Die vorliegende Arbeit analysiert und vergleicht die deutsche und die französische Übersetzung von Harry Potter. Als Grundlage dient das englische Original. Was die Beispiele angeht, so basiert die Arbeit allerdings nur auf den ersten zwei Bänden, Harry Potter and the Philosopher’s Stone (dt. Harry Potter und der Stein der Weisen, fr. Harry Potter à l’école des sorciers) und Harry Potter and the Chamber of Secrets (dt. Harry Potter und die Kammer des Schreckens, fr. Harry Potter et la chambre des secrets).
In einem ersten Teil wird das Phänomen Harry Potter kurz erläutert und eine kurze Biographie der Autorin sowie der beiden Übersetzer gegeben.
Im nächsten Teil wird dann der Ausgangstext unter verschiedenen Aspekten analysiert und im darauffolgenden Teil dann die Übersetzungen und die verschiedenen Übersetzungsschwierigkeiten sowie die verschiedenen Realia.
Im letzten Teil werden verschiedene Arten von Übersetzungslösungen vorgestellt.
Jeder Teil enthält vergleichende Beispiele und zudem wird stellenweise ein Bezug zur Übersetzungstheorie der Kinder- und Jugendliteratur hergestellt.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Das Phänomen Harry Potter
2.1. J.K. Rowling
2.2. Die Übersetzer
3. Ausgangstextanalyse
3.1. Textexterne Faktoren
3.2. Textinterne Faktoren
3.3. Textsorte und Texttyp
4. Übersetzungen
4.1. Übersetzungsschwierigkeiten
4.1.1. Idiomatische Redewendungen
4.1.2. Wortspiele
4.1.3. Lieder und Gedichte
4.1.4. Zaubersprüche
4.1.5. Andere Übersetzungsschwierigkeiten
4.2. Realia
4.2.1. Methoden der Realiaübersetzung
4.2.2. Kindliche Rezeptionsfähigkeit
4.2.3. Eigennamen
4.2.4. Kulturspezifische Gerichte
4.2.5. Andere kulturspezifische Realia
4.2.6. Fantasieweltbezogene Realia
4.3. Stilebene
4.3.1. Sprachgebrauch der einzelnen Figuren
4.3.2. Anredeformen
4.4. Verschiedene Übersetzungslösungen
4.4.1. Steigerung / Übertreibung
4.4.2. Abschwächung
4.4.3. Substitution
4.4.4. Weglassen und Hinzufügen
4.4.5. Umstellung
4.4.6. Eigenbau
4.4.7. Übersetzungsfehler
5. Schlussbetrachtungen
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die vorliegende Diplomarbeit analysiert und vergleicht die deutsche und die französische Übersetzung von Harry Potter. Als Grundlage dient das englische Original. Was die Beispiele angeht, so basiert die Arbeit allerdings nur auf den ersten zwei Bänden, Harry Potter and the Philosopher’s Stone (dt. Harry Potter und der Stein der Weisen, fr. Harry Potter à l’école des sorciers) und Harry Potter and the Chamber of Secrets (dt. Harry Potter und die Kammer des Schreckens, fr. Harry Potter et la chambre des secrets).
In einem ersten Teil wird das Phänomen Harry Potter kurz erläutert und eine kurze Biographie der Autorin sowie der beiden Übersetzer gegeben.
Im nächsten Teil wird dann der Ausgangstext unter verschiedenen Aspekten analysiert und im darauffolgenden Teil dann die Übersetzungen und die verschiedenen Übersetzungsschwierigkeiten sowie die verschiedenen Realia.
Im letzten Teil werden verschiedene Arten von Übersetzungslösungen vorgestellt.
Jeder Teil enthält vergleichende Beispiele und zudem wird stellenweise ein Bezug zur Übersetzungstheorie der Kinder- und Jugendliteratur hergestellt.
2. Das Phänomen Harry Potter
„Er wird berühmt werden – eine Legende -, es würde mich nicht wundern, wenn der heutige Tag in Zukunft Harry-Potter-Tag heißt – ganze Bücher wird man über Harry schreiben – jedes Kind in unserer Welt wird seinen Namen kennen!“[1], Obwohl Minerva McGonagall hier von der Zauberwelt redet, beschreiben diese Worte ganz genau, was wirklich passiert ist, nur in unserer Welt – der Muggelwelt. Harry Potter ist berühmt geworden, ein literarischer Erfolg sowohl für Kinder als auch für Erwachsene. Die mittlerweile erschienenen fünf Bände (Band 6 erscheint in der Originalausgabe am 16. Juli diesen Jahres und auf Deutsch am 1. Oktober) haben die ersten Plätze der Bestsellerlisten in etwa zweihundert Ländern belegt, wurden in über sechzig Sprachen übersetzt und weltweit über 270 Millionen mal verkauft. Unter den zahlreichen Literaturpreisen sind sogar der British Book Awards: Children’s Book of the Year und der British Book Awards: Author of the Year.
Aber was ist das Erfolgsrezept von Harry Potter ? Man nehme einen Waisenjungen, der bei seinen bösen Verwandten aufwächst, füge etwas Magie und eine Prise Gefühle hinzu, vermische das Ganze mit Abenteuern und Spannung und bestreue es vor dem Servieren mit etwas Humor: schon hat man Harry Potter, den zauberhaften Welterfolg, der seit fast acht Jahren alle in seinen Bann zieht. Doch wer hat diesen Zaubertrick vollbracht, wer hat die Kinder der „Fernseh- und Play-Station-Generation“ wieder zum Lesen, oder wohl eher Bücherverschlingen gebracht? Die gute Fee trägt den Namen Joanne Kathleen Rowling.
2.1. J.K. Rowling
Im Jahre 1965 wird Joanne Kathleen Rowling in Chipping Sodbury in der Nähe von Bristol geboren. Nach einigen Jahren in und bei Bristol, zieht die Familie aufs Land. Ab dem Jahre 1983 studiert J.K. Rowling an der Universität Exeter Französisch und Altphilologie. Nach ihrem Abschluss zieht sie zuerst nach London und dann nach Manchester. Zu der Zeit fängt sie an zu schreiben und die Idee zu Harry Potter soll ihr im Zug nach Manchester gekommen sein. Im Jahre 1991 zieht sie dann nach Portugal um Englisch zu unterrichten, etwas, was sie während eines Auslandsaufenthalts im Laufe ihres Studiums schon in Paris ausprobiert hatte. Ein Jahr später heiratet sie einen portugiesischen Journalisten und sie bekommen eine Tochter namens Jessica. Nach ihrer Scheidung zieht sie zurück nach England, genauer gesagt nach Schottland, wo sie von Sozialhilfe leben muss, aber große Anstrengungen unternimmt, um ihr Buch fertig zu schreiben. Als sie Harry Potter and the Philosopher’s Stone endlich fertig hat, dauert es noch ein Jahr bis ein Verlag – der Bloomsbury Verlag – interessiert ist und es dann schließlich im Jahre 1997 veröffentlicht. Zu der Zeit arbeitet sie halbtags als Lehrerin, doch dann gibt sie den Beruf auf, um sich ausschließlich dem Schreiben zu widmen und es folgen in einjährigen Abständen Harry Potter and the Chamber of Secrets, Harry Potter and the Prisoner of Azkaban und Harry Potter and the Goblet of Fire. Anfang 2002 heiratet sie ein zweites Mal und bringt ein Jahr später ihr zweites Kind David auf die Welt. Im Jahre 2003 kommt dann auch ihr fünftes Buch Harry Potter and the Order of the Phoenix auf den Markt. J.K. Rowling zählt heute zu den reichsten Menschen Großbritanniens und zu den erfolgreichsten Autoren der Welt.[2]
2.2. Die Übersetzer
Klaus Fritz (46), der deutsche Übersetzer wurde in Tübingen geboren und lebt heute in Berlin. Er hat Philosophie und Sozialwissenschaften studiert und arbeitet als freiberuflicher Übersetzer. Vor Harry Potter hat er hauptsächlich Sachbücher übersetzt. Nach einer Probeübersetzung des ersten Kapitels, eine Chance, die seine Agentin ihm verschafft hat, wird er mit der Übersetzung der Harry-Potter-Reihe beauftragt. In einem Interview erzählt er, dass er durch den enormen Zeitdruck unter dem er steht (2 bis 3 Monate pro Band à 700 bis 800 Seiten), die Bücher vor dem Übersetzen nicht durchlesen kann, das aber auch nicht will, weil er so die Geschichte während des Übersetzens selbst lesen und sich dann auf das Ende freuen kann.[3]
Jean-François Ménard (57), der französische Übersetzer, hat Philosophie studiert und danach als Regieassistent gearbeitet. Er hat selbst mehrere Kinderbücher geschrieben, aber auch übersetzt. Auch er redet in Interviews von einem enormen Zeitdruck, der dadurch entsteht, dass die Übersetzer der Harry-Potter-Bücher das Original aus Sicherheitsgründen, d.h. aus Angst vor unerlaubter Veröffentlichung im Internet, erst an dessen Erscheinungsdatum in Großbritannien erhalten.[4]
3. Ausgangstextanalyse
Bevor eine Übersetzungsanalyse oder auch ein Übersetzungsvergleich gemacht werden kann, muss zuerst der Ausgangstext analysiert werden. Nur so kann entschieden werden, ob eine Übersetzungslösung adäquat ist oder nicht. Christiane Nord zufolge ist der Ausgangstext der „zu übersetzende ausgangssprachliche Text, der für Adressaten der Ausgangskultur produziert wird.“[5] Um diesen zu analysieren schlägt sie folgende „W-Fragen-Kette“ vor: „Wer übermittelt wozu wem über welches Medium wo wann warum einen Text mit welcher Funktion? Worüber sagt er was (was nicht) in welcher Reihenfolge, unter Einsatz welcher nonverbalen Elemente, in welchen Worten, in was für Sätzen, in welchem Ton mit welcher Wirkung?“[6]. Man redet auch von textexternen und textinternen Faktoren. Ich begrenze mich in der Analyse allerdings nur auf das aus dem Text Ersichtliche und werde deshalb nicht alle W-Fragen anwenden, da die Analyse sonst zu ausführlich für diese Arbeit wird. Dazu werde ich einige Fragen gemeinsam behandeln, z.B. „in welchen Worten“ und „in was für Sätzen“, andere werde ich ganz außer Acht lassen, z.B. „in welchem Ton“. Auch die nonverbalen Elemente sind hier nicht erwähnenswert.
3.1. Textexterne Faktoren
Bei Harry Potter ist der Sender die Autorin, d.h. J.K. Rowling, eine schottische alleinerziehende Mutter, die während der Zeit, in der sie noch von Sozialhilfe lebt, beginnt, die Geschichte von Harry Potter zu schreiben.
Ihre Intention ist es den Lesern Unterhaltung zu bieten, indem sie ihnen den Zugang zu einer verborgenen, geheimen und vor allem magischen Welt öffnet.
Die Empfänger sind eigentlich Kinder und Jugendliche ab etwa 8 Jahren, doch es muss erwähnt werden, dass auch viele Erwachsene zum Leserkreis von Harry Potter zählen. Die Geschichte ist auch jüngeren Kindern zugänglich, allerdings nicht über die Bücher, da erst ab ungefähr 8 Jahren vorausgesetzt werden kann, dass die Kinder die Bücher, die teilweise über 700 Seiten dick sind und keine Bilder enthalten, lesen können, sondern auch über die Filme, die von Warner Bros. über jedes Buch gedreht worden sind und auch weiterhin gedreht werden. Zwar sind die Filme erst ab 12 Jahren freigegeben, aber das heißt nicht, dass sie den jüngeren Zuschauern nicht auch zugänglich sind.
3.2. Textinterne Faktoren
Die Thematik der Bücher ist die Geschichte von Harry Potter, die beginnt, als er mit 11 Jahren erfährt, dass er kein normaler Mensch, sondern ein Zauberer ist – und zwar ein sehr berühmter – und von nun an die Zauberschule Hogwarts besuchen soll. Sein bisher trostloses und trauriges Leben bei seiner Verwandtschaft nimmt eine überraschende Wendung. Er lernt viele neue Leute kennen, entdeckt seine bisher unbekannten Zauberfähigkeiten und wird in viele spannende Abenteuer verwickelt. Jeder Band erzählt über jeweils ein Schuljahr in Hogwarts.
Die Geschichte spielt sich in zwei parallelen Welten ab: die alltägliche Welt der Muggels, d.h. der Nicht-Zauberer, und die Zauberwelt, zu der natürlich nur Zauberer Zugang haben und die durch verschiedene Wege miteinander verbunden sind. Zum Beispiel erreicht man durch ein Pub in der Muggelwelt die Winkelgasse, in der die Zauberer von heute Shopping machen. Den Zug nach Hogwarts kann man nur nehmen, wenn man durch die Ziegelsteinmauer am Londoner Bahnhof King’s Cross rennt, um sich so auf der anderen Seite auf dem Gleis 9 ¾, von dem der Zug abfährt, wieder zu finden.
Obwohl keine Jahresangaben gemacht werden, weiß man, dass sich die Geschichte in der heutigen Zeit abspielt, da es Rolltreppen, Drehkreuze an U-Bahneingängen und viele andere Dinge gibt, die auf die heutige Zeit schließen lassen.
Die Präsuppositionen im Text bestehen aus einigen kulturspezifischen Elementen und vor allem aus Elementen, die der Fantasiewelt angehören aber so gebildet sind, dass sie nur von einem Leser mit guten Englischkenntnissen entschlüsselt werden können. Genau diese Elemente stellen die größte Schwierigkeit beim Übersetzen dar.
Die Reihenfolge ist in jedem Buch die gleiche: die Erzählung fängt kurz vor Schulbeginn an, durchläuft dann das ganze Schuljahr inklusive Schulferien und endet mit dem Beginn der Sommerferien und der Rückkehr Harrys in die ihm zuwidere Muggelwelt.
Was die Lexik und die Syntax betrifft, so ist zu bemerken, dass sie eigentlich ziemlich einfach gehalten sind, da es sich ja im Grunde um ein Kinderbuch handelt und es daher nicht von Vorteil wäre komplizierte Wörter und komplexe Satzkonstruktionen zu verwenden. Natürlich sind sehr viele Wörter vorhanden, die sich auf die Fantasiewelt beziehen, aber sie sind entweder ausreichend erklärt, da Harry sich ja anfangs auch nicht in der Zauberwelt auskennt und alles genauso wie der Leser lernen muss, oder sie sind Wortschöpfungen, die auf das Bezeichnete schließen lassen.
Die Wirkung der Harry-Potter-Bücher ist die, dass der Leser in eine Welt entführt wird, in der er alles Mögliche neu entdecken kann, in der Magie und Zauberei viele Probleme lösen und in der das Gute immer über das Böse siegt. Somit kann er der Alltagswelt entfliehen und die kleinen Alltagssorgen für kurze Zeit hinter sich lassen.
3.3. Textsorte und Texttyp
Will man Harry Potter einer generellen Textsorte, d.h. „die wahrscheinlich in jeder Schriftkultur vorhanden“[7] ist, zuordnen, so nimmt man die des Kinder- und Jugendbuches. Man muss nur beachten, dass hier das Kinderbuch ab etwa 8 Jahren gemeint ist, weil es sich um ein Buch ohne Illustrationen und von einer bemerkenswerten Länge handelt. Auch für den Übersetzer ist es wichtig den Unterschied zwischen dem Vierjährigen, dem die Eltern vorlesen und die Geschichte anhand von den abgebildeten Illustrationen veranschaulichen, und dem Achtjährigen, dessen Fantasie angeregt werden soll und der wahrscheinlich schon viel mehr versteht als man denkt, zu berücksichtigen.
Harry Potter ist ein literarischer Text mit einer narrativen, also expressiven oder ausdrucksbetonten Funktion, für die Katharina Reiss bei der Übersetzung „ Analogie der Gestaltung “[8] fordert, was dem deutschen und dem französischen Übersetzer auch durchaus gelungen ist.
4. Übersetzungen
4.1. Übersetzungsschwierigkeiten
Christiane Nord unterscheidet vier Kategorien von Übersetzungsproblemen:
1) pragmatische Übersetzungsprobleme, die sich aus dem Kontrast zwischen den Kommunikationssituationen ergeben, die in Ausgangstext und Zieltext eingebettet sind,
2) kulturpaarspezifische Übersetzungsprobleme, die sich aus dem Kontrast zwischen ausgangs- und zielkulturellen Normen und Konventionen ergeben,
3) sprachenpaarspezifische Übersetzungsprobleme, die sich aus dem Kontrast zwischen Ausgangssprachen- und Zielsprachenstrukturen ergeben,
4) textspezifische Übersetzungsprobleme, die bei der Übersetzung eines individuellen Textexemplars auftreten und deren Lösung nicht ohne weiteres auf andere Übersetzungsaufgaben übertragbar ist.
In diesem Fall treten hauptsächlich textspezifische Übersetzungsprobleme auf, da in Harry Potter sehr viele Wortspiele oder idiomatische Redewendungen vorkommen. Und da sich Wortspiele u.ä. meistens gegen standardisierte und routinemäßige Übersetzungsverfahren sträuben[9], ist hier das Talent des Übersetzers gefordert, um adäquate Lösungen zu finden. Diese Probleme werden in diesem Kapitel noch weiter erläutert.
Es gibt aber auch pragmatische Übersetzungsprobleme, die durch das kulturbedingt unterschiedliche Vorwissen der Leser auftreten. Hierbei handelt es sich um verschiedene Realienbezeichnungen. Diese Probleme werden in Kapitel 4.2. ausführlicher behandelt.
Natürlich liegen auch noch andere Übersetzungsprobleme vor, wie z.B. kulturpaarspezifische Übersetzungsprobleme bezüglich der Konventionen wie Höflichkeit oder Maßeinheiten oder bei der Übertragung von Soziolekten. Diesen Problemen widme ich mich zum Teil in Kapitel 4.3.
4.1.1. Idiomatische Redewendungen
Bekanntlich ist es oft schwierig, Redewendungen zu übersetzen. Der Übersetzer muss über sehr gute Kenntnisse der Ausgangssprache und -kultur verfügen, um den Sinn einer Redewendung übertragen zu können, und über sehr gute Kenntnisse der Zielsprache und -kultur, um eine eventuell vorhandene ähnliche Redewendung zu finden, was natürlich der Idealfall wäre. Allerdings ist das nicht immer möglich und so ist der Übersetzer gefordert eine Umschreibung zu finden, die wenigstens den Sinn der Redewendung wiedergibt.
In Harry Potter kommen solche idiomatischen Redewendungen auch vor.
So benutzt Onkel Vernon zum Beispiel das Verb have als er nach Harrys Erhalt des ersten Briefes aus der Zauberschule sagt: „I’m not having one in the house, Petunia!“[10], um klar zu machen, dass er in seinem Haus keine Zauberei und nichts, was damit zu tun hat, duldet. Tatsächlich bedeutet to have auch „[usually in negatives] to (be willing to) permit; allow“[11]. Sowohl in der deutschen als auch in der französischen Übersetzung wird diese Aussage leicht abgeschwächt, weil dort heißt es: „Ich will keinen davon im Haus, Petunia!“[12] beziehungsweise „Je ne veux pas de ça dans la maison, Pétunia!“[13]. Dabei handelt es sich dem Original zufolge nicht nur darum, dass er es nicht will, sondern dass er es auf keinen Fall duldet.
Ein weiteres Problem stellen die typisch englischen Kosenamen, die Tante Petunia für ihren Sohn Dursley benutzt. Einer davon lautet „Dinky Duddydums“[14], wobei dinky „small and charming“[15] bedeutet. Auf Deutsch wird daraus „Mein kleiner Duddybums“[16], was zwar das Kleine wiedergibt, aber das Duddybums erinnert eher an ein „Dingsbums“, was nicht unbedingt als Kosenamen gelten kann. Auf Französisch nennt sie ihn „Dudlynouchet“[17], womit das Verniedlichende gut wiedergegeben wird.
Ein typisch englisches Verfahren ist es, aus einem Substantiv ein Adjektiv zu bilden, indem man –ish anhängt. Das ist auch möglich, wenn das daraus entstehende Adjektiv nicht existiert. So ist zum Beispiel alles, was nicht typisch für die Familie Dursley ist, „unDursleyish“[18]. Da dies auch auf Deutsch möglich ist, wird daraus „undursleyhaft“[19], aber leider kann man das auf Französisch nicht tun und so muss der Übersetzer es mit „aussi éloignés que possible de tout ce qui faisait un Dursley“[20] umschreiben.
Eine weitere Schwierigkeit sind die Kraftausdrücke, die benutzt werden. Da es sich um ein Kinderbuch handelt, kann man geläufige Kraftausdrücke nicht benutzen, aber da sich vieles in der Zauberwelt abspielt, hat sich die Autorin kreative Ersatzmöglichkeiten, wie z.B. „Gulpin’ gargoyles“[21] ausgedacht, was der deutsche Übersetzer wortwörtlich mit „schluckende Wasserspeier“[22] übersetzt hat, was durchaus vertretbar ist. Wieso der französische Übersetzer allerdings „nom d’une gargouille“[23] gewählt hat, ist unklar, aber „gargouilles engloutissantes“ hätte sich vielleicht etwas komisch angehört.
Interessant ist auch, wie „blimey“[24], was laut Longman „(used for expressing surprise)“[25] ist, übersetzt wird, je nachdem, wer es sagt. Wenn Hagrid, der keinen sehr gepflegten Sprachgebrauch hat, es benutzt, heißt es auf Deutsch „Verflucht“[26] und auf Französisch „Bougre de diable“[27]. Benutzt aber Fred, einer der Weasley-Zwillinge, das Wort, heißt es auf Deutsch „Mein Gott“[28] und auf Französisch „Nom d’un chaudron“[29]. Hier sieht man, dass der französische Übersetzer in diesen Fällen auf das Zauberweltvokabular zurückgreift und der deutsche auf das allgemeinsprachliche. Dasselbe lässt sich bei der Übersetzung von dem ähnlichen Wort „Crikey“[30] beobachten, denn auf Deutsch heißt es einfach nur „Mann“[31] und auf Französisch „sac à méduses“[32].
Ein weiteres Beispiel für idiomatische Redewendungen ist „pick-me-up“[33], ein kleiner Muntermacher, d.h. ein Drink, den Hagrid anscheinend benötigt. Klaus Fritz entscheidet mit seiner Übersetzung sogar, was Hagrid trinken will, nämlich „einen kleinen Magenbitter“[34], während Jean-François Ménard bei „un petit remontant“[35] bleibt.
Ein letztes Beispiel für eine Redewendung ist das, was Hagrid zu den Dursleys sagt, als er sauer ist, dass sie Harry nie erzählt haben, dass er ein Zauberer ist. Er sagt: „Ah, go boil yer heads, both of yeh“[36], was eigentlich eine Frechheit oder eine Beleidigung ist. Das wird auf Deutsch auch klar, nur bin ich nicht sicher, ob es sich dabei um eine geläufige Redewendung handelt, oder ob Klaus Fritz einfach nur wortwörtlich übersetzt hat. Es heißt: „Aach, kocht eure Köpfe doch im eigenen Saft, ihr beiden“[37]. Jean-François Ménard hat sich für eine weniger freche Antwort Hagrids entschieden und hat mit „Je vais vous transformer en pâté, tous les deux“[38] übersetzt, was eher einer Drohung gleichkommt.
4.1.2. Wortspiele
Laut Delabastita[39] gibt es verschiedene Arten von Wortspielen, die meistens „auf Lautähnlichkeit (Paronymie) oder Lautidentität (Homonymie), auf der Tatsache, dass ein Wort verschiedene Bedeutungen hat (Polysemie), auf der Möglichkeit, idiomatische Ausdrücke entweder wörtlich oder übertragen zu verstehen und/oder auf Formen der grammatischen Mehrdeutigkeit“ basieren. Zu den institutionalisierten Wortspielen gehören u.a. Anagramme, Palindrome, Schüttelreime usw. Erwähnenswert ist auch das multilinguale Wortspiel, dessen Bestandteile aus mehreren Sprachen besteht. Delabastita unterscheidet zwischen acht Möglichkeiten, Wortspiele zu übersetzen:
1) Das Wortspiel im Ausgangstext wird durch ein Wortspiel im Zieltext übersetzt, auch wenn sie sich bezüglich der Semantik oder der Einbettung unterscheiden.
2) Das Wortspiel im Ausgangstext wird durch eine Wendung übersetzt, die lediglich den Sinn wiedergibt.
3) Das Wortspiel wird durch ein ähnliches rhetorisches Mittel (Reim, Metapher, usw.) übersetzt.
4) Das Wortspiel wird im Zieltext weggelassen.
5) Das Wortspiel wird originalgetreu wiedergegeben.
6) Im Zieltext wird an einer anderen Stelle ein Wortspiel eingesetzt, das aber nicht im Ausgangstext steht, um das weggelassene Wortspiel zu kompensieren.
7) Es wird völlig neues Textmaterial mit einem Wortspiel hinzugefügt.
8) Es werden erklärende Fußnoten oder andere Lösungen präsentiert.
Diese acht Möglichkeiten können auch miteinander kombiniert werden.
Ein erstes Wortspiel, das ein Problem darstellt, ist das mit Wood, dem Kapitän der Quidditch-Mannschaft von Gryffindor. Nachdem Harry unerlaubterweise Kunststücke mit seinem Besen während des Flugunterrichts gemacht hat, holt ihn Professor McGonagall ab und fragt in der Klasse von Professor Flitwick nach Wood. Im Original lautet die Passage folgendermaßen: „’Excuse me, Professor Flitwick, could I borrow Wood for a moment?’ Wood? thought Harry, bewildered; was Wood a cane she was going to use on him? But Wood turned out to be a person, …”[40] Da Jean-François Ménard aus Oliver Wood, Olivier Dubois gemacht hat, funktioniert das Wortspiel auch auf Französisch: „– Puis-je vous emprunter du bois quelques instants? Du bois ? Avait-elle l’intention de lui donner des coups de bâton? se demanda Harry, déconcerté. Mais Dubois était en fait un élève …“[41] Der einzige Unterschied ist die Kleinschreibung von du bois im ersten Satz, so dass das Wortspiel eigentlich nur mündlich funktioniert. Leider ist es nicht möglich ein ähnliches Wortspiel auf Deutsch zu finden und so hört sich die Passage etwas seltsam an: „»Entschuldigen Sie, Professor Flitwick, könnte ich mir Wood für eine Weile ausleihen?« Wood?, dachte Harry verwirrt; war Wood ein Stock, den sie für ihn brauchte? Doch Wood stellte sich als Mensch heraus, ...“[42]
Ein weiteres Wortspiel ist der Witz, den Peeves, der Poltergeist mit Mr Filch, dem Hausmeister macht. Als dieser auf der Suche nach den Schülern ist, fragt er Peeves, ob er weiß, wo sie sind. Dieser antwortet: „’Shan’t say nothing if you don’t say please’. Daraufhin sagt Filch „Please” und Peeves entgegnet: „’NOTHING! Ha haaa! Told you I wouldn’t say nothing if you didn’t say please! Ha ha! Haaaaaa!”[43] Es läuft darauf hinaus, dass er im Original eine doppelte Verneinung benutzt und somit eigentlich sagen will, dass er nicht „nothing“ sagt, wenn Filch nicht „please“ sagt, also dass er „nothing“ sagt, wenn Filch „please“ sagt. Klaus Fritz ist die Übersetzung dieses Wortspiels allerdings nicht gelungen. Es heißt: „»Ich sag’ dir nichts, wenn du nicht ›bitte‹ sagst«, antwortete Peeves mit einer nervigen Singsangstimme. »Na gut – bitte.« »NICHTS! Hahaaa! Hab’ dir gesagt, dass ich nichts sagen würde, wenn du nicht bitte sagst! Haha! Haaaaa!«“[44] Da hier keine doppelte Verneinung vorhanden ist, müsste er ihm eigentlich sagen, wo die Kinder sich befinden, denn er wollte Filch nur nichts sagen, wenn er nicht bitte sagt, aber das tut dieser und somit müsste er sie verraten. Eine Lösung wäre gewesen: „Ich werde es dir sagen, wenn du bitte sagst.“ Dann könnte er „ES!“ antworten, nachdem Filch bitte gesagt hat. Genau das hat nämlich Jean-François Ménard getan: „– Je dirai quelque chose quand on me dira s’il te plaît, chantonna Peeves de son ton le plus exaspérant. – Bon d’accord. S’il te plaît. – QUELQUE CHOSE! Ha! Ha! Ha! …”[45]
[...]
[1] Rowling, J.K. Harry Potter und der Stein der Weisen. Aus dem Englischen übersetzt von Klaus Fritz. Hamburg: Carlsen, 1998. S. 19. Nachfolgend zitiert als: Rowling/Fritz, Stein
[2] Martin, Till (Hrsg.). Viel Zauber um Harry. Die Welt der Joanne K. Rowling. Hamburg: Carlsen, 2001. und
http://www.harrypotter.gallimard-jeunesse.fr/Pages/Rowling/GabaritInRowlin.html
[3] http://www.feschenbach.de/web/forum/rezensionen/potter/uebers.php3
[4] http://www.livres-a-gogo.be/bio/bimenard.htm und Delcroix, Olivier: “L’art de traduire sans trahir”, in Le Figaro no. 17510, Ausgabe vom 27. November 2000
[5] Nord, Christiane. „Das Verhältnis des Zieltexts zum Ausgangstext“. in: Snell-Hornby, Mary u.a. (Hrsg.): Handbuch Translation. Tübingen: Stauffenburg. 2. verbesserte Auflage, 1999. S. 141
[6] Nord, Christiane. „Textanalyse: pragmatisch / funktional“. in: Snell-Hornby, Mary u.a. (Hrsg.): Handbuch Translation. Tübingen: Stauffenburg. 2. verbesserte Auflage, 1999. S. 351
[7] Göpferich, Susanne. „Text, Textsorte, Texttyp“. in: Snell-Hornby, Mary u.a. (Hrsg.): Handbuch Translation. Tübingen: Stauffenburg. 2. verbesserte Auflage, 1999. S. 62
[8] idem. S. 63
[9] Delabastita, Dirk. „Wortspiele“. in: Snell-Hornby, Mary u.a. (Hrsg.): Handbuch Translation. Tübingen: Stauffenburg. 2. verbesserte Auflage, 1999. S. 285
[10] Rowling, J.K. Harry Potter and the Philosopher’s Stone. London: Bloomsbury, 1997. p. 31. Nachfolgend zitiert als Rowling, Stone.
[11] Longman Dictionary of English Language and Culture. Harlow: Longman, 1998, Second Edition. unter „have” p. 607. Nachfolgend zitiert als Longman und Stichwort.
[12] Rowling/Fritz. Stein. S. 43
[13] Rowling, J.K. Harry Potter à l’école des sorciers. Traduit de l’anglais par Jean-François Ménard. Éditions Gallimard Jeunesse, 1998. p. 41. Nachfolgend zitiert als: Rowling/Ménard, École
[14] Rowling. Stone. p. 22
[15] Longman. dinky1, p. 359
[16] Rowling/Fritz. Stein. S. 29
[17] Rowling/Ménard. École. p. 28
[18] Rowling. Stone. p. 7
[19] Rowling/Fritz. Stein. S. 5
[20] Rowling/Ménard. École. p. 6
[21] Rowling. Stone. p. 45
[22] Rowling/Fritz. Stein. S. 62
[23] Rowling/Ménard. École. p. 59
[24] Rowling. Stone. p. 45 & 163
[25] Longman. blimey. p. 123
[26] Rowling/Fritz. Stein. S. 62
[27] Rowling/Ménard. École. p. 59
[28] Rowling/Fritz. Stein. S. 242
[29] Rowling/Ménard. École. p. 220
[30] Rowling. Stone. p. 52
[31] Rowling/Fritz. Stein. S. 74
[32] Rowling/Ménard. École. p. 70
[33] Rowling. Stone. p. 59
[34] Rowling/Fritz. Stein. S. 86
[35] Rowling/Ménard. École. p. 80
[36] Rowling. Stone. p. 42
[37] Rowling/Fritz. Stein. S. 58
[38] Rowling/Ménard. École. p. 55
[39] Delabastita, Dirk. „Wortspiele“. in: Snell-Hornby, Mary u.a. (Hrsg.): Handbuch Translation. Tübingen: Stauffenburg. 2. verbesserte Auflage, 1999. S. 285 - 288
[40] Rowling. Stone. p. 112
[41] Rowling/Ménard. École. p. 152
[42] Rowling/Fritz. Stein. S. 166
[43] Rowling. Stone. p. 119
[44] Rowling/Fritz. Stein. S. 176
[45] Rowling/Ménard. École. p. 161
- Citar trabajo
- Kim Bauler (Autor), 2005, Harry Potter auf Deutsch und Französisch. Ein Übersetzungsvergleich., Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/44978
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