Kinder wachsen heutzutage in einer Gesellschaft auf, in der sich Medien enorm schnell ausbreiten und weiterentwickeln. Neben dem Fernsehen und Computer bestimmt das Aufkommen zahlreicher anderer elektronischer Medien den Alltag der Menschen und somit immer auch das Leben der Kinder. Durch diese mündlichen und visuellen Kommunikationsformen könnte man den Eindruck bekommen, dass das geschriebene Wort und die altbewährte Kulturtechnik Lesen zunehmend an Bedeutung verlieren oder sogar verdrängt werden.
Aber ist das wirklich der Fall?
Es ist nicht abzustreiten, dass das Printmedium Buch unter der Konkurrenz der neuen Medien leidet. Falsch ist es aber, diese deshalb völlig abzuwerten. Das Lesen ist nicht nur immer noch von sehr großer Bedeutung, sondern wird durch die modernen Kommunikationsformen, wie beispielsweise durch das Internet, in besonderer Weise gefordert.
Um der zunehmenden Gefährdung des Lesens entgegenzuwirken, ist es sinnvoll, sich nicht nur auf Ziele und Aufgaben der Schule zu beschränken, sondern konkrete Handlungs- und Motivationsformen herauszufinden, die bei den Leseinteressen der Kinder und Jugendlichen ansetzen und das Lesen fördern können.
Im ersten Teil werde ich darauf eingehen, was sich hinter dem häufig verwendeten Begriff „Lesekompetenz“ verbirgt und wie sich diese Kompetenz auf verschiedenen Ebenen entwickelt. Daraufhin erläutere ich den Aspekt, wie und wo sich diese mentalen Prozesse abspielen, aus denen wesentliche Leistungsunterschiede resultieren.
Durch die Vergleichsstudien PISA, IGLU und VERA sind einige Mängel des deutschen Bildungssystems (insbesondere in der Lesekompetenz) ins Licht der Öffentlichkeit gerückt und vielerseits diskutiert worden. Ich skizziere die daraus resultierenden Konsequenzen für den Deutschunterricht, für die Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte, die Schul- und Hochschulentwicklung, sowie für außerschulische Einflussfaktoren, bei denen die Leseförderung im Vordergrund steht.
Um die lesefördernden Gesichtspunkte der Märchen aufzuzeigen, habe ich mit einigen Drittklässlern anhand von zwei Märchen Leseübungen durchgeführt. Nach einer kurzen Beschreibung zeige ich den Verlauf der Untersuchung auf, in der ich das Lesen der Kinder gleichzeitig näher analysiere und auswerte. Die Ergebnisse der Untersuchung fasse ich daraufhin in einer kurzen Schlussfolgerung zusammen.
0 Einleitung
Kinder wachsen heutzutage in einer Gesellschaft auf, in der sich Medien wahnsinnig schnell ausbreiten und weiterentwickeln. Neben dem Fernsehen und Computer bestimmt das Aufkommen zahlreicher anderer elektronischer Medien den Alltag der Menschen und somit immer auch das Leben der Kinder. Durch diese mündlichen und visuellen Kommunikationsformen könnte man den Eindruck bekommen, dass das geschriebene Wort und die altbewährte Kulturtechnik Lesen zunehmend an Bedeutung verlieren oder sogar verdrängt werden.
Aber ist das wirklich der Fall?
Es ist nicht abzustreiten, dass das Printmedium Buch unter der Konkurrenz der neuen Medien leidet. Falsch ist es aber, diese deshalb völlig abzuwerten. Das Lesen ist nicht nur immer noch von sehr großer Bedeutung, sondern wird durch die modernen Kommunikationsformen, wie beispielsweise durch das Internet, in besonderer Weise gefordert. Sowohl Informationsrecherche als auch das sogenannte „Chatten“ im Internet sind beispielsweise ohne ausreichende Kompetenzen im Lesen und Schreiben nicht denkbar.
Insgesamt ist die Lesekompetenz durch die neueren medialen Entwicklungen keineswegs überflüssig geworden. Sie sollte allerdings nicht isoliert von der Medienkompetenz, sondern eher als ein Teil von ihr gesehen werden. Lesekompetenz ist also weiterhin eine Schlüsselqualifikation, von deren Beherrschung der Mensch bei der Nutzung anderer Medien profitiert.
Prägnante Qualifikationen wie Abstraktionsvermögen, Entscheidungsfähigkeit und geistige Beweglichkeit nehmen in der Arbeitswelt der Zukunft an Bedeutung zu. Diese Qualifikationen bilden sich mit der Entwicklung von Lesekompetenz und Sprachvermögen heraus, die sich während bestimmter Phasen in der Kindheit vollzieht. Die Grundlagen der Lesepraxis müssen dabei bis zum Alter von 13 bis 14 Jahren vorhanden sein, um überhaupt ein erfolgreiches lebenslanges Lernen zu gewährleisten. Durch das Lesen bildet sich ein mentales Wissensgerüst, in das neue Informationen eingeordnet und in ihnen verarbeitet werden können.
Es kann also gesagt werden, dass das Lesen die Bildungs- und Lebenschancen eines jeden Menschen bestimmt und somit die Förderung von Lesekompetenz einen großen Stellenwert haben sollte.
Um der zunehmenden Gefährdung des Lesens entgegenzuwirken, ist es sinnvoll, sich nicht nur auf Ziele und Aufgaben der Schule zu beschränken, sondern konkrete Handlungs- und Motivationsformen herauszufinden, die bei den Leseinteressen der Kinder und Jugendlichen ansetzen und das Lesen fördern können.
Dazu muss eine Textauswahl getroffen werden, die den Kindern durch verschiedenste Merkmale einen erfolgreichen Verstehensprozess ermöglicht. Eine solche Umsetzungsform in der Grundschule ist die Leseförderung durch Märchen, mit der ich mich in dieser Arbeit beschäftigen werde.
Dazu möchte ich zunächst kurz meine inhaltliche Vorgehensweise erläutern:
Im ersten Teil werde ich darauf eingehen, was sich hinter dem häufig verwendeten Begriff „Lesekompetenz“ verbirgt und wie sich diese Kompetenz auf verschiedenen Ebenen entwickelt. Daraufhin erläutere ich den Aspekt, wie unterschiedlich sich diese mentalen Prozesse abspielen, aus denen die wesentlichen Leistungsunterschiede zwischen guten und schwächeren Lesern resultieren. Zusätzlich zeige ich die Bedeutung von sozialen und personalen Einflussfaktoren auf die Lesekompetenz auf.
Um die Aktualität der Leseförderung aufzuzeigen, erläutere ich die exemplarischen Ergebnisse aus den Vergleichsstudien PISA, IGLU und VERA. Durch diese sind einige Mängel des deutschen Bildungssystems, die sich insbesondere in der Lesekompetenz deutscher Schüler(innen) widerspiegeln, ins Licht der Öffentlichkeit gerückt und vielerseits diskutiert worden. Daraufhin skizziere ich die daraus resultierenden Konsequenzen für den Deutschunterricht, für die Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte, die Schul- und Hochschulentwicklung, sowie für außerschulische Einflussfaktoren, bei denen die Leseförderung im Vordergrund steht.
Nach den theoretischen Grundlagen und den Bezügen zur Aktualität gehe ich in den folgenden beiden Teilen verstärkt auf unterrichtsnahe Aspekte ein. Es gibt zahlreiche Wege, die Lesekompetenz der Kinder im Umgang mit Literatur zu fördern. Um in die von mir gewählte Möglichkeit der Leseförderung durch Märchen einzuführen, erläutere ich im zweiten Teil zunächst allgemeine Aspekte, indem ich auf Grundlagenwissen und stilistische Merkmale der Märchen eingehe. Danach beschäftige ich mich mit dem wesentlichen Aspekt, warum Märchen das Lesen der Kinder fördern können und gehe auf die Wirkung der Märchen auf Kinder und die fördernden Merkmale ein. Dementsprechend erläutere ich Möglichkeiten der produktiven Umsetzung von Märchen im Grundschulunterricht.
Um die lesefördernden Gesichtspunkte der Märchen in der Praxis aufzuzeigen, habe ich mit einigen Drittklässlern anhand von zwei Märchen Leseübungen durchgeführt, auf die ich im dritten Teil meiner Arbeit näher eingehen werde. Nach einer Beschreibung der Untersuchung, in der ich meine Auswahl der Schüler(innen), die Textauswahl und die der zusammengestellten Übungen erkläre, zeige ich den Verlauf der Untersuchung auf, in der ich das Lesen der Kinder gleichzeitig näher analysiere und auswerte. Die Ergebnisse der Untersuchung fasse ich daraufhin in einer kurzen Schlussfolgerung zusammen.
Um meine Arbeit inhaltlich abzurunden, ende ich mit einem Fazit, indem ich meinen allgemeinen Eindruck über das Thema und den Verlauf der Examensarbeit erläutere.
1 Lesekompetenz
Bevor ich mich mit dem Aspekt der Leseförderung beschäftige, möchte ich zunächst erläutern, was sich hinter dem Begriff Lesekompetenz verbirgt und auf welchen Ebenen sie sich mental abspielt. Aus den daraufhin aufgeführten Ergebnissen einiger Vergleichsstudien zur Lesekompetenz ergibt sich die Leseförderung als notwendige Konsequenz.
1.1 Begriffsbestimmung
Die Definition von Lesekompetenz unterliegt starken Veränderungen, die im Zusammenhang zur gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung stehen. Sie darf deshalb nicht als starres Konzept, sondern sollte vielmehr als dynamisches, sich ständig veränderndes Konzept gesehen werden (Kirsch u.a. 2003, S.15). Dies beinhaltet, dass Lesekompetenz nicht mehr als eine nur in den ersten Schuljahren erworbene Fähigkeit, sondern vielmehr als ein „Repertoire an Kenntnissen, Fähigkeiten und Strategien, das der Einzelne sein ganzes Leben hindurch in verschiedenen Situationen […] auf- und ausbaut“ betrachtet werden sollte (zitiert nach: ebd., S.27).
Im Rahmen der PISA- Studie, auf die ich später näher eingehen werde, wurde Lesekompetenz folgendermaßen definiert:
„Lesekompetenz ist die Fähigkeit, geschriebene Texte zu verstehen, zu nutzen und über sie zu reflektieren, um eigene Ziele zu erreichen, das eigene Wissen und Potential weiterzuentwickeln und aktiv am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.“
(z.B.: Kirsch u.a. 2003, S.28)
Überträgt man dies auf die Fähigkeiten, die ein kompetenter Leser demzufolge besitzen sollte, steht zunächst das Herausfiltern derjenigen Informationen aus dem Text, die den Leser in seinem jeweiligen Lesebedürfnis befriedigen. Dazu muss er in der Lage sein, „textverstehende[n] Operationen“ (v.d. Kammer 2004, S.322) durchzuführen, die es ihm ermöglichen, die entsprechenden Informationen zu gewinnen. Dem Leser muss bewusst sein, dass Texte einen Symbolcharakter besitzen und dargestellte nicht mit realen Sachverhalten verwechselt werden dürfen. Zudem ist ein Verständnis dafür notwendig, dass Texte immer auch implizite Wertungen in unterschiedlichem Ausmaß enthalten können. Der kompetente Leser sollte außerdem in der Lage sein, Texte bezüglich ihrer Qualität bewerten zu können (ebd., S.323).
Lesekompetenz geht also in ihrem Umfang über das Entschlüsseln der Buchstaben eines Textes hinaus. Sie bezieht sich auf das Verstehen schriftlicher Texte, die sowohl graphemische als auch graphische Informationen, wie beispielsweise Diagramme, Bilder oder Tabellen, beinhalten können (Schiefele u.a. 2004, S. 63). Dabei impliziert sie die Fähigkeit, Schriftliches für unterschiedlichste Zwecke zu nutzen, sowohl im Hinblick auf den öffentlichen als auch auf den privaten Bereich. Durch die Lesekompetenz wird der Mensch in die Lage versetzt, seine eigenen Vorstellungen und Ziele im beruflichen und privaten Leben zu verwirklichen. Schließlich gilt die Schriftsprache als bedeutsame Komponente bei der Entwicklung der Persönlichkeit, die maßgeblich die Eingliederung einer Person in die Gesellschaft mitbestimmt (ebd., S.13).
Wie sich Lesekompetenz entwickelt bzw. auf welchen Ebenen sie sich mental abspielt, bleibt im Folgenden zu klären.
1.2 Die Ebenen der Lesekompetenz
Während des Leseprozesses vollziehen sich Prozesse auf verschiedenen Ebenen, vom bloßen Erkennen der Buchstaben und Wörter bis hin zur syntaktischen und semantischen Analyse des Textes. Dabei unterscheiden sich die Theorien in der Ansicht über das Zusammenspiel dieser Ebenen. Während die modularen Theorien annehmen, dass die Prozesse unabhängig voneinander arbeiten und nacheinander einsetzen, geht der interaktiv- konnektionistische Ansatz davon aus, dass die Ebenen parallel oder zeitlich überlappend ablaufen. Die empirische Forschung spricht derzeit eher für den letztgenannten Modelltyp.
Ich beziehe mich in meinen Ausführungen auf das interaktionistische Modell von Dijk und Kintsch (Richter/Christmann in: Groeben/Hurrelmann 2002, S.28-34), die im Wesentlichen fünf Teilprozesse auf hierarchieniedriger und hierarchiehoher Ebene unterscheiden.
1.2.1 Hierarchieniedrige Prozesse
Auf der untersten Stufe steht die Identifikation von Buchstaben und Wörtern als visueller Verarbeitungsvorgang. Es wird vermutet, dass keine konkreten Buchstaben, sondern vielmehr „abstrakte Buchstabeneinheiten“ (ebd., S.29) zur Identifikation verarbeitet werden. Während des natürlichen Leseprozesses werden die Wörter nicht isoliert voneinander wahrgenommen, sondern stets in ihrem sprachlichen Kontext verarbeitet. Um komplexere Sätze zu verstehen reicht die Identifikation der Wörter nicht aus. Teilweise tritt zu der semantischen Analyse des Satzes eine syntaktische Analyse. Dies ist allerdings nur der Fall, wenn eine erste Analyse der semantischen Wortabfolge gescheitert ist.
Um eine zusammenhängende Textrepräsentation aufzubauen, müssen semantische Relationen zwischen den Sätzen gezogen werden, die sowohl auf dem Text als auch auf dem individuellen Vorwissen basieren können. Im Text können Koreferenzen, wie Wiederholungen und Pronomina, als Hilfestellungen dienen, um Sätze mental schneller miteinander zu verknüpfen.
Eine weitere Möglichkeit zur inhaltlichen Verbindung von Sätzen besteht in der Thema-Rhema-Strategie, die besagt, dass neue Textinformationen (Rhema) an bereits im Arbeitsgedächtnis gespeicherte Informationen angebunden werden. Das Lesen wird also erleichtert, wenn das Thema beibehalten oder der Wechsel zu einem anderen Thema eindeutig markiert wird.
1.2.2 Hierarchiehohe Prozesse
Im Gegensatz zu den hauptsächlich automatisiert ablaufenden Prozessen auf hierarchieniedriger Ebene, steht bei den höheren Prozessen das strategisch-zielbezogene Lesen im Vordergrund.
Um beim Lesen komplexerer Texte ein zusammenhängendes Textverständnis, die so genannte „globale Kohärenz“ (ebd., S.31), aufzubauen, werden übergeordnete Makrostrukturen gebildet. Sie entstehen während des Lesens, indem durch bestimmte Regeln, wie dem Auslassen oder der Generalisierung, die Mikropositionen zu Makropositionen verdichtet werden. Solche Makrostrukturen sind ein wesentlicher Bestandteil beim Verstehensvorgang und werden weitaus besser behalten als die Mikropositionen. Die Bildung der Makrostrukturen kann durch den Text erleichtert werden, indem Signale an der Textoberfläche gegeben werden, wie beispielsweise einführende Sätze, Erläuterungen oder Vergleiche (ebd., S.32).
Über den Makropositionen stehen sogenannte Superstrukturen, durch die die Texte global in ein abstraktes Schema eingeordnet werden. In diesen Schemata sind konventionalisierte Strukturen von bekannten Textsorten gespeichert. Durch die Superstrukturen geht der Leser mit gewissen Erwartungen an den Text heran, wodurch auch die Bildung der Makrostrukturen stark beeinflusst wird. Die Textverarbeitung wird dementsprechend erschwert, wenn ein Text von der charakteristischen Struktur abweicht.
Ein weiteres Element der Lesekompetenz ist das Erkennen von „rhetorischen, stilistischen und argumentativen Strategien“ (ebd., S.34). Dies ist notwendig, um die Textbedeutung angemessen interpretieren und häufig auch um die Autorintention feststellen zu können.
Bei dem Modell von Dijk und Kintsch (1983) finden zwischen den hauptsächlich parallel verlaufenden Prozessen auf hierarchiehoher und –niedriger Ebene Rückmeldungen statt, die in einem „mentalen Modell“ enden. Die genannten fünf Ebenen stellen die wesentlichen Komponenten des Konstrukts Lesekompetenz dar.
1.3 Interindividuelle Unterschiede- Wie unterscheiden sich gute und schlechte Leser?
Nachdem die Teilprozesse der Lesekompetenz erläutert wurden, ist es interessant zu betrachten, wie unterschiedlich die Prozesse während des Lesevorgangs auf Wort-, Satz- und Textebene ablaufen können. Denn aus diesen Abläufen resultieren im Wesentlichen die Leistungsunterschiede zwischen guten und schlechten Lesern. Ich beziehe mich dazu im Folgenden, sofern nicht anders erwähnt, auf Tobias Richter und Ursula Christmann (in: Groeben/Hurrelmann 2002, S.36-45).
1.3.1 Prozesse auf Wortebene
Der Bereich der Lesevorgänge auf Wortebene ist der am meisten erforschte, auf dem entsprechend viele Theorien aufbauen. Die interindividuellen Unterschiede auf dieser Ebene ergeben sich hauptsächlich aus dem lexikalischen Zugriff, der phonologischen Rekodierung und der Nutzung des Satzkontextes.
Das Zuordnen von Bedeutungen zu einem Wort wird als „lexikalischer Zugriff“ bezeichnet, da die Wortbedeutungen im semantischen Gedächtnis in einer Art „mentalem Lexikon“ gespeichert sind (ebd., S.36). Die Geschwindigkeit dieser Zuordnung hängt nicht ausschließlich vom Leseverständnis, sondern eher von der Lesegeschwindigkeit ab. Es lässt sich daher kein direkter Zusammenhang zwischen leichtem lexikalischen Zugriff und allgemeiner Lesekompetenz sehen.
Ähnliches gilt für den Wortschatz. Auch wenn Zusammenhänge zwischen dem Ausmaß des Wortschatzes und der Lesefähigkeit erwartet werden, kann nicht automatisch ein besseres Leseverständnis als Resultat eines größeren Wortschatzes gesehen werden. Es wird vermutet, dass es guten Lesern leichter fällt, unbekannte Wörter aus dem Kontext zu erschließen. Der Umfang des Wortschatzes scheint zwar eine wichtige, aber nicht ausschlaggebende Rolle bei der Entwicklung von Lesekompetenz zu spielen (Schiefele u.a. 2004, S.82).
Bei der phonologischen Rekodierung werden die graphemischen Strukturen der Wörter in lautliche Repräsentationen übersetzt. Aus diesem Zuordnen von Aussprachemustern können interindividuelle Unterschiede resultieren (Schiefele u.a. 2004, S.81), die anhand von Aufgaben, wie dem Aussprechen von sinnfreien Silbenkombinationen, aufgezeigt werden können. Die Geschwindigkeit der phonologischen Rekodierung steht dabei in engem Zusammenhang mit der Lesefähigkeit.
Wortbedeutungen werden im Text aus einem Wechselspiel graphemischer, syntaktischer und semantischer Hinweise gewonnen, wobei die Nutzung des Satzkontextes eine wesentliche Rolle spielt. Bei guten Lesern zeigt sich dennoch keine Konzentration auf den Satzkontext, sondern gegenteilig sogar ein zunehmend kontextunabhängiger lexikalischer Zugriff. Schlechtere Leser können dagegen Schwierigkeiten beim Zugriff auf Wortbedeutungen teilweise durch die Nutzung des Satzkontextes ausgleichen. Dies lässt sich dadurch erklären, dass die Worterkennung bei guten Lesern hauptsächlich in schnellen, automatisierten Teilprozessen abläuft, während schlechte Leser auf langsamere kontextabhängige Prozesse zurückgreifen müssen. Der geübte Leser ordnet einem Wort sehr schnell alle assoziierten und kurz darauf auch die kontextangemessenen Wörter zu. Auch dabei zeigen gute Leser einen entscheidenden Unterschied zu schlechteren Lesern, weil sie in der Lage sind, schnell kontextunangemessene und irrelevante Bedeutungsaspekte auszuklammern, um zu der passenden Wortbedeutung zu gelangen. Unterschiede im Lesen können also teilweise dadurch kompensiert werden, dass Zielwörter kontextualisiert werden (Schiefele u.a. 2004, S.81).
1.3.2 Prozesse auf Satzebene
Auf der Satzebene resultieren interindividuelle Unterschiede hauptsächlich aus zwei Aspekten der lokalen Kohärenzbildung: aus den syntaktischen Prozessen und der semantischen Integration. Diese Unterschiede lassen sich anhand der Analyse von mehrdeutigen Sätzen aufzeigen. Vermutlich ermöglicht eine größere Arbeitsgedächtniskapazität den guten Lesern, mehrere Interpretationen ambiger Sätze gleichzeitig zu verarbeiten, bis eine eindeutige Identifikation erreicht ist. Die Kapazität des Arbeitsgedächtnisses kann durch die sogenannte Lesespannen-Aufgabe ermittelt werden. Dabei werden mehrere kohärenzlose Sätze vorgegeben, die auf Verstand hin gelesen werden und von denen jeweils das letzte Wort im Gedächtnis behalten werden soll. Die Lesespanne ergibt sich aus den Sätzen, an denen die Doppelaufgabe erfolgreich ausgeführt wurde. Sie steht in engem Zusammenhang zur Lesefähigkeit. Gute Leser sind imstande, eine größere Anzahl der Endwörter zu behalten. Im Hinblick auf das Textverständnis zeigt sich, dass Personen mit einer höheren Gedächtnisspanne Pronominalreferenzen leichter zuordnen können. Zudem werden von ihnen mehrdeutige Wörter besser interpretiert, da sie auf den Kontext „zurückgreifen“ können, auch wenn die entsprechenden Textteile weiter zurückliegen.
Interindividuelle Unterschiede offenbaren sich neben der syntaktischen auch in der semantischen Integration. Bei langsamen Lesern stieg die Lesezeit nicht nur durch das Ausmaß der syntaktischen Komplexität, sondern auch durch die Anzahl der zu integrierenden Propositionen im Satz.
Die Herstellung von lokalen Kohärenzen scheint schwächeren Lesern also schwerer zu fallen. Sie haben Probleme, die unterschiedlichen Themen miteinander in Beziehung zu setzen. Deshalb gelingt es ihnen oft nicht, die Intention einer Passage zu verstehen oder Pronomen den richtigen Personen zuzuordnen (Schiefele u.a. 2004, S.82).
1.3.3 Prozesse auf Textebene
Auf der Textebene sind das inhaltliche Vorwissen und die allgemeine Denkfähigkeit des Lesers wesentliche Komponenten. Da diese Komponenten empirisch sehr schwierig festzuhalten sind, wurden die Prozesse auf Textebene bisher weniger erforscht als die auf den anderen beiden Ebenen.
Zur „globalen Kohärenzbildung“ (Groeben/Hurrelmann 2002, S.42) zählen alle hierarchiehohen Prozesse zum Textverständnis. Um zu einem mentalen Modell zu gelangen, muss der Leser, je nach Komplexität des Textes, Inferenzen vornehmen. Dabei zeigt sich eine Abnahme der Lesezeit bei schlechten Lesern, je mehr kausale Relationen im Text enthalten sind. Wenn also die Organisation eines Textes durchschaut wird, können dadurch Defizite in hierarchieniedrigeren Ebenen kompensiert werden.
Die Prozesse auf der Textebene sind auf inhaltliches Vorwissen, Textschemata und pragmatisches Wissen angewiesen. Defizite in hierarchieniedrigeren Lesefähigkeitskomponenten können also zudem durch entsprechendes inhaltliches Vorwissen teilweise ausgeglichen werden. Dieser positive Effekt wird bereits dadurch ausgelöst, dass das Thema aus der Überschrift zu entnehmen ist, so dass das Vorwissen des Lesers aktiviert wird. Dadurch, dass sich mental ein Modell bildet, wird die Kohärenz, und damit auch die Reproduzierbarkeit des Textes erhöht (Schiefele u.a. 2004, S.86). Bezüglich des Vorwissens ist allerdings nicht die bloße Verfügbarkeit, sondern vor allem die Auswahl von spezifischen Schemata in bestimmten Lesesituationen entscheidend. Unterschiede diesbezüglich könnten daraus resultieren, dass schlechte Leser Schwierigkeiten haben, ihre Schemata während des Textes umzustrukturieren oder zu wechseln.
Des Weiteren stellt die Kapazität des Arbeitsgedächtnisses eine wesentliche Komponente im Hinblick auf interindividuelle Unterschiede dar. Es spielt eine entscheidende Rolle in der globalen Kohärenzbildung, bei der Textinformationen mit Informationen aus dem Kurzeit- und Langzeitgedächtnis in einem Wechselspiel stehen. Um Pronomen zu verstehen, müssen beispielsweise Bezüge zu Informationen hergestellt werden, die im Leseprozess zeitlich zurückliegen (Schiefele u.a. 2004, S.83). Das Gedächtnis ist also beim Leseprozess eine unabdingbare Komponente. Ein Maß für das Arbeitsgedächtnis stellt die bereits erwähnte Lesespanne dar.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der komplexe Vorgang des Lesens in den erwähnten fünf Teilprozessen auf hierarchiehoher und
-niedriger Ebene abläuft: dem Aufbau einer propositionalen Textrepräsentation, der lokalen und globalen Kohärenzbildung, der Bildung von Superstrukturen und dem Erkennen rhetorischer Strategien. Schlechtere Lesefähigkeiten resultieren dabei meist nicht aus einzelnen Prozessen, sondern aus dem Kooperieren verschiedener Teilprozesse und stehen in engem Zusammenhang zu den Wahrnehmungsprozessen. Als besonders entscheidend haben sich dabei Defizite im Worterkennungsprozess, in der Arbeitsgedächtniskapazität und dem individuellen inhaltlichen Vorwissen herausgestellt.
Lesekompetenz resultiert also aus einer Vielzahl von Teilfähigkeiten, die miteinander interagieren. Um zu einer besseren Lesekompetenz zu gelangen, können daher nicht nur einzelne spezifische Lesefähigkeiten gefördert werden, vielmehr muss ganzheitlich das textgeleitete und –bezogene Problemlösen gefördert werden.
1.4 Einflussfaktoren auf die Lesekompetenz
Wie bereits kurz aufgeführt, unterliegt die Lesekompetenz zahlreichen Einflussfaktoren. Bettina Hurrelmann (in: Groeben/Hurrelmann 2002, S.138-142) unterscheidet dabei zwischen sozialen und personalen Faktoren, die ich im Folgenden erläutern werde.
1.4.1 Soziale Faktoren
Lesekompetenz ist dem Menschen keineswegs angeboren, sondern entwickelt sich durch die Sozialisation, in der sich der Mensch befindet. Lesesozialisation erfolgt durch Sozialisationsinstanzen zwischen Individuum und Gesellschaft. Die Familie stellt dabei nicht nur den ersten, sondern auch den Vermittler mit der nachhaltigsten Wirkung dar. Die Lesesozialisation beginnt bereits im Kleinkindalter. Dabei gelten Bilderbücher, das Zuhören und Nachsprechen von Geschichten und das Verhalten der Eltern zu Literatur und Zeitungen als elementare Vorstufen des späteren Lesens der Kinder (Schulz 2000, S.16). Besondere Wirkung auf das Leseverhalten der Kinder haben „prä- und paraliterarische Kommunikationsformen“ (in: Schulz/Ossowski 1997, S.1). Das Spielen mit Wörtern und Liedern oder das gemeinsame Erfinden von Geschichten hinterlassen beim Kind einen bleibenden Eindruck.
Das Modellverhalten der Eltern ist dabei von ausschlaggebender Bedeutung und hat zudem viel intensivere Wirkung als das gezielte Auffordern der Kinder. Über die Lesesozialisation entscheidet unter anderem die Häufigkeit von gemeinsamen Lesesituationen und Gesprächen über Gelesenes. Die durch die Familie vermittelte Einstellung zum Lesen wirkt entscheidend auf die Lesemotivation, die Lesefertigkeit und die damit verbundenen sprachlichen und sozialen Fähigkeiten ein.
Jürgen Belgrad (in: Kämper-van den Boogaart 2004, S.52 f.) empfiehlt, Eltern auf den selbstverständlichen Umgang mit Büchern für eine erfolgreiche Lesesozialisation hinzuweisen, da ihnen diese prägende Rolle oft gar nicht bewusst ist. Dadurch, dass sie ihren Kindern ab und zu ein Buch oder auch eine Zeitschrift schenken oder mit ihnen Büchereien besuchen, räumen sie der Literatur einen Platz im alltäglichen Leben ein und animieren sie so zum Lesen. Wichtig ist zudem, dass die Eltern Interesse an der schulischen Arbeit ihrer Kinder zeigen. Aus Untersuchungen des Bundesministeriums für Familie geht hervor, dass in Deutschland nur 40% der Eltern mit ihren Kindern über schulische Leistungen reden (ebd., S.54). Viele Eltern erwarten dabei von der Schule die Übernahme der Erziehung, wie Günther Jauch in einem Spiegel-Interview formulierte:
„Manche Eltern halten die Schule für eine pädagogische Dienstleistung, die die häuslichen Defizite korrigieren soll.“
(in: Spiegel 2002 in: Kämper-van den Boogaart 2004, S.54)
Sinnvoll ist das Schaffen einer integrativen Elternarbeit, da das Zusammenarbeiten von Eltern und Lehrern zur Ermöglichung einer erfolgreichen Lesesozialisation und somit zur Förderung der Lesekompetenz wichtig ist.
Insgesamt lassen sich in der familialen Lesesozialisation starke milieuspezifische Unterschiede im Schicht- und Bildungssektor erkennen. Als sozioökonomische Hintergrundvariablen gelten hauptsächlich die Familienstruktur, die berufliche Stellung und Bildungsressourcen der Eltern, kulturelle Kommunikation und materielle Lernhilfen im Elternhaus und der Immigrantenstatus der Familie (Kirsch u.a. 2003, S.155).
Dabei zeigen sich bezüglich der durchschnittlichen Lesedauer beim höchsten Bildungssegment des Hochschulabschlusses mehr als dreimal so hohe Angaben im Vergleich zum niedrigsten Bildungssegment des Hauptschulabschlusses ohne Lehre (Bonfadelli in: Handbuch Lesen 2001, S.116). Es besteht also ein starker Zusammenhang zwischen dem Bildungsniveau und dem Zugang zum Medium Buch.
Somit steht die Schule als institutionalisierte Lesesozialisationsinstanz vor der Herausforderung, Schüler(innen) mit sehr unterschiedlichen Lernvoraussetzungen die Kulturtechniken Lesen und Schreiben auf möglichst individuelle Art nahe zu bringen. Um den Leseunterricht zu öffnen sind daher fächerübergreifende Lernarrangements sinnvoll, die durch einen kreativen Unterricht insbesondere den Kindern helfen, die in der familialen Lesesozialisation wenig Unterstützung erhalten.
Einen wichtigen Einfluss auf die Lesekompetenz leistet außerdem die Altersgruppe, an der sich besonders jüngere Leser orientieren. Durch diese dritte Sozialisationsinstanz entwickeln Kinder und Jugendliche kulturelle Orientierungen, die stets in engem Zusammenhang zur aktuellen Medienentwicklung stehen (Schiefele u.a. 2004, S.55). Altersgruppenkulturen nehmen starken Einfluss auf die Wirkung von institutionalisierten Bildungsvorgaben. Betrachtet man die längerfristigen Veränderungen von Bildungsnormen, kann die Altersgruppe sogar als die wichtigste Sozialisationsinstanz gesehen werden, da die Familie und die Schule zunehmend in den Hintergrund treten. Vielleser haben häufig auch Freunde, die überdurchschnittlich oft zum Buch greifen und gegenseitig Lesetipps austauschen. Buchempfehlungen von Eltern und Lehrern dagegen stehen die Kinder mit steigendem Alter eher ablehnend gegenüber.
1.4.2 Personale Faktoren
Neben den drei wichtigsten Lesesozialisationsinstanzen Familie, Schule und Altersgruppe spielen natürlich Persönlichkeitsfaktoren des Individuums eine wesentliche Rolle. Befunde über individuelle Charakteristika von Lesern werden in der empirischen Forschung allerdings selten isoliert von sozialen Rahmenbedingungen betrachtet. Es kann dennoch festgestellt werden, dass Vielleser insgesamt ein höheres Aktivitätsniveau und eine breitere Interessensvielfalt aufweisen als Nichtleser. Dabei zeigen Mädchen zumeist ein größeres Leseengagement als Jungen.
Interindividuelle Unterschiede resultieren häufig aus der schulischen Disziplin des Schülers, dem Verhältnis zum Lehrer und dem allgemeinen Zugehörigkeitsgefühl zur Schule (Kirsch u.a. 2003, S.155).
Im Ganzen stehen allerdings interindividuelle Unterschiede in der kognitiven und emotionalen Textverarbeitung sowie in der Lesemotivation in engem Zusammenhang zur gesellschaftlichen Schicht und der Schulbildung. Dennoch ist immer wieder zu beobachten, dass Kinder, die in der familialen Lesesozialisation keine günstigen Bedingungen erlebt haben, als Jugendliche oder Erwachsene zu begeisterten Buchlesern wurden. Die frühe Lesesozialisation scheint also durch bestimmte Bedingungen ausgeglichen werden zu können. Besonders der Schulunterricht in der Primarstufe kann dabei kompensierend auf die Lesesozialisation Einfluss nehmen (Schiefele 2004, S. 50). Diese Feststellung, auf die im Literatur- und Leseunterricht aufgebaut werden kann, werde ich bei meinen unterrichtsbezogenen Ausführungen erneut aufgreifen. Zunächst werde ich mich allerdings mit den Vergleichsstudien zur Lesekompetenz beschäftigen.
1.5 Vergleichsstudien zur Lesekompetenz
Der Begriff der „Lesekompetenz“ begegnete einem in den letzten Jahren immer häufiger im Zusammenhang mit Studien, die das Lesen der Schülerinnen und Schüler getestet haben. Der sogenannte „PISA- Schock“ und die damit häufig im Zusammenhang genannte „Bildungsmisere“ an deutschen Schulen wurden in der Presse und den Medien von verschiedensten Seiten stark kritisiert und diskutiert.
Die Defizite im deutschen Bildungssystem, die sich insbesondere in der Lesefähigkeit der Schüler(innen) widerspiegeln, zeigen sich den Schulen schon seit einigen Jahrzehnten. Besonders die Vergleichsstudien sind es aber, die diese Entwicklung in das Interesse der Öffentlichkeit gerückt haben. Die Förderung von Lesekompetenz ist dementsprechend (wenn auch nicht erst seit PISA & Co) ein sehr aktuelles und ernst zunehmendes Thema.
Bevor man sich demnach mit der Leseförderung beschäftigt, ist es interessant, die Ergebnisse der Vergleichsstudien zur Lesekompetenz deutscher Schüler(innen) zu betrachten, um die Notwendigkeit der Förderung von Lesekompetenz daran zu verdeutlichen. In den letzten Jahren wurde in Deutschland eine Vielzahl von Untersuchungen unterschiedlichen Umfangs durchgeführt, die sich mit dem Lesen beschäftigen. Ich werde mich exemplarisch auf die bekannteren Studien PISA, IGLU und VERA beschränken.
1.5.1 Ergebnisse
1.5.1.1 Die PISA- Studie
Die PISA- Studie ist eine internationale Vergleichsstudie, mit der die OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) verschiedene Fähigkeiten der 15-jährigen Jugendlichen ihrer Mitgliedsstaaten überprüfen will, um Stärken und Schwächen der jeweiligen Bildungssysteme herauszufinden. Dabei werden durch ein abgestimmtes Verfahren neben den drei Hauptbereichen Mathematik, Lesen und Naturwissenschaften auch Untersuchungen zu fächerübergreifenden Kompetenzen, wie dem Problemlösen, den Lernstrategien, der Lernmotivation und zum Umgang mit Informationstechnologien, überprüft. Des Weiteren werden die Schülerinnen und Schüler zu ihrer Wahrnehmung von Schule und Unterricht und ihrer sozialen und kulturellen Herkunft befragt.
Die Studie möchte im Wesentlichen ermitteln, ob die Jugendlichen in der Lage sind, den Anforderungen der sich schnell entwickelnden Wissensgesellschaft gerecht zu werden. Sie beschränkt sich also nicht auf das bloße Abtesten curricularer Vorgaben (Kirsch u.a. 2003, S.13).
Während bei der ersten PISA- Erhebung im Jahr 2000 die Lesekompetenz im Zentrum der Forschung stand, wurde bei der zweiten Studie im Jahr 2003 der Schwerpunkt in den Bereich Mathematik verlagert. Aus diesem Grund konzentriere ich mich in meinen Ausführungen auf die Ergebnisse der ersten Studie.
Bezüglich der Lesekompetenz ist es zunächst wichtig, festzuhalten, welche Kompetenzen des Textverstehens überhaupt ermittelt werden sollen (Abraham u.a. 2003, S. 135 f.).
Es lassen sich drei inhaltliche Subskalen unterscheiden. Bei der ersten Skala sollen Teilinformationen aus dem Text entnommen werden. Je nach Schwierigkeitsgrad der Aufgabe müssen Textabschnitte oder größere Textteile analysiert werden, um Detailinformationen herauszufinden.
Die zweite Subskala der „textbezogenen Interpretation“ zielt auf schlussfolgerndes Denken und Bedeutungskonstruktion ab. Dabei sollen beispielsweise Textteile miteinander verglichen oder Schlüsse über die Absichten des Autors gezogen werden.
Bei der letzten Subskala, dem „Reflektieren und Bewerten“ muss der Leser imstande sein, Textmerkmale wie „Ironie, Humor und logischen Aufbau kritisch zu bewerten und in ihren Auswirkungen zu verstehen.“ (Artelt u.a. 2001 in: Abraham u.a. 2003, S.136). Der Text soll dabei mit eigenen Erfahrungen und Ideen in Beziehung gesetzt werden.
Dazu wurden den Schülerinnen und Schülern literarische Texte und Prosatexte der Textsorten Erzählung, Darlegung, Beschreibung, Argumentation und Anweisung vorgelegt, wobei den Sachtexten die größte Gewichtung zukam. Der Test besteht aus mehreren Aufgabenstämmen, die sich jeweils aus einer Gruppe von Aufgaben zu einem bestimmten Text zusammensetzen. Diese Aufgaben treten in den Formaten der Mehrfachwahlaufgabe und offenen Fragen auf und sind durch verschiedene Kompetenzstufen charakterisiert.
Im Folgenden fasse ich kurz die wesentlichen Ergebnisse der PISA- Studie 2000 bezüglich der Lesekompetenz zusammen (Schön in: Franz/ Payrhuber 2002, S.72-73).
Die deutschen Schülerinnen und Schüler lagen im Lesen mit 484 Punkten weit unter dem internationalen Mittelwert von 500 Punkten und sogar 62 Punkte entfernt von dem Spitzenreiter Finnland. Fast zehn Prozent der 15-Jährigen lagen unterhalb der Kompetenzstufe I, das heißt, dass ihnen die grundlegenden Fähigkeiten zum Verstehen der vorgelegten Texte fehlen. Addiert man dazu die ca. 13% der in die Kompetenzstufe I zugeordneten Schülerinnen und Schüler, erhält man in Deutschland einen vergleichsweise sehr hohen Anteil mit geringer Lesekompetenz. Der Prozentanteil der Schüler in der höchsten Kompetenzstufe liegt mit 8,8% knapp unter dem OECD- Durchschnitt von 9,5%. Besonders gravierend ist die Spanne zwischen den 5% der leistungsstärksten und –schwächsten Schüler. Sie ist in Deutschland von allen beteiligten Ländern am größten und zeigt sich besonders in Aufgaben, die eine kritische Auseinandersetzung mit dem Text erfordern.
Ein weiteres aussagekräftiges Ergebnis ist der Anteil der Schüler, die angaben, sie würden nicht zu ihrem Vergnügen lesen. Dieser Anteil liegt mit 42% der Befragten höher als in den übrigen 13 Ländern.
Insgesamt kann festgehalten werden, dass die PISA- Studie erhebliche Defizite im deutschen Bildungssystem, insbesondere bezüglich der Vermittlung von Lesekompetenz, nachgewiesen hat.
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- Arbeit zitieren
- Verena Falk (Autor:in), 2005, Leseförderung durch Märchen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/45005
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