Die Kurzgeschichte „Die Tochter“ von Peter Bichsel erschien 1964 handelt von Monika, einer jungen Frau, die in der Stadt arbeitet. Ihre Eltern beschreiben dabei sie und wie sie sich ihr Leben vorstellen. Im Folgenden wird diese hinsichtlich der Deutungshypothese, dass sich die Lebensweisen von Monika und ihren Eltern stark unterscheiden, analysiert. Sie lebt eher fortschrittlich, während ihre Eltern eine traditionelle Lebensweise führen. Bezogen auf eine historische Einordnung, lässt sich auch die Handlung dieser Geschichte vermutlich in die 60er-Jahre einordnen.
Analyse einer Kurzgeschichte
„DIE TOCHTER“ VON PETER BICHSEL
Die Kurzgeschichte „Die Tochter“ von Peter Bichsel erschien 1964 handelt von Monika, einer jungen Frau, die in der Stadt arbeitet. Ihre Eltern beschreiben dabei sie und wie sie sich ihr Leben vorstellen.
Eine Deutungshypothese ist, dass sich hierbei die Lebensweisen von Monika und ihren Eltern stark unterscheiden: Sie lebt eher fortschrittlich, während ihre Eltern eine traditionelle Lebensweise führen. Bezogen auf eine historische Einordnung, lässt sich auch die Handlung dieser Geschichte vermutlich in die 60er-Jahre einordnen.
Es handelt sich in dieser Geschichte um einen personalen Erzähler, der die Sichtweise der beiden Elternteile wiedergibt. Da nur Vermutungen über das Leben Monikas angestellt werden, ist es unwahrscheinlich, dass es sich um einen auktorialen Erzähler handelt.
Dies zeigt, dass die Verbindung zwischen Eltern und Tochter schwach und kaum vorhanden ist.
Im ersten Abschnitt (vgl. Z. 1-7) wird von der aktuellen Situation erzählt. Die Eltern sitzen am gedeckten Tisch und warten auf ihre Tochter Monika, um mit ihr gemeinsam Abendbrot zu essen. Seit sie in der Stadt arbeitet, isst die gesamte Familie eine Stunde später, also um halb acht (vgl. Z.3).
Die Familie wohnt in einer sehr ländlichen Gegend, was man daraus schließen kann, dass die Bahnverbindungen schlecht sind (vgl. Z. 1f.).
Zudem wird in diesem ersten Abschnitt sofort deutlich, dass Monika im Mittelpunkt des Familienlebens steht, da ihre Eltern für sie extra eine Stunde auf sie am gedeckten Tisch warten (Z. 3ff.), obwohl sie in der Zeit noch andere Dinge machen könnten.
Auch eine traditionelle Rollenverteilung wird angesprochen. Der Platz der Mutter befindet sich nahe der Küchentür (vgl. Z. 5), was vermuten lässt, dass sie Hausfrau ist und die Küche sowie das Kochen damit zu ihren Aufgaben gehört.
Im zweiten Abschnitt (vgl. Z. 8-12) wird Monikas Aussehen beschrieben. Sie ist größer als ihre Mutter (vgl. Z. 8), was eine körperliche Überlegenheit darstellen kann, die analog zu einer sozialen gedeutet werden kann. Dies sieht man auch daran, dass ihre Mutter sehr positiv und lobend von ihrer Tochter spricht („Sie war immer ein liebes Kind“, Z. 9.).
Im gleichen Abschnitt wird die Einrichtung von Monikas Zimmer benannt. So hat sie einen Plattenspieler, „einen Spiegel und verschiedene Fläschchen und Döschen, einen Hocker aus marokkanischem Leder, eine Schachtel Zigaretten.“ (Z. 10 f.). All diese kostspieligen Einrichtungsgegenstände sind Zeichen für einen hohen Lebensstandard, was durch eine Aufzählung verstärkt wird. Die Zigaretten zeigen eine gewisse Emanzipation Monikas, da diese als wenig damenhaft galten, ihr es also wenig wichtig zu sein scheint, diese Eigenschaft zu betonen.
Der dritte Abschnitt (vgl. Z. 13-15) handelt vom Tagesablauf des Vaters, der vermutlich ein einfacher Arbeiter ist, der seine „Lohntüte auch bei einem Bürofräulein“ holt (Z. 13). Die Partikel „auch“ lässt vermuten, dass Monika ebenfalls Bürofräulein ist.
Zudem ist der Vater sichtlich erstaunt von der Rechenmaschine (vgl. Z. 14), was zeigt, dass er nur begrenzte Erfahrung mit Technik hat und in diesem Bereich wenig fortschrittlich lebt.
Die nächste Passage (vgl. Z. 16-24) beginnt mit einer Beschreibung, wie Monikas Eltern sich ihre Mittagspause vorstellen. Sie bleibt dabei in der Stadt und isst in einem sogenannten Tearoom (vgl. Z. 16).
Wenn ihre Eltern sie nach ihrem Tag und ihrer Arbeit im Büro fragen, scheint sie nicht wirklich zu antworten (vgl. Z.18 f.), weswegen diese nur Vorstellungen darüber anstellen können (vgl. Z. 19 ff.). In dieser Aufzählung, deren einzelne Phrasen mithilfe der Anapher „wie sie“ verknüpft sind, wirkt Monika sehr modern und trendbewusst, da sie ein Modejournal bei sich trägt (Z. 23).
Die fehlende Kommunikation zwischen Eltern und Tochter zeigt eine große Distanz. Diese geht jedoch nur von Monika aus, was zeigt, dass sie sehr unabhängig ist. Andererseits kann es aber auch ein Zeichen für ein Überlegenheitsgefühl ihrerseits gegenüber ihren Eltern gedeutet werden. Der Auslöser dafür könnte sein, dass, wie zuvor schon erwähnt, die Eltern wenig fortschrittlich leben, während Monika sehr modern ist und einen hohen Lebensstandard hat.
Diese Distanz scheint den Eltern nicht zu gefallen. Der Wunsch, dass Monika nach Hause kommt und gemeinsam mit ihnen ist, wird in der Vorstellung ebenfalls deutlich (vgl. Z. 22 ff.).
Auch im nächsten Abschnitt (vgl. Z. 25-29) werden die Vorstellungen der Eltern mithilfe von Aufzählungen und dem Konjunktiv dargestellt (vgl. Z. 25 ff.). Es handelt sich hierbei um Zukunftsbilder für Monika, in denen sie sich weiter von ihren Eltern distanziert durch Umzug (vgl. Z. 25). Zudem stellen ihre Eltern sich ein Leben ohne sie vor, was anscheinend ähnlich aussieht, wie das, welches sie hatten, bevor Monika in der Stadt arbeitete.
Zum Ende des Absatzes wird wieder deutlich, dass die Beziehung von Monikas Seite aus eher unpersönlich ist. So hat sie ihren Eltern eine „Vase aus blauem schwedischem Glas, eine Vase aus der Stadt, ein Geschenkvorschlag aus dem Modejournal“ geschenkt (Z. 28 f.). Es wird deutlich, dass Monika sich keine Gedanken gemacht hat, was ihren Eltern gefallen könnte. Stattdessen möchte sie ihnen anscheinend etwas Modernes schenken.
Dies ist nicht nur - wie schon erwähnt - ein weiteres Zeichen für die Distanz, die sie zu ihren Eltern aufbaut, sondern es zeigt auch, wo Monika ihre Prioritäten setzt. Trends und ein hoher Lebensstandard sind ihr wichtiger als traditionelle Werte, wie beispielsweise das Familienleben.
In der letzten Passage (vgl. Z. 30-38) lässt sich wörtliche Rede wiederfinden, die aus einem Dialog zwischen den beiden Elternteilen stammt. Auch diese Unterhaltung dreht sich um ihre Tochter (vgl. Z. 30 ff.).
Beide reden sehr positiv von ihr und rechtfertigen negative Gesichtspunkte („Andere Mädchen rauchen auch“ Z. 33).
Wieder lehnt Monika ein Gespräch zu ihren Eltern ab, was ebenfalls zeigt, dass sie von ihren Eltern abrückt (vgl. Z. 35).
Zum Schluss wirkt es so, als würden die Eltern Monika sehr bewundern, da diese Stenografieren kann, es für sie selbst aber zu schwer wäre (vgl. Z. 36). Die Überlegenheit Monikas wird also auch an dieser Passage zum wiederholten Mal deutlich, nur drückt sie sich jetzt zusätzlich auf intellektueller Ebene aus.
In der gesamten Kurzgeschichte ist ein parataktischer Satzbau wiederzufinden, wie beispielsweise in der ersten Zeile („Abends warteten sie auf Monika), was ebenfalls ein Zeichen für die fehlende Kommunikation innerhalb der Familie sein kann.
Die zu Beginn genannte Deutungshypothese ist zu verifizieren. An mehreren Stellen wird Monikas fortschrittliche und emanzipierte Lebensweise deutlich, was sich vermutlich auch in einer Überlegenheit gegenüber ihren traditionellen Eltern ausdrückt. Dies verursacht eine deutliche Distanzierung Monikas von ihrer Familie.
Auch die Einordnung in die Mitte der 60er-Jahre ist passend. So sind typische Gegenstände und Begriffe wie zum Beispiel die Lohntüte oder der Plattenspieler typisch für dieses Jahrzehnt. Zudem lässt sich ein Wandel in der Rolle der Frau in dieser Geschichte sowie in diesem Jahrzehnt beobachten: Während die Mutter noch eine typische Hausfrau ist, arbeitet Monika und ist gewissermaßen emanzipiert.
In den 60er-Jahren war es zudem möglich, sich einen gewissen Luxus zu erlauben und ein ausgebautes Bildungssystem war auch vorhanden, was sich ebenfalls in der Kurzgeschichte widerspiegelt.
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- Quote paper
- Charlotte Käsche (Author), 2018, Analyse einer Kurzgeschichte: "Die Tochter" von Peter Bichsel, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/447062
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