Bekanntlich sind Überkopfsportarten für den Handlungs- und Bewegungsapparat des menschlichen Körpers unzuträglich. Diese Erfahrung machen nicht nur Sportler im Profibereich. Durch die jeweilige Trainingsspezifik werden die anatomischen Areale des Bewegungssystems unterschiedlich belastet, woraus differenzierte Verletzungsmuster resultieren. Die klassische leichtathletische Disziplin Speerwurf nimmt im weiten Feld der Überkopfsportarten eine gesonderte Rolle ein. Während Überkopfaktionen anderer Sportarten durch zusätzliche Bewegungsanforderungen bspw. Springen, Laufen u.v.m. weitestgehend kompensiert werden, steht eine einzelne maximale und explosive Überkopfbewegung, verbunden mit einer großen Kraftentfaltung, im Mittelpunkt des Speerwurfs. Aus dieser Sportartspezifität resultieren einheitliche Verletzungserscheinungen der aktiven sowie passiven Strukturen des Organismus. Um als Athlet im Profisport bestehen zu können, bedarf es neben der Leistungsfähigkeit einer kontinuierlichen Einsatzfähigkeit. Erst durch fortdauernde Leistungsbereitschaft des Bewegungssystems kann eine Leistungssteigerung erfolgen. Umso wichtiger ist es für den Speerwerfer, sich frühzeitig und regelmäßig mit präventiven Maßnahmen auseinanderzusetzen und diese in das Athletentraining einzubauen.
Diese Arbeit entwickelt schrittweise auf der Grundlage einer qualitativen Befragung und des Forschungsstandes ein umfassendes Präventionskonzept speziell für Speerwerfer.
Inhaltsverzeichnis
Danksagung
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Problemstellung
2 Theoretische Grundlagen zur Speerwurftechnik
2.1 Der Bewegungsablauf
2.1.1 Die Zyklische Anlaufbewegung
2.1.2 Die Azyklische Anlaufbewegung
2.1.3 Die Azyklische Abwurfbewegung
2.1.4 Das Abfangen des Körpers
2.2 Anforderungen an die sportmotorischen Hauptbeanspruch- ungsformen
2.3 Technische Fehler als Quelle für Verletzungen
3 Sportartspezifische Verletzungen im Speerwurf
3.1 Sportverletzung und Sportschaden als Begrifflichkeiten
3.2 Lokalisierung der Verletzungen
3.2.1 Schulter
3.2.2 Ellenbogen
3.2.3 Rumpf
3.2.4 Untere Extremität
3.3 Stellenwert der Verletzungsprävention für die Sportpraxis
4 Methodik
4.1 Untersuchungsverfahren
4.2 Untersuchungspersonen
4.3 Studienergebnisse
4.4 Untersuchungsauswertung
5 Diskussion
5.1 Darstellung und Vergleich der Ergebnisse
5.2 Diskussion der Präventionsstrategien
5.2.1 Kräftigung
5.2.2 Dehnungs- bzw. Beweglichkeit
5.2.3 Physiotherapeutische Behandlungsformen
5.2.4 Koordination und Propriozeption
5.2.5 Erwärmung
5.2.6 Sonstige Maßnahmen
5.3 Ableitung eines Präventionskonzeptes
6 Fazit
7 Literatur
8 Anhang
Danksagung
Ein großer Dank gilt meinem Betreuer und Prüfer Herrn Dr. Hans-Christian Wick für die vielseitige und ideenreiche Unterstützung. Er stand mir für Fragen innerhalb meiner Konzeption und Anfertigung der Arbeit stets zeitnah zur Seite. Auch für die Probandenfindung und -vermittlung innerhalb der Studienplanung erhielt ich allzeit einsatzbereiten Beistand.
Außerdem möchte ich mich an dieser Stelle bei allen Vereinen, Sportärzten, aktiven Sportlern und Trainern bedanken, die sich freiwillig die Zeit genommen haben, an der Expertenbefragung teilzunehmen und mit ihren weitreichenden Erfahrungen und ihrer Expertise zu den Ergebnissen der vorliegenden Arbeit beigetragen haben.
Dankbar bin ich zudem für die motivationale und finanzielle Unterstützung meiner Familie. Ohne sie wäre eine Vollendung meiner wissenschaftlichen Abschlussarbeit und die Bewerkstelligung meines Studiums nicht vorstellbar gewesen.
Gleichermaßen bedanke ich mich bei meiner Lebensgefährtin Katja Fürst für ihre ideenreiche und ununterbrochene Unterstützung.
Abbilungsverzeichnis
Abbildung in dieer Leseprobe nicht enthalten
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieer Leseprobe nicht enthalten
1 Problemstellung
Bekanntlich sind Überkopfsportarten für den Handlungs- und Bewegungsapparat des menschlichen Körpers unzuträglich. Diese Erfahrung machen nicht nur Sportler im Profibereich. Durch die jeweilige Trainingsspezifik werden die anatomischen Areale des Bewegungssystems unterschiedlich belastet, woraus differenzierte Verletzungsmuster resultieren. Die klassische leichtathletische Disziplin Speerwurf nimmt im weiten Feld der Überkopfsportarten eine gesonderte Rolle ein. Während Überkopfaktionen anderer Sportarten durch zusätzliche Bewegungsanforderungen bspw. Springen, Laufen u.v.m. weitestgehend kompensiert werden, steht eine einzelne maximale und explosive Überkopfbewegung, verbunden mit einer großen Kraftentfaltung, im Mittelpunkt des Speerwurfs. Aus dieser Sportartspezifität resultieren einheitliche Verletzungserscheinungen der aktiven sowie passiven Strukturen des Organismus. Um als Athlet im Profisport bestehen zu können, bedarf es neben der Leistungsfähigkeit einer kontinuierlichen Einsatzfähigkeit. Erst durch fortdauernde Leistungsbereitschaft des Bewegungssystems kann eine Leistungssteigerung erfolgen. Umso wichtiger ist es für den Speerwerfer, sich frühzeitig und regelmäßig mit präventiven Maßnahmen auseinanderzusetzen und diese in das Athletentraining einzubauen.
Die vorliegende Arbeit entwickelt schrittweise auf der Grundlage einer qualitativen Befragung und des Forschungsstandes ein umfassendes Präventionskonzept speziell für Speerwerfer.
In der Forschung zu diesem Themenschwerpunkt wurden lediglich einzelne auf konkrete anatomische Verletzungsareale bezogene Einzelstudien veröffentlicht. Hierzu zählt die Studie nach Zandt (2014), welche sich auf Schulterproblematiken fokussiert. Die vorliegende Arbeit leistet einen neuartigen Beitrag zur derzeitigen Forschung durch die Entwicklung eines Präventionskonzeptes, welches sich auf alle Verletzungsareale bezieht.
Die Forschungsfrage, die in dieser Arbeit beantwortet werden soll, lautet wie folgt:
Welche Strategien und Prinzipien müssen in einem Präventionskonzept für Speerwerfer enthalten sein, um eine umfassende Verletzungsprophylaxe gewährleisten zu können?
Die dazugehörige These lautet:
Der Schwerpunkt eines präventiven Konzeptes in der leichtathletischen Disziplin Speerwurf sollte nicht nur auf einem kraftorientierten Training liegen. Es bedarf der Kombination aus weiteren präventiv wirksamen Schlüsselkomponenten, um langfristig Verletzungen vorbeugen zu können.
Ausgehend vom speziellen Bewegungsablauf des Speerwurfes werden die ursächlichen Mechanismen für Überlastungsschäden der Muskulatur, Bänder, Sehnen und Gelenke dargestellt. Die biomechanische Wirkung auf den Organismus und dessen einzelne Körpersegmente sowie das sportartspezifische Anforderungsprofil folgen im weiteren Verlauf. Danach werden der Aufbau der betroffenen Verletzungsregionen und deren Verletzungserscheinungen durch die Überkopfbewegung dargelegt. Anschließend erfolgt die Vorstellung der Methode der qualitativen Befragung und der ermittelten Ergebnisse. Im letzten Abschnitt werden die Studienresultate dargestellt, verglichen und durch Informationen zum aktuellen Forschungsstand ergänzt. Auf dieser Grundlage wird ein umfassendes Präventionskonzept zur Vorbeugung speerwurfspezifischer Verletzungen in Form einer Handreichung angeboten. Das Programm stellt das Forschungsergebnis dieser wissenschaftlichen Arbeit dar.
2 Theoretische Grundlagen zur Speerwurftechnik
Als Basis für die folgenden Abhandlungsschwerpunkte muss ein einheitliches Verständnis über die Grundlagen der Speerwurftechnik und ihres spezifischen Anforderungsprofils für die motorischen Hauptbeanspruchungsformen hergestellt werden. Erst mit dem Wissen über technische Besonderheiten des Bewegungsablaufes können Rückschlüsse auf sportartspezifische Verletzungen und Überlastungsschädigungen gezogen werden, die allein in der Technik begründet liegen. Hierzu wird in diesem Kapitel die Phasenstruktur der leichtathletischen Disziplin detailliert beschrieben. Daraus abgeleitet erfolgt eine erste grobe Lokalisierung der betroffenen Verletzungsherde. Anschließend wird ein Überblick über die motorischen Hauptbeanspruchungsformen gegeben. Im letzten Abschnitt des Kapitels liegt der Fokus auf speerwurfspezifischen Fehlerbildern, bei deren Eintreten verstärkende Verletzungsmechanismen auf den Organismus wirken.
2.1 Der Bewegungsablauf
Der Bewegungsablauf des Speerwurfs folgt, wie jede Bewegung, einer bestimmten Phasenstruktur. Jede Phase trägt eine unterschiedliche, unverzichtbare Funktionsbelegung, zum Gelingen des jeweiligen Bewegungsablaufes, in sich (Stein, 2013).
Bewegungsübergreifend können zunächst zyklische von azyklischen Bewegungsformen unterschieden werden. Die Erstgenannte ist durch die Wiederkehr annäherungsweise gleichförmiger Teilbewegungen, wie dem kontinuierlichen Radfahren bzw. Laufen, gekennzeichnet (Stein, 2013). Der zyklische Bewegungsablauf beschränkt sich aufgrund der Phasenüberlagerung der Vorbereitungs- und Endphase auf nur zwei Abschnitte, der Hauptphase und der Zwischenphase. Dem gegenüber steht die in Vorbereitungs-, Haupt-, und Endphase geteilte azyklische Bewegung (Stein, 2013). Inhalt ist nicht eine wiederkehrende Bewegungsaktion, sondern eine einmalige Körperaktion. Typische in der Literatur aufgezeigte Beispiele stellen Sprünge, wie der Hockstrecksprung oder die Würfe, wie der Korbwurf im Basketball, dar (Stein, 2013).
Charakteristisch für die Speerwurfbewegung ist das Vorhandensein beider Erscheinungsformen, die miteinander verschmelzen bzw. ineinander übergehen (Stein, 2013). Diese Verquickung beider Bewegungsformen wird nach Schnabel (2004) als Simultankombination bezeichnet. In der Speerwurfbewegung löst die azyklische Anlaufbewegung die anfängliche zyklische ab (Vorbereitungsphase) und mündet in einer weiteren azyklischen Abwurfaktion (Hauptbeschleunigungsphase). Die speerwurfspezifische Phasenstruktur schließt mit in einer Abfangphase bzw. Bremsphase mit dem gleichzeitigen Abwurf des 600 (Frauen) oder 800 Gramm (Männer) schweren Speeres ab (Strüder et al., 2013). Der Phasenaufbau im Speerwurf ist in Abbildung 1 modellhaft dargestellt.
Abbildung in dieer Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1. Modellhafte Speerwurftechnik (verändert nach Strüder et al., 2013, 685f.)
2.1.1 Zyklische Anlaufbewegung
Innerhalb der ersten Anlaufphase erfolgt eine geradlinige Laufbewegung frontal in Richtung des Abwurfes mit dem Ziel der Erreichung einer optimalen Anfangsgeschwindigkeit des Sportlers und des Wurfgerätes. Gleichzeitig dient sie dem Einnehmen einer zweckmäßigen Körper- und Gerätehaltung und zur muskulären Vorspannung für die folgende azyklische Anlauf- sowie Abwurfphase (Kühl, 1997). Für den zyklischen Anlauf absolvieren die Weltklasse-Sportler ca. acht bis zwölf Schritte (Strüder et al., 2013). Die Körpersegmente Kopf, Schulter- und Beckenachse befinden sich zunächst in frontaler Position zur Laufrichtung. Der Oberkörper ist weitestgehend aufgerichteten. Die Wurfhand hält den Speer in Ohrenhöhe und der Handrücken nach außen (Strüder et al., 2013). Der Ellenbogen ist ca. 60 Grad gebeugt und zeigt in Laufrichtung. Der Wurfarm und der Schultergürtel sind dabei stets locker zu halten. Der stabilisierende Arm unterstützt zusätzlich die Laufbewegung. Das Wurfgerät ist dabei horizontal zum Untergrund ausgerichtet. Diese Körperauslage wird während des gesamten zyklischen Anlaufes beibehalten (Strüder et al., 2013). Der Athlet absolviert einen Steigerungslauf, sodass der Anlauf nur bedingt als zyklisch angesehen werden darf. Mit zunehmender Geschwindigkeit nimmt die Schrittlänge und die Schrittfrequenz zu (Strüder et al., 2013). Zudem folgt die Anlaufgeschwindigkeit einem „leistungsabhängigen Optimaltrend“ (Menzel, 1989, 227). Wie in Abbildung 2 dargestellt, werden die großen Wurfweiten der Spezialisten durch gleichzeitig hohe Anlauftempi von bis zu 8,5 Meter pro Sekunde erreicht. Hierbei entfallen auf die zyklische Anlaufbewegung zunächst nur 6-7 m/s. Diese Geschwindigkeiten müssen in der darauffolgenden azyklischen Phase eine weitere Steigerung, auf die benannte maximale Anlaufgeschwindigkeit, erfahren (Kühl, 1997). Bei Athleten mit geringerem Leistungsniveau werden entweder keine vergleichbar großen Geschwindigkeiten erreicht oder die Anlaufgeschwindigkeit kann in den darauffolgenden azyklischen Phasen nicht aufrechterhalten bzw. nicht technisch sauber ausgeführt werden (Lenz & Losch, 1991). Daher ist in dieser Phase auf eine, auf das sportlerspezifische Leistungsniveau ausdifferenzierte, optimale Kopplung von Technik und Tempo hinzuweisen (Menzel, 1989).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2. Korrelation von Anlaufgeschwindigkeit VAn und der Wurfweite W (Menzel, 1989, 227)
Innerhalb dieser ersten Bewegungsphase treten keine Verletzungen auf. Die Verletzungsfreiheit liegt in der relativ anspruchslosen bzw. natürlichen Technik des zyklischen Laufens begründet. Die Bewegung verläuft geradlinig, sodass bei einer funktionierenden Anatomie eine gleichmäßige Überdachung der Gelenke, eine gleichmäßige Spannung der Bänder bzw. Sehnen vorherrscht und keine extrem einseitigen Belastungen entstehen. Die Bewegung konzentriert sich hauptsächlich auf den Bereich der Hüfte und der unteren Extremitäten wohingegen die oberen Extremitäten nur geringfügig involviert sind. In diesen Körpersegmenten werden unter den submaximalen Bewegungsgeschwindigkeiten auch nur niedrige Belastungen auf den Haltungs- und Bewegungsapparat akquiriert. Mit den benannten Anlaufgeschwindigkeiten von ungefähr 6-7 m/s werden nur 48-56%, der für den Menschen möglichen 12,5 m/s (Weltrekordlauf von Usain Bolt über 100 Meter in 9,58 Sekunden), erreicht (Strüder et al., 2013). Bezogen auf die maximal erreichbare Geschwindigkeit von Speerwerfern entspricht dies ca. 60%. Folglich sollten bis auf äußere Faktoren bzw. schon existierende körperliche Dysbalancen keine Überlastungsschäden, die in der ersten Phase der Speerwurftechnik begründet liegen, auftreten.
2.1.2 Azyklische Anlaufbewegung
Nach erster Beschleunigung des Gesamtsystems Körper-Speer, wird die Geschwindigkeit in der zweiten Anlaufphase weiter gesteigert (Lenz & Losch, 1991). Im Inneren des Körpers dient der azyklische Anlaufteil der Erhaltung bzw. weiteren Steigerung der muskulären Vorspannung. Es wird eine günstige Positionierung der Glieder und des Wurfgerätes angestrebt, um eine Voraussetzung für die größtmögliche Energieübertragung für die darauffolgende Abwurfaktion gewährleisten zu können (Lenz & Losch, 1991). Speerwurftechnisch erfolgt dies über einen Fünf-Schritt-Rhythmus. Erweitert werden kann diese Technik durch eine Vorschaltung von weiteren Kreuzschritten zu einem Sieben- oder Neun-Schritt-Rhythmus (Strüder et al., 2013). Da die Mehrzahl der Speerwurfelite den Fünfschritt-Rhythmus ausführt und diese Technik für alle erweiternden Rhythmen grundlegend ist, wird eine Beschränkung auf diese Technik als zielführend erachtet.
Der azyklische Teil wird durch die Zurückführung des Wurfgerätes eröffnet. Mit Speerzurücknahme wird der Ellenbogen gestreckt und der Wurfarm befindet sich in Verlängerung der Schulter. Der Nicht-Wurfarm hingegen wird in Schulterhöhe angehoben und zeigt in Wurfrichtung (Strüder et al., 2013). Mit ihm wird die Beschleunigung weiterhin unterstützt sowie die Zielrichtung anvisiert. Während dieser Phase wird die Frontalpositionierung aufgelöst und der gesamte Körper zur Wurfarmseite hin geöffnet. Die Schulterachse rotiert nach außen um die Körperlängsachse bis auf 90° (Strüder et al., 2013). Dabei ist der Humerus horizontal eingestellt und um ca. 160° nach außen rotiert (Bramhall et al., 1997). Auch die Hüfte folgt dieser Bewegung und wird aus der frontalen Position herausgelöst (Strüder et al., 2013). Insgesamt entsteht eine leichte Rumpfneigung entgegen der Laufrichtung (Lenz & Losch, 1991). Der Speer wird aus der nahezu waagerechten Position leicht gekippt sodass die Speerspitze ca. 40° gen Vertikale zeigt. Die Speerspitze befindet sich in unmittelbarer Nähe zur Schläfe (Strüder et al., 2013). Diese Position der Speerwurfrücknahme muss spätestens mit dem dritten Fußaufsatz des Fünf-Schritt-Rhythmus eingenommen werden, um eine angemessene Wurfauslage zu erreichen. Jedoch wird eine zügige Rückführung mit dem ersten Schritt empfohlen, da eine allmählich durchgeführt Streckung des Armes den Laufrhythmus und damit die Bewegungsgeschwindigkeit beeinträchtigt (Strüder et al., 2013).
Während oder nach der Speerrücknahme erfolgt der benannte Fünf-Schritt-Rhythmus, welcher durch Kreuzschritte gekennzeichnet ist. Jeder zweite Schritt ist durch ein Vorkreuzen des Schwungbeins über die Wurfarmseite gekennzeichnet (Strüder et al., 2013). Die Schrittführung erfolgt über einen aktiven Fußaufsatz sowie einem impulsgebenden Beinabdruck. Der Fußaufsatz wird zur seitlichen Richtung um bis zu 45° gedreht und die Kniegelenke leicht gebeugt fixiert (Lenz & Losch, 1991). Die Geschwindigkeit des Anlaufes sollte in dieser Phase weiter auf bis zu 8,5 m/s gesteigert werden. Diese Geschwindigkeiten bewegen sich im submaximalen Bereich von bis zu 70% der maximalen Sprintgeschwindigkeit. Eine Tempoeinbuße sollte strengstens unterbunden werden, da hieraus technische Fehler entspringen, die eine optimale Abwurfvorbereitung verhindern (Kühl, 1997).
Der letzte Abschnitt des Fünfer-Rhythmus wird als Impulsschritt bezeichnet. Hierbei wird der letzte Kreuzschritt durch einen schnellkräftigen dritten Fußaufsatz (linkes Bein bei Rechtswerfern) initiiert. Mit dem Abdruck sollte eine explosive Schwungbeinaktion flach nach vorne, mit entsprechend hoher Geschwindigkeit und geringer vertikaler Amplitude, getätigt werden (Kühl, 1997). Würden derartige Eigenschaften beim Impulsschritt fehlen, müsste zunächst nach dem Aufsatz des Druckbeins die große Fallgeschwindigkeit kompensiert werden. Zur Folge hätte dies eine Herabsetzung des Anlauftempos (Strüder et al., 2013). Während der Flugphase erfolgt ein sogenannter doppelter Beinwechsel. Beim Abdruck des linken Beines kommt es zunächst zum Überholvorgang des Schwungbeines (rechtes Bein). Jedoch kurz vor dem Fußaufsatz des rechten Beines, zieht das linke Bein vorbei. Es erfolgt ein zweiter, umgekehrter Überholvorgang, wobei sich nun das linke, künftige Stemmbein vor dem aufgesetzten, rechten Druckbein befindet (Lenz & Losch, 1991). Während des Impulsschrittes überholen die Beine den Unterkörper. Auch die Schultern bleiben hinter der Hüfte positioniert, um einen möglichst langen Beschleunigungsweg für die Abwurfphase zu gewährleisten (Strüder et al., 2013). Es resultiert eine Rücklage ɛ (vgl. Abbildung 2) der Körperlängsachse von 30° bis zu 36°. Die entstandene leichte Bogenspannung wird in der Abwurfphase verstärkt und gipfelt direkt vor dem Beginn der Wurfarmbeugung. Die Schulterachse bleibt dabei in einem rechten Winkel zur geneigten Körperlängsachse (Bauersfeld & Schröter, 1980). Der Rückneigungswinkel ist in der Abbildung 3 illustriert.
Des Weiteren erfolgt bei der Wurfelite eine verstärkte „Verwringung“ des Oberkörpers gegenüber des Unterkörpers. Diese Verwringung kann bis zu 105° von der Frontalstellung der Schulter abweichen und setzt somit eine hohe Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule voraus. Die Torsion lässt sich durch einen Blick aus der Vogelperspektive in Form einer Abweichung von Schulter-, Hüft- und Speerachse erkennen (Strüder et al., 2013). Die Parallelität der Achsen in der Horizontalen ist grundsätzlich gegeben. Der Impulsschritt endet mit dem Aufsatz des rechten Druckbeines. Daran schließt sich der kürzere Stemmschritt an. Dieser wird jedoch schon in die nächste Phase des azyklischen Abwurfes eingegliedert, da die Hauptbeschleunigung des Wurfgerätes schon mit der Druckbeinarbeit vor dem Stemmbeinaufsatz erfolgt (Kühl, 1997).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3. Rückneigungswinkel am Ende des Impulsschrittes (Menzel, 1989, 228)
Ähnlich dem Zwischenfazit zur Verletzungsrelevanz der zyklischen Anlaufphase sind die Ergebnisse für den azyklischen Bewegungsvollzug zu betrachten. Auch diese Phase dient der Vorbereitung der Hauptbeschleunigung des Abwurfes. Unter dieser Zielstellung werden weiterhin submaximale Bewegungsgeschwindigkeiten erreicht. Derartige Tempi sind als nicht verletzungsrelevant anzusehen.
Jedoch stellen die ausgeführten Kreuzschritte durch den schrägen Fußaufsatz eine erhöhte Belastung für die Sprunggelenke dar. Die Folge kann eine Überpronation des Fußes sein und Distorsionen im Sprunggelenk verursachen. Außerdem erhöht die zunehmende Verwringung von Schulter- und Hüftachse das Risiko für Schädigungen der Lendenwirbelsäule. Im benannten Bereich sind aufgrund geringerer Beweglichkeit und gering ausgeprägter Rückenmuskulatur Verschleißerscheinungen der muskulären und knöchernen Strukturen wahrscheinlich.
Innerhalb der Ausholbewegung werden Wurfgerät und der Wurfarm geringfügig in Wurfrichtung bewegt. Dadurch wird lediglich eine exzentrische Belastung der Innenrotatoren, M. latissimus dorsi sowie M. teres major, und der Humerusadduktoren, M. pectoralis major und M. subscapularis, ausgelöst (Bramhall et al., 1997). Die relevante Muskulatur wird lediglich zweckmäßig vorgespannt, wobei nur geringe Gelenkbelastungen erreicht werden. Daher treten bei der Speerzurücknahme verhältnismäßig selten Verletzungen auf (Bramhall et al., 1997).
2.1.3 Azyklische Abwurfbewegung
Die tatsächliche Wurfaktion, die durch effektive Wurfarmbeschleunigung charakterisiert ist, stellt die vorletzte Phase der Speerwurftechnik dar. Diese Hauptbeschleunigungsphase des Speeres beginnt simultan zum Druckbeinaufsatz (Strüder et al., 2013). Sie endet mit dem Lösen der Hand vom Wurfgerät. Initiiert wird die Phase mit einer „ziehenden“ Bewegung des Druckbeines entgegen der Laufrichtung nach Fußaufsatz (Strüder et al., 2013, 674). Damit wird Druck auf den Untergrund ausgeübt mit dem Ziel des weiterführenden Vortriebes des Körperschwerpunktes (Kühl, 1997). Gleichzeitig ist das Knie leicht gebeugt, wodurch eine Absenkung des Körperschwerpunktes ausgelöst wird. Unter dieser Voraussetzung ist ein weit vom Druckbein entferntes Setzen des Stemmbeines vor dem Körper möglich. Das Druckbein wird mit weiterer Vorwärtsbewegung des Körperschwerpunktes stückweise entlastet (Strüder et al., 2013; Kühl, 1997). Hierbei rollt der Fuß über den Fußballen und die Zehen bis zum letzten Segment des Fußes ab. Mit dem Aufsetzen des Stemmbeines schleift die Oberseite des Fußes über den Tartanuntergrund nach. Schließlich löst sich das Druckbein. Der Stemmbeinaufsatz erfolgt über die gesamte Fußsohle, in einem 45° Winkel zur Vertikalen und wird eingeleitet mit dem Erstkontakt über die Ferse (Strüder et al., 2013; Kühl, 1997). In zeitlicher Hinsicht sollte die Stemmbeinaktion schnellstmöglich in kurzem Abstand zum Druckbein durchgeführt werden, um einen erneuten Geschwindigkeitsverlust zu umgehen. Der Stemmschritt erfolgt um 10-30% kürzer als der Impulsschritt (Strüder et al., 2013). Beim Aufstemmen sollten das Stemmbein und das zugehörige Kniegelenk durch aktive Anspannung der Beinmuskulatur zu einem stabilen Körperteil werden. Der limitierende Faktor für einen intensiven Stemmschritt stellen damit die Kraftleistungen des M. quadrizeps femoris und der Adduktorenmuskulatur dar (Kühl, 1997). Durch den Stemmbeinaufsatz wird die Geschwindigkeit des Körpersystems schlagartig um 50-70% abgebremst. Dazu ist eine Streckung des Stemmbeines bei der aktuellen Elite, auf ein Maximum (160° bis 180°) erforderlich (Menzel, 1986). Während dieser Phase werden Stemmbein, insbesondere die Adduktoren, Hüfte und der Rumpf extrem belastet (Strüder et al., 2013).
Für die Abwurfphase muss eine Impulsübertragung gewährleistet werden, die für die Erreichung der Abwurfgeschwindigkeit eine essenzielle Voraussetzung ist. Das Prinzip der Impulsübertragung basiert auf einer schnellkräftigen Beschleunigung, die in eine abrupte Bremsbewegung mündet (Menzel, 1986). Im Speerwurf äußert sich dies in einer Art Kettenbewegung von unten nach oben. Die Hüfte beginnt diesen Prozess, gefolgt von der Schulter bis hin zum Ellenbogen und dem Wurfarm (Menzel, 1986). Die Impulsübertragung kann durch die Geschwindigkeit-Zeit-Parameter in der Abbildung 4 optisch nachvollzogen werden. Die chronologische Abfolge der einzelnen Körpersegmente ist im Diagramm erkennbar. Zu Beginn des Stemmbeineinsatzes wird eine intensive Hüftaktion angeregt. Aus der geöffneten Stellung der Hüfte erfolgt nun ein explosionsartiges „Nach-vorn-Schlagen der rechten Hüfte“ (Lenz & Losch, 1991, 146). Durch die Innenrotation der Hüfte wird die Bogenspannung in die maximale Stellung ausgedehnt. Dabei erfolgt eine Wurf(schulter)verzögerung, gekoppelt mit einem hohen Spannungsaufbau der Rumpf-, Arm- bzw. Schultermuskulatur (Kühl, 1997). Innerhalb dessen kommt es zu einer höchstmöglichen Verwringung der noch vertikal zur Abwurflinie zeigenden Schulterachse und der dazu parallelen Hüftachse. Hierdurch erreicht auch die Vorspannung der Schulter- und Armmuskulatur ihr Optimum als Voraussetzung für die „reaktive exzentrisch-konzentrische Muskelreaktion“ des finalen Krafteinsatzes (Killing, 2011, 26). Die Ober- und Unterkörperverwringung und die Bogenspannung stellen damit wesentliche Bestandteile für die weitere Kraftübertragung dar (Kühl, 1997). Die Körperposition kann in Abbildung 1 der Bilderreihe nachvollzogen werden. Mit Hilfe des Stemmbeineinsatzes und der aktiven Hüftarbeit kann nun eine weitere Impulsübertragung erfolgreich durchgeführt werden. Durch das gestreckte Knie ist eine Ansteuerung des Impulses von Hüfte über den Rumpf bis hin zum Wurfarm möglich (Menzel, 1986). Bis zu diesem Zeitpunkt sind Schulter und Wurfarm unverändert positioniert. Eine Beugung des Ellenbogengelenkes während des Spannungsaufbaues ist strengstens zu unterlassen, um die Bogenspannung aufrecht zu erhalten und den Beschleunigungsweg des Wurfarmes nicht zu verkürzen (Kühl, 1997).
Nach dem Erreichen der höchstmöglichen Bogenspannung wird der finale Krafteinsatz initiiert. Die erste Hälfte beginnt mit dem nach vorne Schlagen der Schulter in die frontale Haltung (Bramhall et al., 1997). Mit der Vorwärtsrotation der Schulter erzeugt der Sportler ein Drehmoment, welches zur Beschleunigung des Wurfgerätes beiträgt. Verstärkt wird dieser Vorgang mit zunehmender Humerusadduktion (Bramhall et al., 1997). Die Kontraktion der vorderen Adduktoren (M. pectoralis und M. scapularis) veranlassen eine innere Beschleunigung. Simultan werden die Innenrotatoren (M. latissimus dorsi und M. teres major) aktiv und bewirken eine Einwärtsdrehung des Oberarmes (Bramhall et al., 1997). Währenddessen wird der Ellenbogen gebeugt und in eine hohe Position angehoben. Zunächst bleiben in diesem Vorgang der Unterarm und die Hand inaktiv (Killing, 2011). Außerdem ist auf ein Blockieren der Gegenschulter zu achten, um die Impuls- bzw. Energieübertragung aufrechtzuerhalten und ein Verpuffen der Energie zu vermeiden (Killing, 2011).
Durchläuft der Ellenbogen und die Schulter ihre vom Körper am weitesten entfernte Lage, schließt sich die Unterarmschleuder an. Sie ist für die maximale Streckung des Ellenbogens verantwortlich, die durch ein explosives Nach-vorn-Schlagen des Unterarmes gekennzeichnet ist (Killing, 2011). In dieser zweiten Hälfte wird die Oberarmadduktion durch M. teres minor, M. infraspinatus und M. supraspinatus abgebremst und somit das Drehmoment bzw. der Impuls auf den Unterarm übertragen. Zeitgleich erfolgt die schnellkräftige Innenrotation des Oberarms, die die Ellenbogenstreckung ermöglicht (Bramhall et al., 1997). Unterstützung erhält dieser Vorgang von dem kontrahierten Antagonisten, dem Ellenbogenbeuger. Mit der raschen Drehbewegung, die mit einer extrem schnellen Streckung des Ellenbogens kombiniert ist, wirken in dieser Phase hohe Scherkräfte auf das Ellenbogengelenk (Bramhall et al., 1997). Der für die Unterarmschleuder optimale kleinste Winkel im Ellenbogen ist auf ca. 90 Grad datiert, da bei der Rotationsbewegung mit diesem Winkel ein größtmöglicher Hebel zwischen Drehachse und Speer hergestellt werden kann (Strüder et al., 2013).
Infolge des kontrahierenden M. deltoideus und M. teres minor wird der Unterarm rapide abgestoppt. Dadurch kann der Impuls auf das Handgelenk übertragen werden (Bramhall et al., 1997). Das Handgelenk ist letztlich der letzte Impulsgeber für das Sportgerät. Die Hand gibt durch ihre Ausrichtung und aktive Plantarflexion den Abflugkurs des Speers vor. (Killing, 2011).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 4. Geschwindigkeit-Zeit-Diagramm für die Abwurfphase (Menzel, 1986, 116)
Das Ziel ist es, in der Abwurfphase eine maximale Geschwindigkeit des Speeres zu erreichen. Simultan zur Geschwindigkeit steigen in der Abwurfphase entsprechend die Kräfte, die auf die jeweiligen Körpersegmente wirken (Strüder et al., 2013). Wie angedeutet sind Verschleiß- und Überlastungsschäden nicht auf eine Körperregion beschränkt, sondern betreffen sowohl Unterkörper als auch Oberkörper. Dies liegt in der von unten nach oben verlaufenden Impulsübertragung begründet, die durch das Setzen des Stemmbeines initiiert wird und sich bis zum Verlassen des Speeres fortsetzt (Strüder et al., 2013). Durch maximale schnellkräftige Beschleunigung und das anschließende abrupte Abbremsen zuerst der Hüfte, gefolgt von Rumpf, Schultergürtel und letztlich Ellenbogen sowie Unterarm, kommt es zu einer großen Belastung der beanspruchten Strukturen (Strüder et al., 2013). Eine weitere Verschleißerscheinung kann im Zusammenhang mit der Rumpfrotation in die Frontalebene auftreten. Die vorbereitende Verwringung des Oberkörpers wird in der Sportmedizin als Torquierung der Wirbelsäule bezeichnet. Diese Torquierung verläuft im Bereich der Lendenwirbelsäule (Feldmeier, 1988). Aufgrund der natürlichen steil angestellten Position der Wirbelgelenke können innerhalb der Rotationsbewegungen starke Krafteinwirkungen auf die Wirbelbögen eintreten (Feldmeier, 1988). Mit der Hyperextension des Rumpfes wird die Lendenwirbelsäule stark belastet. Die Auflösung der Bogenspannung erfolgt über die Innenrotation der Schulter, welche mit einer Beugung des Ellenbogens gekoppelt ist. Auch hier fordert die schnellkräftige Bewegung eine enorme Kraft der Rotatorenmanschette der Schulter, das Ellenbogengelenk und deren umliegende Strukturen. Hierbei werden Geschwindigkeiten im Oberarm von bis zu 15 m/s erreicht. Innerhalb der darauffolgenden Extension des Unterarms (Unterarmschleuder) verdoppeln sich die Geschwindigkeiten auf über 25 m/s (Hinz, 1991). Die Geschwindigkeitssteigerung kann in Abbildung 4 nachvollzogen werden. Dabei wird das Ellenbogengelenk extrem gestreckt und hohen Scherkräften ausgesetzt (Wagner, 2005).
Insgesamt ist die Hauptbeschleunigungsphase die verletzungsanfälligste Phase der Speerwurftechnik. Dazu tragen die hohen Geschwindigkeiten und Spannungen bei. Einen großen verletzungsbegünstigenden Effekt besitzt die azyklische Bewegungsausführung selbst, die gekennzeichnet ist durch hohe Beschleunigungen der Körperglieder aus einer weit gedehnten Ausgangsstellung und im Übergang zur nächsten Phase durch eine schnelle, negativ beschleunigte Abbremsbewegung umrahmt wird (Haaker, 1996). Damit gehen kurz aufeinander folgende Dehnungen und Verkürzungen (bzw. Dehnung der kontrahierten Muskulatur) von Muskeln, Bändern und Sehnen einher. Dieses Charakteristikum des Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus begünstigt in besonderem Maße die Überlastung und den Verschleiß (Haaker, 1996).
2.1.4 Abfangen des Körpers
Die letzte Phase beginnt mit dem Verlassen des Speeres. Nachdem der Impuls auf das Wurfgerät übertragen wurde, muss das beschleunigte Körpersystem schlagartig abgefangen werden, um ein Übertreten der Abwurflinie zu verhindern (Kühl, 1991). Dabei müssen alle Muskeln im Schulterbereich kontrahieren, um den beschleunigten Arm und das Ellenbogengelenk abzubremsen. In der vorherigen Beschleunigung existierten nach außen wirkende Kräfte in Höhe des eigenen Körpergewichtes (Bramhall et al., 1997). Zur Erhaltung der Schultergelenksstabilität müssen ausgleichende Kräfte akquiriert werden (Bramhall et al., 1997). Bei Nichtbeachtung entstehen daraus typische Überlastungsschäden des Schultergelenkes und der Bizepssehne, da Bremsvorgänge bedeutend höher als die Beschleunigungsgeschwindigkeit sind (Bramhall et al., 1997).
Wesentliche Voraussetzung für das Gelingen der Bremsbewegung ist das weiterhin gestreckte Stemmbein. Die Oberschenkelmuskulatur insbesondere die Gruppe der Hüftadduktoren, sind bei der Stemmbewegung gefordert und neigen zu Überlastungen. Passiert der Körperschwerpunkt das Stemmbein, fängt der Athlet die restliche Geschwindigkeit mit einem tiefen, nach vorn gerichteten Nachstellschritt ab (Strüder et al., 2013; Killing, 2011). Einige Athleten, darunter Johannes Vetter oder Tero Pitkämäki, lösen durch die hohe Horizontalgeschwindigkeit eine vorwärts gerichtete Oberkörperrotation aus. Das Resultat ist ein über den Ausfallschritt hinausgehendes Abfangen mit der Landung in Bauchlage, mit abstützender Funktion der Handgelenke (Strüder et al., 2013).
Die Abfangbewegung umfasst aufgrund der starken Abbremsanforderungen der Körperstrukturen ein ähnlich hohes Verletzungsrisiko, wie die Hauptbeschleunigungsphase. Der Fokus ist auch hier auf die Schultergelenk- und Ellenbogenstrukturen gerichtet. Außerdem wirken auf das, den Nachstellschritt ausführende, ehemalige Druckbein hohe Körpergewichtskräfte. Die Belastung kann hier als mittel bis hoch angesehen werden. Des Weiteren kann die Abfangvariation mit Landung auf der Körpervorderseite und der Stützphase der Handgelenke als kritisch angesehen werden. Hier entstehen hohe Fallgeschwindigkeiten, die mit dem Körpergewicht hohe Kraftwirkungen auf das Handgelenk produzieren und bei falschem Handaufsatz zu Schädigungen der Handgelenksstrukturen führen.
2.2 Anforderungen an die sportmotorischen Hauptbeanspruchungsformen
Die Disziplin des Speerwurfes kann den vorangestellten Ausführungen zu Folge als eine sehr komplexe Bewegung charakterisiert werden. Die Leistungsentwicklung wird durch die Ausprägung der motorischen Hauptbeanspruchungsformen bestimmt. Alle drei Formen der konditionellen Fähigkeiten Ausdauer, Schnelligkeit und Kraft und die mit ihnen in enger Wechselbeziehung stehenden koordinativen Fähigkeiten, Beweglichkeit und Koordination, sind für die Komplexbewegung von Nöten, jedoch mit unterschiedlich starker Gewichtung (Weineck, 2010).
Wenig relevant ist bspw. die aerobe sowie anaerobe Ausdauer. Sie dient lediglich als Grundlage für die allgemeine motorische Bewegung (Strüder et al., 2013). Die Schnelligkeit als zweite Hauptbeanspruchungsform ist schwerpunktmäßig in der zyklischen und azyklischen Anlaufbewegung vertreten. Der Schwerpunkt liegt entsprechend auf der Frequenz- und Aktionsschnelligkeit (Strüder et al., 2013). Beide schnelligkeitsarten sollten im Training systematische verbessert werden, um eine hohe Geschwindigkeit in der Vorbereitungs- sowie Abwurfphase zu generieren. Die Reaktionsschnelligkeit hingegen spielt eine untergeordnete Rolle im Speerwurf. Als noch wichtiger einzuschätzen ist die Kraftfähigkeit. Im Volksmund als die Schlüsselfähigkeit von Wurfdisziplinen dargestellt, nimmt sie tatsächlich einen hohen Stellwert im Speerwurf ein. Mit der azyklischen Wurfbewegung im Mittelpunkt erweist sich die Kraftfähigkeit der Hüft- und Rumpfbeuger bzw. -rotatoren, der Ellenbogenstreckmuskulatur und der Innenrotations- sowie Anteversionsmuskulatur als extrem wichtige motorische Hauptbeanspruchungsform (Strüder et al., 2013). Diese Bereiche sollten entsprechend im Training gestärkt werden. Als ausgleichende Komponente sollten jedoch auch die antagonistisch arbeitenden Muskelgruppen eine ebenso intensive Beachtung finden. Natürlich sollten die drei Kraftarten unterschiedlich stark in die Trainingspraxis integriert werden. Die Maximalkraft erscheint dabei als wichtige Grundlage für die Leistungsprogression. Demgegenüber nimmt die Förderung der Schnellkraft den höchsten Stellenwert ein. Nicht nur die azyklische Anlaufbewegung, sondern die schnellkräftige Rotation und Beschleunigung des Oberkörpers sowie des Wurfarmes bei der Abwurfphase sind die wichtigen Leistungsparameter im Speerwurf. Somit wird eine Konzentration auf das Schnellkrafttraining essentiell (Strüder et al., 2013). Jedoch birgt der schnellkräftige Charakter des Speerwurfes eine hohe Verletzungsanfälligkeit (Bant et al., 2011). Alle Bindegewebe erfahren durch die schnellkräftigen Kontraktionen der Muskulatur eine hohe Krafteinwirkung (Bant et al., 2011). Diese Tatsache lässt sich auf die Dehnungsverkürzungsgeschwindigkeit zurückführen. Dabei können die verschiedenen Gewebe mit ihren differenzierten viskoelastischen Eigenschaften beschädigt werden oder schlimmstenfalls reißen (Bant et al., 2011). Das Verletzungsrisiko für Überlastungen und Langzeitfolgeschäden kann sich in Verbindung mit einer unzureichenden koordinativen Basis zusätzlich erhöhen. Die Kraftausdauer ermöglicht die Ausführung der sechs Wurfversuche im Wettkampf auf einem hohen sportlichen Niveau (Strüder et al., 2013).
Die koordinativen Eigenschaften, bestehend aus Beweglichkeit und Gewandtheit, kommen in der „Sportart der Tüftler“ (Strüder et al., 2013, 665) in ebenso hohem Maße zum Tragen. Die Beweglichkeit stellt eine elementare Voraussetzung für eine qualitative und quantitative gut ausgeprägte Bewegungsamplitude im Speerwurf dar (Harre, 1975). Das Ziel der Erreichung einer maximalen Wurfbeschleunigung macht die Flexibilität in der wurfseitigen Schulter und der Rotationsfähigkeit im Hüft- sowie Rumpfbereich erforderlich (Strüder et al., 2013). Durch geeignete Dehnungsverfahren kann der ROM erheblich verbessert werden und die auf Schnellkraft ausgelegte Muskulatur ökonomisch bzw. verletzungsfrei arbeiten (Weineck, 2010).
Der Gewandtheit kommt im Speerwurf eine große Bedeutung zu Teil. Weineck (2010, 424) begründet diese Aussage wie folgt: „Je komplexer bzw. komplizierter eine Bewegung bzw. eine Bewegungsfolge abläuft, desto größer wird die Bedeutung der koordinativen Fähigkeiten.“. Dieses Prinzip trifft auf die leichtathletische Disziplin zu. Der Athlet muss entsprechend einer ganzen Reihe koordinativer Anforderungen innerhalb des Bewegungsablaufes gerecht werden. Das folgende Schema (s. Abbildung 5) nach Neumaier & Mechling (2014, 97) dient als Grundlage für die Darstellung der zu beachtenden Faktoren der Koordination beim Speerwurf. Zum einen ist das Gelingen einer zielgerichteten Bewegungsaufgabe von der fein abgestimmten Verarbeitung der afferenten Informationsanforderungen durch die optischen, akustischen, kinästhetischen, vestibulären und taktilen Analysatoren sowie von Gleichgewichtsanforderungen abhängig, zum anderen unterliegt es typischen Druckbedingungen während der koordinativ anspruchsvollen Bewegungsleistung (Neumaier & Mechling, 2014). Die Kategorien der Informationsanforderungen setzen sich aus dem äußeren und inneren Regelkreis zusammen. Zur erstgenannten Sparte gehören die optischen und akustischen Analysatoren (Vogt & Neumann, 2007). Da im Speerwurf, wie bereits erwähnt, keine akustischen (Start)Signale erfolgen, besteht nur eine geringe akustische Informationsanforderung. Die optischen Analysatoren besitzen im Speerwurf auch lediglich ein mittleres Anforderungsniveau (Strüder et al., 2013). Der innere Regelkreis hingegen setzt sich aus den taktilen, vestibulären und kinästhetischen Wahrnehmungselementen zusammen (Vogt & Neumann, 2007). Während die taktilen Analysatoren wenig relevant für den Speerwurf sind, kommt der Gleichgewichtsregulation (vestibulär) eine größere Bedeutung zu (Strüder et al., 2013). Während der simultanen Bewegungen verschiedener Körpersegmente sind die Anforderungen auf das Gleichgewicht des Gesamtsystems bzw. der einzelnen Haltungs- und Bewegungssegmente erhöht. Der Sportler muss bei der Gesamtbewegung in der Lage sein auf Lageveränderungen und Abweichungen zu reagieren bzw. diese in Hinblick auf das Gleichgewicht zu regulieren (Weineck, 2010). Das kinästhetische Sinnessystem beinhaltet die Propriozeption, also die Rezeptoren der Tiefensensibilität. Für die Speerwurftechnik stellt die afferente Informationsverarbeitung über die Gelenkeinstellung, -kraft und -bewegung eine sehr wichtige Komponente dar, da sie durch gezielte Schulung einen Beitrag zur spürbaren Optimierung der Gelenkphysiologie sowohl zur Technikverbesserung als auch zur Verletzungsprävention kann (Weineck, 2010).
Die auf der rechten Seite des Schemas in Abbildung 5 dargestellten Druckbedingungen stellen die zweite Anforderungskategorie dar (Neumaier & Mechling, 2014). Mit dem Erfordernis sowie dem Anspruch im Speerwurf alle Stellschrauben der Bewegung in eine Optimalposition zu versetzen, ruft einen hohen Präzisionsdruck hervor (Vogt & Neumann, 2014). Bedeutsam ist eine „differenzierte, fein abgestimmte Ansteuerung der Muskulatur (und Regulation des Krafteinsatzes)“ (Neumaier & Mechling, 2014, 101). Ohne diese Fertigkeit kommt ein erfolgreicher Speerwerfer nicht aus, wodurch der Präzisionsdruck als ein sehr hoch eingestuftes Element der Koordinationsanforderungen zu werten ist (Strüder et al., 2013). Dabei besteht eine enge Verbindung mit der zweiten Druckanforderung, dem Zeitdruck, da der Präzisionsdruck mit zunehmender Bewegungsgeschwindigkeit zunimmt (Neumaier & Mechling, 2014). An dieser Stelle ist erneut auf den „Geschwindigkeits-Genauigkeits-Kompromiss“ in Kapitel 2.1 hinzuweisen (Neumaier & Mechling, 2014). Des Weiteren wird die Bewegungskoordination durch mehrere simultane zueinander sowie sukzessiv ablaufende Bewegungsaktionen erschwert (Neumaier & Mechling, 2014). Der Komplexitätsdruck steigt entsprechend (Strüder et al., 2013). Als gering leistungsbeeinträchtigend hingegen kann der Belastungsdruck erachtet werden (Strüder et al., 2013). Der Belastungsdruck im Speerwurf äußert sich in einer geringfügigen konditionell-energetischen Beanspruchung, die während der Belastung trotz extremer (Schnell)Kraftspitzen keine Ermüdung der beanspruchten Muskulatur hervorruft (Neumaier & Mechling, 2014). Im Leistungssport kommt zu dem Belastungsdruck eine psychische Komponente hinzu. Abhängig von den individuellen psychischen Anforderungen kann die Relevanz dieser Kategorie variieren (Neumaier & Mechling, 2014). Der Situationsdruck als letzte Druckanforderung im Speerwurf kann nahezu vollständig unterschlagen werden, da sich die Wurfsituation, bis auf exogene Einflüsse kaum verändert (Strüder et al., 2013).
Abbildung in dieer Leseprobe nicht enthalten
Abb. 5. Koordinative Anforderungen von Bewegungsaufgaben (Neumaier & Mechling, 2014, 97)
Das beschriebene Anforderungsprofil des Speerwurfes gibt Auskunft über die Beteiligung und Gewichtung der motorischen Hauptbeanspruchungsformen. Hieraus ergeben sich Schwerpunkte für die Trainingsgestaltung mit Blick auf eine gezielte Technik- und Weitenverbesserung. Nochmals sollte auf die Schnellkraftfähigkeit und die koordinativen Anforderungen hingewiesen werden. Beide Faktoren limitieren die Speerwurfleistung in besonderem Maße und haben wesentlichen Einfluss auf das Eintreten von Verletzungen und Überlastungsschäden in dieser Wurfdisziplin. Durch eine fehlende Anpassung des Gesamtorganismus an die beträchtlichen Schnellkraftanforderungen und die Existenz von Defiziten in der Koordination durch adäquate Trainingsmechanismen sind Verletzungen im Speerwurf unvermeidbar. Beide Faktoren können daher als wesentliche Verletzungsursache geltend gemacht werden.
2.3 Speerwurfspezifische Fehler als Quelle für Verletzungen
Zur Vereinfachung werden die beschriebenen Kriterien der Bewegung aus Kapitel 2.1 als optimales Bewegungsleitbild der Speerwurftechnik angenommen. Wie in Kapitel 2.1 dargestellt wurde, existieren vielfältige in der Technik selbst begründete Verletzungsherde. Aufgrund biomechanischer Faktoren, wie Winkelgeschwindigkeiten und Hebelverhältnisse, entspringt aus der Speerwurftechnik ein großes Verletzungspotential (Prymka, 2007). Durch Abweichung von der Normtechnik steigert sich das Verletzungsrisiko zusätzlich (Watson, 2008). Unphysiologische Bewegungsabläufe liegen zumeist in Technikabweichungen oder koordinativen Defiziten begründet (Feldmeier, 1988). Technische Fehler lassen sich in vier Dimensionen einteilen. Erstens können typische Fehler in der ungenügenden Körperorientierung bzw. Wahrnehmung sowie einer fehlerhaften Haltung begründet liegen. Dieser so genannte geometrische Fehler steht in enger Verknüpfung zum kinematischen Fehler. Diese Fehlerquelle macht sich durch eine abweichende Bewegungsbahn oder -richtung bemerkbar (Feldmeier, 1988). Weiterhin kann auch eine fehlerhafte zeitliche Abfolge der Bewegungsabschnitte eine unökonomische Bewegung hervorrufen (rhythmischer Fehler). Letztlich ist der dynamische Fehler zu erwähnen, der durch einen Fehleinsatz der Muskelbeanspruchung in Hinblick auf die angesteuerten Muskeln und die Dosierung ihrer Muskelkraft beschrieben werden kann (Feldmeier, 1988). Des Öfteren ist eine Kombination aus mehreren Fehlerdimensionen festzustellen. Sporttechnische Hauptfehler dienen in der Fachliteratur oftmals nur der Leistungsoptimierung, die es zur Weitensteigerung zu korrigieren gilt. Von den unzähligen Technikfehlern, exemplarisch nach Hinz (1991), können einige ebenso als Verletzungsursache angesehen werden. Die Beachtung dieser Fehlerquellen ist vorrangig bei jüngeren Speerwerfern nötig, da hier zunächst ein noch ungenügendes Fähigkeits- und Fertigkeitsniveau besteht. Bei leistungsstarken Athleten treten Fehler seltener zu Tage, sollten jedoch fortwährend durch Technikoptimierung verhindert werden (Strüder et al., 2013).
Ein erstes Fehlerbild ist das zu steile Anstellen des Speers. Dabei sitzt der Wurfarm bei Speerrücknahme zu tief und der Arm wird sozusagen fallengelassen (Hinz, 1991). Dabei entsteht eine noch intensivere Bogenspannung, die die Hyperlordose der Lendenwirbelsäule noch weiter intensiviert. Dieses Fehlerbild kann grundsätzlich als geometrischer Fehler angesehen werden. Ein kinematisches Fehlerbild liegt in der falsch ausgeführten Unterarmschleuder begründet. Hierbei bleibt der Ellenbogen während des Abwurfes nahezu gestreckt und wird nicht eingedreht. Es wird in Folge dessen aus der kinematischen Kette ausgegliedert. Somit wird der Impuls direkt von der horizontalen Speerrücknahme zur Vorhalte des Handgelenkes weitergeleitet ohne das Ellenbogengelenk zu beanspruchen. Dies erfordert eine erhöhte Bewegungsamplitude des Schultergelenkes (Wagner, 2005). Die ungenügende Technikausschöpfung führt zwingendermaßen dazu, dass die Schulter die notwendige Energieleistung selbst erzeugen muss. Außerdem wirken hohe Kräfte aufgrund der ungünstigen Hebelverhältnisse bei der Innenrotation bzw. Retroversion auf die Strukturen des Schultergelenkes (Wagner, 2005). Daraus resultierende Überbelastung und Ermüdung der Muskulatur kann schließlich in einer Verletzung münden (Watson, 2008). Eine weitere fehlerhafte Form der Unterarmschleuderbewegung zeichnet sich durch einen zu tief verlaufenden Weg der Wurfhand aus. Dabei ist kein nach vorn-oben-Führen und Eindrehen des Ellenbogens erkennbar. Dies führt zu einem bogenförmigen Beschleunigungsweg seitlich am Körper vorbei. Dieser zweite kinematische Fehler führt zu einer Überbelastung des Ellenbogens (Strüder et al., 2013). Die nächsten beiden Technikfehler resultieren aus einer mittelmäßigen bis fehlenden Impulsübertragung. Zunächst kommt häufig ein zu früher und betonter Armeinsatz vor (Kühl, 1997). Unter der geringeren muskulären Vorspannung, muss mehr Kraft durch den Rumpf und die Armmuskulatur akquiriert werden. Eine verstärkte Überlastung der oberen Extremitäten ist die Folge. Das Fehlerbild kombiniert einen rhythmischen Fehler mit einer dynamischen Fehlerdimension. Gleiche Folgeschädigungen ergeben sich aus einem nur geringfügig ausgeführten Bein- und Rumpfeinsatz. Hierdurch erfolgt der Abwurf nur über die Schulter- bzw. Armbeschleunigung (Kühl, 1997). Der Ellenbogen wird unter Schulterhöhe nach vorn geführt. Diese Fehlhandlung ist ein Beispiel für die dynamische Dimension, da eine ungleiche Kraftbilanz zwischen oberen und unteren Extremitäten zu verzeichnen ist (Kühl, 1997). Weiterhin steigert ein ungenügend durchgestrecktes Kniegelenk in der Stemmphase des linken Beines (beim Rechtswerfer) das Verletzungsrisiko in den Kniestrukturen und kann damit ein ernstzunehmendes Fehlerbild sein (Röhler, 2018). Durch den kleinen Winkel zwischen Ober- und Unterschenkel steigt die Belastung auf die Patellarsehne des Knies an. Bei Extrembelastungen kann diese sogar in einigen Fällen komplett reißen. Daher ist auf eine nahezu vollkommene Streckung zu achten (Röhler, 2018).
Über diese Fehlerbilder hinaus existieren noch viele weitere Abweichungen von der Normtechnik. Dabei sind das Bewusstsein und die Wahrnehmung über den eigenen Körper sowie die Lage seiner Glieder von unumgänglicher Wichtigkeit. Da diese Sensibilisierungen primär für unerfahrenere, junge Sportler in den Anfängen der Wurfkarriere noch recht schlecht ausgebildet sind, kommt der Beobachtung durch den Trainer eine wichtige Rolle zu. Ein weiteres hilfreiches Mittel für die Selbstreflexion ist die Videoanalyse, die eine Vorführung der fehlerhaften Körper- bzw. Gelenkstellung bei der Bewegungsausführung ermöglicht.
3 Sportartspezifische Verletzungen im Speerwurf
Sobald sich Individuen im Umfeld Sport bewegen, gehen damit unterschiedlichste Verletzungen einher. Mit zunehmender Häufigkeit der sportlichen Betätigung, vor allem bei Athleten im Spitzensport, existiert daher ein erhöhtes Risiko für Sportverletzungen und Sportschäden. Aktuelle Sportler stehen im Gleichschritt mit der weiträumigen Ausbreitung der Sportkultur zunehmend unter Konkurrenz- und Leistungsdruck. Aus diesem Grund erfordert der gegenwärtige Sport zum Erreichen des sportlichen Erfolges absolute Höchstleistungen. Diese Zielstellung ist an ein intensives Training mit erheblichen Trainingsumfängen gekoppelt. Unter jahrelangen Extrembelastungen in Wettkampf und Training rücken die Athleten bis an die Grenze des physisch Möglichen. Diese kontinuierliche Belastung bewirkt zahlreiche Entstehungsursachen für Sportverletzungen und langfristige Sportschäden (Feldmeier, 1988).
Die typischen Verletzungen in der leichtathletischen Wurfdisziplin sollen in diesem Kapitel geklärt und die darauf aufbauende die Notwendigkeit der Prävention dargestellt werden. Die Erkenntnisse aus dem vorherigen Kapitel dienen als Basis dienen und werden mit diesem Kapitel verknüpft.
3.1 Sportverletzung und Sportschaden als Begrifflichkeiten
Für einen einheitlichen Konsens bedarf es zunächst einer Beschreibung der grundlegenden Begriffe. Als häufige Ergebnisse sportlicher Betätigung erhalten im Speerwurf die Begriffe Sportverletzung und Sportschäden ihre Relevanz, die differenziert betrachtet werden sollten.
Als Sportverletzung wird die Folge eines durch sportliche Betätigung innervierten Unfallereignisses bezeichnet. Die Sportverletzung äußert sich häufig in Form eines Makrotraumas, welches sich als Läsion oder Funktionsstörung beschreiben lässt (Feldmeier, 1988). Wesentliche Eigenschaft einer Sportverletzung ist die abrupte Unterbrechung eines Bewegungsablaufes durch eine einmalige und unerwartete Gewalteinwirkung (Menke, 2001). Sind Sportverletzungen sportartspezifisch, so treten sie vermehrt in derselben Sportart ein. Dabei ruft die spezielle Technik der Sportart ein typisches Verletzungsmuster hervor (Aus der Fünten et al., 2013). Als weitere Ursachen für allgemeine Sportverletzungen können neben der spezifischen Technik, eine ungenügende Vorbereitung auf die Bewegungsaktion, die Überlastung bzw. gar die Erschöpfung beteiligter Muskeln oder des Gesamtorganismus genannt werden (Feldmeier, 1988). Nicht nur aus Makrotraumata können sich Sportverletzungen entwickeln, sondern auch durch wiederholte Mikrotraumata, die geringfügige bzw. unterschwellige Verletzungen darstellen. Derartige Mikroverletzungen können kaum wahrgenommen werden. Unbemerkt entstehen Sportverletzungen durch Addition der einzelnen Mikrotraumata (Feldmeier, 1988).
Wiederholen sich Mikrotraumata oder Überlastungen dauerhaft, entsteht ein Sportschaden. Ein konkret auftretendes Unfallereignis ist dabei nicht pflichtmäßig (Feldmeier, 1988). Auch bei Sportschäden überwiegt die Anfälligkeit der aktiven und passiven Bewegungsstrukturen. Insbesondere der passive Bewegungsapparat, bestehend aus Knochen, Knorpel, Bänder und Sehnen, ist für Sportschäden anfällig, da der Anpassung in zeitlichem sowie strukturellem Umfang Grenzen gesetzt sind. Die Ursache liegt im langsameren Stoffwechsel der passiven Strukturen begründet (Weineck, 2010).
Da bei Überlastung Verschleißmechanismen wirksam werden, können im Hochleistungssport die Belastungen nicht willkürlich gesteigert werden (Weineck, 2010). Oftmals kommt es jedoch aufgrund des Unterschiedes zwischen eigener Leistungsfähigkeit und der erwarteten Leistung zur Überschreitung der verkraftbaren Grenzbelastungen. Münden die Verschleiß- und Überlastungsschäden in einen strukturellen irreversiblen Zustand, wird ebenfalls von einem Sportschaden gesprochen (Feldmeier, 1988). Funktionell kann die Schädigung jedoch mit Hilfe verschiedener Therapien und durch Kompensationstraining reversibel werden. Das wichtigste Entstehungsmerkmal von Sportschäden sind regemäßig wiederholte Belastungen sowie sportartspezifische Kraft- und Bewegungseinwirkung im Grenzbereich (Feldmeier, 1988). Der Sportschaden wird von Junghanns als „funktioneller Schaden durch natürlichen Mehrgebrauch“ oder „funktionsmechanische Überbeanspruchung“ verstanden (Junghanns zitiert nach Feldmeier, 1988, 114).
Teilweise verschwimmen die Begriffe Sportverletzung und Sportschaden ineinander. Mikroverletzungen werden oftmals nicht von Arzt und Sportler wahrgenommen, wodurch die Diagnose und Ursachenfindung erschwert wird. Ein Krankheitsbild kann daher entweder als Sportverletzung oder als Sportschaden identifiziert werden. Es kann ebenso vorkommen, dass ein Sportschaden durch eine Sportverletzung verursacht wurde (Feldmeier, 1988).
Sportverletzungen können in Abhängigkeit von der Sportart in Form einer exogenen oder einer endogenen Einwirkung erfolgen (Aus der Fünten et al., 2013). Exogene Faktoren beeinflussen einen Bewegungsablauf durch von außen auf den Organismus wirkende Einflüsse. Endogene Einflussfaktoren, wie Technikfehler, s. Kapitel 2.3, können verschiedene Makrotraumata, der an der Bewegung beteiligten Strukturen, verursachen. Die leichtathletische Disziplin hat im Hinblick auf exogene Verletzungsbeeinflussung eine günstige Ausgangslage (Aus der Fünten et al., 2013). Zum Beispiel gibt es nur geringfügige qualitative Unterschiede in der Beschaffenheit der Anlaufbahn. Auch Wurfgeräte müssen standardisiert und genormt sein. Zwar haben äußere Klimaverhältnisse einen Einfluss auf Sportverletzungen im Speerwurf, wirken jedoch nur beiläufig auf den Organismus. Derartige Verletzungsursachen haben im Speerwurf eine verhältnismäßig geringe Einflussstärke und erhalten daher in dieser Arbeit keine Beachtung. Wichtiger erscheinen hingegen die endogen begründeten Verletzungen und Schädigungen. Kurzfristig können die eigene Technik und gegebenenfalls daran gekoppelte Technikfehler Sportverletzungen hervorrufen, langfristig können sich ebenso Sportschäden ausbilden. Letztlich spielt auch im Speerwurf die Konstitution eine wichtige Rolle. Mangelnde Flexibilität, muskuläre Dysbalancen und die Gewebeausstattung haben individuellen Einfluss auf die Technik und die Verkraftbarkeit hoher Belastungen im Speerwurf (Aus der Fünten et al., 2013). Aufgrund des beträchtlichen Variationsspektrums von individuellen Voraussetzung jedes einzelnen Sportlers, ist eine nähere Analyse nicht zielführend und werden in dieser Arbeit nicht weiter ausgeführt (Aus der Fünten et al., 2013).
3.2 Lokalisierung der Verletzungen
In diesem Kapitel werden spezifische Verletzungen und Folgeschädigungen im Speerwurf detailreich erläutert. Die Unterteilung der sportartspezifischen Verletzungen erfolgt über vier anatomische Kategorien. Dazu zählen, typisch für viele Überkopfsportarten, die Schulter, der Ellenbogen, der Rumpf sowie unteren Extremitäten. Zusätzlich werden allgemeine Informationen zum Aufbau und zur Funktionsweise des jeweiligen Verletzungsherdes angerissen, auf dessen Grundlage eine genaue Erläuterung der Beschwerden folgt. Die Beschreibung erfordert Rückbezüge zur Technik und knüpft daher an das Kapitel 2.1 an.
3.2.1 Schulter
Die Schulter bildet die Struktur, die das Achsenskelett des Menschen mit den oberen Extremitäten in Verbindung bringt. Insgesamt besteht der Schultergürtel aus 30 Muskeln, drei Knochen (Schlüsselbein, Schulterblatt und indirekt der Oberarmkopf) und dem Brustkorb (Zandt, 2014). Gemeinsam mit dem Schultergürtel bildet das Schultergelenk im Gegensatz zu allen anderen Gelenken und knöchernen Verbindungen das Körpersegment des menschlichen Organismus mit dem größten Bewegungsumfang. Dies liegt in der überwiegend autonomen Sicherung durch Muskeln und Bänder begründet. Daraus ergibt sich jedoch ein breites Spektrum an resultierenden Verletzungsmöglichkeiten bei ungenügender Sicherung (Watson, 2008).
Der Schultergürtel besteht aus fünf nebeneinander geschalteten Gelenken, die in Abbildung 6 nachvollzogen werden können. Mit ihnen wird eine sehr gut bewegliche Verkettung zwischen dem Oberarm und dem Rumpf hergestellt (Zandt, 2014).
Das Brustbein-Schlüsselbein-Gelenk (Sterno-Clavicular-Gelenk - 1) stellt die Verbindung zwischen dem Brustbein und dem medialen Ende des Schlüsselbeines her. Das Eigelenk ist die einzige Verknüpfung zwischen dem Schultergürtel und dem Rumpf (Hassenpflug, 2007). Die starken stabilisierenden Bänder des Schlüsselbein-Brust-Gelenkes lassen jedoch nur eine reduzierte Bewegungsfreiheit zu (Weineck, 2008). Eine weitere Verbindung besteht zwischen dem Schlüsselbein und dem Akromion, dem so genannten Schultereckgelenk (Acromio-Clavicular-Gelenk - 2). Zwischen beiden Schulterbestandteilen befindet sich ein Scheibenmeniskus. Umschlossen werden sie von einer Kapsel, womit eine Einschränkung der Bewegung einhergeht. Zur Senkung des Schulterblattes existiert eine Verknüpfung des Schlüsselbeines mit dem Rabenschnabelfortsatz (Weineck, 2008). Eine zusätzliche Beweglichkeit wird durch Verschiebe- und Gleitschichten zwischen Schulterblatt und Brustkorb erreicht. Erst durch das scapulothorakale Gelenk (3) kann das Schulterblatt auf dem Thorax seine Stellung variieren und den Bewegungsradius vergrößern (Hassenpflug, 2007). Wesentlich für die Erklärung bestimmter Verletzungen des Schultergürtels ist das acromiohumerale Gelenk (nicht in Abbildung 6 dargestellt). Diese auch als Supraspinatuskanal beschriebene Verbindung zwischen dem Humeruskopf und dem Acromion wird durch den M. supraspinatus bzw. seiner Sehne hergestellt, der durch beide knöchernen Anteile hindurchläuft. Im Supraspinatuskanal befindet sich zudem die Bursae subacromialis, ein Schleimbeutel, der den vorhandenen Raum noch weiter einschränkt. Durch diese spezielle Anatomie kommt es bei sportlichen Belastungen häufig zum Einklemmen des Muskels zwischen Humeruskopf und Acromion (Mallon & Hawkins, 1997). Das Schultergelenk im engeren Sinne (Glenohumeralgelenk - 4) ist die Verbindung des Oberarmkopfes mit der Gelenkpfanne der Scapula (Gleniod). Die Cavitas glenoidalis ist ausgestattet mit einem hyalinen Knorpelgewebe und von einem ringförmigen, festen Faserring (Labrum) umgeben (Putz, 1985). Diese Gelenklippe dient der Vergrößerung der Pfannenfläche und der Verankerung des Kapselbandapparates (Weineck, 2008). Das anatomisch als Kugelgelenk beschriebene Körpersegment ist aufgrund der höheren Freiheitsgrade in der Lage eine Großzahl an Bewegungen auszuführen. Im Verhältnis zur Humeruskopf ist die Pfanne wesentlich kleiner (Hassenpflug, 2007). Die Folge ist ein unvermeidbares Missverständnis zwischen den Flächengrößen der Gelenkbestandteile (Putz, 1985). Daraus resultiert eine schlechtere knöcherne Führung, wodurch eine zusätzliche Stabilisierung über Gelenkkapsel, Sehnen und Muskulatur notwendig wird (Hassenpflug, 2007). Nennenswerte passive Strukturen sind nur geringfügig vorhanden. Die Gelenkkapsel bspw. ist aus Beweglichkeitsgründen relativ schlaff und wird lediglich durch drei glenohumerale Bänder unterstützt, um die Bewegungen des Schultergelenkes in die verschiedenen Stellungen zu stabilisieren (Weineck, 2008). Somit geht die Sicherung des Gelenkes vorrangig auf innere und äußere Muskelstrukturen zurück (Putz, 1985).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 6. Aufbau des Schultergürtels (verändert nach Hassenpflug, 2007, 254)
Das Schultergelenk wird von oben, hinten und vorn durch Muskulatur umschlossen und stabilisiert. Von wesentlicher Bedeutung sind dabei die Muskeln der Rotatorenmanschette (Weineck, 2008). Die Sehnen dieser Steuermuskeln ragen in die Gelenkkapsel hinein und liegen zusätzlich eng am Humeruskopf an (Hassenpflug, 2007). Sie dienen der Zentrierung des Oberarmkopfes in den Glenoid und der Erreichung der maximalen Hebelwirkung bei Schulterbewegungen. Die Rotatorenmanschette besteht aus den vier Muskeln: M. supraspinatus, M. infraspinatus, M. teres minor und M. subscapularis (Watson, 2008). Während der M. subscapularis die Funktion eines Innenrotators übernimmt, dienen M. teres minor und infraspinatus der Außenrotation des Glenohumeralgelenkes. Alle Muskeln der Rotatorenmanschette sind maßgeblich an Schlagwurfbewegungen beteiligt. Kommt es zur Schädigung eines Muskels durch Überbelastung, löst dies einen Verstärkungseffekt aus, da es eine Mehrbelastung der anderen Muskeln erforderlich macht. Langfristige Folge ist damit sowohl eine anatomische als auch eine funktionelle Veränderung des Schultergelenkes (Weineck, 2008). Weitere die Bewegungen unterstützende bzw. schützende Muskulatur der Schulter können in „Multiple Joints Muscles“, „Humerothoracic Muscles“ und „Scapulothoracic Muscles“ unterschieden werden (Zandt, 2014, 40-42). Zu der erstgenannten Gruppe gehören der dreiköpfige und der zweiköpfige Oberarmmuskel. Die Antagonisten M. latissimus dorsi und M. pectoralis major gehören zur Gruppe der humerothoracic Muscles. Das Schulterblatt wird letztlich durch den M. trapezius, den M. pectoralis minor und den M. rhomboideus stabilisiert (Zandt, 2014)
Die sportartspezifischen Schäden beschränken sich im Bereich des Schultergürtels auf die Luxation bzw. weiterführend die Instabilität der Werferschulter, das Impingementsyndrom, Sehnenentzündungen der Muskulatur der Rotatorenmanschette bis hin zu Rissen der glenoidalen Gelenkfläche sowie des Labrums. Akute Verletzungen stellen hingegen diverse Sehnenentzündungen bzw. Ansatztendinosen der Schulterblattmuskulatur dar (Watson, 2008).
Die Innenrotatoren und Oberarmadduktoren haben bei exzentrischer Belastung die Aufgabe in der Ausholphase eine gleichmäßig koordinierte Kontraktion durchzuführen. Die aktiven Schulterstabilisatoren verhindern dabei im Normalfall die (Sub)luxation des Humeruskopfes aus der Gelenkpfanne (Haaker, 1996). Nahezu alle Hochleistungssportler in Überkopfsportarten neigen durch die einseitige Belastung und durch hohe Wiederholungszahlen zu einer Hypermobilität der Wurfarmschulter. Die Hypermobilität ist in den Wurfsportarten prädestiniert in eine Subluxation des Schultergelenks überzugehen (Haaker, 1996). Durch die fast ausschließliche Weichteilstabilisierung des Schultergelenkes ist die Schulterluxation die häufigste Form der Verrenkung im menschlichen Körper (Weineck, 2008). Dieses Krankheitsbild ist typisch für kraftvolle Wurfdisziplinen, die durch eine forcierte Abspreiz-Dreh-Bewegung gekennzeichnet sind. Charakterisieren lässt es sich durch einen Kontaktverlust zwischen beiden knöchernen Strukturen, wobei der Humeruskopf aus der Gelenkpfanne herausgleitet (Feldmeier, 1988). Die Entstehungsmechanismen sind in Abbildung 7 dargestellt. Einerseits kann eine Impressionsfraktur des Humeruskopfes, auch „Hill-Sachs-Läsion“ genannt, die Ursache sein (Weineck, 2008, 154). Andererseits ist eine Ablösung des Labrums bzw. des Kapselansatzes am Pfannenrand oder sogar eines knöchernen Teils des Pfannenrandes denkbar. Eine derartige Pfannenrandverletzung wird auch als „Bankert-Läsion“ bezeichnet (Weineck, 2008, 154). Die Abbruchstelle kann sich im Humeruskopf verhaken und den Kopf selbst noch weiter aus der Gelenkpfanne heben. Die Verrenkungsanfälligkeit steigt zunehmend (Hassenpflug, 2007). Abhängig von der Richtung und Stärke des Krafteinsatzes kann es zur kompletten oder inkompletten Luxation kommen. Im Falle einer Subluxation geht die Verknüpfung der Schultergelenksanteile nur teilweise verloren. Das Krankheitsbild ist an einer höheren Verschiebbarkeit des Oberarmkopfes in eine oder mehrere Richtungen erkennbar (Hassenpflug, 2007). Auch eine Addition von Mikrotraumata kann eine Luxation bewirken (Feldmeier, 1988). Neben der Luxation des Glenohumeralgelenkes können auch bei Hypermobilität und schlechter muskulärer Sicherung Verrenkungen des Acromio-clavicular-Gelenkes in Erscheinung treten (Bramhall et al., 1997). In Extremfällen kann der Kapsel- und Bandapparat zwischen beiden knöchernen Strukturen vollständig reißen. Man spricht von einer Schultereckgelenkssprengung. Diese tritt jedoch in selteneren Fällen ohne Sturzbewegungen im Speerwurf ein (Haaker, 1996).
Bei wiederholt auftretenden Luxationen spricht man von einer Schulterinstabilität. Diese basiert auf einer überdurchschnittlichen Anfälligkeit eines Sportlers für Schulterverrenkungen und ist charakteristisch für eine Werferschulter (Hassenpflug, 2007).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 7. Entstehungsmechanismen Schulterluxation (Hassenpflug, 2007, 265)
Unter einer Werferschulter versteht man sportartspezifische Schulterschmerzen, ausgelöst durch wiederholte Überkopfbelastungen, hohe Bewegungsgeschwindigkeit und einer großen Bewegungsamplitude des Schultergelenkes (Weineck, 2008; Mallon & Hawkins, 1997). Die enormen Kräfte, die aus der Beschleunigungsenergie auf den Wurfarm übertragen werden müssen, führen bei einem Ungleichgewicht der Muskulatur zu einer verschlechterten Zentrierung der Humerus-Glenoid-Verbindung. Chronische Instabilitätsereignisse lösen Schmerzen, Verschleißmechanismen sowie Sehnenüberlastungen aus (Hassenpflug, 2007).
Ein weiteres Krankheitsbild tritt häufig in der Hauptbeschleunigungsphase im Speerwurf auf. Das klassische Impingementsyndrom wird durch eine Verengung des Subacromialraumes herbeigeführt. Mit dem Durchtritt des M. supraspinatus zwischen dem Schulterdach und dem Oberarmkopf kommt es beim oberarmkopfzentrierenden Zug der Sehnenmanschette bzw. durch kopfwärts gerichteten Zug des M. deltoideus zur Einengung (Haaker, 1996). Die im Einklang verlaufende hakenförmige Acromionkonfiguration führt zur Einklemmung der Supraspinatussehne und damit zur Tendopathie dieser (Kasten & Lützner, 2010). Bei wiederholten Überreizungen des Sehnengewebes kann sogar eine Kalkeinlagerung in die Sehne folgen (Tendinosis calcarea). Dabei bildet sich aus dem Sehnengewebe über Metaplasie ein Kalkdepot im Sehnengewebe (Rupp et al., 2000). Diese Kalkanlagerungen können die Sehne des M. supraspinatus weiter aufreiben, somit weitere Impingement-Schmerzen verursachen und letztlich bei weiterer Überbelastung in einem Riss der Sehnenmanschette (Rotatorenmanschettenruptur) gipfeln (Haaker, 1996; Wörtler, 2010).
Zur Vermeidung starker Reibungsvorgänge dient die Bursae subacromialis als Geschiebeschicht. Jedoch kann eine zu starke Hypertrophie oder Muskeldysbalance zu Reizungen in der Sehnenmanschette bzw. auch des Schleimbeutels (Bursitis subacromialis) führen (Haaker, 1996). Die Entstehung des Impingements kann letztlich durch einen konstitutionell ungünstigen Bau des Acromions oder eine schlechte Zentrierung des Humeruskopfes hervorgerufen werden (Hassenpflug, 2007). Athleten klagen über einen schmerzhaften Bogen, bei Oberarmabspreizung zwischen 40 und 100°. Diese Winkelamplitude beschreibt den Bereich des Hindurchtretens der Sehne unter dem Acromion (Hassenpflug, 2007). Je nach Ursache für die Einklemmung kann in ein primäres oder sekundäres Impingement-Syndrom unterscheiden werden. Entwickelt sich das Impingement infolge der Bewegung von Lasten oder akuter Überlastung der Rotatorenmanschette bei sportspezifischer Technik, versteht man darunter eine primäre Indikation. Resultiert es hingegen aus einer glenohumeralen Instabilität, kann von einem sekundären Impingement gesprochen werden (Kemp, 2008).
In der vorletzten Phase erfolgt aufgrund des starken Abbremsmechanismus eine exzentrische Belastung der Muskulatur. Hierbei wird die beteiligte Schulterblattmuskulatur im angespannten Zustand gedehnt, weil sie entgegen der Wurfrichtung arbeitet (Haaker, 1996). Unter der hohen und schnellen Zugwirkung findet die Sehne nicht ausreichend Zeit sich an die erhöhte Belastung anzupassen (Feldmeier, 1988). Für die Adduktions- und Innenrotationsbewegung resultieren zudem in dieser Phase hohe Belastungen für die Rotatorenmanschette. Ein sich daraus ergebendes Krankheitsbild ist die Ansatztendinose (Haaker, 1996). Eine derartige Überlastung der Sehne kann auch in den anderen Wurfphasen auftreten, in welchen positive oder negative Beschleunigungsvorgänge erfolgen. Die Tendinose äußert sich in Form einer Entzündungsreaktion, Partialruptur oder ist Ausgang eines Degenerationsprozesses aufgrund von Überlastungserscheinungen, muskulärer Dysbalancen sowie Schulterinstabilitäten (Kasten & Lützner, 2010). Nach Schünke (2000) ist sie eine durch Fehl- oder Überlastung hervorgerufene Degeneration der Sehne selbst oder ihres Gleitgewebes. Als für den Krankheitsprozess bevorzugte Stelle lässt sich die schlechter durchblutete Ansatzzone lokalisieren (Kasten & Lützner, 2010). Auf die Sportverletzung im Speerwurf bezogen betrifft die (Ansatz)tendinose häufig den M. infraspinatus. Die Tendinose erhöht nachgewiesenermaßen das Risiko für eine Ruptur (Wünnemann & Rosenbaum, 2009).
3.2.2 Ellenbogen
Die gelenkige Verbindung des Unterarmes an den Oberarm wird durch den Ellenbogen hergestellt. Er vereint drei Knochenstrukturen (Humerus, Ulna, Radius) miteinander, woraus sich drei Einzelgelenke etablieren (Abbildung 8). Das Humeroulnar-, das Humeroradial- und das proximale Radioulnargelenk besitzen einen hohen Bewegungsradius (Seitz & Rüther, 2013). Der als Drehwinkelgelenk bezeichnete Ellenbogen ist mit dieser Gelenkausstattung befähigt Scharnier- sowie Drehbewegungen in jeder Gelenkeinstellung und gesondert voneinander auszuführen (Weineck, 2008). Im Humeroulnargelenk wird die Gelenkrolle des Humerus, die Trochlea humeri, vom halbmondförmigen Hakenfortsatz der Ulna (Incisura trochlearis) eingerahmt und ermöglicht den Scharniermechanismus. Das zweite Gelenk ist anatomisch als Kugelgelenk ausgebildet, verbindet Humerus und Radius miteinander und ist aufgrund des straffen Kollateralbandes auf eine Scharnier- bzw. Drehbewegung reduziert. Im Radioulnaris-Radgelenk wird eine gleichartige Rotation des Radius um sich selbst innerhalb des Ringbandes, des Liamentum anulare bewerkstelligt (Weineck, 2008). Daraus ergeben sich die Hauptbewegungsrichtungen der Supination und Pronation des Unterarmes sowie dessen Extension und Flexion (Werner & Schmitz, 2007). Die Beugemuskulatur setzt sich aus dem M. biceps brachii sowie dem M. brachialis und dem M. brachioradialis zusammen, während sich die Streckung auf den M. triceps brachii beschränkt. Die Umwendbewegung des Unterarmes wird durch die Pronationswirkung des M. pronator teres und M. pronator quadratus gewährleistet. M. supinator und M. biceps brachii agieren derweil als Supinatoren (Weineck, 2008).
Die Gelenkstabilität unter 20° bzw. 120° Flexion erfolgt größtenteils über die knöchernen Strukturen und dazwischen über die medialen und lateralen Bänder sowie die Beuge- bzw. Streckermuskulatur. Das mediale Kollateralband zieht vom Epicondylus medialis bis zur Ulna. Es setzt sich aus weiteren drei Teilen zusammen. Der für den Speerwurf wesentliche Anteil ist das vordere mediale Band, da dieses für die Stabilisation des Ellenbogengelenkes bei der Beschleunigungsphase einer hohen Zugspannung ausgesetzt ist. Gleichzeitig ermöglicht es auch die Fixierung des Ellenbogens bei Valgusstress (Seitz & Rüther, 2013). Der hintere mediale Bandabschnitt ist nur relevant, wenn die Flexion über 90° beträgt (Werner & Schmitz, 2007). Der gelenkübergreifende transversale Anteil übernimmt hingegen keine stabilisierenden Aufgaben. Das laterale Kollateralband fixiert den Ellenbogen gegenüber Rotation und Varusstress (Seitz & Rüther, 2013).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 8. Das Ellenbogengelenk: a) Ventrale Sicht; b) Mediale Sicht auf das rechte Ellenbogengelenk bei 90° Flexion (Putz & Pabst, 2009, 168)
In der Hauptbeschleunigungsphase nimmt der Ellenbogen, mit einer geringfügigen Beugung von ca. 45°, eine Position ein, in welcher sowohl Flexoren als auch Extensoren kontrahiert sind. Bei zunehmender Beschleunigung und häufiger Wiederholung kann es hier zu Überlastungsschäden der Muskulatur bzw. der Kollateralbänder kommen. Verstärkt wird dies durch das folgende Nach-vorn-Führen des Ellenbogens, wobei Hand und Unterarm weiterhin hinter der Schulterachse verbleiben. Ein sich daraus ergebendes Krankheitsbild wird als Werfer-Ellenbogen oder in der Anatomie als Epicondylitis humeri ulnaris bezeichnet. Direkte Folge der kraftvollen Beschleunigungsphase ist eine erhöhte Valgusstellung des Ellenbogengelenkes, die durch valgisierende Kräfte im Abwurf hervorgerufen werden (Weineck, 2008). Die Valgisation des Ellenbogens direkt vor dem Abwurf ist in Abbildung 9 illustriert. Anatomisch führt dies zu einer verstärkten Dehnung der Kapsel und des medialen Seitenbandes. Gleichzeitig erfolgt eine Kompression des lateralen Kollateralbandes. (Chan & Hsu, 1997). Weiterführend können die erhöhten Zugspannungen auf die Bänder eine Zerrung, ein Anreißen sowie zur Verkalkung der ulnaren Seite führen und den Radiuskopf arthrotisch verändern (Weineck, 2008). Im schlimmsten Falle reißt die gesamte Kapsel des Ellenbogengelenkes unter den enormen Kräften. Eine derartige Verletzung führt zu einer monatelang andauernden Sportunterbrechung (Weineck, 2008). Über die Bandschädigungen hinaus können auch chronische Überlastungen der den Bandapparat stabilisierenden Muskeln, vorrangig die Flexoren (M. flexor carpi ulnaris sowie radialis, M. digitorum superficialis) und der Pronator (M. pronator teres), folgen (Feuerstake & Zell, 1997). Häufig ergeben sich Sehnenansatztendinosen. In vielen Fällen ist der Sehnenansatz des M. pronator teres am Epicondylus medialis betroffen. Durch die maximale Streckung des Ellenbogens in Kombination mit der Pronation ergeben sich zusätzlich für den M. pronator teres in der Abwurfphase große mechanische Belastungen, da er als Unterarmbeuger gleichzeitig gedehnt wird und kontrahieren muss (Chan & Hsu, 1997; Weineck, 2008). In dieser Hinsicht sollte auf die Wachstumsphase jugendlicher Speerwerfer hingewiesen werden. „Little league Elbow“, ursprünglich für Baseball-Pitcher charakteristisch, stellt ein Syndrom dar, bei dem Wurfaktionen den mediale Epicondylus schädigen (Werner & Schmitz, 2007, 277f.). Durch schnellkräftigen Zug der Muskulatur an der Apophyse können beim wachsenden Organismus Entzündungsmechanismen, aber vor allem knöcherne Ablösungen entstehen. In Folge des reaktiven Wachstums des Knochens ist eine mangelnde Streckfähigkeit nicht von Seltenheit (Werner & Schmitz, 2007).
Unterstützt werden Schädigungen des Ellenbogens durch die Griffhaltung im Daumen-Zeigefinger- oder Daumen-Mittelfinger-Griff, da mit dieser Haltung eine zusätzliche Ulnarabduktion des Handgelenkes einhergeht und einen schlechteren Bewegungsumfang des M. pronator teres gewährleistet. Eine technische Umstellung der Griffhaltung ist daher vom Sportler zu bedenken, stellt jedoch für Sportler im Spitzensport aufgrund des verschlechterten Halts am Wurfgerät zumeist keine Option dar (Weineck, 2008).
Eine weitere Schädigung, bewirkt durch die extreme Streckung während der Abwurfphase, stellt die Knorpel-Knochen-Nekrose (osteochondrosis dissecans) dar. Unter valgusstressbedingten Kompressions- und Scherkräften des lateralen bzw. humero-radialen Ellenbogenabschnittes, die zu einer gestörten Blutzufuhr der passiven Strukturen führen, entwickeln sich Knochenablösungen mit sekundärem Knorpelschaden (Werner & Schmitz, 2007). Unter starker Beeinträchtigung wird eine Fragmentation herbeigeführt. Hierbei wird der Hakenfortsatz (Olekranon), das proximale Ende der Elle (s. Abbildung 8), durch wiederholte Überstreckung in der Fossa olecrani gestaucht. Durch die knöcherne Kollision lösen sich Knorpel-Knochen-Bruchstücke heraus. Diese Bruchstücke runden sich im Gelenk ab und rufen Bewegungsblockaden hervor (Haaker, 1996). Des Weiteren können schmerzhafte Einklemmungen im Gelenk sowie funktionseinschränkende knöcherne Neubildungen bzw. Wucherungen, sogenannte Osteophyten, entstehen (Werner & Schmitz, 2007).
Letztlich kann durch die Überdehnung des Ellenbogens bei Valgusstress während des Werfens, durch hypertrophe Muskulatur oder durch entstandene Ostephyten eine Einklemmung des Nervus ulnaris bewirkt werden (Werner & Schmitz, 2007). Die Reizung des Ulnarnervs äußert sich in Form von Schmerzen an der Innenseite des Ellenbogens. Häufig tritt ein Gefühl von Taubheit und Sensibilitätsstörungen in den Fingern ein (Weineck, 2008).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 9. Valgusposition direkt vor dem Abwurf des Wurfgerätes (Steinbrück & Krzycki, 2005, 92)
3.2.3 Rumpf
Die Wirbelsäule übernimmt als zentrales Achsenskelett des Rumpfes eine Dämpfungs-, eine Stütz-, eine Bewegungs- und eine Schutzfunktion. Die Wirbelsäule besteht aus 33 bis 34 Wirbel, die jeweils von halbelastischen Bandscheiben (Disci intervertebrales) voneinander getrennt sind. Da die Belastung von oben nach unten ansteigt, nehmen Größe und Breite der Wirbel einschließlich der Bandscheiben in Richtung kaudal zu (Ziai & Huber, 2013; Prymka, 2007). Vor allem die Lendenwirbelsäule unterliegt sowohl im Alltag als auch bei Wurfbewegungen erheblichen Belastungen.
Alle Wirbel sind, exemplarisch in Abbildung 10 dargestellt, bis auf den ersten Halswirbel im Aufbau identisch gegliedert: Die tragende Basis stellt der Wirbelkörper dar (Weineck, 2008). In seiner Grundfläche ist die Bandscheibe eingelassen. Sie besteht aus einem Gallertkern (Nucleus pulposus) und einem peripheren Faserring (Anulus fibrosus). Die Bandscheibe übernimmt die wichtige Pufferfunktion der Wirbelsäule, indem sie den entstehenden Kräften bei Rotation, Kompression, Extension und Flexion entgegenwirkt (Weineck, 2008). Dorsal schließt sich der Wirbelbogen mit dem Wirbelgelenk an, wodurch zusätzlich eine Verbindung der Wirbel untereinander hergestellt wird. Die Wirbelgelenke bestehen aus zwei oberen und unteren Gelenkfortsätzen (Weineck, 2008). Sie werden jeweils von lockeren Gelenkkapseln, ausgestattet mit schmalen Bändern, umhüllt (Tittel, 2016). Des Weiteren entspringen am Wirbelbogen die Quer- und Dornfortsätze des Wirbels (s. Abbildung 10). Sie dienen als Ursprung bzw. Ansatzpunkt für die große Skelett- und die stabilisierende autochthone Rückenmuskulatur (M. erector spinae) sowie anliegende Bänder. Bspw. existieren longitudinal verlaufende Bänder zur synarthrotischen Verbindungen der Wirbelkörper. Das vordere und das hintere Längsband sind unelastische Bandstrukturen, die die Wirbelsäulenbestandteile zusammenhalten und der Rückenstreckmuskulatur zusätzlich Hilfe leisten. Als weitere longitudinale Verbindung, nun der Dornfortsätze, dient das Ligamentum supraspinale (Tittel, 2016). Dieses zweite Bandsystem dient der Verstärkung der Gelenke und der Verbindung der Dorn- und Querfortsätze. Es handelt sich um die Zwischenbogen-, die Zwischendornfortsatz- und die Zwischenquerfortsatzbänder (Tittel, 2016).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 10. Ein Bewegungssegment der Wirbelsäule (Tittel, 2016, 152)
Aufgebaut ist die Wirbelsäule in Doppel-S-Form. In einer physiologisch korrekten Körperposition weisen die Hals- und Lendenwirbelsäule eine Lordosierung und die Brustwirbelsäule eine natürliche Kryphosierung auf. (Prymka, 2007). Eine Verstärkung oder eine Abschwächung dieser Krümmung kann verletzungsrelevant sein. Wie in vielen anderen Sportarten können auch im Speerwurf deutliche Verschleiß- bzw. Überlastungsmechanismen der Lendenwirbelsäule identifiziert werden (Prymka, 2007).
Aufgrund der immer wiederkehrenden Hyperlordosierung bzw. Hyperextension der Wirbelsäule bei aufgebauter Bogenspannung und der starken Torsion des Rumpfes bei Speerrücknahme wird ein hohes Verletzungsrisiko der Wirbelsäule generiert (Miltner & Siebert, 2006). Mit der blitzartigen Abbremsbewegung nimmt die Lenden-Kreuzbein-Region die gesamte kinetische Energie des Rumpfes innerhalb der Extensions-Rotations-Bewegung auf (Feldmeier, 1988). Häufige sportspezifische Folgeerkrankung sind Spondylolyse oder Spondylolisthesis (Miltner & Siebert, 2006). Dazu existieren verschiedenste (Langzeit)Studien. Steinbrück (1986) erkennt bei untersuchten Spitzensportlern 47% mit einer positiven Diagnose. In Steinbrücks Langzeitstudie zeigte sich ein einheitliches Bild. Innerhalb der 14-jährigen Beobachtung erkrankten 80% der Speerwerfer an einer Spondylolyse. Dieses Syndrom ist durch eine Wirbelbogenunterbrechung charakterisiert (Prymka, 2007). Die Spaltbildung lässt sich direkt am Pars interarticularis, zwischen dem unteren und oberen Gelenkfortsatz des Wirbelbogens, verorten (Weineck, 2008). Dabei klagen die Betroffenen zwar über keinerlei Schmerzen, jedoch über die Wahrnehmung einer übermäßigen Beweglichkeit. Die veränderten biomechanischen Verhältnisse fördern eine ungleichmäßige Anpassung des Wirbelkörpers an Belastungen. In vielen Fällen entsteht eine Spondylolisthesis (Prymka, 2007). Der Übergang des einen Krankheitsbildes zum nächsten wird in Abbildung 11 dargestellt. Dieses Phänomen wird als Wirbelgleiten bezeichnet, da sich der Wirbel gegenüber dem folgenden Wirbel nach vorn bewegt (Weineck, 2008). Eine derartige Veränderung kann eine Einengung des Rückenmarkkanals verursachen, die Ischias-Nerv-Ausfälle herbeiführen (Prymka, 2007). Bei stark ausgeprägter Spondylolisthesis kann eine Abnutzung des Bewegungssegmentes einhergehen, die Schwäche und Schmerzen im Lumbalbereich auslösen. Dies erfordert eine Stabilisierung des jeweiligen Wirbelkörpers durch die umgebende autochthone Rückenmuskulatur (Prymka, 2007).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 11. Übergang von einer Spondylolyse (links) zu einer Spondylolisthese (rechts) (Weineck, 2008, 133)
In seltenen Fällen kann die extreme Hyperlordose Schädigungen der passiven Bänderstrukturen verursachen. Das vordere Längsband kann bspw. überstrapaziert werden oder im Ernstfall reißen. Unter dieser Voraussetzung können auch die Zwischenwirbelscheiben in Mitleidenschaft gezogen werden. Eine Bandscheibe kann durch unterdurchschnittliche Stabilisierung reißen (Feuerstake & Zell, 1997). Darüber hinaus ist eine anfängliche Krepitation der Dornfortsätze in Folge der erhöhten Annäherung durch die Hyperlordose möglich. Unter erhöhter Beanspruchung kann die Dornfortsatzkollision Abrissfrakturen in diesem Bereich hervorrufen. Neurologische Ausfälle sind jedoch nicht zu bedenken (Feuerstake & Zell, 1997). Eine vorbeugende Maßnahme zur Vermeidung dieser Verletzungserscheinung existiert nicht. Zur Illustration weiterer für die leichtathletische Disziplin relevante Verletzungen dient die Abbildung 12 von Feuerstake & Zell (1997, 188).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthaltenAbbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 12. Weitere Verletzungen der Wirbelsäule (Feuerstake & Zell, 1997, 188)
Unter den enormen Schnellkraftbelastungen, die beim Speerwurf während des Beschleunigungs- und Abbremsvorganges auf den Rumpf wirken, lassen sich für die den Rumpf stabilisierenden Muskelgruppen typische Muskelverletzungen identifizieren, die auch mit einer höheren Frequenz bei Spitzenathleten auftreten (Wentz, 2005). Vor allem sollten hierbei Muskelverhärtungen genannt werden, die sich unter weiterer hoher Beanspruchung zu Muskelzerrungen ausdehnen können. Unter der kurzfristigen Dehnung der Muskulatur innerhalb der Wurfbewegung sowie der starken Hyperlordosierung können Muskelfasern gezerrt werden (Feuerstake & Zell, 1997). Muskelzerrungen treten vorrangig im Bereich der langen Rückenstrecker (M. errector spinae) und des M. trapezius auf (Wentz, 2005). In Kombination mit ermüdenden Trainingseinheiten kann in seltenen Fällen sogar der M. pectoralis major einer Muskelzerrung unterliegen (Wentz, 2005). Bei Nichtbeachtung der Signale des eigenen Körpers und einer weiteren vollen Bewegungsbelastung der jeweiligen Muskulatur können sich aus einer Zerrung gar Muskel(teil)rupturen herausbilden (Feuerstake & Zell, 1997). Darüber hinaus besitzen nahezu alle Speerwerfer aufgrund der einseitigen Belastung muskuläre Dysbalancen sowie Asymmetrien. Auch Haltungsschäden nach jahrelangem Wurftraining sind keine Seltenheit (Lindemann, 2012). Diese Ungleichgleichgewichte verursachen in vielen Fällen Schmerzen im Lendenwirbelbereich. Das bekannte Lendenwirbel-Syndrom, dessen Ursachen nicht vollständig geklärt sind, wird von Sportmedizinern häufig bei Speerwerfern diagnostiziert (Lindemann, 2012). Derartige Differenzen zwischen dominanter und nicht-dominanter Seite muss in Präventionsprogrammen gezielt entgegengewirkt werden.
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- Citar trabajo
- Maximilian Kiczinski (Autor), 2018, Entwicklung eines Präventionskonzeptes zur Vorbeugung von sportartspezifischen Verletzungen in der leichtathletischen Disziplin Speerwurf, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/448470
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