Diese Arbeit wird unter der Fragestellung, inwieweit die Reinigung in der Ilias und der Odyssee vertreten ist, untersuchen, ob Homer die immaterielle Befleckung, die als ansteckend galt und nicht durch Materielles wie Schmutz verursacht wurde, kannte. Ferner wird untersucht, ob Homer auch blutige Reinigungsrituale bekannt gewesen sind. In der Fachliteratur bestehen zu diesen Fragestellungen einige Kontroversen. Während Stengel behauptet, dass Homer jede Art von Karthatik fremd gewesen sei und Gillies meint, dass die Befleckung bei Homer immer materiell verursacht sei, stellte Burkert die These auf, dass Homer die profanen Reinigungsrituale bekannt gewesen sind, nicht aber blutige Reinigungsrituale. Nilsson und Parker dagegen schreiben, dass Homer auch blutige Rituale kannte und dass sich einige Andeutungen zu diesen blutigen Reinigungsritualen bei Homer finden lassen. Um dieser Fragestellung nachzugehen werden zunächst die profanen Anlässe der Reinigung bei Homer in Bezug auf die Fragestellung dargestellt. Darauf werden die religiösen Anlässe der Reinigung bei Homer untersucht, die Kontroversen dazu in der Sekundärliteratur gegeneinander abwägt und die Frage, ob Homer auch die immaterielle Befleckung und blutige Reinigungsrituale kannte, beantwortet. Im Fazit werden die Ergebnisse der Untersuchung kurz zusammengestellt und auf weitere untersuchenswerte Aspekte bei Homer verwiesen. Auf eine Einführung in die griechische Religion und deren Reinheitsvorschriften musste zugunsten der Beantwortung der Fragestellung verzichtet werden. Ich verweise an dieser Stelle aber auf die einschlägigen Werke von Burkert und Nilsson. Ferner wird aufgrund der Fragestellung nicht auf die später auftretenden Reinigungsrituale, die in ihrer Ausführung komplizierter wurden, eingegangen.
Zur Literatur ist zu sagen, dass es sehr wenig ausführliche Untersuchungen zu diesem Thema gibt, bis auf die Arbeiten von Hoessly und Parker. Zumeist ist das Thema Reinigung bei Homer auf Aufsätze oder wenige Absätze in einer Gesamtdarstellung der griechischen Religion beschränkt, wie bei Burkert und Nilsson.
Inhalt
1. Einleitung
2. Profane Anlässe der Reinigung
2.1 Reinigung des Gastes
2.2 Reinigung nach dem Kampf
2.3 Reinigung vor der Mahlzeit
2.4 Reinigung zu kosmetischen Zwecken
3. Religiöse Anlässe der Reinigung
3.1 Kultische Reinigung von Schmutz
3.2 Rituelle Reinigung im Falle eines Todesfalls
3.3 Reinigung von Krankheit
3.4 Reinigung im Falle eines Mordes – Die Blutsühne
4. Fazit
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Diese Arbeit wird unter der Fragestellung, inwieweit die Reinigung in der Ilias und der Odyssee vertreten ist, untersuchen, ob Homer die immaterielle Befleckung, die als ansteckend galt und nicht durch Materielles wie Schmutz verursacht wurde, kannte. Ferner wird untersucht, ob Homer auch blutige Reinigungsrituale bekannt gewesen sind.
In der Fachliteratur bestehen zu diesen Fragestellungen einige Kontroversen. Während Stengel behauptet, dass Homer jede Art von Karthatik fremd gewesen sei[1] und Gillies meint, dass die Befleckung bei Homer immer materiell verursacht sei[2], stellte Burkert die These auf, dass Homer die profanen Reinigungsrituale bekannt gewesen sind, nicht aber blutige Reinigungsrituale.[3] Nilsson und Parker dagegen schreiben, dass Homer auch blutige Rituale kannte und dass sich einige Andeutungen zu diesen blutigen Reinigungsritualen bei Homer finden lassen.[4] Um dieser Fragestellung nachzugehen werden zunächst die profanen Anlässe der Reinigung bei Homer in Bezug auf die Fragestellung dargestellt. Darauf werden die religiösen Anlässe der Reinigung bei Homer untersucht, die Kontroversen dazu in der Sekundärliteratur gegeneinander abwägt und die Frage, ob Homer auch die immaterielle Befleckung und blutige Reinigungsrituale kannte, beantwortet. Im Fazit werden die Ergebnisse der Untersuchung kurz zusammengestellt und auf weitere untersuchenswerte Aspekte bei Homer verwiesen. Auf eine Einführung in die griechische Religion und deren Reinheitsvorschriften musste zugunsten der Beantwortung der Fragestellung verzichtet werden. Ich verweise an dieser Stelle aber auf die einschlägigen Werke von Burkert und Nilsson.[5] Ferner wird aufgrund der Fragestellung nicht auf die später auftretenden Reinigungsrituale, die in ihrer Ausführung komplizierter wurden, eingegangen.
Zur Literatur ist zu sagen, dass es sehr wenig ausführliche Untersuchungen zu diesem Thema gibt, bis auf die Arbeiten von Hoessly und Parker[6]. Zumeist ist das Thema Reinigung bei Homer auf Aufsätze oder wenige Absätze in einer Gesamtdarstellung der griechischen Religion beschränkt, wie bei Burkert und Nilsson[7].
2. Profane Anlässe der Reinigung
Profane Anlässe der Reinigung lassen sich in der Ilias und in der Odyssee zahlreich finden. Es werden hier, aufgrund der beschränkten Seitenzahl, nur einige Beispiele zitiert und auf die restlichen Passagen, in denen sich eine Reinigung zu einem einfachen Anlass findet, in den Anmerkungen verwiesen.
2.1 Reinigung des Gastes
Die Griechen haben ihre eigene Reinigung auch ihren Gästen zu Teil kommen lassen. So erklärt Nausikaa ihren Mägden, die beim Anblick des sich waschenden Odysseus geflohen sind, Folgendes:
Nein er kommt zu uns, ein armer irrender Fremdling, / Dessen man pflegen muss. Denn Zeus gehören ja alle / Fremdling` und Darbende an, und kleine Gaben erfreun auch. / Kommt denn, ihr Dirnen, und gebt dem Manne zu essen und trinken, / Und dann badet ihn unten im Fluss, wo Schutz vor dem Wind ist.[8]
Daraufhin führten die Mägde Odysseus zum Baden:
Also sprach sie. Da standen sie still und riefen einander, / Führten Odysseus hinab zum schattigen Ufer des Stromes, / Wie es Nausikaa hieß, […] / Legten ihm einen Mantel und Leibrock hin zur Bedeckung, / Gaben ihm auch geschmeidiges Öl […] / Und geboten ihm jetzt, in den Wellen des Flusses zu baden.[9]
Erst nachdem Odysseus sich dann gewaschen, gesalbt und reine Kleider angezogen hat, wird ihm Speis und Trank gebracht.[10]
Das Bad des Gastes wird zunächst aus rein hygienischen Bestimmungen durchgeführt. Odysseus bezeichnet den Grund des Bades selber, indem er sagt „[das Bad] entnahm den Gliedern die geistentkräftende Arbeit“.[11] Der hygienische Grund des Bades eines Gastes war also, ihn von Schmutz zu befreien. Die Reinigung des Gastes hatte aber auch eine trennende Funktion, wie Parker sie näher beschreibt.[12] Mit der Reinigung wird eine Grenze überschritten. Der Gast wird aus der Fremde in seine neue Heimatstätte überführt. Diese Grenzüberschreitung durch das Bad des Gastes ist folglich symbolisch zu verstehen, - sie grenzt die beiden Bereiche Fremde und Heimat voneinander ab.
2.1 Reinigung nach dem Kampf
Eine Reinigung nach dem Kampf, in Form eines Ganzkörperbades, scheint für Homer selbstverständlich zu sein. Die Männer, die vom Kampf zurückkehren, sind mit Schweiß, Schmutz und Blut befleckt, so dass eine Reinigung aus rein hygienischem Aspekt notwendig war. So zeigt es sich in der Ilias bei den blutigen Kämpfen.
Wie man sich die Rückkehr eines Helden in sein Heim vorzustellen hat, kann man an dieser Stelle erkennen, in der Andromache das Bad für ihren Gatten Hektor vorbereiten lässt, als ob seine Rückkehr bald bevorstünde. Die Gattin weiß noch nicht, dass Hektor im Kampf gefallen ist.
Jetzo rief sie umher den lockigen Mägden des Hauses, / Eilend ein groß dreifüßig Geschirr auf Feuer zu stellen / Zum erwärmenden Bade, wann Hektor kehrt aus der Feldschlacht[13]
Auch das Waschen im Meer und das darauf folgende Bad von Odysseus und Diomedes nach dem Töten im Zelt der Thraker, zeigt die Reinigung nach dem Kampf.[14]
Das Abwaschen im Meer und das darauf folgende Bad sind so zu verstehen, das dass Abwaschen der physischen Reinigung und das Bad einfach der Entspannung diente, wie Odysseus es auch beschreibt.[15] Eine Funktion war wahrscheinlich, die dass der Krieger sich vom Blut des Feindes befreien wollte. Eine weitere Funktion der Reinigung nach dem Kampf beschreibt Hoessly:
Die wichtigste Funktion […] scheint wieder in der symbolischen Trennung zweier Bereiche zu liegen. Wenn sich der homerische Held am Abend nach der Schlacht reinigt, trennt er dadurch den Bereich des Schlachtfeldes vom Bereich des Lagers, trennt er Kampf, kriegerische Aktivität von friedfertiger Aktivität und Erholung.[16]
2.3 Reinigung vor der Mahlzeit
Das Bad, welches den neu Angekommenen reinigen soll, ist gleichermaßen eine Reinigung vor dem Mahl. Es war aber nicht nur üblich, dass der Ankommende sich wäscht, sondern die Reinigung vor der Mahlzeit galt für jeden.
Ein Mahl folgt fast nach jeder Reinigung. So setzen sich Telemachos und Peisisstratos in Sparta zum Mahle nieder, nachdem sie gebadet wurden sind[17] und Odysseus und seine Gefährten erhalten von Kirke auch Trank und Speis, nachdem sie sich gereinigt haben:
Führte sie mich in das Bad und strömt aus dem dampfenden Kessel / Lieblich gemischtes Wasser mir über das Haupt und die Schultern / Und entnahm den Gliedern die geistentkräftende Arbeit. / Als sie mich jetzo gebadet und drauf mit Öle gesalbet, Da umhüllte sie mir den prächtigen Mantel und Leibrock. […] / Eine Dienerin trug in der schönen goldenen Kanne / Über dem silbernen Becken das Wasser, beströmte zum Waschen / Mir die Händ` und stellte vor mich die geglättete Tafel. / Und die ehrbare Schaffnerin kam und tischte das Brot auf / Und der Gerichte […] und befahl mir zu essen.[18]
Zunächst muss in dieser Maßnahme ebenfalls ein hygienischer Aspekt gesehen werden. Sie reinigen sich vor der Mahlzeit, um mit sauberen Händen zu speisen. Zeitweise reicht auch eine einfache Waschung der Hände aus.[19] Hoessly sieht darin wieder eine weitere Funktion: Die Reinigung trennt Alltag und Mahlzeit und führt in einander über.[20]
[...]
[1] vgl. P. Stengel: Die griechischen Kultusaltertümer, München 1920, S. 156 f.;
[2] vgl. M. M. Gillies: Purification in Homer, in: Classical Quarterly 19, 1925, S.71f.
[3] vgl. W. Burkert: Griechische Religion der archaischen und klassischen Epoche, Stuttgart 1977, S. 137
[4] vgl. M. Nilsson: Die Religion Griechenlands, München 1967, S. 91f.; R. Parker: Miasma: Pollution and Purification in Early Greek Religion, Oxford 1983, S. 68f.
[5] Zur Definition der Befleckung: vgl. Burkert 1977, S. 130f.; Nilsson 1967, S. 90; zu den Beschreibungen der Reinigungsrituale: vgl. Burkert 1977, S. 132ff., Nilsson 1967, S. 92ff.
[6] F. Hoessly: Katharsis: Reinigung als Heilverfahren, Studien zum Ritual der archaischen und klassischen Zeit sowie zum Corpus Hippocraticum, Zürich, 1997; Parker 1983
[7] vgl. Burkert 1977; Nilsson 1967
[8] Od. 206 ff.
[9] Od. 6, 211f.
[10] Od. 248 f.; weitere Stellen für die Reinigung eines Gastes: Od. 4, 33, Od. 10, 358 ff.
[11] Od. 10, 363
[12] Zu den folgenden Ausführungen: vgl. Parker 1983, S. 18f.
[13] Il 22, 442f.
[14] Il. 10, 572; weitere Belege für die Reinigung nach dem Kampf: Il 21, 560; Il 23, 38ff.
[15] Od. 10, 363; vgl. auch Annahme 15
[16] vgl. Hoessly 2002, S. 33
[17] Od. 4, 47-50
[18] Od. 10 358ff.; weitere Stellen für das Baden vor der Mahlzeit: Od. 1, 310, 4, 48ff.; 3, 464ff.; 6, 209ff.; 8, 449ff.; 10, 361 ff. und 449ff.; 17, 87 ff.; 19, 320 ff.
[19] Händewaschen vor der Mahlzeit: Od. 1, 136, 146; 7, 172ff.; 10, 182; 15, 135ff.; 4, 52ff.; 10, 368ff.; 17, 91f.
[20] vgl. Hoessly 2002, S. 34
- Quote paper
- Sylvia Schindler (Author), 2003, Reinigung bei Homer - Eine Untersuchung der Ilias und der Odyssee unter besonderer Berücksichtigung der rituellen Reinigung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/44787
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