Der Begriff Politikverdrossenheit ist in den letzten Jahren ein fester Bestandteil politischer Diskussionen geworden. Die Medien, aber auch Wissenschaftler, gebrauchen die Politikverdrossenheit um verschiedene politische Phänomene zu erklären. In diesem Zusammenhang sind die geringe Wahlbeteiligung, die Mitgliederverluste großer Parteien und die Wahlerfolge links- und rechtsgerichteter Parteien zu nennen. Jedoch ist der Begriff bisher nicht genau genug definiert und differenziert worden, um diese Schlussfolgerungen und Erklärungen ohne Kritik hinzunehmen. Die griffigste Definition stammt von Arzheimer, der von einer „negativen Einstellung gegenüber politischen Objekten“ spricht. Diese Definition wird in der Hausarbeit als Grundlage dienen, um sich der Frage zu nähern, ob Politikverdrossenheit einen nachweisbaren Einfluss auf das Wahlverhalten abgegrenzter Gruppen oder Individuen hat. Das Wahlverhalten ist im Vergleich eine wissenschaftlich in viel größerem Umfang untersuchte Entscheidungsgröße als die Politikverdrossenheit. Auch aus diesem Grund haben sich im Laufe der Zeit bereits drei Erklärungsmodelle herausgebildet. Der soziologisch, sozialstrukturelle Ansatz, der sozialpsychologische Ansatz, sowie das Modell des rationalen Wählers. Die Hausarbeit wird sich dabei auf die beiden erstgenannten Ansätze konzentrieren, um eine mögliche Verbindung zwischen diesen und der Politikverdrossenheit aufzuzeigen.
Die Hausarbeit ist so aufgebaut, dass in Kapitel 2 die vorliegenden
wissenschaftlichen Arbeiten zu den Begriffen Politikverdrossenheit und Wahlverhalten, sowie die zugehörigen Studien beschrieben und kritisch beleuchtet werden und im letzten Teil abschließend die oben formulierte Frage beantwortetet wird.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung und Fragestellung
2 Theoretische Betrachtung
2.1 Politikverdrossenheit
2.2 Wahlverhalten
3 Zusammenfassung und Diskussion
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Einflüsse von Persönlichkeitsmerkmalen auf Verdrossenheitseinstellungen
Abbildung 2: Das sozialpsychologische Erklärungsmodell
Abbildung 3: Parteiidentifikation in Westdeutschland 1976-2002
1 Einleitung und Fragestellung
Der Begriff Politikverdrossenheit ist in den letzten Jahren ein fester Bestandteil politischer Diskussionen geworden.1 Die Medien, aber auch Wissenschaftler, gebrauchen die Politikverdrossenheit um verschiedene politische Phänomene zu erklären. In diesem Zusammenhang sind die geringe Wahlbeteiligung, die Mitgliederverluste großer Parteien und die Wahlerfolge links- und rechtsgerichteter Parteien zu nennen.2,3 Jedoch ist der Begriff bisher nicht genau genug definiert und differenziert worden, um diese Schlussfolgerungen und Erklärungen ohne Kritik hinzunehmen. Die griffigste Definition stammt von Arzheimer, der von einer „negativen Einstellung gegenüber politischen Objekten“ spricht.4 Diese Definition wird in der Hausarbeit als Grundlage dienen, um sich der Frage zu nähern, ob Politikverdrossenheit einen nachweisbaren Einfluss auf das Wahlverhalten abgegrenzter Gruppen oder Individuen hat. Das Wahlverhalten ist im Vergleich eine wissenschaftlich in viel größerem Unfang untersuchte Entscheidungsgröße als die Politikverdrossenheit. Auch aus diesem Grund haben sich im Laufe der Zeit bereits drei Erklärungsmodelle herausgebildet. Der soziologisch, sozialstrukturelle Ansatz, der sozialpsychologische Ansatz, sowie das Modell des rationalen Wählers. Die Hausarbeit wird sich dabei auf die beiden erstgenannten Ansätze konzentrieren, um eine mögliche Verbindung zwischen diesen und der Politikverdrossenheit aufzuzeigen.
Die Hausarbeit ist so aufgebaut, dass in Kapitel 2 die vorliegenden wissenschaftlichen Arbeiten zu den Begriffen Politikverdrossenheit5 und Wahlverhalten, sowie die zugehörigen Studien beschrieben und kritisch beleuchtet werden und im letzten Teil abschließend die oben formulierte Frage beantwortetet wird.
2 Theoretische Betrachtung
In diesem Abschnitt wird zuerst auf die wissenschaftliche Aufarbeitung des Begriffes Politikverdrossenheit kritisch eingegangen, um dann im zweiten Teil die Ansätze des Wahlverhaltens differenziert zu beschreiben. Beide Teile dienen dazu eine thematische und begriffliche Grundlage zu schaffen, um die Diskussion zur im ersten Teil formulieren Fragestellung im dritten Abschnitt führen zu können.
2.1 Politikverdrossenheit
Wie in der Einleitung schon angesprochen, liegt für den Begriff Politikverdrossenheit keine präzise Definition vor.6 Auf der anderen Seite steht die vielfache Verwendung des Wortes in den Medien.7 Des Weiteren ist festzustellen, dass die Politikverdrossenheit besonders in Deutschland ein fest verankerter Begriff ist.8 Smith nennt in diesem Zusammenhang Deutschland als die „Heimat der Politikverdrossenheit“.9 Die Politiker selbst nutzen die Politikverdrossenheit um damit eigene Vorschläge zu unterstützen oder die der politischen Gegner zu entkräften.10 Stärker noch wird der Begriff vom Souverän genutzt, wie aus der Aufstellung von Lermann deutlich wird.11 Arzheimer erkennt dieses Spannungsfeld und bildet mit Hilfe der Untersuchung verschiedenster wissenschaftlicher Arbeiten folgende Definition: Die Politikverdrossenheit „[bezeichnet] eine negative Einstellung gegenüber politischen Objekten“.12 Es wird deutlich, dass auch diese Definition nicht klar ist, jedoch schon weitergehend ist, als zum Beispiel die Definition von Maier, der von einer „diffusen Einstellung“ spricht.13 Die „politischen Objekte“ dürften in Arzheimers Definition noch am wenigsten Interpretationsspielraum lassen, jedoch bleibt der Begriff der „negativen Einstellung“ beziheungsweise „diffusen Einstellung“ unklar. Die Analyse verschiedenster wissenschaftlicher Arbeiten von Arzheimer zeigt, dass die am häufigsten genannten Einstellungen, die zur Politikverdrossenheit führen die Enttäuschung/die Unzufriedenheit, das Misstrauen und der Mangel an politischer Kompetenz und die Wirksamkeit sind. Unter dem Begriff Objekt kristallisiert sich klar die Partei als wichtigster Punkt heraus.14 Diese Erklärungen erscheinen zur Definitionsfindung ein guter Schritt zu sein, jedoch bleibt die Feststellung, dass Politikverdrossenheit nicht einfach zu bestimmen ist. Besonders die Gewichtung und die Interdependenzen zwischen den Einstellungen und Objekten bleiben unbeantwortet. Ein Vorschlag von Alzheimer zur Lösung dieser Problematik zielt darauf ab, verschiedene Persönlichkeitsmerkmale zu betrachten und diese mit unterschiedlichen Kombinationen aus Einstellungen und Objekten zu vergleichen.15 Die Studie versucht das Misstrauen gegenüber den Parteien, die Einstellung gegenüber Politikern, die Unzufriedenheit der Leistung der Partei und den Politikern, die Responsivität16 und der Bewertung der Umsetzung der Wünsche der Wähler in Regierungshandeln17 zu messen. Die Ergebnisse zeigen kaum Interdependenzen, so das die „Verdrossenheitseinstellungen kein Syndrom bilden, sondern vielmehr nur sehr schwach miteinander verbunden sind.“18 Eine umfassende Bestimmung der Politikverdrossenheit ist somit weiterhin nicht möglich. Um dem entgegen zu wirken schaute sich Arzheimer fünf verschiedene Persönlichkeitsmerkmale und deren Zusammenhang mit den oben beschriebenen Verdrossenheitsattitüden an. Die von Arzheimer übernommenen Merkmale sind die etablierten „big five“19: Neurotizismus20, Extraversion21, Offenheit für Erfahrungen22, Verträglichkeit23 und Gewissenhaftigkeit24. Leider führt auch diese Studie nicht zu einer eindeutigen Aussage, da sie ein gemischtes Bild zeigt, was auch an dieser Abbildung deutlich wird:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Einflüsse von Persönlichkeitsmerkmalen auf Verdrossenheitseinstellungen25
Extraversion und Verträglichkeit haben nur sehr geringen Einfluss auf die Einstellung zur Verdrossenheit. Der Neurotizismus zeigt klar ein erhöhtes Misstrauen gegenüber politischen Objekten und den Kompetenzen der Politiker. Offenheit präsentiert einen negativen Zusammenhang zwischen dem Gefühl fehlender negativer Kompetenz. Gewissenhaftigkeit zeigt zum einen, dass das Gefühl mangelnder Responsivität und der Argwohn gegenüber Parteien und Politiker höher ist und zum anderen einen negativen Effekt auf die Einschätzung der Kompetenz der Politiker.26
[...]
1 1993 wurde das Wort Politikverdrossenheit von der Gesellschaft für Deutsche Sprache sogar zum „Wort des Jahres 1992“ gekürt.
2 Sowie die Ergebnisse der Grünen in den 80er Jahren.
3 Alemann, Die Parteien in den Wechseljahren?, 1996, S. 4ff.
4 Arzheimer, Politikverdrossenheit, 2002, S. 129
5 hier besonders die Untersuchungen Arzheimers
6 Als Substitut für das Wort Politikverdrossenheit werden die Wörter Partei(en)-, Staats-, Demokratie-, und Politikerverdrossenheit genutzt.
7 Wohl aus dem Grund, dass der Begriff nicht exakt definiert ist.
8 In der angelsächsischen Literatur scheitern die rar gesäten Autoren schon an einer
Übersetzung. Vgl. dazu Michael Eilforts Versuch: „The term Politikverdrossenheit is hard to translate successfully. It indicates an alienation from politics, politicians and parties, and a frustration with the political process.” (Eilfort, Politikverdrossenheit and the Non-Voter, 1996)
9 Smith, Politikverdrossenheit, die Verfassung und das Parteiensystem, 1996, S. 134
10 Dazu zählen die Diskussion über die rechtsradikalen Parteien, das Jugendwahlrecht, sowie Volksentscheide.
11 Lermann, Nichtwähler, 1994
12 Arzheimer, Politikverdrossenheit, 2002, S. 129
13 Vgl. Maier, Politikverdrossenheit in der Bundesrepublik Deutschland, 2000, S.21
14 Vgl. Arzheimer, Politikverdrossenheit, 2002, S. 129 ff.
15 Vgl. Arzheimer, „Politikverdrossenheit“ - eine Frage der Persönlichkeit?, 2005, S. 195
16 Übereinstimmung zwischen öffentlicher Meinung und parlamentarischen Handlungen in politischen Sachfragen
17 Dieses Merkmal ist in der Literatur häufig unter dem Begriff „internal efficacy“ zu finden. Dazu ausführlich Vetter, Political Efficacy, 1997.
18 Vgl. Arzheimer, „Politikverdrossenheit“ - eine Frage der Persönlichkeit?, 2005, S. 197
19 John/ Srivastava, The Big Five trait taxonomy, 1999, S. 102 ff.
20 Eigenschaften von Neurotizismus: nervös, ängstlich, traurig, unsicher und verlegen.
21 Eigenschaften von Extraversion: gesellig, aktiv, gesprächig, sozial, herzlich und optimistisch.
22 Eigenschaften von Offenheit: wissbegierig, kreativ, phantasievoll und unabhängig.
23 Eigenschaften von Verträglichkeit: altruistisch, mitfühlend, verständnisvoll, wohlwollend vertrauensvoll und kooperativ.
24 Eigenschaften von Gewissenhaftigkeit: zuverlässig, diszipliniert, ehrgeizig, pünktlich und penibel.
25 Eigene Darstellung der Ergebnisse von Arzheimer, „Politikverdrossenheit“ - eine Frage der Persönlichkeit?, 2005, S. 199 f.
26 Vgl. Arzheimer, „Politikverdrossenheit“ - eine Frage der Persönlichkeit?, 2005, S. 199
- Citar trabajo
- Daniel Verst (Autor), 2005, Hat Politikverdrossenheit einen Einfluss auf sozialstrukturelles, sozialpsychologisch bestimmtes Wahlverhalten?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/44954
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