Der französische Philosoph, Ethnologe und Soziologe Pierre Bourdieu (1930-2002) zählt zu den einflussreichsten Sozialwissenschaftlern und politisch engagierten Denkern des 20. Jahrhunderts. Entsprechend der interdisziplinären Ausrichtung seiner Arbeit erfährt sein Werk über die Grenzen der Soziologie hinaus eine breite Rezeption, so etwa in den Wirtschafts-, Bildungs- oder Kulturwissenschaften. Dabei wird häufig auf Bourdieus Begriffsinstrumentarium Bezug genommen, das nicht auf eine endgültige Definition hin angelegt, sondern in erster Linie an praktischen Anforderungen orientiert ist. Bei der Begriffsbildung steht für Bourdieu also weniger ein geschlossenes theoretisches Konzept im Vordergrund, als vielmehr die Anwendbarkeit eines Begriffs in konkreten empirischen Studien. Von besonderer Popularität ist sein Habitusbegriff, den er im Rahmen seiner Untersuchungen der sozialen Praxis entwickelt, um ihn etwa zur Erklärung der Genese von Praxisformen heranzuziehen.
Wenn in der vorliegenden Hausarbeit der Begriff des Habitus näher untersucht wird, soll dies im Hinblick auf eine, vor allem in der deutschen Rezeption, verbreitete Kritik geschehen, wonach Bourdieus Ansatz eine Tendenz zum Determinismus aufweist. In diesem Sinne wird im Folgenden die Frage nach der Vereinbarkeit von Habitus und Freiheit leitend sein: Wie weitreichend sind die determinierenden Eigenschaften des Habitus für das Denken und Handeln der Individuen? Welches Freiheitsverständnis liegt dem Habituskonzept zugrunde? Hierzu werden zwei Schriften Bourdieus herangezogen, in denen er den Begriff des Habitus systematisch entwickelt: zum einen sein Nachwort zu Erwin Panofskys Untersuchung "Gothic Architecture and Scholasticism", das 1970 in deutscher Sprache unter dem Titel „Der Habitus als Vermittlung zwischen Struktur und Praxis“ erschien, zum anderen sein erstmals 1980 in Paris veröffentlichtes Werk "Sozialer Sinn. Kritik der theoretischen Vernunft".
Nach einem kurzen Exkurs zur aristotelisch-scholastischen Begriffstradition werden zunächst Funktion und Wirkweise des Habitus in Bourdieus Sozialtheorie dargelegt. Dabei möchte ich zeigen, dass die unbewusste Dimension des Habitus für das Problem des Determinismus von Bedeutung ist, so dass sich die kritische Diskussion insbesondere auf diesen Aspekt konzentrieren wird. Vor diesem Hintergrund gilt es schließlich, Bourdieus Freiheitsverständnis zu erörtern, um zu prüfen, mit welchem Freiheitsbegriff sein Habituskonzept zu vereinbaren ist.
Inhalt
1 Einleitung
2 Zum Begriff des Habitus
2.1 Die philosophische Tradition des Habitusbegriffs
2.2 Bourdieus Rückgriff auf Erwin Panofskys Konzept der „mental habits“
3 Bourdieus soziologische Konzeption des Habitus
3.1 Der Habitus als vermittelnde Kategorie
3.2 Der Habitus als Praxis generierendes Prinzip
3.3 Die unbewusste Dimension des Habitus
4 Die Frage der Vereinbarkeit von Habitus und Freiheit
4.1 Die deterministische Seite des Habitus
4.2 Die „bedingte Freiheit“ des Habitus
5 Resümee
Literaturverzeichnis
Primärliteratur
Sekundärliteratur
- Quote paper
- Sarah David (Author), 2015, Habitus und Freiheit. Eine kritische Betrachtung des Habitusbegriffs nach Bourdieu, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/450093
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