Die Verständigung aller Menschen liegt in der Sprache. Je mehr Menschen man durch sie erreichen kann, desto mehr Erfahrungen lassen sich sammeln. Worte wie diese machen deutlich, was viele schon wissen: das Bestreben mehrere Sprachen zu sprechen, wird in der heutigen postmodernen Gesellschaft immer grundlegender. Der Erwerb dieser Sprachen fällt dabei zunehmend in das Aufgabenfeld der Schule. Antithetisch zu den Unterhaltungsmedien, bildet sie den Ort für das planvolle, gesteuerte Fremdsprachenlernen. Die englische Sprache, als ‚lingua franca‘, dominiert dabei das Geschehen und ist im Aufbau fremdsprachlicher Diskursfähigkeit von zentraler Bedeutung. Nicht nur Wirtschaft und Wissenschaft, sondern auch die Politik versuchen deshalb vermehrt Einfluss auf das Schulgeschehen zu nehmen. Eine der zentralen Ambitionen der letzten Jahrzehnte war es hierbei, den zunehmenden sprachlichen Austausch in Europa voranzutreiben. Durch sprachliches und interkulturelles Lernen versucht man ein tieferes Verständnis für Fremdheit, Differenzen aber auch Gemeinsamkeiten der Kulturen innerhalb Europas zu entwickeln. Ein Ziel der europäischen Sprachpolitik ist hierbei, einen „plurilingualen Europa-Bürger für ein multilinguales und plurikulturelles Europa“ (Thaler, 2012, S.15) zu formen.
Auch der moderne Sport stellt in gewissem Sinne eine Weltsprache dar. Kaum etwas birgt so hohes Potential Menschen miteinander zu verbinden, wie die geteilte Freude am Bewegen. Während des Spielens und innerhalb freudvoller Bewegung kann man die Sorgen und Ängste des Alltages für einen kurzen Moment hinter sich lassen. Diese Spielfreude wird von allen Menschen weltweit, zumindest im Kindesalter, geteilt. Nicht umsonst erkannte schon Friedrich von Schiller (1801/2000, S. 57) den Wert des Spielens mit den Worten: „der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt“. Der Sport und insbesondere das Spielen bieten somit eine einmalige Möglichkeit zur Verständigung und einheitsstiftenden Kommunikation der Menschheit, welche weit über sprachliche, kulturelle oder religiöse Grenzen hinwegreicht.
Auf Grund dieser enorm anmutenden Potentiale stellt sich nun die Frage, ob sich diese beiden Sprachen sogar in einen harmonischen Einklang bringen lassen. Kann deren Zusammenschluss gar gewinnbringend in Schule und Unterricht genutzt werden? Die nun folgende Arbeit sucht und findet Antworten auf diesen Fragen.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Fremdsprachenerwerb
2.1 Spracherwerbstheorien
2.2 Krashens Hypothesen zum Zweitspracherwerb
3 Bildungsstandards, Kompetenzorientierung und die resultierende Umformulierung deutscher Bildungsziele
3.1 Ziele des Sportunterrichts
3.2 Ziele des Englischunterricht
4 Integration der englischen Sprache in den Sportunterricht
4.1 Kompetenzmodell des bilingualen Unterrichts
4.2 Kompetenzmodell des Sportunterrichts
4.3 Das Kompetenzmodell für bilingualen Sportunterricht
5 Erstes Zwischenfazit zur theoretischen Legitimation englischsprachigen Sportunterrichts
6 Analyse der Unterrichtskommunikation
6.1 Organisation des Unterrichts
6.2 Anweisungen,Mitteilungen, Korrekturen
6.3 Die kognitive Phase
6.4 Zweites Zwischenfazit, die Kommunikation im fremdsprachlichen Sportunterricht
7 Die Einführung des Tchoukball als idealer Lerngegenstand
7.1 Sachanalyse
7.2 Verschiedene Betrachtungsweisen des Lerngegenstandes
7.2.1 Didaktische Analyse
7.2.2 Pädagogische Analyse
7.2.3 Methodische Überlegung - Teaching Games for Understanding
8 Planung einer Unterrichtsreihe zum Tchoukball
8.1 Erste Stunde
8.2 Zweite Stunde
8.3 Dritte Stunde
8.4 Vierte Stunde
8.5 Fünfte Stunde
8.6 Sechste Stunde
8.7. Siebte, achte, neunte Stunde
9 Abschließendes Fazit
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Anhang
1 Einleitung
Die Verständigung aller Menschen liegt in der Sprache. Je mehr Menschen man durch sie erreichen kann, desto mehr Erfahrungen lassen sich sammeln. Worte wie diese machen deutlich, was viele schon wissen: das Bestreben mehrere Sprachen zu sprechen, wird in der heutigen postmodernen Gesellschaft immer grundlegender. Der Erwerb dieser Spra- chen fällt dabei zunehmend in das Aufgabenfeld der Schule. Antithetisch zu den Unterhal- tungsmedien, bildet sie den Ort für das planvolle, gesteuerte Fremdsprachenlernen. Die englische Sprache, als ‚lingua franca‘, dominiert dabei das Geschehen und ist im Aufbau fremdsprachlicher Diskursfähigkeit von zentraler Bedeutung. Nicht nur Wirtschaft und Wis- senschaft, sondern auch die Politik versuchen deshalb vermehrt Einfluss auf das Schulge- schehen zu nehmen. Über Lehrpläne, Verordnungen und die Steuerung der Lehrerausbil- dung wirkt beispielsweise die Politik gezielt auf Ziele, Methoden und Inhalte des Unterrichts ein. Eine der zentralen Ambitionen der letzten Jahrzehnte war es hierbei, den zunehmenden sprachlichen Austausch in Europa voranzutreiben. Durch sprachliches und interkulturelles Lernen versucht man ein tieferes Verständnis für Fremdheit, Differenzen aber auch Gemein- samkeiten der Kulturen innerhalb Europas zu entwickeln. Ein Ziel der europäischen Sprach- politik ist hierbei, einen Äpluri-lingualen Europa-Bürger für ein multi-linguales und pluri-kultu- relles Europa“ (Thaler, 2012, S.15) zu formen. In Anbetracht der anhaltenden Flüchtlings- problematik erhalten diese Bestrebungen zusätzliche Gewichtung, soll eine erfolgreiche In- tegration gelingen.
Auch der moderne Sport stellt in gewissem Sinne eine Weltsprache dar. Kaum etwas birgt so hohes Potential Menschen miteinander zu verbinden, wie die geteilte Freude am Bewe- gen. Während des Spielens und innerhalb freudvoller Bewegung kann man die Sorgen und Ängste des Alltages für einen kurzen Moment hinter sich lassen. Diese Spielfreude wird von allen Menschen weltweit, zumindest im Kindesalter, geteilt. Nicht umsonst erkannte schon Friedrich von Schiller (1801/2000, S. 57) den Wert des Spielens mit den Worten: Äder Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt“. Der Sport und insbesondere das Spielen bieten somit eine einmalige Möglichkeit zur Verständigung und einheitsstiftenden Kommunikation der Menschheit, wel- che weit über sprachliche, kulturelle oder religiöse Grenzen hinwegreicht.
Auf Grund dieser enorm anmutenden Potentiale stellt sich nun die Frage, ob sich diese beiden Sprachen sogar in einen harmonischen Einklang bringen lassen. Kann deren Zu- sammenschluss gar gewinnbringend in Schule und Unterricht genutzt werden? Welche Chancen und Grenzen ergeben sich dabei aus der Verbindung einer kognitiv ausgerichteten
Fremdsprache, mit einem vornehmlich affektiv gesteuerten Sportunterricht? Die nun fol- gende Arbeit beschäftigt sich genau mit diesen Fragen, im Rahmen des fremdsprachlichen Sportunterrichts. Hauptziel ist es dabei, herauszufinden ob Sportunterricht, trotz seiner meist handlungsgebundenen Sprechanlässe, ein besonderes Lernpotential in der Verbin- dung mit der englischen Fremdsprache besitzt. Dabei wird untersucht, ob nicht sogar spe- ziell diese Verbindung einen pädagogischen Mehrwert generiert, welcher anderen Fächer- kombinationen verwehrt bleibt.
Wirft man unter dieser Prämisse einen Blick auf den aktuellen Forschungsstand, so lässt sich erkennen, dass eine systematische Darstellung der Verbindung von Englisch- und Sportunterricht bisher kaum vorhanden ist. Eine der wenigen, nennenswerten Ausnahmen bildet die Dissertation der Hamburger Bildungsforscherin Birte Rottmann, auf welche im späteren Verlauf wiederholt Bezug genommen wird. Weitere Forschungsbeiträge zu diesem Thema sind zumeist punktueller Natur und heben vermehrt Einzelaspekte dieser Fächer- verbindung hervor. Der Mangel an umfangreicheren Arbeiten gründet möglicherweise auf der noch vergleichsweise geringen Berücksichtigung des Sports im bilingualen Fächerka- non. Im Rahmen dieser Arbeit soll deshalb zuerst die Verbindung von Sport und Englisch auf theoretischer Ebene legitimiert werden. Als Grundlage dafür dient sowohl die interdis- ziplinäre Untersuchung der Ziele beider Fächer, als auch deren mögliche wissenschaftliche Vernetzung im kompetenzorientierten Unterricht. Darüber hinaus besteht der Forschungs- aspekt dieser Arbeit in der systematischen Prüfung der Sprechanlässe im Sport und deren Nützlichkeit für einen erfolgreichen, fremdsprachlichen Sportunterricht. In diesem Umfang bisher kaum thematisiert, rückt die Untersuchung dabei hauptsächlich die Kommunikations- chancen der Schüler1 in den Fokus und analysiert, insbesondere diese auf ihre Tauglichkeit zur fremdsprachlichen Vermittlung.
Abschließend werden die unternommenen, theoretischen Anstrengungen in eine konkrete Unterrichtsplanung umgemünzt. Inhalt dieser ist die Einführung in das Tchoukballspiel. Die- ses scheint sich, nicht nur auf Grund seiner Unbekanntheit, sondern auch durch den non- violenten und kooperativen Grundgedanken besonders für fremdsprachlichen Sportunter- richt zu eignen.
2 Fremdsprachenerwerb
Um sich der Thematik des fremdsprachlichen Sportunterrichts anzunehmen, ist es eine un- abdingliche Voraussetzung, vorab grundlegende Kenntnisse in der Theorie des Fremd- spracherwerbs zu besitzen. Ein Lehrer muss sich darüber im Klaren sein, wie Schüler über- haupt in der Lage sind, eine weitere Sprache neben ihrer Muttersprache möglichst umfang- reich und anwendbar zu erlernen. So wie die Anatomie und Bewegungswissenschaft für die Unterrichtsplanung des Sportlehrers hohe Relevanz besitzen, sind Kenntnisse über den Spracherwerb für die Unterrichtsgestaltung von Fremdsprachenlehrern von nicht zu unter- schätzender Bedeutung. Der Lernprozess findet dabei vornehmlich durch kognitive Ausei- nandersetzung des Schülers mit der zu erlernenden Sprache statt, beinhaltet aber auch soziale und affektive Faktoren.
Ein in der deutschen Sprache vorherrschendes Phänomen ist die Unterscheidung der Begriffe Zweit- und Fremdsprache. Ähnlich dem Bildungs- und Erziehungsbegriffs, welche einzig im Deutschen unterschieden werden, erhalten Zweit- und Fremdsprache eine genaue Differenzierung in ihrer Begrifflichkeit.
ÄWährend die Zweitsprache prototypisch ungesteuert, also ohne formalen Unterricht in der entsprechenden sprachlichen Umgebung erworben wird, wird die Fremdsprache durch gesteuerten Unterricht in der erstsprachlichen Umgebung erlernt“ (Bickes & Pauli, 2009, S.92).
Am ehesten kann diese Unterscheidung noch mit der Terminologie Krashens in Verbindung gebracht werden, welcher im Englischen zwischen ‚learning‘, als bewusstes Erlernen von Sprache in Unterrichtssituationen und ‚acquisition‘, als informellen, unbewussten Spracher- werb unterscheidet (Klein, 1992, S.31f). Diese Unterscheidungen sind jedoch, ähnlich der von Bildung und Erziehung auf Grund ihrer Interferenz problematisch. Das bedeutet dass es zumindest höchst unwahrscheinlich ist, dass das Eine, isoliert vom Anderen stattfinden kann. Bickes und Pauli (2009, S.93) zweifeln, ob es Äeinen völlig ungesteuerten Spracher- werb tatsächlich gibt“, da selbst der Erstspracherwerb nicht gänzlich ohne Steuerung abläuft und man eine Sprache nicht einfach nebenbei, ohne weitere Hilfe oder eigens initiierte kog- nitive Lernprozesse erlernen kann. Selbst wenn man eine Sprache ohne formalen Unterricht erwirbt, so ist jede Verbesserung durch Muttersprachler, Nachfragen über Vokabeln und Aussprache, jedes benutzen eines Wörterbuches eine bewusste Steuerung des Lernpro- zesses (Bickes & Pauli, 2009, S.93). Der Hauptunterschied der Begriffe Zweitsprache und Fremdsprache liegt schlussendlich wohl eher in der Motivation, welche der Lernende beim Spracherwerb besitzt. Liegt eine immanente Notwendigkeit vor, da der Lerner sich in einem fremden Land befindet und dort niemanden versteht, so wird er die Sprache welche ihn umgibt lernen müssen, um sich zu verständigen. Diese förderliche Motivation entfällt nor- malerweise im gesteuerten Unterricht durch die erstsprachliche Umgebung. Dadurch wird deutlich dass die weiteren Ausführungen sich somit ausschließlich auf den Spracherwerb einer Fremdsprache beziehen werden, da dieser in einem geregelten, planvollen Unterricht erfolgen soll. Ein Ziel des fremdsprachlichen, fächerübergreifenden Unterrichts sollte es deshalb sein, die abhanden gekommene Notwendigkeit des Lernens durch die erstsprach- liche Umgebung künstlich wieder herzustellen. Dies geschieht indem man den Gebrauch der englischen Sprache sozusagen erforderlich macht um ein neues Spiel innerhalb des Sportunterrichts zu erlernen. Wie dies im Detail zu realisieren ist, wird in weiteren Kapiteln umfangreich dargelegt und soll hier nur als kurzer Ausblick dienen.
Auch wenn der Begriff des Fremdsprachenerwerbs nun genauer bestimmt werden konnte, ist dessen Theorie keinesfalls eindeutig oder einfach zu definieren. Es handelt sich hierbei vielmehr um ein breit gefächertes, sich immer noch erweiterndes, zum Teil kontrovers diskutiertes Feld der Sprachwissenschaft. Byram beschreibt es nicht nur inhaltlich sondern auch syntaktisch treffend, wenn er über den Fremdspracherwerb feststellt:
“it encompasses, at the very least, the simultaneous and sequential learning and loss of second (third, fourth, etc.) languages and dialects, by children and adults, with differing motivations, abilities and purposes, as individuals or whole communities, with varying access to the L2, in formal, informal and mixed, foreign, second and Lingua Franca settings” (Byram, 2000, S.528).
Hier wird die enorme Komplexität des Spracherwerbs deutlich, welche sich bis jetzt nur schwer in eine allumfassende Theorie vereinen ließ. Folglich greift man in der aktuellen Forschung auf eine Kombination aus mehreren Theorien zurück. Die Erklärungsmodelle des Spracherwerbs lassen sich in fünf grundlegende Theorien einteilen (Lightbown & Spada, 2006, in Thaler, 2012, S.49). Diese fünf werden, auf Grund ihrer Relevanz für den Fremd- spracherwerb in der Schule im Folgenden prägnant erläutert, und mit jeweils einem, von Thaler gewählten Beispiel aus dem Bereich des Fußballs bildhaft untermauert.
2.1 Spracherwerbstheorien
Im Spracherwerb werden vornehmlich in fünf große, theoretische Strömungen unterschieden. Diese fünf sind der Behaviorismus, der Nativismus, der Kognitiv- und Konstruktivismus und letztlich noch der Interaktionismus.
In der ersten Theorie, dem Behaviorismus, geht man davon aus Äthat most human behaviour is learned through a continual process of responding to stimuli” (Byram, 2000, S.74). Spra- che wird also im Nachahmungsprozess aus der unmittelbaren Umgebung erlernt. Der Lern- prozess wird als Reiz- Reaktionskette angesehen welcher vom Kind durch externe Verstär- kung auf seine Richtigkeit überprüft wird. Die Verstärkung führt dabei zu Gewohnheiten und damit im Spracherwerb zur Entwicklung von gefestigten Sprachmustern. Als Beispiel nennt Thaler hier das ÄBerti-Vogts-Modell: Spielfertigkeit durch permanentes Training, wiederholte Imitation des gleichen Spielzugs und konditionierte Ausbildung von Gewohnheiten“ (Thaler, 2012, S.49).
Die zweite Theorie, welche als Gegenposition des Behaviorismus bezeichnet werden kann, ist der Nativismus. Dieser Ansatz wiederspricht der Idee, dass Sprache nur eine Angewohn- heit sei und löst die Entwicklung des Spracherwerbs von der allgemeinen Entwicklung. Die Annahme ist, dass jedes Kind über ein angeborenes Sprachorgan verfügt, was sich durch die Geschwindigkeit mit welcher Kinder die Erstsprache erlernen, belegen lassen könne. Diese biologische Grundausstattung ist allein dem Menschen vorbehalten (Edmondson, et. al, 2011, S. 91). Chomsky, einer der bedeutendsten Vertreter dieses Ansatzes, bezeichnet diese Befähigung als Älanguage acquisition device (LAD) und später als universal grammar
(UG)“ (Thaler, 2012, S.49). Kommt nun ein Kind mit Sprache in Kontakt so gleicht sie diese mit der angeborenen Universalgrammatik ab und entwickelt seine Sprache gleich der, wel- che ihn umgibt. ÄIm Fussball gibt es nach dem Lionel-Messi-Modell das football acquisition device (FAD) - man hat´s oder man hat´s nicht“ (Thaler, 2012, S.50). Als dritte und vierte Theorie sind der Kognitivismus und der Konstruktivismus zu nennen, wobei Letzterer die Weiterentwicklung des Ersten darstellt. Kognitivistische Ansätze sehen Spracherwerb als Teil des allgemeinen Reifungsprozesses. Angelehnt an Piaget wird ange- nommen, dass jedes Kind eine bestimmte Entwicklung durchläuft und je nach Entwicklungs- stadium somit auch ein gewisses sprachliches Niveau erreicht. Dieses kognitive Voran- schreiten des Kindes findet sowohl durch Assimilation als auch durch Akkommodation und Adaption statt (Edmondson, et. al, 2011, S. 95ff). Der Konstruktivismus betont nun als Wei- terentwicklung vor allem die Individualität des Lerners. ÄLernende setzen sich mit dem sie umgebenden Sprachinput auseinander und analysieren ihn auf der Basis ihres individuellen
Wissens und Könnens (Thaler, 2012, S.50). Lernprozesse sind somit individuell verschieden und entstehen immer an der Grenze von objektiven Sachverhalten beziehungsweise Wissen und der subjektiven Seite der Interpretation des Einzelnen. Sprache ist somit ein subjektives Konstrukt. Auf Grund der Individualität des Einzelnen wird hier auf ein verallgemeinerndes Beispiel verzichtet.
Abschließend ist als fünftes noch der Interaktionismus zu nennen, welcher eine Verbindung der angeborenen Fähigkeiten des Kindes mit den Einflüssen der sprachlichen Umwelt darstellt. Besondere Beachtung kommt hier dem kommunikativen Austausch des Kindes mit seiner Umwelt zu. Der Input muss hierbei kindgerecht gestaltet werden, um somit die persönliche Entwicklung bestmöglich zu fördern. ÄAls Fußball-Äquivalent hierzu ist das Post2006-Deutschland-Modell spielen, spielen, spielen zu nennen - Talent und Training, Inspiration und Perspiration (Thaler, 2012, S.50).
Abschließend ist festzuhalten, dass keine dieser Theorien den Spracherwerb allumfassend beschreiben kann. Kritik wurde vermehrt auch durch empirische Überprüfungen laut, welche den Theorien ihre Mängel aufzeigten und damit zum Weiterdenken provozierten. Somit wird ersichtlich dass jede von ihnen nur einen bestimmten Aspekt des Lernens im Allgemeinen und dem Spracherwerb im Speziellen erläutert.
2.2 Krashens Hypothesen zum Zweitspracherwerb
Die im vorigen Abschnitt erläuterten Theorien wurden sowohl zur Erläuterung des Erst- als auch des Fremdsprachenerwerbs angewendet. Da beide Erwerbszyklen aber unter wesent- lich verschiedenen Bedingungen stattfinden, muss es folglich auch Unterschiede in deren Verlauf geben.
Ein Konzept was diese Unterschiede zum Vorschein bringt, da es sich ausschließlich auf den Erwerb einer weiteren Sprache neben der Muttersprache konzentriert, sind ÄKrashen´s five hypotheses of second language aquisition“ (Thaler, 2012, S.51)
Wie der Name verrät, handelt es sich hierbei um fünf Hypothesen zum Fremdsprachener- werb. Eine dieser Thesen, die acquisition/learning hypothesis wurde schon in den Erläute- rungen der Unterschiede von Sprachlernen und Spracherwerb dargelegt. Komprimiert for- muliert Krashen in dieser These: Ä[A]dults have two distinctive ways of developing compe- tences in second languages … acquisition, that is, by using language for real communication … and learning … ‘knowing about’ language (Krashen & Terrell, 1983, S.26).
In dem im weiteren Verlauf angeführten Modell werden die vier weiteren Thesen des Fremd- sprachenerwerbs deutlich. Zum einen geht Krashen bei der acquisition von einer natürlichen Reihenfolge aus, welche dem Erwerb der Fremdsprache zu Grunde liegt. Er nennt dies ‚natural order hypothesis‘. Dies wird durch den Verlauf von Input zu Output innerhalb des Modells, welcher durch Pfeile gekennzeichnet wird, deutlich. Für das Lernen einer fremden Sprache sollte man diese natürliche Anordnung, welche laut Krashen voraussehbar ist (Thaler, 2012, S.51) anerkennen und sie sich zu Nutze machen.
Wie in der Abbildung 1 erkennbar, wird jeder Sprachlernprozess durch den Input initiiert. Krashens Äinput hypothesis“ zufolge muss der zur Verfügung gestellte Input vornehmlich für den Lerner verständlich sein, um einen Lernfortschritt zu ermöglichen. Am effektivsten wird Lernen dabei durch Äsecond language input which is one step beyond their current stage of linguistic competence: i + 1“ (Krashen, 1985, S.2). Die Verständlichkeit kann durch eigenes Handeln und Ausprobieren maßgeblich erleichtert werden. Eine Fremdsprache zu nutzen um ein neues Spiel zu erlernen zielt dabei genau auf diese Handlungskompetenz der Schü- ler ab.
Dieser Input, welcher leicht über dem eigentlichen Sprachniveau der Schüler liegen sollte, muss nun noch durch den “affective filter” gelangen. Dieser Filter beschreibt affektive Fak- toren welche sich hinderlich auf einen erfolgreichen Fremdspracherwerb auswirken können. ÄIf the filter is ‘up‘, comprehensible input cannot get through; if it is ‘down’, they can make effective use of it” (Cook, 1993, S. 54). Dieser Filter kann durch eine angenehme Lernat- mosphäre ohne Angst, dafür mit Selbstvertrauen der Sprecher und hoher Motivation gemin- dert, und der Lernerfolg dadurch gesteigert werden. Ziel des Fremdsprachunterrichts sollte es also folglich sein, die negativen affektiven Faktoren so niedrig wie möglich zu halten. Dies wird in der Ausarbeitung der Unterrichtssequenz im Verlauf der Arbeit später noch Beachtung finden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1. Eigene Darstellung, Krashens Hypothesen zum Erwerb einer Fremdsprache nach Cook (1993, S.54)
Durch den Filter hindurch gelangt der Input darauf in den Language Acquisition Device, der im Folgenden mit LAD abgekürzt wird. Dieser LAD beruht, wie schon beschrieben auf der nativistischen Idee. Er stellt die angeborene Sprachlernfähigkeit des menschlichen Gehirns dar. Im Gegensatz zum Erstspracherwerb, bei welchem der LAD alles in sich aufsaugt, wird beim Fremdspracherwerb nur das aufgenommen, was nicht schon vorher gefiltert wurde. Somit ist der Input beim Fremdspracherwerb automatisch niedriger und dadurch zeitauf- wendiger. Innerhalb dieses Language Acquisition Device bilden sich auch vornehmlich grammatische Strukturen. Es reicht also nicht Grammatik mit allen Regeln zu lernen, wenn deren Struktur noch nicht im LAD verankert ist. Erst wenn Regeln fest im LAD integriert wurden, kann man sie auf natürliche Weise ohne Überwachungsprozesse nutzen. Dies gilt es bei der Planung von Unterrichtseinheiten für die jeweiligen Klassenstufen zu beachten. Die letzte Hypothese ist nun an das erworbene Wissen und den damit verlautbaren Output gebunden. Es handelt sich dabei um den Monitor, der beide Prozesse überwacht, wie eben- falls in der Grafik dargestellt. In der Ämonitor hypothesis“ wird davon ausgegangen dass Lerner einen inneren Monitor nutzen, um ihre sprachliche Darbietung zu steuern. ÄThe lan- guage monitor is a planning, correcting and editing device that acts as quality control if there is sufficient time or the need to render error-free language“(Thaler, 2012, S.51). Dies ist einer der Hauptunterschiede zum Erstspracherwerb. Regeln werden hier nicht nur durch natürliche Vorgänge innerhalb des LAD gebildet, sondern die richtige Grammatik und Syn- tax der neuen Sprache sind durch externe, gelernte Gesetzmäßigkeiten vorgegeben. Der Monitor besteht also aus gelernten Besonderheiten der Fremdsprache und kontrolliert das, was aus dem LAD als Wissen kommt, auf seine Richtigkeit. In dieser Hypothese liegt der Fokus deutlich auf der Form des Outputs und weniger auf dem Inhalt. Damit der Monitor jedoch nicht zu stark auf die Schüler einwirkt und diese sich dann nicht trauen die Sprache einzusetzen, sollte vor allem in natürlichen Erwerbssituationen eine höhere Fehlertoleranz gelten. Diese Toleranz fördert die sprachliche Produktion und damit auch die Partizipation am Unterricht.
Natürlich ist dieses Modell zum Fremdspracherwerb nicht frei von Kritik und empirischen Ungereimtheiten geblieben. Dennoch stellt es den bis heute aktuellen Stand der englischen Fachdidaktik zum Spracherwerb dar. Der Vollständigkeit halber sollen hier jedoch auch ab- weichende Theorien kurze Erwähnung finden. Dies sind die Identitätshypothese und die Kontrastivhypothese. Erstere will keinen Einfluss der Erst- auf die Zweitsprache erkennen, während letztere einen sehr starken Einfluss der Erstsprache auf den Fremdspracherwerb konstatiert (Klein, 1992, S.23ff).
3 Bildungsstandards, Kompetenzorientierung und die resultierende Umformulierung deutscher Bildungsziele
Das deutsche Bildungssystem befindet sich im Wandel. Der sogenannte Pisa-Schock wirkt in Deutschland immer noch nach und führt dazu, dass Unterrichtsziele allmählich durch Standards ersetzt werden. Dabei waren die sogenannten Bildungsstandards in Deutschland lange kein Thema. Sie wurden erst, als Reaktion auf den 2000 durchgeführten Pisa-Test, 2003/2004 durch die Kultusministerkonferenz (KMK) verbindlich beschlossen. Zuvor herrschte in Deutschland eine Input- und Prozessorientierung. Hier standen vor allem zu erlernende Inhalte als Ziele im Vordergrund. Auch die Lehrpläne präzisierten eher fachliche Themenbereiche, weniger jedoch die dadurch erwerbbaren Kompetenzen. Da so kaum er- sichtlich wurde, wie erfolgreich das deutsche Bildungssystem den Schüler eigentlich bilde, führte das ernüchternde Pisa-Ergebnis zu dem oben angeführten Schock. Deutschland ver- sank in Sachen Bildung in der Mittelmäßigkeit. Ein solch schlechtes Abschneiden kann sich ein rohstoffarmes Land wie dieses jedoch nicht leisten, wenn es weiterhin wirtschaftlich er- folgreich sein möchte. Und so ist man in Deutschland, vor allem in Mathematik und anderen naturwissenschaftlichen Fächern, welche für die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes von größter Bedeutung sind Ädarauf angewiesen, dass man in die Spitzengruppe der inter- nationalen Vergleiche kommt“ (Weinert, 2000, S.2). Dies stellt einen Hauptgrund für die Bil- dungsreform dar.
Ein weiterer Grund für die Entwicklung der Bildungsstandards ist dem Wandel zu einer post- modernen Gesellschaft geschuldet. Innerhalb einer Generation kommt es heutzutage zu schier unzähligen technischen und wissenschaftlichen Neuerungen. Es reicht nicht mehr aus, dass man das, was man in der Schule lernt, einfach durch praktische Erfahrung in Leben und Beruf komplettiert und sich damit sein restliches Leben damit zurecht findet. Sol- che Bildungsbiographien werden mehr und mehr zur Ausnahme. ÄDamit besteht die Not- wendigkeit, dass Schulen nicht nur Inhalte vermitteln, die man später braucht, sondern dass sie Voraussetzungen schaffen, mit deren Hilfe man später neues erwerben kann“ (Weinert, 2000, S.1). Ziel der Schule muss es also sein, Schülern nicht nur Wissen zu vermitteln, sondern ihnen Fähigkeiten und Kompetenzen an die Hand zu geben, durch welche sie selbstständig ihre Kenntnisse stetig erweitern können. Weinert (2000, S.1) nennt dies ein Äpermanentes Bildungs-Erneuerungsmodell“. Dies stellt auch eines der grundlegenden Bil- dungsziele der hier vorgestellten fächerübergreifenden Unterrichtssequenz dar. Die Schüler sollen erkennen, dass sie Englisch nicht nur lernen um dafür gute Noten zu bekommen oder im Ausland nach dem Weg fragen zu können. Vielmehr dient die englische Sprache hier als ein neues Medium, um sich die Welt anzueignen. Sie sollen erkennen, dass sie auf Grund ihrer Sprachkenntnisse für sie neue, interessante Dinge (in diesem konkreten Fall ein neues Sportspiel) erlernen können. Erschließen sie sich eine Sprache, so können sie sich auch deren ganze Kultur, mit all ihren Besonderheiten, wie Literatur, Medien, Sport, Mitmenschen und ähnlichen nach und nach erschließen. Da Englisch sowohl im wissenschaftlichen Dis- kurs als auch in Unterhaltungsmedien als Lingua franca herausgebildet hat, ist gerade das variable Anwenden dieser Sprache für Beruf und Freizeit von besonderer Bedeutung. Diese Erkenntnis der Schüler, welche Weinert als ÄErwerb von anwendungsfähige[m] Wissen“ (Weinert, 2000, S.6) bezeichnet, ist eines der fundamentalsten Bildungsziele der Schule. Erreicht wird es vor allem über Projektunterricht und situationsspezifisches Lernen. Schüler sollen vor sinnvolle, komplexe und transdisziplinäre Probleme gestellt werden, damit sie lernen ihr Wissen für unterschiedliche Anwendungssituationen zu nutzen. Dies lässt eine ÄVerbindung der Eigengesetzlichkeit des Wissens mit der Eigengesetzlichkeit der Anwen- dungssituation“ (Weinert, 2000, S.7) entstehen, welche auch im Unterrichtsprojekt dieser Arbeit angestrebt wird.
Nachdem nun zum einen eines der allgemein angestrebten Ziele dieser Arbeit benannt und zum anderen der Wandel des Schulsystems hin zu den Bildungsstandards erläutert wurde, bleibt nun noch zu klären, wie sich diese neuen Standards auf die Ausrichtung der einzelnen Fächer auswirken. Dazu ist eine Begriffserklärung von Bildungsstandards unerlässlich. Es ist ersichtlich, dass Bildungsstandards auf Grund ihrer Kompetenzorientierung und Über- prüfung Output-orientiert sind, da sie so die höchste Steuerungsrelevanz besitzen. Das heißt, nicht der Inhalt, sondern das Resultat steht im Vordergrund. Es geht vor allem darum, welche Kompetenzen Schüler zu einem bestimmten Zeitpunkt erworben haben sollen. So soll die Qualität des Bildungssystem festgestellt, erhöht und gefestigt werden. Vornehmlich liegt der Fokus also auf überprüfbaren, reproduzierbaren Kompetenzen. In den ersten Beschlüssen der Konferenz der Kultusminister der Länder werden die Bildungsstandards wie folgt beschrieben: Sie Äformulieren Anforderungen an das Lehren und Lernen in der Schule. Sie benennen Ziele für die pädagogische Arbeit, ausgedrückt als erwünschte Lernergebnisse der Schülerinnen und Schüler. Damit konkretisieren Standards den Bildungsauftrag, den all- gemein bildende Schulen zu erfüllen haben (…) Die Bildungsstandards legen fest, wel- che Kompetenzen die Kinder oder Jugendlichen bis zu einer bestimmten Jahrgangsstufe erworben haben sollen. Die Kompetenzen werden so konkret beschrieben, dass sie in Aufgabenstellungen umgesetzt und prinzipiell mit Hilfe von Testverfahren erfasst werden können“ (Klieme et. al, 2007, S.19) Es ist deutlich ein normativer Charakter zu erkennen. ÄIndem Bildungsstandards fachspezifische Ziele definieren, machen sie transparent, worauf es im Unterricht ankommen soll“ (Köller, 2009, S.545). Somit grenzen sie sich deutlich von Lehrplänen ab, welche zumeist eher konkrete Unterrichtsinhalte präzisieren. Bildungsstandards geben zentrale Ziele und Kompetenzen vor, die durch den Unterricht erlernt werden sollen.
Im Oktober 2007 verabschiedete die KMK einen weiteren Beschluss, in welchem die Bil- dungsstandards nun auch auf die gymnasiale Oberstufe erweitert werden sollten. Dabei legte man sich konkret auf 7 Fächer fest, in welchen in absehbarer Zeit neue Standards, also Zielkompetenzen verbindlich gemacht werden sollten. Englisch ist eins dieser Fächer, Sport jedoch nicht. Die Beschränkung auf die sieben Fächer Deutsch, Englisch, Franzö- sisch, Mathematik, Biologie, Chemie und Physik, stieß auf vermehrte Kritik. Benner et.al. äußerten den Vorwurf, dass diese sieben Äzu ‚Kernfächern‘ geadelt, auf der anderen Seite Fächer, die nicht in den Katalog der Kernfächer aufgenommen wurden, zu randständigen, unwichtigen, weichen oder auch ‚unnützen‘ Fächern abgestuft [wurden]“ (Benner, 2007, S.141). Folgerichtig entschieden sich Fachverbände und Fachdidaktiker dieser nicht be- rücksichtigten Fächer eigene Bildungsstandards zu erarbeiten. Dies änderte auch den Auf- bau des Faches Sport, da es noch keinen allgemeinen Konsens darüber gibt, ob man sich nun weiterhin an den inhaltlichen, etablierten Zielen orientieren soll, oder sich in die Kom- petenzorientierung eingliedert. Eine Beleuchtung dieser Problematik und die Erläuterung der allgemeinen Ziele des aktuellen Sportunterrichts, vor allem jene die für diese Arbeit von hoher Relevanz sind, ist Inhalt des nächsten Kapitels.
3.1 Ziele des Sportunterrichts
Gleich der allgemeinen Debatte, wurden auch im Fach Sport zum Teil große Bedenken ge- genüber den Bildungsstandards geäußert. Es bestünden Konstruktions-, Legitimations- und Reduktionsprobleme. Aschebrock und Stibbe (2013, S.71) stellen fest, dass zum Teil diffuse Kompetenzbegriffe erstellt werden, welche Äweder erziehungs- und bildungstheoretisch ausgewiesen“ noch Ädidaktisch legitimiert sind“. Vor allem Reduktion auf überprüfbare Kern- kompetenzen sieht die Fachdidaktik Sport eher als ÄEinengung des mehrperspektivisch an- gelegten pädagogischen Zielspektrums“ (u.a. Franke, 2008; Kurz, 2008; Stibbe, 2010; Thiele, 2007 in Aschebrock & Stibbe, 2013, S.69). Schulsport ist mehr als Sportabzeichen- prüfungen und motorische Fertigkeitstests und darf somit trotz Kompetenzorientierung nicht Ävom pädagogischen Gesamtkonzept eines erziehenden Schulsports“ (Aschebrock & Stibbe, 2013, S.71) abrücken.
Um diesen Gefahren der didaktischen Reduktion und dem Verkommen von Bildung zu re- produzierbarem Output entgegenzuwirken, legte die Expertengruppe der Kultusministerkon- ferenz fest, dass die Einführung der Bildungsstandards kein Ersatz der allgemeinen Bil- dungsziele darstellen soll. Aus der Definition Klieme et al., auf deren Ideengrundlage die Bildungsstandards in Deutschland formuliert und implementiert wurden, geht hervor: ÄBil- dungsstandards orientieren sich an Bildungszielen, denen schulisches Lernen folgen soll, und setzen diese in konkrete Anforderungen um“ (Klieme et. al, 2003, 20). Somit wird in der Definition schon deutlich, dass die bildungstheoretisch begründeten Ziele des Sportunter- richts nicht an Wert verlieren, sondern durch konkrete Kompetenzanforderungen erweitert werden. Oder allgemein von Artelt (2004) festgestellt, Ädie funktionale Aufgabe von Bil- dungsstandards und die Ziele einer zeitgemäßen Allgemeinbildung stehen dabei nicht im Widerspruch zu einander - sie ergänzen sich vielmehr“.
Da also nun festgestellt wurde, dass trotz Kompetenzorientierung die Bildungsziele für den heutigen Sportunterricht weiterhin hohe Relevanz besitzen, gilt es nun zuerst einmal die konkreten Bildungsziele des im späteren Verlauf vorgestellten Tchoukballunterrichts her- auszuarbeiten. Da es im wissenschaftlichen Diskurs unzählige Grob- und Fein-, Nah- und Fern- und andere Ziele gibt, bedarf es zunächst einer grundsätzlichen Klarstellung auf wel- che Ziele des Sportunterrichts sich dieses Projekt bezieht. Als Grundlage dienen hierfür sowohl die Sportdidaktik Bräutigams (2015) als auch Lange & Sinnings (2009), welche sich beide unter anderem auf die pädagogischen Perspektiven von Kurz (1990, S.85ff) stützen. Kurz unterscheidet in seiner Sportdidaktik sechs Perspektiven, von denen zwei für das Er- lernen eines neuen Sportspieles durch Verwendung einer Fremdsprache besonders pas- send erscheinen. Eine dieser Perspektiven beinhaltet Äkooperieren, wettkämpfen und sich verständigen“ (Lange, 2009, S.41). Ziele sind hierbei Ädie Bereitschaft und Fähigkeit, sich zu verständigen, Regeln zu befolgen und diese zu verändern“(Bräutigam, 2015, S.130). Dies soll Äam Beispiel konkreter Probleme und in zunehmender Selbstständigkeit und Ei- genverantwortung“(Bräutigam, 2015, S.130) geschehen. Die Erarbeitung eines noch unbe- kannten Mannschaftsspiels in Eigenregie trifft dieses Ziel vollkommen und wird durch die Notwendigkeit der Verständigung in der Fremdsprache sogar noch verstärkt. Durch die Ar- beitsteilung innerhalb des Projektes sind die Schüler dazu angehalten miteinander zu ko- operieren, um gemeinsames Spielen zu initiieren. Der für die Kooperation unerlässliche An- teil der Kommunikation kommt hierbei nicht nur dem sozialen Wert, sondern vor allem auch der zu verwendenden Fremdsprache zugute.
Eine weitere Perspektive, welche ein erreichbares Ziel für das Erlernen des Tchoukballs beinhaltet, ist ÄWahrnehmungsfähigkeit verbessern, Bewegungserfahrungen erweitern“ (Lange, 2009, S.41). Der Fokus liegt hier hauptsächlich auf der Erweiterung der Bewe- gungserfahrungen. Tchoukball, mit seiner eigenen Regelhaftigkeit, seinem schnellen Um- schaltspiel, den besonderen Geräten und den variierenden Wurfanforderungen, bietet die Möglichkeit zu mannigfaltigen, neuen Bewegungserfahrungen. Es ist nicht nur ein moto- risch, sondern auch kognitiv anspruchsvolles Mannschaftsspiel und hat somit das Potential, das Bewegungskönnen zu verfeinern sowie positive Emotionen durch die neuen, sportli- chen Abläufe zu evozieren. Neue Bewegungsabläufe und sinnliche Erfahrungen Ätragen dazu bei, die Freude an der Bewegung zu entwickeln und zu erhalten“ (Bräutigam, 2015, S.129). Die Idee ist es nun ebendiese Freude auf das Fremdsprachenlernen überzuleiten. Der Spaß am Sport soll die entstandenen positiven Emotionen auf den Gebrauch der eng- lischen Sprache übertragen. Damit sollen die oben angeführten Faktoren gegenüber der Fremdsprache, welche den von Krashen beschriebenen affective filter negativ beeinflussen, reduziert und der natürliche Spracherwerb zumindest teilweise ermöglicht werden.
3.2 Ziele des Englischunterricht
Anders als im Fach Sport, gibt es im Fach Englisch im Moment keine Vermischung oder Kompromisslösungen in Sachen Zielen und Bildungsstandards. Englisch als Fremdsprache unterliegt der Kompetenzorientierung. Ein Beweis hierfür sind die Lehrpläne der einzelnen Bundesländer, welche im Fach Englisch weitgehend auf den nationalen Bildungsstandards beruhen (Thaler, 2012, S.23). So auch im Lehrplan für das Gymnasium in Bayern. Das Fachprofil des Englischunterrichts in Bayern nennt unter der Überschrift ÄZiele und Inhalte“, konkrete Fähigkeiten, welche Schüler während ihrer Schulzeit erwerben sollen. Drei dieser grundlegenden Ziele sind dabei in besonderem Maße für das Projekt dieser Arbeit bedeut- sam.
Zum einen das Ziel der kommunikativen Kompetenz. Dies ist eines der Hauptziele des Eng- lischunterrichts und unabdinglich für das notwendige, permanente Bildungserneuerungsmo- dell der postmodernen Gesellschaft. Bestmöglich erworben wird es, laut bayrischen Lehr- plan wie folgt: ÄIn einem praxis- und anwendungsorientierten Englischunterricht erwerben die Schüler die nötige Kommunikative Kompetenz, um vielfältige mündliche und schriftliche Kommunikationssituationen in Studium, Beruf und Privatleben sicher und flexibel zu bewäl- tigen.“ Dies steht im Einklang mit den Zielen des Projekts, welches auf Praxis- und Anwen- dungsorientierung beruht und versucht natürliche Kommunikationssituationen entstehen zu lassen.
Ein weiteres Ziel, welches durch Kommunikation und Auseinandersetzung mit Sprache er- reicht werden soll, ist der ÄErwerb eines umfangreichen und differenzierten Wortschatzes“. Dieser soll anwendungsbezogen erworben werden und neben Vokabeln vor allem auf der besonderen Berücksichtigung von Kollokationen und idiomatischen Wendungen fußen. So- mit wird der Spracherwerb natürlicher und der Idee nach auch alltagstauglicher. Der zu er- lernende Wortschatz des Tschoukballprojekts soll diese Kriterien so weit wie möglich erfül- len.
Neben den beschriebenen, kognitiven Zielen finden auch affektive Ziele ihren Weg in den bayrischen Lehrplan. Eines dieser Ziele ist die Ausdrucksfreude in der Fremdsprache, die es unbedingt zu fördern gilt. ÄDurch eine Vielfalt von Themen, Situationen und Sprechanläs- sen soll der Englischunterricht den Schülern Gelegenheit bieten, sich möglichst unbefangen in der Fremdsprache zu äußern“. Um Freude beim Lernen und Sprechen zu kreieren, sind Äeine methodisch vielfältige und schülerzentrierte Unterrichtsgestaltung, die den Mitteilungs- bedürfnissen der Schüler entgegenkommt und sie die Anwendung des Englischen als sinn- und bedeutungsvoll erfahren lässt“, besonders geeignet. Dieses Ziel ist nicht nur deckungs- gleich mit dem angestrebten Ziel des Projekts, es legitimiert es viel mehr. Wie schon bei den Zielen des Sportunterrichts von Kurz und Lange erläutert, ist das Projekt auch dazu da, negativ affektive Faktoren des Spracherwerbs, den affective filter also, so durchlässig wie nur möglich werden zu lassen.
4 Integration der englischen Sprache in den Sportunterricht
Nachdem nun sowohl die Lernziele des Sports als auch die relevanten Kompetenzen des Englischunterrichts vorgestellt wurden, gilt es nun noch herauszufinden, ob sich diese über- haupt in konkreten Unterrichtssituationen umsetzen lassen. Können beide Zieldimensionen integriert werden, oder kommt es nur zu nacheinander folgenden, isolierten Lernprozessen der einzelnen Fächer? Um diese Frage positiv beantworten zu können, muss ein Kompe- tenzmodell als Planungsgrundlage verwendet werden, welches fremdsprachliches und fachliches Lernen verknüpft und gleichzeitig auch die entstehende Mehrdimensionalität von Kompetenzen durch die verschiedenen Anforderungsbereiche der Fächer illustriert. Ein sol- ches Modell wurde 2006 von Birte Rottmann in ihrer Veröffentlichung ÄSport auf Englisch“ entwickelt.
In ihrem Werk weist sie vorab auf die Gefahr hin, welche die Kombination eines Sach- faches wie Sport und einer Fremdsprache mit sich bringt. Die Gefahr hierbei ist die reine Operationalisierung eines Faches um die Ziele des anderen zu erreichen. Der eine Pol wäre hierbei das ÄFremdsprachenlernen mit Hilfe eines Sachfaches“. Auch wenn dies viele Vor- teile bringt, wie zum Beispiel der Abbau selektiver Faktoren, den Aufbau einer authentischen Lernumgebung etc., darf dabei nicht der Lernanspruch des Sachfaches verloren gehen. Das Lernen im Medium einer Fremdsprache ist somit nur akzeptabel, wenn es keine signifikan- ten Einbußen im sachfachlichen Lernen nach sich zieht. Der Gegenpol dazu ist der ÄSach- fachunterricht im Medium einer Fremdsprache“. Auch hier gibt es zunächst Vorteile zu nen- nen, beispielsweise den rein quantitativ gesteigerten Input, welchen die Schüler in der Fremdsprache erhalten, oder die Aneignung sprachlicher Regeln durch den bereits be- schriebenen Vorgang der aquisition. Jedoch ist die Verbesserung der Fremdsprachenkennt- nis im Sachunterricht nur möglich, wenn dieser das überhaupt zulässt. Der Unterricht muss methodisch so aufgebaut sein dass er ausreichend Sprachanlässe bietet, möglichst hand- lungsorientiert ist und durch adäquate Sozialformen alle Schüler involviert. Man sollte also stets bemüht sein beiden dieser Pole gerecht zu werden und idealerweise diese miteinander zu verbinden. Um eine solche Verbindung bemüht sich Rottmann, indem sie zwei Kompe- tenzmodelle zusammenführt und daraus ein Kompetenzmodell des bilingualen Sportunter- richts kreiert. Für das Fach Sport stellt das Modell in diesem Bereich eines der sehr wenigen, ausführlich erarbeiteten und empirisch überprüften Modelle dar und bedarf nicht nur deshalb besonderer Beachtung, bevor man mit der Planung des fächerübergreifenden Unterrichts beginnt.
4.1 Kompetenzmodell des bilingualen Unterrichts
Das Modell gründet sich, wie angesprochen auf zwei eigenständigen Modellen. Eines davon ist das des bilingualen Unterrichts nach Bonnet, Breidbach und Hallet (2003). Dies stellt eine Besonderheit dar, da es kein Konzept für eine Fremdsprache oder gar des Englischunter- richts per se ist, sondern schon von einem Äallgemein bilingual-didaktischen Blickwinkel aus“(Rottmann, 2006, S.70) entwickelt wurde. Hierbei werden die Dimensionen des bilingualen Kompetenzerwerbs eher verallgemeinernd angesprochen, um eine hohe Übertragbarkeit für möglichst viele Sachfächer zu gewährleisten. Wie in Abbildung 2 erkenn- bar, werden insgesamt vier Dimensionen genannt: die konzeptuale Dimension, die reflexive Dimension, die methodische Dimension und die sprachliche Dimension.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2. Eigene Darstellung, Die vier Dimensionen des Kompetenzerwerbs im bilingualen Sachfachunterricht nach Bonnet/Breidbach/Hallet (2003: 176f)
- Die konzeptuale Dimension beinhaltet zum einen Ädas Auseinandersetzen mit fach- spezifischen Konzepten, Modellen und Begriffen im Rahmen des Erwerbs fachbezo- gener Handlungsfähigkeit.“ Durch das Unterrichten in einer Fremdsprache kommen weiterhin aber auch deren Modelle, Methoden und Begriffe hinzu. Dies führt zu Dif- ferenzen im kognitiven System der Schüler, welche erkannt und positiv verwertet werden müssen. Die Schüler sollen erkennen dass diese fachlichen und sprachlichen Konzepte Konstrukte sind, welche einer bestimmten Kulturalität unterliegen. Dies soll
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1 Aus Gründen der Lesbarkeit werden alle generischen Maskulina (wie beispielsweise Schüler, Lehrer und Spieler) in dieser Arbeit als geschlechtsunspezifische Allgemeinbegriffe verwendet.
- Citar trabajo
- Marcus Wenzel (Autor), 2015, Sportunterricht auf Englisch. Chancen und Probleme und eine exemplarische Unterrichtskonzeption zum Thema Tchoukball, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/450714
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