Störungen zu reagieren, was bei einer diskretionären Geldpolitik zu einem Versäumnis einer zu stabilisierenden Senkung der Inflationserwartungen führt. Die Folge ist, dass die Geldpolitik zu stark auf Outputschwankungen und zu wenig auf Inflationsschwankungen reagiert. Dieses ökonomische Problem ist bekannt als das „stabilization bias“ (Kißmer et al., 2002, S. 5).
Das „inflation target“ ist aus mehreren Gründen eine sinnvolle Zielvariable der EZB. Diese sollen im Folgenden kurz umrissen werden um im Nachhinein feststellen zu können, ob die Einführung weiterer Zielvariablen sinnvoll ist. Als erstes vereinfacht ein stabiles Preisniveau die Unterscheidung einer relativen Preisveränderung, sprich die Preisentwicklung einzelner Waren und Dienstleistungen, von der Veränderung des allgemeinen Preisniveaus. Dies erlaubt direkte Rückschlüsse auf eine effiziente Ressourcenallokation, da die relative Preisänderung die Folge aus Angebot und Nachfrage ist. Als nächsten Grund führt die EZB aus, dass Gläubiger keine zusätzlichen Inflationsrisikoprämien als Vergütung bei der Haltung von langfristigen nominalen Vermögenswerten aufschlagen müssen. Auch das Zurückhalten von Ressourcen einzelner Wirtschaftsakteure und Unternehmen zur Absicherung gegen Inflation soll durch ein Umfeld von Preisstabilität vermieden werden. In einer Wirtschaft, die geprägt von hohen Inflationsraten ist, könnte der Anreiz entstehen, Güter und Waren zu horten anstatt Geld und Finanzprodukten zu halten.
Als vierten Grund wird eine geringere Verzerrung der Steuer- und Sozialsysteme aufgeführt, da die meisten Systeme in der Regel keine Anbindung der Steuersätze und Sozialbeiträge an die Inflationsraten zulassen. Das Halten von Bargeld wird attraktiver, da anderenfalls eine hohe Inflation wie eine Art Steuer wirkt. Eine willkürliche Vermögens- und Einkommensverteilung wird von der EZB als sechster Grund aufgeführt. Insbesondere im unerwarteten Fall einer Inflation oder einer Deflation kann es zu einer ungünstigen Umverteilungswirkung zwischen Schuldner und Gläubiger kommen. Dabei sind insbesondere bei einer hohen Inflation die einkommensschwächeren Haushalte die Leidtragenden, da sie sich nur unzureichend dagegen absichern können.
Der siebte und letzte Grund ist insbesondere bei der weiteren Untersuchung der Sinnhaftigkeit von der Einführung von Vermögenpreisindizes relevant. Durch eine plötzliche Neubewertung finanzieller Vermögenswerte kann die Solidarität der Bankbilanzen untergraben werden und die Vermögen von Haushalten und Unternehmen geschmälert werden. Im Falle einer glaubhaften Verfolgung der Gewährleistung der Preisstabilität seitens der EZB können solche Erschütterungen auf den realen Wert von nominalen Vermögenswerten besser abgefangen werden (EZB, 2011b, S. 59-61). Die genannten Gründe sollen zu einer effizienten Allokation beitragen und somit den wirtschaftlichen Wohlstand und das Wachstum wie auch die Gewährleistung eines stabilen Beschäftigungsniveaus fördern.
Der EZB-Rat stützt seine Entscheidungen, um das vorrangige Ziel der Preisstabilität zu gewährleisten auf zwei Säulen, die auf Grundlage von sämtlichen volkswirtschaftlichen Daten basiert. Dabei werden insbesondere die Indikatoren identifiziert, die die Preisstabilität gefährden könnten. Auf Grundlage einer Gesamtbewertung der Risiken für die Preisstabilität werden dann geldpolitische Beschlüsse gefasst. Die stabilitätsorientierte geldpolitische Strategie der EZB wird in der folgenden Grafik zusammengefasst.
Abbildung 2: Zwei-Säulen-Strategie
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Eigene Darstellung in Anlehnung an EZB, 2011b, S. 90)
Diese Strategie der Aufbereitung und Analyse liegen, wie der Abbildung 2 zu entnehmen ist, zwei einander ergänzende Ansätze zugrunde. Die Säule der wirtschaftlichen Analyse gibt dem Eurosystem Aufschluss über die kurz- bis mittelfristigen Inflationsaussichten. Als Basis werden gesamtwirtschaftliche und finanzielle Indikatoren herangezogen, um wirtschaftliche Dynamik wie auch Schocks zu definieren. Die monetäre Analyse, die die zweite Säule darstellt, stellt die Entwicklung der Kredite und der Geldmenge in den Vordergrund. Dabei sind die zwei Säulen nur als Hilfsmittel zur Erreichung der Preisstabilität zu sehen und nicht als weitere Zielsetzung. Der Zwei-Säulen-Ansatz steht, wie oben zu sehen, einer wechselseitigen Überprüfung gegenüber. Somit kann sichergestellt werden, unter Berücksichtigung aller Komplementaritäten zwischen den beiden Säulen, dass keine relevanten Informationen zur Beurteilung von zukünftigen Preistrends übersehen werden (EZB, 2011b, S. 90).
Gegenstand der monetären Analyse ist die Ankündigung eines quantifizierten Referenzwerts für das Geldmengenwachstum M3, die im Mittelpunkt der Betrachtung steht. Des Weiteren wird der Informationsgehalt der Geldmengenaggregate im Allgemeinen untersucht, sprich M1 und M2, mit ihren zugehörigen Komponenten und ihrem Bilanzzusammenhang. Das Eurosystem unterscheidet drei Geldmengenaggregate, die aufeinander aufbauen und zwar nach der Verfügbarkeit des Geldes für Nicht-Banken. M3 beinhaltet somit von Bargeld (M1) bis hin zu kurzfristigen Sparanlagen (M2) auch Bankschuldverschreibungen, Geldmarktfonds sowie Repogeschäfte. Die Ableitung des Referenzwertes basiert auf den bekannten Werten der Geldmenge, Preisen, realem Wirtschaftswachstum und der Umlaufgeschwindigkeit. Der Referenzwert ist mit 4,5 Prozent Jahreswachstumsrate von M3 im Einklang mit dem Ziel der Preisstabilität. Wobei die Einhaltung des Wertes keine Verpflichtung ist, die eine sofortige Maßnahme im Fall einer Abweichung mit sich zieht (EZB, 2000, 45 f.).
Die breitfundierte Beurteilung der Preisperspektive, sprich die realwirtschaftliche Analyse und die Inflationsprognose ist Gegenstand der wirtschaftlichen Analyse (Kißmer et al., 2002, S . 10). Zu den Risiken, die die Preisstabilität ins Wanken bringen kann gehören konjunkturelle Entwicklungen, Lohn- und Tarifverhandlungen und außenwirtschaftliche Faktoren, wie Wechselkursschwankungen, Rohstoff- und Ölpreise. Auch dementsprechend aktuelle Finanzmarktpreise wie auch Umfragen sollen Aufschluss über die Inflationserwartung geben. Im Frühjahr und im Herbst werden jeweils von der EZB sogenannte Projektionen für die Inflationen veröffentlicht, die keine verpflichtende Prognosen darstellen sollen (EZB, 2000, S. 47).
2.1.2 Offenmarktgeschäfte
Die EZB ist die zentrale geldpolitische Organisation und spielt somit eine tragende Rolle bei der Erhaltung der Preisstabilität in der EU. In den Kapiteln 2.1.2 bis 2.1.4 werden die relevanten und verfügbaren Instrumente der EZB aufgezeigt, um das ihnen auferlegte Ziel ordnungsgemäß erfüllen zu können. Die EZB ist die Hüterin der Währung bzw. auch der Währungssicherheit und –stabilität und zugleich der „lender of last resort“, also letztmögliche oberste Instanz zur Kapitalbeschaffung und kurzfristige Liquiditätsüberbrückung der Kreditinstitute. Grundproblem für die Zentralbank ist es, dass sie nicht auf das Endziel direkt Einfluss nehmen kann. Zur Erfüllung ihres Zieles werden maßgeblich Indikatoren angewendet, die Rückschlüsse auf den geldpolitischen Kurs geben sollen (Gerdesmeier, 2006, S. 186). Zu ihren wichtigsten Instrumenten und Maßnahmen gehören die Offenmarktgeschäfte, die Variation der Mindestreserve wie auch die ständigen Fazilitäten. Dabei soll angemerkt werden, dass die Koordination geldpolitischer Geschäfte, wie beispielsweise die Festlegung von Zinssätzen, dezentral über die EZB erfolgt, die konkrete Ausführung dennoch den nationalen Zentralbanken überlassen wird (Gerdesmeier, 2006, S. 212). Die folgenden Instrumente sind Gegenstand der konventionellen Geldpolitik der EZB.
Für die Regulierung und Steuerung der Geldpolitik innerhalb der EU, sind die Offenmarktgeschäfte das relevanteste Instrument der EZB. Allgemein werden mit Hilfe von diesem Instrument die Zinssätze wie auch die Liquidität der Kreditinstitute gesteuert bzw. die zu Verfügung stehende Liquidität, an welcher sich die Banken refinanzieren können. Die Kernkompetenzen sind konkret die Steuerung des kurzfristigen Zinssatzes wie auch die Grundversorgung mit Zentralbankgeld. Offenmarktoperationen ist der zusammenfassende Begriff für eine Reihe von heterogenen Instrumenten, die im folgenden in vier Kategorien eingeteilt werden sollen: Hauptfinanzierungsgeschäfte, längerfristige Refinanzierungsgeschäfte, Feinsteuerungsoperationen und strukturelle Operationen (Gerdesmeier, 2006, S 219).
Hauptfinanzierungsgeschäfte werden im Eurosystem als ein sich wöchentlich wiederholendendes Offenmarktgeschäft mir einer einwöchigen Laufzeit bezeichnet. De facto erhalten Geschäftsbanken gegen Hinterlegung von Sicherheiten befristet Zentralbankgeld. Abgewickelt wird das Geschäft in Form sogenannter Standardtender, welche wiederum in Zins- und Mengentender unterteilt werden. Unter Standardtender versteht man ein Ausschreibungs- und Zuteilungsverfahren für regelmäßige Offenmarktgeschäfte, die das Eurosystem den Banken offeriert. Die Initiative für die Bereitstellung von Liquidität kommt dabei von der Notenbank. Zum Einen setzt die EZB im Rahmen des Ausschreibungsverfahrens einen Zinssatz fest, zu welchem sie den Kreditinstituten die entsprechenden Kredite anbieten (Mengentender). Diese geben daraufhin Gebote über die Menge ab, die sie bereit sind für diesen Preis zu kaufen. Zum Anderen werden Geschäftsbanken aufgefordert, Gebote über die Menge und die Zinssätze abzugeben, für die sie bereit sind entsprechende Kredite aufzunehmen (Zinstender). Der Höchstbietende erhält vom Gesamtvolumen die erste Zuteilung, was sich fortsetzt bis der gesamte Zuteilungsbetrag ausgeschöpft ist (Peto, 2002, S173-176). Zu den unterschiedlichen Varianten gehören die Pensionsgeschäfte wie auch die Pfandkredite. Bei Ersterem wird das Eigentum an Sicherheiten an die kreditgewährende Zentralbank übertragen. Im Gegensatz zu den Pfandkrediten, bei denen das Eigentum bei den Schuldnern bleibt, der Kreditgeber dennoch durchsetzbare Forderungen hat (Gischer, 2012, S. 281). Die Hauptfinanzierungsgeschäfte sind die wichtigsten Offenmarktgeschäfte innerhalb der EU und stellen den Großteil der Liquidität dar. Durch die schnelle Einflussnahme in die Zins- und Liquiditätssteuerung kommt es zu einer guten Marktanpassung wie auch zu der Möglichkeit ein Signal für die Geldpolitik zu setzen (Gerdesmeier, 2006, S. 222).
Auch die längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte werden in der Regel als Zinstender mit einem monatlichen Abstand durchgeführt. Mit Laufzeiten von drei Monaten hat die EZB, im Gegensatz zu den Hauptfinanzierungsgeschäften, nicht die Absicht geldpolitische Signale zu senden, sondern die Märkte langfristig mit Liquidität zu versorgen (Peto, 2002, S. 173).
Neben diesen beiden Arten der Geschäfte, die als vorrangiges Ziel die Versorgung mit Kapital haben, gibt es auch Feinsteuerungsoperationen, die den unerwarteten Schwankungen auf dem Liquiditätsmarkt entgegenwirken sollen. Dabei gibt es keine standardisierte Laufzeit und es ist für befristete Transaktionen vorgesehen, die nur wenige große Marktteilnehmer ansprechen, in diesem Fall als Schnelltender, oder nur einen einzigen Marktteilnehmer ansprechen in Form eines bilateralen Geschäfts. Das Ziel ist Liquidität zuzuführen wie auch abzuschöpfen und tritt in Form von Devisenswaps, definitiver Kauf und Verkauf von Wertpapieren und der Hereinnahme von Termingeschäften auf. Somit können Devisenswapgeschäfte in Kombination mit einem entgegengesetzten Termingeschäft zusätzlich die Wechselkursentwicklung beeinflussen (Gerdesmeier, 2006, S. 224).
Zuletzt kann die EZB, um strukturellen Probleme des Finanzsektors entgegenzuwirken, strukturelle Operationen ohne standardisierte Laufzeit durchführen. Hierbei kann wieder sowohl Liquidität durch befristete Tendergeschäfte und definitiven Käufen von Wertpapieren zugeführt, wie auch durch die Emission von kurzlaufenden abgezinsten Schuldverschreibungen der EZB abgeführt werden (Peto, 2002, S. 174).
Die wichtigsten Grundzüge der Offenmarktpolitik sind in Abbildung 3 abgetragen. Neben den verschiedenen Arten der Geschäfte sind in der zweiten Spalte die jeweiligen Ausgestaltungen zu sehen.
Abbildung 3: Instrumente der Offenmarktpolitik
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Eigene Darstellung in Anlehnung an Gischer, 2012, S. 282)
2.1.3 Mindestreserven
Grundsätzlich, ausgenommen von ein paar besonderen Tatbeständen, unterliegt jedes Kreditinstitut im Euro-Währungsgebiet der Mindestreservepflicht. Konkret verlangt die EZB von den Geschäftsbanken, dass auf den Girokonten der nationalen Zentralbanken ein bestimmter Satz, die Mindestreserve, gehalten wird. Die Höhe der von jeder Geschäftsbank zu haltenden Menge richtet sich nach der Reservebasis der Nicht-Banken. Im Euroraum errechnet sich das Mindestreservesoll aus Mindestreservebasis multipliziert mit dem Reservesatz. Der Mindestreservesoll wird mit dem Zinssatz für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte verzinst, während aber Überschussreserven unverzinst bleiben (Gischer, 2012, S. 282 ff.). Die wichtigsten Funktionen des Mindestreservesystems sind die Stabilisierung der Geldmarktsätze und die Vergrößerung der strukturellen Liquiditätsknappheit im Bankensystem (EZB, 2004, S. 81-84). Dies wird durch die Steuerung des kurzfristigen Zinssatzes und die Sicherung der Nachfrage nach Zentralbankgeld gewährleistet. Damit der Mindestreservesatz den wirtschaftlichen Zyklus nicht weiter belastet, wird das Mindestreserveguthaben der Geschäftsbanken verzinst. Die geldpolitische Bedeutung bei diesem Instrument ist die Geldmarktzinsen stabilisieren zu können und die Kreditinstitute an die Zentralbank zu binden durch das Auslösen von struktureller Liquiditätsknappheit.
2.1.4 Ständige Fazilitäten
Das letzte vorzustellende Instrument sind die ständigen Fazilitäten, die dazu dienen, dass Übernachtliquidität für Geschäftsbanken bereitgestellt oder abschöpft werden kann. Dabei können sowohl die Spitzenrefinanzierungsfazilität wie auch die Einlagefazilität von den Geschäftspartnern in Anspruch genommen werden. Im Gegensatz zu den klassischen Offenmarktgeschäften geschieht dies auf die Initiative der Geschäftsbanken hin. Dennoch ist der Anreiz meistens gering dieses in Anspruch zu nehmen, da die geltenden Zinssätze in der Regel ungünstiger sind als der Marktzins. Für kurzfristige Liquidität über Nacht wird von den Kreditinstituten überwiegend die Spitzenrefinanzierungsfazilität genutzt, da diese Kreditform lediglich eine Laufzeit von einem Geschäftstag hat. Umgekehrt können Geschäftsbanken in Form von Einlagefazilitäten Guthaben auf den Girokonten des Eurosystems anlegen. Zusätzlich sei angemerkt, dass der Zinssatz für die Spitzenrefinanzierungsfazilität die Obergrenze für den Tagesgeldsatz markiert. Grund dafür ist, dass die Banken kein Geld bei einem anderen Kreditinstitut leiht, solange sie sich günstiger bei der Notenbank refinanzieren können. Dagegen markiert die Einlagefazilität die Untergrenze des Tagesgeldsatzes (vgl. EZB, 2004, S. 90-94).
2.1.5 Aktueller geldpolitischer Kurs der EZB
Laut des Monatsberichtes von Februar 2018 der EZB hat der EZB-Rat auf der Basis der wirtschaftlichen und monetären Analyse beschlossen die Leitzinsen weiterhin unverändert zu lassen. Der Hauptrefinanzierungssatz liegt, wie aus Abbildung 4 zu entnehmen, weiterhin bei null Prozent und die Zinssätze für den Spitzenrefinanzierungs- und Einlagefazilität liegen bei 0,25 Prozent bzw. -0,40 Prozent. Auch der Euro Interbank Offered Rate (EURIBOR) ist historisch niedrig. EURIBOR ist der Zinssatz zu dem Baken sich am Interbankenmarkt refinanzieren können. Er wird auch häufig als Referenzwert für Hypothekenzinsen herangezogen. Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einer Hochkonjunkturphase mit gleichmäßigen kräftigen Beschäftigungszuwächsen (Deutsche Bundesbank 2018; EZB, 2017a, S. 51).
Abbildung 4: Leitzinsentwicklung der EZB von 1999 bis 2017
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Eigene Darstellung auf Basis der Daten der Deutschen Bundesbank)
Trotz eines stabilen Wirtschaftswachstums in Deutschland birgt das internationale Umfeld für die Wirtschaft des Euroraums viele Herausforderungen, die eine besondere geldpolitische Strategie erfordert. Kennzeichnend für das Jahr sind moderate Wachstumsraten und gedämpfte Inflationszahlen. Die globalen Finanzierungsbedingungen sind weiterhin günstig. Dies ist insbesondere der expansivem Geldpolitik geschuldet, die sich, gemessen am Satz der Hauptrefinanzierungsgeschäften, durch historisch niedrige Leitzinsen auszeichnet (Rohde, 2013, S. 146). Auch im Jahr 2016 ist die Entwicklung an den Finanzmärkten von den geldpolitischen Lockerungsmaßnahmen der EZB geprägt (EZB, 2016b, S. 11).
Grund für die Entwicklung hin zur Niedrigzinspolitik ist, dass an die Stelle der Geldmengenzielorientierung eine Zinsorientierung der Geldpolitik getreten ist. Hierbei strebt die Zentralbank über die Steuerung der Zinssätze ihre vorgegebenen Inflationsziele an (Gischer, 2012, S 330f.). Infolgedessen kann unmittelbar auf die Konjunktur Einfluss genommen werden, insbesondere bei Wirtschaftskrisen oder gesamtwirtschaftlichen Nachfragerückgängen. Dies zeigt sich seit der Subprime-Krise in 2008 in den USA ganz deutlich, die globale Auswirkung auf den Weltmarkt hatte. Das Platzen der Spekulationsblase auf dem Immobilienmarkt hat dazu geführt, dass selbst negative Leitzinsen, d.h. der Zinssatz für die Spitzenrefinanzierungsfazilität, der Einlagenfazilität wie auch der Satz für die Hauptfinanzierungsgeschäfte, kein Tabubruch mehr darstellt.
Als Antwort auf die Finanzkrise hat die EZB, neben seinen konventionellen Instrumenten, auch zu unkonventionellen Maßnahmen gegriffen. Die Stimulation über das Instrument der Zinssenkung kann in gegebenen Situationen nicht ausreichen und es entsteht der Fall der sogenannten „Liquiditätsfalle“. Die aus der Krise resultierende hohe Instabilität der Finanzkrise gepaart mit einem niedrigen Zinsniveau über einen langen Zeitraum birgt die Gefahr eines Inflationsdrucks in der Zukunft (EZB, 2011b, S. 140). Da die Zinsen nicht unendlich fallen können, hat unter anderem die EZB als weitere Maßnahme die Ausweitung der Geldbasis angesetzt. Der EZB-Rat hat bestätigt, dass im Rahmen des erweiterten Programms zum Ankauf von Vermögenswerten weiterhin ein monatliches Nettovermögen in Höhe von 30 Milliarden Euro bis September 2018 oder noch darüber hinaus durchgeführt werden soll (Deutsche Bundesbank, 2018).
Der Ankauf von Wertpapieren und Vermögenswerten weitet die Bilanz der Banken massiv aus. Wobei die EZB in Vergleich zu der FED wie auch der Bank of England eher zurückhaltender ist (Illing, 2015, S. 131 ff.). Abbildung 5 zeigt die Entwicklung der Bilanz auf der Aktivseite der EZB. Das Gesamtvermögen ist von Zeitraum 1999 bis 2017 in Millionen angeben. Ein besonderes Augenmerk soll auf die starke Ausweitung der Bilanz seit 2008 gegeben werden. Insbesondere die dunkelblaue Fläche ist von Relevanz, da es den Ankauf von Wertpapieren zeigt, was zur Ausweitung der Liquidität im Euroraum führt. Darunter sind auch die Hauptrefinanzierungsgeschäfte, die längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte, die Feinsteuerungsoperationen und die strukturellen Operationen. Die gesamte Bilanz ist im Anhang 3 für das Jahr 2000 wie auch 2016 und 2017 aufgelistet.
Während sich das Gesamtvermögen der EZB 1999 noch auf knapp 800 Milliarden Euro bezogen hat, ist es 2017 auf knapp 4,5 Billionen Euro. Ein Großteil dieser Bilanzausweitung ist dem massiven Ankauf von Wertpapieren für geldpolitische Zwecke geschuldet. Im Jahr 1999 beläuft sich diese Position in der Bilanz noch auf 23 Milliarden Euro im Jahr. Dagegen steigt im Jahr 2017 die Position auf knapp zwei Billionen Euro. Die Darstellung zeigt die massive Auswirkung der Bilanzen bei dem Einsatz von unkonventionellen Instrumenten der EZB.
Abbildung 5: Bilanzsumme der ESZB von 1999 bis 2017
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Eigene Darstellung auf Basis der Daten der EZB Data Warehouse)
Laut den Ergebnissen einer Umfrage im Januar 2017 zum Kreditgeschäft, durchgeführt von der EZB (EZB, 2016c), hat das EZB Programm zum Ankauf von Vermögenswerten (Asset Purchase Programme: APP), die gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte (GLRG) und die negativen Einlagenzinsen zu einem Wachstum des Kreditvolumens und somit zu günstigen Kreditkonditionen beigetragen. Der Umfrage nach hängt die wachsende Kreditnachfrage in erster Linie mit dem niedrigen Zinsniveau sowie mit den Aussichten am Wohnimmobilienmarkt zusammen (EZB, 2016b, S. 17).
Zu Beginn der Krise hat die EZB mehrere Ankaufprogramme gestartet, die vorwiegend Ankäufe von Schuldverschreibungen im Bereich von Staaten, Banken und Unternehmen gewesen sind. Nach einer allmählichen konjunkturellen Erholung sind die Programme zum größten Teil 2012 eingestellt worden. Da die Strategie des Quantitative Easings von relativem Erfolg geprägt ist, ist der Ankauf von Vermögenswerten im Dezember 2016 für weitere neun Monate verlängert worden. Die Leitzinssenkung, insbesondere die Senkung des Einlagenzinses auf im März 2016 0,40 Prozent, die Verlängerung der Ankaufprogramme im Rahmen des APP sowie die GLRGs bezwecken eine weitere Lockerung im privaten Sektor sowie eine Ankurbelung der Kreditvergabe, um weiterhin zur Konjunkturerholung beizutragen und die Inflation schnell auf das gewünschte Niveau zu heben (EZB, 2016b, S.47).
Im Hinblick auf die quantitative Analyse über die Auswirkung der Gelpolitik auf die Immobilienpreise in Kapitel 3.6 wird auf das größte noch aktive Ankaufprogramm von Vermögenswerten eingegangen, das Public Sector Purchase Programme (PSPP). Es wurde im März 2015 gestartet und läuft bis mindestens September 2018. Es beinhaltet den Ankauf von Anleihen der Euro-Staaten, mit der Ausnahme von Griechenland, so wie von anderen europäischen Institutionen. Als langfristiges Ziel ist es die zu niedrig gehaltene Inflation zu stabilisieren und wieder auf ein Niveau zu heben, welches die Preisstabilität gewährleistet. Laut dem Beschluss der EZB von 2015 werden diese Wertpapiere von den Nationalzentralbanken erworben. Dabei konzentrieren sich die jeweiligen Nationen im Wesentlichen auf die öffentlichen Titel ihres Heimatlandes. Die unkonventionellen Maßnahmen haben laut dem Jahresbericht 2016 einen positiven Einfluss auf das M3-Wachstum, das kommt insbesondere allmählich der Belebung der Kreditvergabe im privaten Sektor zu Gute (EZB, 2016b, S. 34).
Dennoch soll an dieser Stelle betont werden, dass die Zinssenkung durch die EZB wie auch die Ankaufprogramme nicht in erster Linie zur Rettung der stark fallenden Aktien- und Immobilienmärkte erfolgt ist. Die Intention hinter dieser Maßnahme seit Oktober 2008 ist die Stabilisierung der Geld- und Kreditmärkte und die Stärkung der Kreditnachfrage. Auch wenn Vermögens- und Immobilienpreise keine Zielgrößen für die EZB sind, werden sie durch das vorrangige Ziel der Preisstabilität beeinflusst. Dennoch ist es notwendig, die Preisentwicklung am Immobilienmarkt zu beobachten und frühzeitig die Indikatoren für eine mögliche Spekulationsblase zu erkennen. Eine direkte Reaktion seitens der EZB bleibt jedoch schwierig, da die Immobilienmärkte in den einzelnen Staaten im Euroraum heterogen verlaufen (Nastansky, 2017, S. 207 f.).
2.2 Der Immobilienmarkt in Deutschland
2.2.1 Marktmerkmale und Besonderheiten des Immobilienmarktes
Laut den aktuellen Daten des Statistischen Bundesamtes im Jahr 2016 leben 82 Millionen Menschen auf 41 703 300 Wohnungen in Deutschland. „Eine Wohnung ist nach Definition des Statistischen Bundesamtes die Summe aller Räume, welche die Führung eines Haushaltes ermöglichen, dazu gehört eine Küche oder ein Raum mit Kochgelegenheit“ (Gans, 2017, S. 116 ff.).
Gemäß der Definition stellt die Wohnimmobilie ein dauerhaftes Konsumgut in der Ökonomie dar. Der Bestand der Wohnungen ist demnach stellvertretend für den Kapitalstock, angeboten durch die Anbieter auf dem Wohnungsmarkt und Wohnen die Stromgröße als Nutzung des Bestandes durch die Nachfrager. Die Wohnimmobilie ist gekennzeichnet durch einen hohen Grad an Komplexität aufgrund des individuellen Nutzens der Nachfrager und ist somit ein heterogenes Gut.
Ein weiteres wichtiges Merkmal ist die Immobilität, also dass die Wohnimmobilie an einen Ort gebunden ist, was den Boden, wo die Wohnung erbaut wurde zu einem komplementären Gut macht. Die Dauer der Herstellung von der Investitionsentscheidung bis hin zur Fertigung ist relativ lange. Als letzte ökonomische Eigenschaft soll die Langlebigkeit des Gutes wie auch die Unteilbarkeit des Konsums hervorgehoben werden. In diversen Literaturen wird auch eine relative Wertbeständigkeit von Immobilien im Gegensatz zu anderen Konsumgütern genannt, die im späteren Verlauf bei der Untersuchung von Preisblasen noch an Relevanz gewinnt. Die Marktmerkmale des Wohnimmobilienmarktes haben verschiedene Implikationen für die Wirkungsweise der Geldpolitik wie auch auf das Konsum- und Investitionsverhalten der Unternehmen und Haushalte. Auf der Anbieterseite sind aufgrund der hohen Anschaffungskosten eine Finanzierung mit Eigenkapital und Fremdkapital üblich, wobei der fremdfinanzierte Anteil überwiegt. Eine Investition ist durch den langen Zyklus sehr risikobehaftet, da zu Beginn einer Fertigung Preise und Nachfrage wie auch das Angebot volatil sind und gewünschte Erträge nicht sicher erzielt werden können. Die lange Produktionsdauer wie auch die Langlebigkeit führt zu langsamer Reaktionsfähigkeit der Mengenanpassung, sodass Effekte erst verzögert auftreten.
Auf der Seite der Nachfrager mangelt es an der Möglichkeit der Substituierbarkeit einer Wohnung, falls der Grundbedarf nicht gewährleistet ist. Die Nachfrage spaltet sich auf nach dem Kaufen oder Mieten einer Immobilie, daraus ergeben sich verschiedene Möglichkeiten des Konsums. Innerhalb eines Lebenszyklus ändern sich des Weiteren auch die Bedürfnisse des Nachfragers. Der Student hat einen anderen Nutzen an einer Einzimmerwohnung als die Familie oder ein Rentnerpärchen. Mit diesem Zusammenhang entstehen hohe Transaktionskosten bei einem Wechsel in eine passendere Immobilie (Schützenmeister, 2015, S. 38 ff.).
2.2.2 Determinanten der Immobiliennachfrage
Zunächst soll das Unterkapitel einen Überblick über die Determinanten der Nachfrageseite des Immobilienmarktes geben um zusammen mit den Determinanten auf der Angebotsseite Rückschlüsse auf die Preisbildung von Immobilien zu ziehen.
Als erste Determinante wird das reale Einkommen untersucht. Dabei reagiert der Markt bei einem Anstieg des Primäreinkommens, wie die meisten Güter, positiv. Der Wert des Immobilienvermögens, der mit den steigenden und fallenden Immobilienpreisen variiert, beeinflusst wiederum das Konsumverhalten der Haushalte. Staatliche Förderungen, wie unter anderem Eigenheimzulage und Abschreibungsregeln, die das reale Einkommen weiter erhöhen, haben ebenso einen positiven Effekt auf die Nachfrage.
Ein weiterer Faktor für eine steigende Nachfrage nach Immobilien ist das Bevölkerungswachstum. Eine unerwartete Bevölkerungszunahme treibt die Nachfrage an, da das Angebot an Immobilien unelastisch ist. Hierbei spielt insbesondere der regionale Zuwachs in Ballungsgebieten eine große Rolle, da das die Preise von Mieten wie auch Immobilien stark zum steigen bringt. Eine Korrelation besteht auch zwischen der Zahl der Einwohner bzw. der Anzahl der Haushalte und der Zahl der belegten Wohnungen. Die demographische Entwicklung hat somit einen großen Einfluss auf die Nachfrage. Insbesondere die Altersstruktur hat einen maßgeblichen Einfluss, da sich die Nachfrage nach der Art der Wohnungen von älteren Menschen zu der Nachfrage von jüngeren Menschen unterscheidet.
Entscheidend für die Nachfrage sind, die langfristigen Zinsen, sprich die Hypothekenzinsen und die daraus resultierende Rendite. Da der Großteil der Immobilienkäufe fremdfinanziert ist, steigt die Nachfrage nach Eigentum mit sinkenden Kreditzinsen.
Eine weitere nicht zu unterschätzende Determinante ist das regulatorische Umfeld, das dem Staat erlaubt durch entsprechende Maßnahmen die Nachfrage zu drosseln oder zu erhöhen, selbst wenn es keinen direkten Effekt auf das Einkommen gibt. Beispiele für diese wohnungspolitischen Maßnahmen sind Mietobergrenzen oder Umweltauflagen, die dazu führen, dass Modernisierungen von Immobilien verzögert und somit die Investitionstätigkeit eingeschränkt wird (Just, 2013, S. 45).
2.2.3 Determinanten des Immobilienangebots
Im Gegensatz zur Wohnungsnachfrage ist das Angebot an Wohnraum in der Regel unelastischer. Das Angebot folgt der Nachfrageentwicklung versetzt. Dabei ist zu beachten, dass es auch exogene Veränderungen im Angebot gibt. Diese sind zumeist ausgelöst durch spekulative Bauten oder durch Veränderungen im regulatorischen Umfeld (Just, 2013, S. 45). Dazu gehört auch die Einführung des obligatorischen Energieausweises für Wohngebäude und die Verschärfung der energetischen Anforderungen in Deutschland. Eine weitere wichtige Determinante ist, dass Investitionen häufig nur im Bereich der Aufwertung von Bestandsimmobilien getätigt werden. Das Risiko für das Erbauen neuer Immobilien ist vielen Investoren jedoch zu hoch. Dadurch verändern sich die Knappheitsverhältnisse nicht. Eine entscheidende Rolle spielt insbesondere aus lokaler Sicht die Baukosten wie auch die Verfügbarkeit von Bauland.
2.2.4 Charakteristiken des deutschen Immobilienmarktes
Die Wirkungsweise der Geldpolitik steht in Deutschland mehreren Herausforderungen gegenüber. Zwei Charaktermerkmale sollen im Folgenden genauer untersucht werden. Zum Einen, die niedrige Wohneigentumsquote im Vergleich zu anderen europäischen Ländern und zum Anderen die Urbanisierung. In Deutschland leben mehr Menschen zur Miete und weniger Menschen im Wohneigentum. Das Verhältnis wird in der Wohneigentumsquote ausgedrückt und gibt die Anzahl der Eigenheimbesitzer in Relation zu der Gesamtbevölkerung wieder. Da in Deutschland die Haushalte vergleichsweise länger in ihren Mietswohnungen leben, ist das Transaktionsvolumen deutlich geringer, was sich dämpfend auf die Volatilität der Immobilienpreise auswirkt (Voigtländer 2012, S. 15 ff.). Laut Eurostat liegt die Eigentumsquote in Deutschland im Jahr 2016 bei 51,7 Prozent und hat sich seit 2010 stabil in diesem Bereich gehalten. Damit befindet sie sich im europäischen Vergleich im hinteren Mittelfeld.
Abbildung 6: Eigentumsquoten im Zeitraum von 2010 bis 2016
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Eigene Darstellung auf Basis der Daten von Eurostat)
Die Grafik vergleicht die Eigentümersituation in Deutschland mit der Eurozone mit 19 Mitgliedsstaaten wie auch mit Spanien und Irland. Wie zu erkennen ist hat Deutschland im Gegensatz zu den anderen europäischen Ländern im Schnitt nur knapp 50 Prozent, die Eurozone dagegen knapp 70 Prozent Eigentumsquote.
Gründe dafür liegen in kulturellen Unterschieden und verschiedenen Wertvorstellungen, als auch an der Wohnungspolitik, die in Zeiten der Nachkriegszeit verfolgt wurde. Durch die große Wohnungsnot nach dem zweiten Weltkrieg ist ein großer Markt mit Sozialwohnungen geschaffen worden mit einer gewissen Mietbindungsdauer, bevor die Wohnungen an den freien Markt abgegeben wurden (Demary, 2017, S. 472 f.).
Des Weiteren ist für Deutschland charakteristisch, dass die Höhe der Baulandpreise pro Quadratmeter starken regionalen Unterschieden unterliegt. Erstens lässt sich ein klares Ost-West-Gefälle erkennen und zweitens lassen sich mit rückläufiger Bevölkerungsdichte sinkende Bodenpreise belegen. Da die Nachfrage nach Wohnraum bzw. Bauland in Regionen, die niedrige Arbeitslosenraten und eine positive Wirtschaftsentwicklung vorweisen können, immens steigt, treibt das auf der Angebotsseite die Preise in die Höhe, da das Angebot endlich ist (Gans, 2017, S.120 ff.). Die regionalen Unterschiede haben die Folge, dass geldpolitische Maßnahmen verschieden wirken. Dies wird zusätzlich von einem weiteren Merkmal verstärkt.
Der Markt für Wohnungsfinanzierungen in Deutschland ist, verglichen mit der USA und anderen europäischen Ländern, durch eine besondere Stabilität gekennzeichnet. Die Kreditvergabe verhält sich sehr moderat und auch wenn nach der aktuellen Situation die Preise in Deutschland sehr stark ansteigen, wächst das Kreditvolumen langsamer an als bei vergleichbaren anderen Ländern. Folgende Aspekte stehen wesentlich für die Stabilität des Wohnimmobilienmarktes in Deutschland. Die vergebenen Kredite haben in der Regel lange Laufzeiten, sodass Zinsänderungen sich weniger auf Haushalte auswirken können. Dadurch unterliegt die Nachfrage nach Krediten weniger Schwankung und die Gefahr von Überschuldungen bei einem Anstieg der Zinsen kann minimiert werden. Des Weiteren ist bei deutschen Haushalten die Einbringung von Eigenkapital typisch, um sich bei der Finanzierung einer Immobilie günstige Konditionen sichern zu können (Voigtländer 2012, S. 9-13).
2.2.5 Preistrends in Deutschland
Die Preise auf den deutschen Immobilienmärkten sind in den letzten zwei Jahrzehnten einer stabilen Seitwärtsbewegung gefolgt, während im Gegensatz dazu in einigen Ländern in Europa wie auch in den USA die Preise kontinuierlich gestiegen sind. Seit 2010 ist vermehrt Bewegung auf den deutschen Immobilienmarkt gekommen und es ist ein deutlicher Aufwärtstrend zu beobachten. Auf Basis der Daten der OECD lassen sich die folgenden Informationen entnehmen. Es wird der reale wie auch der nominale Häuserpreisindex von dem Zeitraum von 1970 bis 2017 betrachtet. Zur Ermittlung des realen Häuserpreisindexes wurden die nominellen Immobilienpreise durch den Verbraucherpreisindex geteilt, um so eine inflationsbereinigte Preisbewegung erfassen zu können. Dieser misst die durchschnittliche Hauspreisentwicklung (Statistischen Bundesamt 2018).
Ausgehend von dem Indexjahr 2010 (Index=100) lag der Häuserpreisindex im Jahr 2017 in Deutschland bei knapp 120 Punkten. In der Mitte der Neunziger Jahre sind in Deutschland wie auch in anderen europäischen Ländern die Preise stark gestiegen. Näheres dazu in Kapitel 4. Verzögert nach der Finanzkrise ist es zu einem leichten Preisverfall gekommen, der jedoch, wie in Abbildung 7 zu erkennen, relativ moderat ist. Seit 2015 sind die Preise dennoch stark gestiegen und es ist ein eindeutiger Preisanstieg zu erkennen.
Abbildung 7: Realer und nominaler Häuserpreisindex von Deutschland
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Eigene Darstellung auf Basis der Daten von OECD)
Der Preisanstieg, verglichen zum Vorjahr 2016 hat zwar nicht mit einer vergleichbaren Preissteigerungsrate wie von 2015 auf 2016 gestartet, dennoch ist ein Preisverfall in Zukunft nicht in Sicht. Dieser sollte dennoch differenziert betrachtet werden, da bestimmte Regionen, vorzugweise Ballungsgebiete wie Großstädte, vermehrt von hohen Preisen betroffen sind, während der Preisanstieg im Gesamten eher mäßig ausfällt. Obwohl in Städten die Preise über dem Niveau liegen ist dies aufgrund der wirtschaftlichen Lage und der Demographie gerechtfertigt (Dombret 2013, S.3; Deutsche Bundesbank 2018). Von den, im Gegensatz zu den Vorjahren, nicht weiter sinkenden Zinsen ist kein zusätzlicher Nachfrageschub ausgegangen. Des Weiteren ist im Jahr 2017 das Angebot an Neubauten relativ erweitert worden, was einen weiteren Indikator für den mäßigen Anstieg darstellt (Deutsche Bundesbank, 2018, S. 53).
2.2.5 Kennzahlen zur Bewertung von Immobilienmärkten
Für die Beurteilung, ob durch den Anstieg der Immobilienpreise Risiken für die Gesamtwirtschaft entstehen und somit die Finanzstabilität in Gefahr ist, hat die Bundesbank einen Satz von Indikatoren entwickelt. Dabei gilt es zu beachten, dass die Vielschichtigkeit des Wohnimmobilienmarktes sich nicht adäquat mit einem einzigen Indikator, der sich universell einsetzen lässt, abbilden lässt. Die Deutsche Bundesbank unterscheidet zwischen Preisindikatoren, finanzwirtschaftlichen und realwirtschaftlichen Indikatoren (Statistisches Bundesamt 2016).
Die folgende Tabelle soll einen Überblick über alle ,nach der Deutschen Bundesbank, relevanten Indikatoren für den deutschen Immobilienmarkt bieten.
Tabelle 1: Indikatoren der Deutschen Bundesbank
Abbildung in dieer Leseprobe nicht enthalten
(Eigene Darstellung in Anlehnung an Statistisches Bundesamt 2016)
Die Tabelle zeigt wie umfangreich die Wahl der Indikatoren der Deutschen Bundesbank ist, um die Entwicklung von Immobilienpreisen beurteilen zu können und eventuelle Maßnahmen einzuleiten. Auf die Preisindikatoren (Spalte 1) soll im Folgenden noch einmal genauer eingegangen werden. Zunächst werden die Preis- und Bewertungsindikatoren vertiefend betrachtet. Im Zuge der Identifikation von Immobilienblasen wird häufig die Kennzahl des Preis-Miete-Verhältnis (Price-Rent-Ratio: PRR) genannt, das zur fundamentalen Bewertung einer Immobilie heran gezogen wird. Für dieses Verhältnis werden die zukünftig diskontierten Zahlungsströme, in diesem Fall die Mieten, durch den Immobilienpreis geteilt. Die zentrale Aussage dieses Maßes ist, dass die Mieten im gleichen Ausmaß wie die Preise einer Immobilie ansteigen sollten, da anderenfalls dies ein Zeichen für eine Preisblase darstellen könnte. Ist der Kaufpreis einer Immobilie zu hoch, entscheiden sich Haushalte eher zu Miete zu wohnen und die Nachfrage sinkt, was einen Abwärtsdruck auf den Preis schafft. Da die zeitgleiche erhöhte Nachfrage nach Mietwohnungen Einfluss auf die Höhe der Mieten hat, gleicht sich langfristig der PRR an, was man auch „mean-reverting“-Prozess bezeichnet (Ahearne et al., 2005, S. 6).
Eine Weiterführung des PRR-Ansatzes für die Bewertung von Immobilienpreisen und für das Aufzeigen der Wechselwirkung zwischen Immobilienmarkt, der Geldpolitik und der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ist das Asset-Pricing-Modell. Dem Asset-Pricing-Ansatz unterliegt mit dem Kauf einer Immobilie ein Strom von Mieteinnahmen. Die zukünftigen Mieteinnahmen werden mit einem bestimmten Satz abdiskontiert, der sich beispielsweise durch einen Kapitalzins zuzüglich einer Risikoprämie abbilden lässt. Im Falle von Wohneigentum werden die gesparten Mieteinahmen abdiskontiert. Die Relation kann wie folgt abgebildet werden:
Dieses Modell zeigt die Relation zwischen Immobilienpreis ( und Miete (, wobei das Verhältnis positiv von der Wachstumsrate der Mieten (g) und negativ vom Diskontierungsfaktor, der sich aus dem Kapitalmarktzins (i) und der Immobilienrisikoprämie (HRP) zusammensetzt, abhängt. Dementsprechend ist die Bewertung wie auch der Preis einer Immobilie höher, falls die Mieteinnahmen hoch und der Kapitalzins für alternative Finanzanlagen niedrig ausfallen. Fallende Zinsen haben den Effekt, dass der Diskontierungsfaktor fällt und der Gegenwartswert steigt (Nastansky, 2017, S.170).
Ein weitere relevante Kennzahl, die häufig zur Bewertung hinzu gezogen wird, ist das Preis-Einkommens-Verhältnis (Price-Income-Ratio: PIR). Es wird wie folgt definiert:
Hierbei wird der durchschnittliche nominale Immobilienpreis ins Verhältnis zum durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommen gesetzt. Es sagt viel über die Affordability aus, sprich das Maß der Erschwinglichkeit vom Erwerb einer Immobilie. Mit steigendem Einkommen steigt die Nachfrage nach Wohnfläche. Falls der Preis im Gegensatz zu seiner finanziellen Leistungsfähigkeit zu stark steigt, bedeutet dies das der PIR steigt. Mit steigendem PIR können sich immer weniger Marktteilnehmer ein Haus leisten und der Preis muss sich nach unten korrigieren.
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- Arbeit zitieren
- Julia Zörrer (Autor:in), 2018, Die Auswirkung der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank auf die Immobilienpreise in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/451253
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