Gab es einen Staat im Mittelalter? Geht man vom klassischen Nationalstaatsbegriff von 1900 aus, kann man diese Frage wohl schnell verneinen. Doch müsste dann nicht auch zahlreichen modernen Staaten ihre Staatlichkeit aberkannt werden? Denn diese lagern einen Teil ihrer Aufgaben zum Beispiel an die Europäische Union oder an NGOs aus.
Martin Thomaschütz bringt deshalb einen weniger restriktiven Begriff von Staatlichkeit ins Spiel. Diesem nähert er sich über die Frage, inwieweit religiöse Institutionen Ko-Produzenten von Staatlichkeit waren und immer noch sind. Ausgehend vom europäischen Mittelalter setzt er sich vor allem mit der katholischen Kirche auseinander.
Doch wie sieht es in zeitgenössischen Räumen begrenzter Staatlichkeit aus? Thomaschütz beschäftigt sich dazu mit Pakistan als einem vom Islam geprägten Staat der Gegenwart. Wo finden sich Parallelen, wo Unterschiede zwischen dem modernen Staat und den Staatsformen des Mittelalters? Vielleicht gibt das Mittelalter ein Vorbild ab für neuzeitliche Staatskonzepte jenseits des klassischen Nationalstaates.
Aus der Begründung der Beurteilung dieser Arbeit: "Die Arbeit stellt in doppelter Weise eine innovative Leistung dar: Zum einen wird die Governance-Forschung auf das Mittelalter übertragen und die Kirche nicht als Gegensatz, sondern als Ko-Produzent von Staatlichkeit gesehen (Regierung, Verwaltung, Rechts- und Bildungswesen). Zum anderen wird die gleiche Fragestellung auf das heutige Pakistan übertragen und mit den Ergebnissen zum Mittelalter verglichen. In formaler, sprachlicher und gedanklicher Hinsicht eine reife Leistung!"
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Staat, Staatlichkeit und Governance - eine kurze Begriffsklärung
- Die katholische Kirche im Mittelalter als Ko-Produzent von Staatlichkeit
- Mitwirkung der Kirche an der Regierung
- Mitwirkung der Kirche an der Verwaltung
- Mitwirkung der Kirche am Rechtswesen
- Mitwirkung der Kirche am Bildungswesen
- Mitwirkung der Kirche am Sozial- und Gesundheitswesen
- Moderne Staaten und ihre religiösen Ko-Produzenten von Staatlichkeit am Beispiel Pakistans
- Ist Pakistan ein Staat?
- Geschichte Pakistans
- Der Islam als Ko-Produzent von Staatlichkeit in Pakistan
- Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Rolle religiöser Institutionen als „Ko-Produzenten von Staatlichkeit“, sowohl im mittelalterlichen Europa als auch in modernen Kontexten. Sie analysiert, inwieweit die katholische Kirche im Mittelalter die Entstehung und Entwicklung von Staatlichkeit mitgestaltete und wie der Islam im zeitgenössischen Pakistan als Ko-Produzent von Staatlichkeit fungiert.
- Die Definition von Staatlichkeit und Governance im Mittelalter und heute
- Die Rolle der katholischen Kirche im Mittelalter als Ko-Produzent von Staatlichkeit in verschiedenen Bereichen wie Regierung, Verwaltung, Rechtswesen, Bildung und Sozialwesen
- Die Bedeutung des Islams als Ko-Produzent von Staatlichkeit im modernen Pakistan
- Die Herausforderungen und Chancen von religiösen Institutionen als Ko-Produzenten von Staatlichkeit in verschiedenen historischen und kulturellen Kontexten
- Die Frage, ob eine restriktive Definition von „Staat“ zeitgemäß ist und ob eine Neubewertung der Reiche des Mittelalters notwendig ist
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Forschungsfrage nach der Rolle religiöser Institutionen als „Ko-Produzenten von Staatlichkeit“ im Mittelalter und in der Gegenwart. Sie befasst sich mit der Frage, ob die klassische Definition von Staatlichkeit, die im 19. Jahrhundert von Max Weber und Georg Jellinek geprägt wurde, im Hinblick auf die heutigen modernen Staaten und auch auf die mittelalterlichen Reiche ausreichend ist.
Kapitel 2 beschäftigt sich mit der Begriffsklärung von Staat, Staatlichkeit und Governance. Es geht um die Unterschiede und Überschneidungen dieser Begriffe und um die Bedeutung von Governance als neue Form der Regierungsführung im 21. Jahrhundert.
Kapitel 3 analysiert die Rolle der katholischen Kirche im Mittelalter als Ko-Produzent von Staatlichkeit. Es untersucht die Mitwirkung der Kirche in verschiedenen Bereichen, wie Regierung, Verwaltung, Rechtswesen, Bildung und Sozialwesen. Das Kapitel beleuchtet die enge Verflechtung von Kirche und Staat im Mittelalter und zeigt die vielfältigen Formen der Ko-Produktion von Staatlichkeit auf.
Kapitel 4 widmet sich den modernen Staaten und ihren religiösen Ko-Produzenten von Staatlichkeit am Beispiel Pakistans. Es untersucht die Frage, ob Pakistan als Staat bezeichnet werden kann und beleuchtet die Geschichte Pakistans im Kontext des Islam als Ko-Produzenten von Staatlichkeit.
Schlüsselwörter
Staatlichkeit, Governance, Ko-Produktion, Mittelalter, katholische Kirche, Islam, Pakistan, Geschichte, Religion, Politik, Gesellschaft, Recht, Bildung, Sozialwesen, Fragile Staaten, Moderne, Postmoderne.
- Citation du texte
- Martin Thomaschütz (Auteur), 2019, Kirche und Staat im Mittelalter und heute. Religiöse Institutionen als Ko-Produzenten von Staatlichkeit, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/449723