In der Arbeit über Bewältigung der zeit-räumlichen Transzendenz durch Kommunikation geht es um die Veranschaulichung der Konstitution sozialer Wirklichkeit, bzw. darum, wie der Mensch diese wahrnimmt und in seinem Alltag bewältigt. Er stößt bei der Wahrnehmung von Wirklichkeitsebenen an Grenzen. Wie diese überwunden werden, bildet sozusagen den Hauptaspekt der folgenden Ausführungen. Im Wesentlichen liegt hier die Theorie der Lebenswelt von Alfred Schütz zu Grunde.
Schütz stützt sich bei der Aufstellung seiner Theorie zunächst auf Max Webers „Konzept der sozialen Wirklichkeit als einer sozio-kulturellen Realität“ (vgl. Srubar in Schlüsselwerke der Soziologie, S. 439) Auch die Ausführungen Henrie Bergsons über die Zeitphilosophie beeinflussen Schütz sehr. Den wichtigsten Einfluss stellt jedoch die philosophische Phänomenologie Edmund Husserls dar. Bezüglich der Entwicklung seiner eigenständigen „Theorie der interaktiv-kommunikativen Konstitution sozialer Wirklichkeit“ (vgl. Schlüsselwerke, S. 439), baut Schütz kritisch auf die Sinnstruktur der Lebenswelt Husserls auf.
Hauptaugenmerk dieser Arbeit konkret auf den Grenzerfahrungen des Menschen innerhalb seiner sozialen Wirklichkeit und darauf, wie dieser im Alltag jene Grenzerfahrungen – auch Transzendenzen genannt - wahrnimmt und überwindet. Laut Schütz ist eine der wichtigsten Grunderfahrungen im Leben eines Menschen, dass er feststellen muss, dass die Welt ihn sowohl als Ganzes als auch in ihren Segmenten transzendiert. Diese Segmente bezeichnet Schütz auch als „geschlossene Sinnsysteme der Lebenswelt“. Durch „Handeln“ - oder wie später gezeigt wird, durch Kommunikation - ist der Mensch in der Lage diese Transzendenzen zu überwinden. Welche Prozesse in diesem Funktionsgefüge genau ablaufen und welche Erklärungen Schütz hierfür liefert, wird im Folgenden erläutert.
Inhaltsverzeichnis:
1. Einleitung
2. Das Schütz’sche Alltagsverständnis im Kontext seiner Theorie der Lebenswelt
2.1 Das Alltagswissen als intersubjektive und vergesellschaftete Basis aller sozialen Interaktionen
2.1.1 Die Reziprozität der Perspektiven
2.1.2 Der soziale Ursprung des Wissens
2.1.3 Die soziale Verteilung des Wissens
2.2 Das Handeln als entscheidendes Element der Konstitution sozialer Wirklichkeit
2.2.1 Entstehung sinnhafter Orientierung menschlichen Handelns
2.2.2 Das Fremdverstehen
2.3 Strukturelle Gliederung der Sozialwelt
3. Ausdifferenzierung der Lebenswelt in sich transzendierende Sinnbereiche
3.1 Die verschiedenen geschlossenen Sinnsysteme
3.2 Konstitution der unterschiedlichen Wirklichkeitsebenen
4. Überwindung der Transzendenzen durch Kommunikation
4.1 Appräsentationssysteme
4.2 Die Grenzen der alltäglichen Wirklichkeit und ihre Überwindung
4.2.1 Die kleinen Transzendenzen und ihre Überwindung
4.2.2 Die mittleren Transzendenzen und ihre Überwindung
4.2.3 Die großen Transzendenzen und ihre Überwindung
5. Die Sinnklammerfunktion der appräsentativen Systeme
5.1 Sprache als kommunikatives Mittel sowohl in den alltäglichen als auch in den transzendierenden Wirklichkeiten
5.2 Kommunikation als appräsentative Sinnklammer der Lebenswelt
6. Zusammenfassung und Ausblick
7. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
In dieser Arbeit soll es um die Veranschaulichung der Konstitution sozialer Wirklichkeit gehen, bzw. wie der Mensch diese wahrnimmt. Der Mensch stößt bei der Wahrnehmung von Wirklichkeitsebenen stößt dabei an Grenzen. Wie er diese versucht zu überwinden bildet den Hauptaspekt dieser Ausführungen. Im Wesentlichen liegt hier die Theorie der Lebenswelt von Alfred Schütz zu Grunde.
Schütz wiederum lehnt sich bei der Aufstellung seiner Theorie an Max Webers „Konzept der sozialen Wirklichkeit als einer sozio-kulturellen Realität“ (vgl. Srubar in Schlüsselwerke der Soziologie, S. 439), sowie an die Zeitphilosophie von Henri Bergson an. Den wichtigsten Einfluss auf Schütz hat jedoch die philosophische Phänomenologie von Edmund Husserl. Bezüglich der Entwicklung seiner eigenständigen „Theorie der interaktiv-kommunikativen Konstitution sozialer Wirklichkeit“ (vgl. Schlüsselwerke, S. 439), baut Schütz kritisch auf die Sinnstruktur der Lebenswelt Husserls auf.
Hauptaugenmerk dieser Arbeit soll jedoch auf den Grenzerfahrungen für den Menschen innerhalb seiner sozialen Wirklichkeit liegen und weiter, wie dieser im Alltag jene Grenzerfahrungen – auch Transzendenzen genannt - wahrnimmt und sie überwindet. Eine der Grunderfahrungen des Menschen in seinem Leben ist nach Alfred Schütz, dass die Welt ihn sowohl als Ganzes als auch in Segmenten transzendiert. Diese Segmente bezeichnet Schütz auch als „geschlossene Sinnsysteme der Lebenswelt“. Durch „Handeln“ - oder wie später gezeigt werden soll, durch Kommunikation - ist der Mensch in der Lage diese Transzendenzen zu überwinden. Was Alfred Schütz genau unter „Handlungen“ versteht soll anschließend erläutert werden.
2. Das Schütz’sche Alltagsverständnis im Kontext seiner Theorie der Lebenswelt
2.1 Das Alltagswissen als intersubjektive und vergesellschaftete Basis aller sozialen Interaktionen
Im Umgang mit Dingen oder auch in der Interaktion mit Mitmenschen lernt der Mensch die Welt zu erfassen und auch zu verstehen. Er begreift, dass die Welt vor ihm schon existiert hat und dass sie auch nach ihm weiter existieren wird. Wenn man so will wird der Mensch sich seiner zeitlichen Endlichkeit bewusst.
„Jede Interpretation dieser Welt gründet sich auf einem Vorrat eigener oder uns von Eltern oder Lehrern vermittelter früherer Welterfahrungen, die in der Weise unseres „verfügbaren Wissens“ ein Bezugsschema bilden.“ (Schütz, Alfred. Gesammelte Aufsätze, Bd.1 S. 8)
Aufgrund dieses Wissens sind wir in der Lage gewisse Erfahrungen, die wir entweder selbst schon erlebt haben, oder auch nur aus Überlieferungen her kennen, in gewisse Typen zu unterteilen und auf diese verschiedenen Typen jeweils zu reagieren. Schütz übernimmt hier Husserls Ansatz der „apperzeptiven Übertragung: [Übertragung einer bestimmten erfahrenen Eigenschaft] auf jeden anderen ähnlichen Gegenstand, der nur dann als Typ wahrgenommen wird.“ (vgl. Schütz, GA, Bd.1, S. 9) Dabei muss man keineswegs immer nur den Typus hinter einer bestimmten Erfahrung sehen. Man steht sozusagen immer vor der Entscheidung, welche Aspekte der alltäglichen Eindrücke man für sich interessant und relevant findet. Jeder Mensch befindet sich laut Schütz in einer jeweils ganz spezifischen biographischen Situation,
„d.h. in einer von ihm definierten natürlichen und sozio-kulturellen Umwelt, in der er eine […] Stellung nicht nur im Rahmen des physischen Raums und der kosmischen Zeit, […] sondern auch eine moralische und ideologische Position“ hat . (vgl. Schütz, GA, Bd.1, S. 10)
Dieses Relevanzsystem bestimmt somit die Auswahl an erfahrbaren Möglichkeiten in der Reichweite eines Menschen, die er wahrnimmt und auf welche er dann durch eigene Konstruktionen auch reagieren kann. Das Alltagswissen, als soziale Grundlage dieses Relevanzsystems hat somit intersubjektiven und vergesellschafteten Charakter. Schütz hebt drei Aspekte des Problems der Sozialisierung des Wissens hervor, die hier auch kurz eingeführt werden sollen.
2.1.1 Die Reziprozität der Perspektiven
Die strukturelle Sozialisierung des Wissens basiert laut Schütz auf der Generalthese der Reziprozität der Perspektiven. Diese erklärt die Überwindung der Differenzen individueller Perspektiven durch zwei grundlegende Idealisierungen:
Die Idealisierung der Vertauschbarkeit der Standorte meint, dass man den Ort eines Mitmenschen durch „Tausch“ zu seinem machen kann und somit die Welt durch seine Augen sieht. Obwohl das objektiv nicht möglich ist, genügt die bloße Annahme schon, um sich in die räumliche Situation des anderen hineinversetzen zu können und dadurch diese Differenz zwischen zwei Individuen für den alltäglichen Gebrauch zu beseitigen.
Die Idealisierung der Kongruenz der Relevanzsysteme besagt, dass trotz der objektiv unterschiedlichen biographischen Situationen zweier Individuen, und die damit verbundenen unterschiedlichen Relevanzsysteme, nimmt man, ähnlich wie oben schon beschrieben, an, dass diese „Verschiedenheit der Perspektiven […] für die momentanen Absichten eines jeden von uns irrelevant ist.“ (vgl. Schütz, GA, Bd. 1, S. 13)
Nochmals zusammengefasst bedeutet die Reziprozität der Perspektiven folglich, dass trotz unterschiedlicher biographischer Situationen zweier Individuen, im Alltag davon ausgegangen wird, dass man die gleichen Perspektiven und Relevanzsysteme teilt. Vorausgesetzt man befindet sich in derselben Gesellschaft. Je weiter zwei Individuen von einander entfernt sind, sowohl räumlich als auch zeitlich wird ihr gemeinsames soziales Wissen ebenfalls weniger. Es gibt somit soziales Wissen, dass tatsächlich für alle Menschen gilt und es gibt Wissen, dass gesellschaftsspezifisch speziell ausgeprägt ist.
2.1.2 Der soziale Ursprung des Wissens
Der soziale Ursprung des Wissens bildet den zweiten Aspekt des Problems der Sozialisierung des Wissens. Der größte Teil des individuellen Wissens von der Welt stammt nicht aus eigenen Erfahrungen, sondern aus der Gesellschaft von der man von Beginn an umgeben ist.
„man lehrt mich auch, typische Konstruktionen in Übereinstimmung mit dem Relevanzsystem zu formen, das von dem anonymen, gemeinsamen Standpunkt der Eigengruppe übernommen wird.“ (Schütz, GA, Bd. 1, S.15)
Man wird unterrichtet in seiner kulturellen Umwelt zurechtzukommen. Nach Schütz ist dabei das typisierendeste Medium die Alltagssprache mit ihrem Wortschatz und ihrer Syntax.
„Die vorwissenschaftliche Umgangsprache kann als eine Schatzkammer vorgefertigter verfügbarer Typen und Eigenschaften verstanden werden, die sozial abgeleitet sind und einen offenen Horizont unaufgeklärter Inhalte mit sich tragen.“ (ebenda, S. 16)
Doch auf die Funktion der Sprache kommen wir später nochmals genauer.
2.1.3 Soziale Verteilung des Wissens
Als letzen Aspekt des Problems der Sozialisierung des Wissens wird die soziale Verteilung des Wissens angeführt. Mit Hilfe der Reziprozität der Perspektiven überwindet das Individuum zwar die Schwierigkeit, dass sein tatsächliches Wissen vom anderen Individuum nur als potentiell wahrgenommen werden kann, jedoch wenn es gerade um die tatsächlichen Wissensanteile jeden Individuums geht, kann sie uns nicht weiterhelfen . „Jedes Wissen hat vielfältige Grade der Klarheit, Unterscheidbarkeit, Genauigkeit du Vertrautheit.“ (vgl. Schütz, GA , Bd.1, S. 16) Der verfügbare Wissensvorrat ist individuell in verschiedene Zonen, z.B. der Klarheit oder der Vertrautheit strukturiert. Daher gibt es auch ein gesellschaftlich akzeptiertes Gefälle vom Experten bis hin zum Laien.
Doch diese Strukturierung der Gesellschaft soll uns hier nicht weiter interessieren. Wir gehen tatsächlich vom Alltagswissen als Basis gesellschaftlicher Interaktionen aus und untersuchen im Folgenden wie diese Interaktionen konstruiert sind.
2.2 Das Handeln als entscheidendes Element der Konstitution sozialer Wirklichkeit
In seiner Analyse des Sinnhaften Aufbaus der sozialen Wirklichkeit erklärt Schütz in drei Schritten, wie die Konstitution sozialer Wirklichkeit durch den Menschen von Statten gehen soll. Den ersten Schritt haben wir im Kapitel vorher bereits vorweg genommen, nämlich wie ein gemeinsames, intersubjektive gültiges Wissen von der Welt entsteht. (vgl. Schlüsselwerke, S. 440) Die beiden weiteren Punkte, wie die sinnhafte Orientierung menschlichen Handelns entsteht und wie Fremdverstehen möglich ist, soll im folgenden Abschnitt gezeigt werden.
2.2.1 Entstehung sinnhafter Orientierung menschlichen Handelns
Bei der Untersuchung der Entstehung sinnhafter Orientierung menschlichen Handelns lehnt sich Alfred Schütz, wie bereits in der Einleitung erwähnt, an das Postulat Max Webers an, der Handeln als „menschliches Verhalten […] [bezeichnet], wenn und insofern als der oder die Handelnden mit ihm einen subjektiven Sinn verbinden.“ (vgl. Schütz, Der sinnhafte Aufbau, S. 24) Weber sagt jedoch bei der Ausarbeitung seines Postulates nichts über das subjektive, noch über das soziale Zustandekommen dieses Sinnes aus. Genau da setzt Alfred Schütz seine Kritik an. Sein Begriff des Handelns soll „menschliches Verhalten bezeichnen, dass vom Handelnden im voraus geplant ist, also auf einen vorgefaßten Entwurf gegründetes Verhalten.“ (vgl. Schütz, GA, Bd.1, S.22) Die daraus resultierende Handlung definiert Schütz als das Ergebnis des ablaufenden Vorgangs, also als abgeschlossenes Handeln. Der Entwurf einer Handlung besteht aus einem zukünftig in der Phantasie bereits abgeschlossenen Vorgang, der sich im Idealfall dann auch genau so in die Realität umsetzen lässt. Da es sich im Alltag meistens um typisierte Handlungen dreht, kann man sagen, dass sich gewisse Handlungen immer und immer wiederholen, jedoch trotzdem nie wirklich identisch sind. Aus jeder abgeschlossenen Handlung „lernt“ man und es bleibt entweder eine positive oder eine negative Erinnerung zurück – je nachdem ob sich der Entwurf 1:1 umsetzen ließ, also erfolgreich war, oder ob die Handlung anders ablief. „Somit wird das „wiederholte“ Handeln etwas anderes sein als eine bloße Repetition.“ (vgl. Schütz, GA, Bd.1, S. 23) Der Mensch wird, sobald eine Handlung abgeschlossen ist, um diese eine Erfahrung reicher und kann in Kombination mit seinem vergesellschafteten Alltagswissen feststellen, ob diese Handlung für ihn sinnvoll war oder nicht. Dabei ist es unwesentlich, ob die Handlung tatsächlich stattgefunden hat, oder nicht, denn selbst aus Nichthandeln resultiert für das Individuum eine gemachte Erfahrung. Dies wiederum hat dementsprechende Auswirkungen auf zukünftige Handlungen dieses Individuums. Diese Tatsache führt uns direkt zu der Frage nach der Motivation zu handeln, bzw. diese zu entwerfen. Nach Schütz gibt es zwei Arten von Motiven. Das Um-Zu-Motiv und das Weil-Motiv. Das Um-Zu-Motiv bezeichnet „den Zustand, den Zweck der durch dieses Handeln hervorgebracht werden soll“. (vgl. Schütz, GA, Bd.1, S. 24). Es ist somit vom Standpunkt des Handelnden in die Zukunft gerichtet. Wogegen das Weil-Motiv rückwirkend auf „seine vergangenen Erfahrungen“ (vgl. Schütz, GA, Bd.1, S. 25) verweist. In diesem Fall handelt der Handelnde nicht mehr, sondern er wird zumindest im Nachhinein zum Beobachter seiner selbst und kann so durch das Handeln die Sinnfrage desselben kritisch beurteilen.
„Der endgültige Handlungssinn ergibt sich aus dem Erfahrungskontext, in dem die Handlung erscheint, nachdem sie beendet wurde.“ (vgl. Schlüsselwerke, S. 440)
Nachdem Schütz nun das Zustandekommen des subjektiven und sozialen Sinns der Handlungen dargelegt hat - genau das was er an der Theorie Webers vermisst - findet er nun in der Phänomenologie Husserls den entscheidenden Zugang um mit Hilfe seiner vorgezeichneten „Problematik der Konstitution von Lebenswelt als einer intersubjektiv sinnhaften Welt,“ (vgl. Schlüsselwerke, S. 440) die Konstitution sozialer Wirklichkeit zu erfassen. Jedoch läuft der Mechanismus der Konstitution nicht unbedingt nur in der transzendentalen Bewusstseinsebene des Handelnden ab, sondern es ist vielmehr mit deren Handlungen direkt verknüpft.
„Will man den Prozess begreifen, in dem Menschen die soziale Wirklichkeit als eine für sie sinnvolle hervorbringen, darf man nicht bei der Untersuchung der Bewusstseinsaktestehen bleiben [wie es in Edmund Husserls Theorie de Fall ist], sondern muss auch die Handlungsakte in die Untersuchung des Konstitutionsprozesses einbeziehen.“ (vgl. Schlüsselwerke, S. 439)
Auf der Alltagsebene läuft nach Schütz der Prozess der Wirklichkeitskonstitution innerhalb der „mundanen Sozialität“ – also im Bereich der in „naiv-natürlicher Einstellung handelnden Menschen“ (vgl. Schlüsselwerke, S. 440) ab.
2.2.2 Das Fremdverstehen
Nachdem nun also der Prozess der sinnhaften Orientierung menschlichen Handelns im Alltag erläutert wurde, bleibt noch die Frage offen, in wie weit es möglich ist, den Anderen - den Fremden - zu verstehen und mit ihm zu interagieren. Die Erfahrungs- und Handlungs-schemata, die oben beschrieben wurden sind subjektiv. Die Motivation zu bestimmten Handlungsentwürfen und späteren Handlungen entsteht durch die subjektiven Erfahrungsschemata jedes einzelnen Individuums. Im Alltag basiert sämtliche Interaktion, bzw. Kommunikation auf der Annahme, der Andere versteht was ich will und reagiert dementsprechend. Ähnlich wie bei der Reziprozität der Perspektiven (vgl. 2.1) verhält es sich in diesem Falle auch. „Ich nehme mit meinem verfügbaren Wissensvorrat an, dass er von denselben Motivtypen geleitet wird, die mich und viele andere früher in typische ähnlichen Umständen auch geleitet haben.“ (vgl. Schütz, GA, Bd.1, S. 26) Schütz nennt dieses Phänomen die Idealisierung der Reziprozität der Motive. Die Deutung meines subjektiven Sinns für den Mitmensch ist jedoch nur möglich, „indem die einen gegebenen Handlungsablauf bestimmenden Motive enthüllt werden.“ (vgl. Schütz, GA, Bd.1, S. 28) Da man als Alter Ego nur immer einen Teil des Gesamtentwurfs von Ego mitbekommt, ist man darauf angewiesen, den Rest des Entwurfs des Anderen über den Schluss zu eigenen, subjektiven Erfahrungsschemata zu erschließen. Dadurch, dass die alltäglichen Verhaltensmuster in der Regel kulturell typisiert sind, ist dies auch möglich. In diesem Zusammenhang spricht Schütz von Begriffen wie ‚soziale Rolle’, ‚soziale Funktion’ oder ‚institutionalisiertes Verhalten’. Dabei gilt:
„Je institutionalisierter und standardisierter ein solches Verhaltensmuster ist, je stärker es also in sozial anerkannten Weisen typisiert ist, wie in Gesetzen, Regeln, Vorschriften, Sitten, Gewohnheiten etc., um so größer ist die Chance, dass mein eigenes selbsttypisierendes Verhalten den beabsichtigten Zustand hervorbringen wird.“ (vgl. Schütz, GA, Bd.1, S. 29)
Der beabsichtigte Zustand meint die soziale Genese der intersubjektiven Handlungs- und Erfahrungsschemata, wodurch Fremdverstehen zumindest im mundanen oder alltäglichen Bereich möglich wird.
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- Arbeit zitieren
- Oliver Schill (Autor:in), 2005, Bewältigung der zeit-räumlichen Transzendenz durch Kommunikation - die Konstitution und Wahrnehmung sozialer Wirklichkeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/45068
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