Auch drogenabhängige Frauen haben einen Kinderwunsch. Aufgrund ihrer schlechten sozioökonomischen Lage können sie ihre Kinder jedoch häufig nicht so erziehen, wie die Gesellschaft es von ihnen verlangt. Sie sehen oft nur zwei Möglichkeiten: entweder allein und eigenständig zu bleiben oder die Hilfe von Experten in Anspruch zu nehmen. Letzteres ist jedoch immer mit der Angst verbunden, dass das Kind aus der Familie genommen und in einer Pflegefamilie untergebracht wird.
Wie die Soziale Arbeit auf solche Ängste reagieren kann, zeigt Vanessa Schuster in ihrer Publikation. Darin geht sie auf die Herausforderungen ein, die bei der Arbeit an Erziehungsthemen mit dieser Klientel entstehen können. Sie bespricht, welche Kompetenzen besonders wichtig sind, und stellt bereits bestehende Interventionsangebote vor.
Aus dem Inhalt:
- Sucht;
- Suchthilfe;
- Elterncoaching;
- Entwicklungspsychologie;
- Abhängigkeit
Inhaltsverzeichnis
Abstract
Abkürzungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Übersicht
2 Einleitung
3 Problemlage
3.1 Allgemeine Schwierigkeiten im Bereich abhängiger Mütter
3.2 Forschungsstand und Statistiken
3.3 Die Situation der Mütter
3.4 Die Situation der Kinder
4 Interventionsmaßnahmen und -ansätze für abhängige Mütter
4.1 Allgemeine Ziele
4.2 Überblick genereller Angebote
4.3 Geschlechtsspezifische Angebote für Frauen/Mütter
4.4 Elterncoaching
4.5 Präventive Maßnahmen
4.6 Integration von Kindern in Interventionsmaßnahmen
4.7 Fallbeispiele und Erfahrungen von abhängigen Müttern
5 Anforderungen
5.1 Anforderungen an die Profession Soziale Arbeit
5.2 Anforderungen für die Zukunft der Suchthilfe.
6 Zwischenfazit und Überleitung zum empirischen Teil
7 Vorgehen der Untersuchung
7.1 Untersuchungsfrage und Klassifikation des Datenerhebungsverfahrens
7.2 Die Erstellung eines Interviewleitfadens zur Erfassung der professionellen Probleme
7.3 Auswahl der Interviewpartner/-in
7.4 Aufbereitungsverfahren
7.5 Auswertungsverfahren
8 Ergebnisse und Auswertung der Interviews
8.2 Situation der Kinder
8.3 Interventionsmaßnahmen
8.4 Profession
9 Diskussion
10 Fazit
11 Literaturverzeichnis
12 Anhang
12.1 Leitfaden des Experteninterviews
12.2 Allgemeine Teilnehmerinformation
12.3 Erstellung eines Codewortes
12.4 Einwilligungserklärung für Tonaufnahmen
12.5 Interviewtranskript: jhj Hamburg e.V - DIEL
12.6 Interviewtranskript: Suchthilfezentrum Kiel & DIAKO Fachambulanz - RTHO
12.7 Interviewtranskript: Suchthilfezentrum Kiel & DIAKO Fachambulanz - ERER
12.8 Interviewtranskript: Such(t)- und Wendepunkt e.V - FTUT
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Impressum:
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Abstract
Das Ziel der Bachelorarbeit ist es, Anforderungen an die sozialpädagogische Arbeit mit drogenabhängigen/ substituierten Müttern darzustellen. Die wichtigsten Interventionsmaßnahmen und die dabei auftretenden Probleme werden im ersten Teil anhand vorhandener Literatur theoretisch veranschaulicht und im zweiten Teil durch vier Experteninterviews empirisch überprüft.
Überwiegend bestätigen die empirischen Ergebnisse die dargestellten Ansichten des theoretischen Teils, z.B., dass abhängige Mütter selbst aus suchtmittelabhängigen Familienverhältnissen stammen und Schwierigkeiten haben, ihre Kinder bestmöglich zu erziehen.
Folgende Schlussfolgerungen sind hervorzuheben:
- Die Mütter benötigen Hilfsmaßnahmen, welche es ermöglichen, ihre Erziehungskompetenzen zu erweitern.
- Bei der Arbeit mit Abhängigen spielt die fachliche Toleranz, weniger die Akzeptanz der Lebensverhältnisse der Mütter eine prägende Rolle.
- Es existiert keine perfekte Methode, um an Erziehungsthemen zu arbeiten, vielmehr besitzen die beratenden Personen einen Handwerkskoffer mit eigenen Methoden.
- Die persönliche und professionelle Netzwerkarbeit muss verbessert werden.
Die Bachelorarbeit ist für Studierende im sozialen Bereich, sowie für Praktizierende in der Sozialen Arbeit interessant.
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Stärken und Wunden von Kindern suchtkranker Eltern
Tabelle 2: Inhaltliche Typologie sozialer Beziehungen
Tabelle 3: Kategoriensystem
1 Übersicht
Die vorliegende Arbeit soll einen Einblick in die Arbeit mit drogenabhängigen/ substituierten Frauen und Müttern geben, wobei der Fokus auf der Herausforderung liegt, mit dieser Klientel an Erziehungsthemen zu arbeiten.
Viele Aspekte, die in dieser Arbeit angesprochen werden, betreffen nicht nur abhängige Mütter, sondern auch abhängige Väter. Ein Schwerpunkt wird hier auf die Problematik abhängiger Mütter gelegt und insbesondere auf Alleinerziehende. Weil es bei der Arbeit mit drogensüchtigen/ substituierten Müttern immer auch um deren Kinder geht, behandelt ein Exkurs die Entwicklungsprobleme eben dieser Kinder.
Auffassungen, welche Kompetenzen für eine geeignete Erziehung notwendig sind, sind breit gefächert. Weitgehender Konsens besteht darüber, dass die Erziehungskompetenz eng mit Bildung verknüpft ist (Hechler, 2010). „Die Fähigkeit, zu lernen und sich selbst zu bilden, ist Voraussetzung dafür, dass [...] Erziehung gelingen kann [...].“ (Hechler, 2010, S.42). Sprechen, Denken, Handeln oder Fühlen sind in der Erziehung wichtige Komponenten, noch notwendiger aber ist das Vermitteln und Initiieren von Lernprozessen, sodass das Kind sich zu einer selbstständigen, selbsttätigen, problemlösungsfähigen, lebenstüchtigen, moralischen und gerecht handelnden Person entwickeln kann (ebd.).
Die Arbeit gliedert sich in eine theoretische Abhandlung (Teil A) und die Auswertung einer eigenen empirischen Untersuchung (Teil B).
Im Teil A wird das Thema theoretisch umrissen und ein Überblick über die spezifischen Probleme abhängiger Mütter und deren Kinder gegeben. Des Weiteren wird ein Überblick über Statistik und Forschung in dem Bereich gegeben, bestehende Interventionsangebote und -möglichkeiten und die sich dabei ergebenden Problematiken aufgezeigt und teilweise mit Fallbeispielen näher beschrieben.
Teil B beschreibt den angewandten empirischen Ansatz einer strukturierten Befragung von vier, in dem bearbeiteten Bereich tätigen und erfahrenen Experten.
Mit Hilfe von vier leitfadengestützten Experteninterviews verschiedener Einrichtungen wird herausgefunden, welche Gründe es für Probleme und Hindernisse bei der Arbeit mit drogensüchtigen/substituierten Müttern und ihren Kindern gibt und welche Angebote oder Möglichkeiten noch fehlen, um diese Frauen bei ihren Erziehungsaufgaben besser zu unterstützen. Dabei dient der theoretische, erste Teil als Grundlage dafür, die Ergebnisse der Interviews zu evaluieren.
Abschließend werden ein Fazit und Ausblick gegeben.
2 Einleitung
Auch abhängige Frauen haben einen Kinderwunsch, jedoch bedingen deren schlechte sozioökonomische Lage und daraus erwachsende Probleme häufig, dass sie ihre Kinder nicht so erziehen, wie die Gesellschaft es von ihnen erwartet (Vogt, 1996). Viele alleinerziehende Mütter scheitern meist an Erziehungs- sowie altersspezifischen Entwicklungsaufgaben (Textor, 1991). Grund hierfür ist das Fehlen von Kompetenzen, die für eine Erziehung notwendig sind (ebd.).
Laut Textor (1991) bleiben Eltern häufig nach der Geburt eines Kindes in ihrer Abhängigkeit und lassen ihr Leben durch Alkohol, Medikamente oder andere Rauschmittel bestimmen. Diese Tatsache erschwert es ihnen, ein gutes Vorbild für ihre Kinder zu sein. Kinder orientieren sich ihr Leben lang an ihren Eltern, daher ist der wichtigste Baustein einer guten Erziehung, ein gutes Vorbild sein (ebd.).
Abhängige Mütter denken oft, dass sie nur zwei Möglichkeiten haben, ihr Kind großzuziehen und die damit verbundenen Probleme zu bewältigen: entweder allein und eigenständig oder mit Hilfe von Experten. Bei der letzteren Alternative spielt die Angst eine große Rolle, dass das Kind aus der Familie entfernt und in einer Pflegefamilie untergebracht werden könnte. (Soer & Stratenwerth, 1991).
3 Problemlage
3.1 Allgemeine Schwierigkeiten im Bereich abhängiger Mütter
Nach Girrulat (2014) haben Menschen mit einer Abhängigkeit häufig selbst eine Erziehung erlebt, die von der Sucht ihrer Eltern bestimmt war. Traumatisierende Erfahrungen prägen ihr eigenes Leben und ihre Rolle als Elternteil. Das wiederum wirkt sich dann auf die eigenen Kinder aus und erschwert es den Müttern, eine problemlose, angemessene Erziehung und Bindung zu geben (ebd.). Hinzu kommt, dass ein Leben in der Sucht mit Armut verbunden sein kann und Frauen mit sich daraus ergebenden Problemen und Krisen konfrontiert werden (Vogt, 1996). Der Zugang zum Gesundheitssystem und zu Unterstützungsangeboten des Staates sind oft erschwert. Einerseits scheint es, dass es die Gesellschaft den Frauen leichtmacht, an Drogen und in Abhängigkeit zu geraten, sie es ihnen aber erschwert, sich aus dieser Situation wieder zu befreien und Hilfe für sich und ihre Kinder zu bekommen (ebd.).
Ebenfalls haben von den Müttern erlebte Vernachlässigungen oder Misshandlungen Einfluss darauf, wie sie selbst erziehen. Grund hierfür ist die ungenügende Vorbereitung auf Elternschaft, Entwicklungsaufgaben und das damit verbundene Lernen von Erziehungskompetenzen (Textor, 1991).
Soer & Stratenwerth (1991) meinen, dass die allgemein akzeptierende Suchthilfe und Drogenarbeit häufig überfragt ist, wenn es um Themen abhängiger Eltern mit Kindern geht. Früher herrschte durchaus die Meinung vor, dass Drogenabhängigkeit und Elternschaft nicht zusammenpassen. Auch heute ist es noch eine gängige Handlungsweise, dass Kinder zum eigenen Schutz den Eltern entzogen werden. Es wird dabei unterstellt, dass Eltern ihr Schicksal selbst in der Hand haben und somit in der Lage sind, sich selbst zu helfen. Kinder hingegen sind schutzbedürftig und haben keine eigenständigen Handlungsmöglichkeiten. Wenn Eltern es nicht schaffen, das Kind angemessen großzuziehen, bleibt keine andere Alternative, als es aus der Familie zu entfernen (ebd.).
Ein weiteres Problem ist, dass nicht genügend Angebote bestehen, bei denen Mütter Erziehungsthemen besprechen und ihre Kinder mitbringen können. (Soer & Stratenwerth, 1991).
Tatsache ist, dass drogenabhängige Mütter i.d.R. nicht dem Bild einer perfekten Hausfrau entsprechen, die einen makellosen Haushalt führt, einen Ehemann und eine gute finanzielle Lage hat, sondern eher aus prekären, suchtbelasteten und isolierten Verhältnissen kommt (Vogt, 1996). Diese Mütter versuchen häufig, ihre Kinder alleine auf die Welt zu bringen und großzuziehen, ohne auffällig zu werden. Jedoch kann dieser Lebensstil negative Auswirkungen auf beide haben (ebd.).
3.2 Forschungsstand und Statistiken
Etliche Erhebungen und Statistiken zeigen, welchen Umfang die Thematik „Ansätze Sozialer Arbeit bei abhängigen Müttern“ hat und welchen Stellenwert eine zielgerichtete empirische Auseinandersetzung mit dem Themenbereich haben muss.
Klein, Thomasius & Moesgen (2017) gehen in Deutschland von ungefähr 3 Millionen Kindern aus, die einen abhängigen Elternteil haben. Dazu kommt eine kritisch hohe Dunkelziffer. Das Robert-Koch-Institut eruierte, dass 4,2 Millionen Kinder in einer Familie leben, bei der Rauschtrinken1 auftritt (Lindemann, Neumann-Runde & Martens, 2016).
Zahlen von Heroin- und Opiatabhängigen unterscheiden sich sehr stark, es gibt in etwa 200.000 Konsumenten/-innen in Deutschland (Wittchen, Apelt & Mühling, 2005). Wie hoch dabei der Anteil von Frauen, insbesondere Müttern ist, ist nicht bekannt (ebd.).
Studien aus England ergaben, dass die Möglichkeit des Einstieges in den Konsum von Alkohol und/oder anderen (illegalen) Drogen deutlich höher ist, wenn Kinder in einer sozialen und öffentlichen Sphäre aufwachsen, in der sie benachteiligt werden, körperliche und psychische Gewalt beobachten oder erfahren (Vogt, 2016).
Es ist davon auszugehen, dass ein Drittel der Kinder selbst abhängig werden, ein Drittel psychische oder soziale Störungen und ein Drittel keine erzieherischen Nachteile entwickeln (BAJ, 2017).
Eine Erhebung zeigt, „dass drogenabhängige Mütter eine schlechtere sozioökonomische Lage, ein höheres Stresserleben, eine stärkere soziale Isolation und eine geringere soziale Unterstützung als demografisch vergleichbare Mütter in den gleichen Wohngebieten hatten.“ (Deimel, 2013, S. 30).
Jährlich gibt es eine Auswertung von 60 Suchthilfeeinrichtungen in Hamburg, bei der der Zweck die Dokumentation und Evaluation der Hamburger Suchthilfe ist. Im Jahr 2016 wurden 15.373 Personen beraten und betreut, darunter waren 30% Frauen (Lindemann et al., 2016). Im Vorjahr betrug der Anteil der Frauen 26%, was daraus schließen lässt, dass die Zahlen der Frauen mit Suchtproblemen gestiegen ist (Neumann-Runde & Martens, 2015). Eine Umfrage ergab, dass von 9.695 Personen, ca. 21,3%, ihrerseits eine Mutter mit einer Suchtproblematik hatten (Lindemann et al., 2016).
Im Kontext zwischen Erziehung und Sucht ergab eine Untersuchung von Klein (2008), dass abhängige, substituierte Mütter eine auffälligere Verhaltensweise in ihrer Erziehung zeigen. Untersucht wurden dabei kommunikative Verhaltensweisen, z.B. Schimpfen, Nein sagen, Provozieren usw. und eine allgemeine, strenge, und harte verbale Verhaltensweise (ebd.).
In der Bindungsforschung wurde deutlich, dass Bildung auf Beziehung beruht (Wischka, 2009). Kinder mit einer sicheren Bindung entwickeln eine emotionale Stabilität und sind in der Lage, kognitive und kreative Potenziale zu entfalten. Bei einer unsicheren Bindung, durch Misshandlungen, Vernachlässigungen, Trennungen oder Abhängigkeiten der Eltern entwickeln die Kinder aggressives, emotional isoliertes Verhalten oder Verhaltens- und Lernstörungen (ebd.). „Wonach diese Kinder suchen und worauf die ihre ganze Aufmerksamkeit richten, ist nicht das angebotene Wissen, die vermittelten Fähigkeiten und Fertigkeiten, sondern ein Gefühl: Das Bedürfnis nach Halt und Sicherheit, nach Anerkennung und Orientierung“ (Hüther, 2003, S.5). Wenn Erziehung und Bildung des Kindes gelingen soll, muss die emotionale Bindung zwischen Kind und Mutter gestärkt werden (Grossmann & Grossmann, 2007).
Wie bereits oben erwähnt, ist es für abhängige Frauen oft schwierig, eine Therapie zu beginnen, da das Wohl des Kindes im Vordergrund steht und häufig diese nicht in die Therapie integriert sind. Stationäre Einrichtungen, wie Therapien oder Entgiftungen, werden von 17,9% der Mütter genutzt und stellt damit, in Hinblick auf alle Frauen, die eine Suchtproblematik haben, ein sehr kleines Segment dar. (Winkler, 1996).
3.3 Die Situation der Mütter
Nach Soer & Stratenwerth (1991) ändert sich mit der Geburt eines Kindes das Leben und bringt neue Aufgaben und Herausforderungen mit sich. Unabhängig von Rauschmitteln sind eine Schwangerschaft und eine Geburt für Frauen ein großer Einschnitt, eine emotionale, neue und herausfordernde Erfahrung. Neben Gefühlen wie Hoffnung, Liebe und Glück können sie genauso mit Angst, Schmerz und Hilflosigkeit verbunden sein (ebd.). Für abhängige Frauen sind solche Situationen eher belastend und können Krisensituationen, z.B. Veränderungen ihrer sozialen Beziehungen hervorrufen, die Kontrollverlust für das bisherige Leben bedeuten können (Vogt, 2016). Sie leiden oft unter einer Doppel- und Dreifachbelastung mit ihrem eigenen Beruf, dem neuen Kind und, falls vorhanden, ihrem Freund, Ehemann oder dem Vater des Kindes (ebd).
Siebler (2011) erwähnt, dass alleinerziehende Frauen durch die komplette Verantwortung an ihre Grenzen geraten. Sie haben oft einen schwachen sozialen Status, weshalb sie nicht selten auf Sozialhilfe angewiesen sind. Durch die Lebenssituationen, in denen sich die Frauen befinden, muss häufig von eigenen körperlichen sowie sexuellen Gewalterfahrungen ausgegangen werden (ebd.). Oft ist die Situation mit Gesundheitsproblemen, Komorbiditäten, schlechten Wohnverhältnissen, wenig sozialen Kontakten und fehlender Unterstützung verbunden (Vogt, 1996). Unter solchermaßen schlechten Gegebenheiten leidet intensiv die Erziehung und somit auch das Kind (ebd.).
Drogenabhängige merken teilweise erst spät, dass sie schwanger sind und verpassen dabei das Zeitfenster, sich um vorgeburtliche Kontrollen zu kümmern oder sich angemessen auf die Mutterschaft vorzubereiten (Soer & Stratenwerth,1991).
Wird eine drogenabhängige Frau schwanger, so stellt sie oft ihre Ernährung nicht um, geht nicht regelmäßig zu Vorsorgeuntersuchungen und bereitet sich kaum auf die Geburt vor. Deswegen und infolge des schlechten Gesundheitszustandes der Mutter kommt es bei der Geburt häufig zu Komplikationen. Vielfach wird das Kind auch drogenabhängig geboren, ist behindert oder mit AIDS infiziert. (Textor, 1991, S. 2).
Nach Soer & Stratenwerth (1991) und Vogt (1996) ist für Außenstehende die Frau dann oft eine böse und schlechte Mutter, da sie während des Konsums schwanger geworden ist, wahrscheinlich während der Schwangerschaft geraucht, getrunken oder verschiedene Drogen zu sich genommen und nicht gesund ernährt hat und/oder nicht einmal nach der Kenntnisnahme der Schwangerschaft oder der Geburt den Konsum aufgab. Durch derartige Vorwürfe empfinden Frauen oft Schuldgefühle und Angst, denn abhängige Frauen machen sich i.d.R. um ihre Kinder Sorgen und wollen nicht, dass ihr eigenes Kind wegen ihren Lebensumständen leidet. Durch Ablehnungen und Abwertungen der Gesellschaft trauen sich Mütter oft nicht, Angebote von Institutionen wahrzunehmen oder Beratungsstellen aufzusuchen (ebd.).
Viele abhängige Mütter haben während der Schwangerschaft oder nach der Geburt ihres Kindes den Willen, ihre Sucht zu stoppen, um eine gute Mutter werden zu können (Soer & Stratenwerth, 1991). Gerade drogenabhängige Schwangere, aber auch andere abhängige Mütter haben Angst, sich Hilfe zu holen, da sie die Befürchtung haben, dass sie ihr Kind nicht behalten dürfen, sobald außenstehende Hilfe involviert ist (ebd.). Die Mütter befinden sich in einem Teufelskreis, da sie ohne Hilfe weder ihre Lebenssituation stabilisieren, noch eine gute Mutter sein können. Mit Hilfe jedoch befürchten sie, ihr Kind zu verlieren (ebd.).
Nach Soer & Stratenwerth (1991) haben manche Frauen die Vorstellung von einem cleanen Leben in der Zukunft. Sie wissen genau, dass sie nicht ewig mit einer Sucht leben wollen. Ein Kind ist die Chance, ihr Leben zu überdenken und zu ändern. Die Mütter haben oft den Willen, eigenständig aufzuhören, da sie eine gute Mutter und ein gutes Vorbild sein möchten. Ein kalter, medizinisch unbeaufsichtigter Entzug2 ist aber schädlich und anstrengend für den Körper sowie während der Schwangerschaft fatal für das Kind. Mit einher geht auch ein doppeltes Leiden, da die hormonellen Umstellungen während der Schwangerschaft und die anhaltenden Schuldgefühle erhebliche Stressfaktoren und mögliche Entzugserscheinungen des Suchtmittels Belastungen sind (ebd.).
Erziehung von abhängigen Frauen sind oft überbehütend, was die Weiterentwicklung des Kindes und dessen Selbstständigkeit stören und psychosoziale Probleme oder Verhaltensstörungen hervorrufen können (Textor, 1991).
3.4 Die Situation der Kinder
Eine Suchtproblematik der Mutter stört die Beziehung zum Kind und obstruiert die notwendige Erziehung und Fürsorge für das Kind (Barnowski-Geiser, 2011). Nach Soer & Stratenwerth (1991) freuen sich die Mütter vor der Geburt auf ein frohes, gesundes Kind, welches eine positive Lebensumstellung hervorrufen soll. Neugeborene von abhängigen Frauen haben, abgesehen von möglichen Behinderungen und anderen psychischen sowie physischen Schäden, ein eher introvertiertes, schläfriges Verhalten. Die Mutter muss sich mehr Mühe geben, um Interaktionen und Bindungsgefühle des Kindes hervorzurufen (ebd.).
Für Kinder sollte es selbstverständlich sein, in der Familie Liebe und Zuneigung zu bekommen, jedoch entspricht dies nicht dem Bild in Suchtfamilien (ebd.). Viel mehr erfahren Kinder Vernachlässigungen, Überfürsorge, werden in ihrer Entwicklung nicht genügend gefördert und erleiden oft einen Rückstand in der kognitiven, emotionalen und sprachlichen Entwicklung (Textor, 1991). Laut Grossmann & Grossmann (2007), benötigen die Kinder eine stabile Bindung zur Mutter, um eine engagierte, persönliche Bildung und Entwicklung zu haben. Kinder, die in abhängigen Familienverhältnissen aufwachsen, werden häufig von Traumata begleitet (Textor, 1991). Im Zuge dessen entwickeln Kinder verschiedene Verhaltensmuster und altersunübliche Wunden und Stärken. Häufig müssen Kinder in die Rolle eines Erwachsenen treten und Aufgaben erfüllen, die Kindern nicht aufgebürdet werden sollten. Zu Hause müssen sie sich beweisen und eine starke, aufrechte Haltung haben, wo eigentlich Geborgenheit geboten werden sollte (ebd.). Nach Barnowski-Geiser (2011) gibt es acht Stärken und sieben Wunden die solche Kinder entwickeln.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Stärken und Wunden von Kindern suchtkranker Eltern
Wie in der Tab. 1 dargestellt handelt es sich bei den Stärken meist darum, dass die Kinder nicht aufgeben wollen und dadurch eine hohe Belastbarkeit erweisen müssen. Ebenso entwickeln die Kinder, aufgrund möglicher Verlustängste, eine starke Treue ihren Eltern gegenüber, da es sich immer noch um die Eltern handelt. Daraus folgend werden Managerfähigkeiten wie Flexibilität entwickelt, da jeder Tag anders laufen kann und es keine Routinen gibt (ebd.). Die Wunden sind das Resultat von Erfahrungen und Erlebnissen in der erlebten Erziehung. Durch das Erbringen von Schutzmaßnahmen akzentuieren sich die Wunden, womit die Stärken und Wunden in Wechselwirkung zueinanderstehen (ebd.).
4 Interventionsmaßnahmen und -ansätze für abhängige Mütter
4.1 Allgemeine Ziele
Ziel aller Interventionsmaßnahmen der Suchthilfe ist es, abhängige Menschen in Beruf, Arbeit und Gesellschaft wieder einzugliedern, sodass sie selbstständig und unabhängig von anderen ihr Leben führen können. Dafür ist eine Abstinenz notwendig (Winkler, 1996). Die Abhängigen sollen motiviert werden, ihre Sucht zu beenden und helfende Interventionsmaßnahmen wahrzunehmen, um ein drogenfreies Leben zu erreichen (Rausch, 1991).
Hilfsangebote für Drogenabhängige gibt es seit Beginn der siebziger Jahre, vorwiegend mit dem Fokus einer Abstinenztherapie (Soer & Stratenwerth, 1991). Wer dazu nicht in der Lage war, „konnte gleich wieder gehen. Es galt das sogenannte Leidensprinzip: Nur wer ganz unten angekommen ist, [...] ist auch bereit und in der Lage, zu entziehen“ (Soer & Stratenwerth, S.12). In Folge dieser Voraussetzung sind viele gestorben und das Suchthilfesystem hat die Anbindung zu ca. 90% der abhängigen Menschen verloren (ebd.).
Heute wird nach neuen Maßnahmen gesucht, die das Thema Elternschaft und Drogenabhängigkeit behandeln (Deimel, 2013). Dabei spielt die Vermittlung an andere Institutionen eine tragende Rolle, um den Eltern eine schnellstmögliche und effektive Betreuung zu ermöglichen, denn ein Kind aus der Familie zu nehmen, ist keine Lösung für alle Parteien (Soer & Stratenwerth, 1991). Da der Verzicht auf Alkohol und/oder Drogen für viele abhängige Frauen auch während einer Schwangerschaft in aller Regel keine Option ist, bietet das Substitutionsprogramm3 eine Alternative (Rausch, 1991).
Über die Jahre wurden Vereinbarungen geschlossen, um Kooperationen zwischen den Ärzten/-innen, ASD4 und Trägern der Suchthilfe zu ermöglichen. Ziel „ist das Zusammenleben zwischen Eltern und Kindern zu unterstützen, Intoxikationen vorzubeugen und Kindeswohlgefährdungen frühzeitig zu erkennen“ (Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz, 2012). Es gibt Regelungen, die es Fachkräften ermöglichen, Beratungsgespräche mit Kinderschutzkoordinatoren, Bezirksämtern oder dem Kinder- und Jugendnotdienst zu führen, um sich Ratschläge für Verfahrensweisen zu holen. Gemeinsam werden Handlungsstrategien erarbeitet (ebd.). Die Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz (2015) veröffentlichte eine Vereinbarung für Schwangerschaft, Kind und Sucht, in der mithilfe von Förderungen der Kooperationen das Ziel verfolgt wird, Lebens- und Gesundheitssituationen der Mütter zu berücksichtigen und zu deren Verbesserung beizutragen. Die Behörde für Soziales, Familie, Gesundheit und Verbraucherschutz (2010) veröffentlichte die Vereinbarung für Familie, Kind und Sucht, in dem ein gemeinsames Verständnis durch eine transparente Darstellung der Unterstützungsprozesse dargestellt werden soll, um das funktionierende Zusammenleben von Eltern und Kindern zu ermöglichen. In allen Vereinbarungen ist die Herausnahme des Kindes die letzte Option, wobei das Wohl des Kindes voransteht (ebd.).
Nach Jungblut (2004) sind Hilfen zur Erziehung oder Erziehungsberatungsstellen nur einige von vielen Angeboten, die abhängigen Müttern bei ihren Erziehungsaufgaben unterstützen sollen. Der Schwerpunkt vieler Maßnahmen in der modernen Drogenhilfe liegt darin, die Abhängigen beim Entzug zu unterstützen und sie wieder in das Arbeitsleben zu integrieren (ebd.). Nach Winkelhofer (1993) sollen Angebote der Sozialen Arbeit Elternteilen beibringen, aufmerksam zu sein und herausfinden zu können, was ihr Kind benötigt. Gelassenheit und Geduld sind nur wenige der notwendigen Kompetenzen, die in einer Erziehung nötig sind, um Autorität und eine Vorbildfigur für Kinder zu erlangen (ebd.).
4.2 Überblick genereller Angebote
Da die Mütter in der Erziehung die meiste Verantwortung übernehmen und die Hauptlast tragen, wirkt sich ihr Drogenkonsum schnell auf die Kinder aus (Winkler, 1996). Nach Vogt (1996) sind Väter weniger Gesprächsthema in der Erziehung, sie werden von der Gesellschaft entlastet und behandelt, als hätten sie nicht die gleiche Teilnahme an der Kindererziehung. Der Stress der Mütter muss reduziert oder verhindert werden, um negative Einflüsse auf die Kinder zu mildern (Deimel, 2013).
Das Konzept der familienorientierten Drogentherapie/-hilfe soll den Eltern helfen, ihre Ressourcen zu aktivieren und Erziehungskompetenzen zu verbessern, wieder zu erlangen oder überhaupt erst aufzubauen (Girrulat, 2014). Dabei kann es von Bedeutung sein, den Müttern zu erklären, dass sie nicht nur Opfer der Gesellschaft sind, in der sie keine Möglichkeit haben, sich gegen Vorwürfe und Probleme zu wehren, sondern es mit kleinen Modifikationen in ihrem Leben schaffen können, ihre inneren Kräfte zu regulieren und einen Wandel in ihrem Leben zu erreichen (ebd.).
Bei der KDO in Amsterdam wird mit drogenabhängigen Eltern nach einem Leitfaden gearbeitet (Soer & Stratenwerth, 1991). Zu Beginn der Betreuung wird gefragt, ob die Eltern die Anforderungen der Basisfürsorge für das Kind gewährleisten können, z.B. eine Wohnung oder geregeltes Einkommen haben etc. (ebd.). Das besondere bei diesem Angebot ist die Zusammenführung mehrerer Hilfen, bei der die Erreichbarkeit der Mütter gefördert werden soll, sodass Substitut-Vergabe, medizinische Kontrollen der Mütter und Kinder, Unterstützungsmaßnahmen, Beratungen, Essensangebote, Erziehungshilfen usw. an derselben Stelle gefunden werden (ebd.). Gerade solche multizentrischen Ansätze sind notwendig, um Mütter besser erreichen zu können (Vogt, 1996), denn die größte Komplikation bei all diesen Maßnahmen ist das Erreichen der Frauen (Soer & Stratenwerth, 1991).
Laut Vogt (1996) haben die Mütter oft Angst, dass ihnen ihr Kind beim ersten Kontakt zu einer Hilfe weggenommen wird. Die Eltern haben wenig Motivation für pädagogische Unterstützungen, da sie meist kein Problemverständnis dafür haben, was ein Kind in einer Erziehung benötigt. Durch Case und Care Management5 und den damit implizierten Hilfen müssen Angebote speziell an die Gruppe von Müttern gerichtet werden. Denn nur, wenn man den Müttern dabei helfen kann, ihre Lebenssituation zu verbessern, kann auch dem Kind ein erfreulicheres Leben ermöglicht werden (ebd.).
Im Folgenden sollen einige Hilfsangebote nach Finkelstein (1993) und Hans (1991) dargestellt werden die Mütter eine bestmögliche Unterstützung bieten können:
Schwangerschaftsberatung oder allgemeine Beratung über Sexualpraktiken, bei der Aufklärung über mögliche Gefährdungen und Verhütungsmittel inbegriffen sind, dient in aller Regel als eine ausgezeichnete Präventionsmaßnahme. Wenn eine Frau schwanger ist, sind gynäkologische Versorgungen, wie Vorsorgeuntersuchungen notwendig, sodass eine Zusammenarbeit mit Frauenärzten/-innen effizient ist.
Allgemeine Hilfen, um die Lebenssituation der Schwangeren und Mütter zu verbessern, umfasst Wohnverhältnisse, finanzielle Lage, Bearbeitung von Gewalterfahrungen, Hilfen zur Verbesserung der Beziehung zum Vater des Kindes, Aufarbeitung von anderen sozialen Beziehungen und Unterstützungspersonen wie Freunde oder Verwandte, Gesundheitsförderung für mögliche Beeinträchtigungen des Kindes oder der Mutter, Hilfen bei der Suche nach einer Ausbildung oder einem Beruf für die Erreichung der gezielten Wiedereingliederung, sowie Hilfen bei der Motivation zur Erreichung der Abstinenz und die dazugehörige Beratung des Drogenkonsums oder der Substitution (ebd.).
Vor der Geburt sind gewisse Vorbereitungen zu treffen, z.B., wann und wie eine Zusammenarbeit mit Entbindungskliniken und Kinderärzten/-innen sinnvoll ist, um notwendige, medizinische Schritte vor und nach der Geburt zu besprechen. Nach der Geburt oder auch für Mütter, die bereits länger ein Kind haben, sind Erziehungshilfen gefordert, um den Umgang mit Neugeborenen, Kleinkindern oder anderen Altersstufen zu erklären. Hier sind Erziehungsberatungsstellen geeignet. Aber auch andere Bereiche, wie die Ernährungsberatung durch bspw. Diätköchen/-innen, ist wertvoll, um zu veranschaulichen, wie wichtig eine gute Ernährung ist. Regelmäßige Gesundheitscheckups für die Mütter und ihre Kinder dienen als Kontrolle, um Kindervernachlässigungen oder Misshandlungen zu verhindern, dabei sind Allgemeinärzte/-innen und das Jugendamt zuständig (ebd.).
Eine weitere wichtige Aufgabe ist die Hilfe bei der Suche nach Kinderkrippen- oder Kindergartenplätzen oder auch die Hilfe dabei, den Anforderungen von Schulen gerecht zu werden. Die Zusammenarbeit mit Betreuungseinrichtungen für Kinder und Jugendliche und der Schule sind dafür Voraussetzung (ebd.).
Diese Angebote sind dafür da, die Lebensumstände von Betroffenen zu verbessern und ihnen die Möglichkeit zu bieten, ihr Leben auch ohne Drogen bewältigen zu können (ebd.). Damit die Prozesse funktionieren können, ist die Zusammenarbeit mit Ärzten/-innen, Institutionen etc., notwendig (Vogt, 1996). Kooperation und Vernetzung zwischen dem Gesundheitswesen, der Träger und der Sucht- sowie Jugendhilfe fördern dabei die Betreuung und Behandlung (Deimel, 2013). Dabei müssen Einrichtungen in der Lage sein zu akzeptieren, dass Mütter und Schwangere meist nicht auf ihre Droge verzichten wollen. Auch wenn keine Angebote greifen oder helfen, ist es wichtig, den Kontakt weiter aufrecht zu erhalten, um für mögliche Fragen oder anstehenden Problemen zur Verfügung stehen zu können (Vogt, 1996).
4.3 Geschlechtsspezifische Angebote für Frauen/Mütter
Männer und Frauen unterscheiden sich nicht nur im Geschlecht, sondern praktizieren auch verschiedene Drogenkonsummuster, was geschlechtsspezifische Hilfsangebote notwendig macht (Vogt & Winkler, 1996).
Im weiteren Verlauf sollen deshalb speziell Angebote für Frauen und Mütter dargestellt werden, die einen genderspezifischen Ansatz beachten (ebd). Nach Heinzen-Voß & Ludwig (2016) sollten die Qualitätssicherung und Chancengleichheit im Vordergrund stehen. Die meisten Angebote der Suchthilfe beachten weniger die Geschlechterdifferenzen, weshalb es wenig gezielte und spezifische Angebote für konsumierende und abhängige Frauen (Vogt, 1996), sowie wenig drogenspezifische Therapieangebote gibt (Soer & Stratenwerth, 1991).
Vogt & Winkler (1996) erklären, dass Frauengruppen Gruppenangebote speziell für süchtige Frauen und Betroffene sind, bei denen Frauenthemen und -probleme, wie Missbrauch, Gewalt, Ängste bei dem Umgang mit Kindern und Wünsche nach einer Familie besprochen werden. Diese Angebote sind wirkungsvoll, jedoch nicht ausreichend (ebd.). Frauen innerhalb einer Frauengruppe können sich sehr stark voneinander unterscheiden, da manche Frauen Hilfe bei ihrer Entwicklung, andere bei der Erziehung und wieder andere in ihrem Witwenleben suchen (Winkler, 1996). Diese Vielfältigkeit erschwert die Arbeit in solchen Gruppen. Es werden mehr Angebote, neue differenzierte, theoretische, geschlechtsspezifische Ansätze, Konzepte und Methoden der Beratung und Therapie für Frauen benötigt (ebd.). Da viele Frauen in ihrer Vergangenheit sexuellen Missbrauch, Probleme, Traumata, Ablehnungen oder Abwertungen durch Männer erfahren haben, können sich Frauen durch Männer einschüchtern lassen und trauen sich häufig nicht, Angebote wahrzunehmen (Vogt & Winkler, 1996).
Frauen, zumal süchtige Frauen, reagieren oft empfindlich darauf, wenn sie mit Macht konfrontiert werden. Wie auch sonst im Leben arrangieren sie sich mit den Mächtigen in Beratung und Therapie, allerdings oft mit zweifelhaftem Erfolg. Auch wenn empirische Belege noch ausstehen, so ist doch davon auszugehen, daß solche Konfrontationen einmal mehr auf die Kosten der meisten Frauen gehen, sowohl der nicht-süchtigen als auch der süchtigen. Abgeschreckt von den negativen Erfahrungen ziehen sie sich zurück, und das heißt ganz konkret: sie brechen die Beratung oder die Therapie ab (Vogt & Winkler, 1996, S.8).
Vogt & Winkler (1996) erwähnen, dass es ca. 1,8 Millionen süchtige Frauen in Deutschland gibt, die überwiegend eine Gewalterfahrung erlebt haben. Sinnvoll ist, mehr Frauenangebote zu bieten, da bisher weniger als 1% der ca. 1.200 Beratungsstellen in Deutschland reine Frauenangebote bieten (ebd.). Prozentuale Angaben zeigen, dass im Vergleich zu Männern weniger Frauen Angebote wahrnehmen, obwohl Bedarfszahlen viel höher sind (Siebler, 2011).
Frauen bleiben jedoch nicht immer Opfer von Gewalt, sondern können auch Täterinnen sein. Häufig lassen sie, meist unabhängig von ihrer Sucht, angestaute Wut an ihren Kindern aus (Vogt & Winkler, 1996). Anhand solcher Probleme sollten Beratungsgespräche das Thema Gewalt mit einbeziehen, da Wut einen Zusammenhang mit den Suchtproblemen und der Suchtentwicklung hat (ebd.). Es müssen Angebote geschaffen werden, bei dem der Blick individuell auf Männer und Frauen ge-richtet ist, damit eine geschlechtsstereotype Sichtweise durchbrochen werden kann (Heinzen-Voß & Ludwig, 2016). Zusätzlich sollte darauf geachtet werden, gendersensible6 Angebote zu schaffen, bei der nicht nur das Alter, die Herkunft, die Ethnie, der sozialer Status oder das Umfeld beachtet werden, sondern genauso das Geschlecht (ebd.). Denn wie oben bereits erwähnt, sind der Konsum, die Bedingungen für die Abhängigkeit, die Wahl des Suchtmittels, die Komorbidität, der Alltag und die derzeitige Lebenssituation, sowie die vorhandene oder nicht vorhandene Motivation für eine Abstinenz oder eine Lebensänderung immer unterschiedlich (ebd.).
Eine geschlechterdifferenzierte Suchtarbeit beschreibt das Wissen von „geschlechtsspezifischen Bedürfnissen, Ressourcen, Interessen, Lebensbedingungen und -belastungen von Frauen und Männern“ (Heinzen-Voß & Ludwig, 2016, S.18) und die Integration dieses Wissens in die Planung, Entfaltung und Organisierung von Hilfsangeboten (ebd.).
4.4 Elterncoaching
Girrulat (2014) erläutert den Ansatz des Elterncoachings als eine Hilfe, den Müttern Erziehungskompetenzen zu vermitteln. Dabei beruht der Ansatz auf der elterlichen Präsenz und dem Prinzip der Gewaltlosigkeit. Wenn Eltern es schaffen, ihre Präsenz und die dazugehörige Stimme wiederzuerlangen, verändert sich ihr Charakter und sie gewinnen ihr Selbstbewusstsein zurück. Effizient ist das Zusammenarbeiten an einer Rahmenbedingung, die hilft, blockierte, negativ eskalierte Selbstorganisationsdynamiken wieder in positive Wege zu leiten. Es soll kein Bild ´guter Erziehung´ vorgestellt, sondern ein Raum geschaffen werden, in dem es wieder möglich ist, Beziehungen zu empfinden (ebd.).
Elterliche und erzieherische Kompetenzen zu erlernen, ist schwierig, da sie i.d.R. durch impliziertes Wissen hervorgerufen werden. Aus diesem Grund spielt die Reflexion und Evaluation eine wichtige Rolle, um die Mütter beim Lernprozess zu unterstützen, damit sie eine elterliche, erwachsene und vorbildliche Autorität erlernen können (ebd.).
Beim Elterncoaching werden den Eltern Vorschläge angeboten, in welcher Weise sie ihren Kindern Erziehungsthemen vermitteln können, ohne Überforderung und Demütigungen zu erfahren (Omer & von Schlippe, 2004). Hauptsächlich geht es um Änderungen in der Aussprache und im Sprachstil der Eltern. Anstatt Kindern Anforderungen zu stellen, sollen vielmehr Ankündigungen gemacht werden, ebenfalls soll es helfen, wenn Eltern mit dem Kind „Verträge“ abschließen, wenn es um irgendwelche speziellen Handlungen geht (ebd.).
Sogenannte Deeskalationsstrategien sollen verwendet werden, wie z.B. in einem Konflikt ruhig zu bleiben, keine Antwort zu geben und das Gespräch lieber zu einem anderen Zeitpunkt fortzusetzen. Im Allgemeinen soll die Reduzierung der Sprache attraktiver gemacht werden, da voreilige Kommentare, Diskussionen oder Beleidigungen oft provokativ wirken und eine gegenseitige Eskalation hervorrufen. Die Mütter sollen lernen, keine Konsequenzen anzudrohen, die sie nicht einhalten können (ebd.).
Die ´3-Körbe-Intervention´ soll an Möglichkeiten der Reaktion heranführen, indem man überlegt, in welcher Weise geantwortet werden möchte/sollte. Dabei gibt es den ´ Akzeptanzkorb´, in dem problematische Dinge unterteilt werden, die das Kind gemacht hat, aber nicht angesprochen werden müssen, den ´Kompromisskorb´, in dem mit dem Kind verhandelbare Dinge unterteilt werden und dem ´Limitkorb´ (max. vier bis fünf Dinge), also Situationen, die unverzeihbar sind (ebd.).
Bei Wutausbrüchen von Kindern bis ca. 7 Jahre ist es hilfreich, ohne verbale Kommunikation das Kind fest in den Arm zu nehmen, bis es sich beruhigt hat. Nach einigen Malen erübrigt sich die Intervention. Des Weiteren steht die Aktivierung der sozialen Unterstützungssysteme im Vordergrund, denn selbst Eltern brauchen einmal eine Auszeit und das hat nichts mit schlechter Erziehung zu tun (ebd.).
Das Integrieren von Fürsorge-, Versöhnungs- und Wertschätzungsgesten muss mit Vorsicht verwendet werden, jedoch sollen sie auch bei einer abwertenden Haltung des Kindes gemacht werden, um die elterliche Autorität zu untermauern (ebd.).
Bei dem sogenannten ´Sit-in´ sollen die Eltern, wenn möglich, zusammen versuchen, ein ernstes Gespräch mit dem Kind zu führen, um gemeinsam eine Lösung für das vorhandene Problem zu finden (ebd.).
Telefonanrufe bei Einrichtungen oder Familien, in denen sich das Kind befinden kann, sollen dazu beitragen, dass Eltern ihre elterliche Präsenz wiederherstellen und dies auch Außenstehenden zeigen. (ebd.).
All das sind Maßnahmen, die Eltern in ihrer Erziehung anwenden können, um ihre Erziehungskompetenzen zu erweitern und den Kindern ein bestmögliches Aufwachsen zu ermöglichen (ebd.).
4.5 Präventive Maßnahmen
Ein besonderes Augenmerk bei Interventionsmaßnahmen für abhängige Mütter ist die Prävention.
Eine gute Lösungsstrategie kann dabei die Verhaltensprävention sein (Vogt, 2016). Die Person und die individuelle Lebenssituation sollen dabei im Mittelpunkt stehen und nicht nur die Abhängigkeit, das Suchtmittel und das Aufklären darüber, wie schädlich Drogen sind (Rausch, 1991).
Ein Vergleich von derzeitigen Präventionsmaßnahmen konnte nur partiell durchgeführt werden, da im Rahmen der zeitlichen Kapazitäten dieser Arbeit nicht genug Quellen gesichtet werden konnten. Durch Beobachtungen kann vermutet werden, dass die Prävention auf einem qualitativ schlechten Niveau ist, da sie eher indifferent oder abschreckend wirkt (ebd.). Es soll der ganze Lebenszusammenhang betrachtet werden, da Präventionskonzepte, die mit Abschreckung oder Warnung arbeiten, kaum Erfolge erzielen (ebd.). Daher findet Suchtprävention „- wie jede Intervention - nicht in einem wertneutralen Umfeld statt, sondern in einem mit Werten und Interessen besetzten gesellschaftlichen Rahmen“ (Ernst, 2016, S.62). Es ist wichtig, die Bedürfnisse der jeweiligen zu beachten und mit in die Präventionsmaßnahme einzubeziehen (Rausch, 1991). Gängige Ziele von Prävention sind Aufklärung, Einsicht und Einstellungsänderung (Bogdany, 1993).
Da Hilfe oft zu spät kommt, können durch Projekte bereits an Schulen oder Kindergärten nicht nur betroffene Mütter und Väter erreicht werden, sondern auch Eltern, die noch nicht zur Risikogruppe gehören. Prävention sollte einheitlich gestaltet sein und die bisherigen Erfahrungen abhängiger Eltern mitberücksichtigen (Rausch, 1991). Mayr (1993) erwähnt, dass bei genauerer Betrachtung von Suchtprävention im Kindergarten zu beobachten ist, dass Mütter mit Vorschulkindern einfacher erreicht werden als Mütter mit Kindern, die bereits die Schule besuchen. Angebote werden besser angenommen und entwickeln sich wirkungsvoller, da gewisse Beziehungsmuster noch nicht verhärtet sind. Grund hierfür ist die Tatsache, dass sich Familien mit Kindern in der Vorschule in einer Lebensphase befinden, bei der sie Veränderungen noch relativ offen gegenüberstehen und Hilfsangebote i.d.R. schneller akzeptieren (ebd.). „Pädagogische Institutionen wie Kindergärten und Schulen haben neben anderen wichtigen Aufgaben eine zentrale Funktion im Bereich der Prävention“ (Mayr, 1993, S.186), da sie nicht nur eine Vorbildfunktion für die Kinder besitzen, sondern auch Hauptansprechpartner für die Eltern sind und an diese schneller herankommen (ebd.). Sinnvoll ist es, an Kindergärten und Schulen Broschüren für Projekte und Angebote auszulegen, die das Thema Sucht in Familien sowie mögliche Anlaufstellen, wie Beratungsstellen oder Erziehungshilfen, im Umkreis auflisten (ebd.). Versammlungen, wie jährliche Elternabende, sind eine gute Möglichkeit, Erziehungs- und Abhängigkeitsthemen zu besprechen. Eltern können sich gegenseitig austauschen und sich ihrer Verhaltensweisen und Gewohnheiten bewusstwerden. Eingeladene Referenten und außenstehende Experten sind hilfreich, um den Eltern die Möglichkeit zu geben, sich individuell zu informieren oder Fragen zu stellen (ebd.).
Kindergärten kümmern sich primär um die Kinder und deren Entwicklung, jedoch können sie dies nur leisten, wenn die Eltern ihre Elternfunktion auch erfüllen (ebd.). Wichtig ist es, die Eltern frühzeitig zu informieren und aufzuklären, um ihnen in ihrer Erziehung helfen zu können. Schwierig ist, solche Eltern zu erkennen, da Auffälligkeiten von Kindern nicht automatisch bedeuten, dass im Elternhaus Probleme herrschen. Durch sogfältige Beobachtungen und Besprechungen im Team soll erkannt werden, ob es genügend Anhaltspunkte für eine Sucht in der Familie gibt. Ist dies der Fall, sind die Fachkräfte dazu verpflichtet, im Sinne des Kindes aktiv zu werden. Um den Kindern und den Eltern in so einem Fall bestmöglich zu helfen, müssen einige Dinge beachtet werden, um die Mutter oder die Eltern nicht zu verschrecken. Es muss individuell entschieden werden, welche Herangehensweise am sinnvollsten ist. Ausgangspunkt ist die Sorge um das Kind und der Eltern und nicht das Problem der Abhängigkeit. Durch ein Vertrauensverhältnis und dem Vermeiden von Vorwürfen oder Schuldzuweisungen können innerhalb eines präventiven Rahmens die Betroffenen begleitet, informiert, vermittelt, ermutigt und unterstützt werden (ebd.).
Nach Mayr (1993), erhöhen öffentliche Präventionsveranstaltungen die Teilnahme, da der Besuch kein Zwang ist und von allen besucht werden kann. Eltern und auch abhängige Mütter können sich anonym Anstoß und Rat holen. Sie müssen ihre Probleme nicht zugeben, haben aber die Möglichkeit, sich Hilfe zu suchen. Da viele Eltern an einer Suchtproblematik leiden, stellen Kindergärten und Schulen in der Suchtprävention eines der wichtigsten Arbeitsfelder dar, weil auf diese Weise Familien leichter erreicht werden können (ebd.).
Drogenprävention erklärt, was eine Droge ist, wie sie auf den Organismus wirkt und in welcher Weise sie Psyche, das soziale Leben und die Erziehung beeinflusst (Heigl & Zöpfl, 1993). Wichtiger ist die präventive Maßnahme, den Eltern bei der Bewältigung zu helfen und zu erklären, warum überhaupt zur Droge gegriffen wird (ebd.).
4.6 Integration von Kindern in Interventionsmaßnahmen
Nach Siebler (2011) nehmen Frauen mit Kindern oft keine Therapieangebote wahr, da sie keine Möglichkeiten haben, ihr Kind während des Aufenthalts unterzubringen. Wenn es keine Option gibt, das Kind in die Therapie mit zu integrieren und keine Freunde oder Verwandte es in der Zeit zu sich nehmen können, bleibt der Mutter nichts anderes übrig, als eine Therapie gar nicht erst anzufangen (ebd.). Meist haben die Frauen durch ihre finanzielle Lage nicht genügend Geld, um sich eine Betreuung oder einen Babysitter leisten zu können (Soer & Stratenwerth, 1991). Bei Therapiegesprächen oder ähnlichem nehmen die Mütter ihre Kinder oft zu diesen mit. Teilweise müssen die Kinder außerhalb des Raumes warten und sich selbst beschäftigen. Die Mütter haben dann die Schwierigkeit, sich auf das eigentliche Gespräch zu konzentrieren (ebd.). Angebote wie die Tagesbetreuung kommen für abhängige und arbeitslose Mütter nicht in Frage, da sie ja den ganzen Tag zu Hause sind und die nötige Zeit für die Kinderbetreuung aufbringen könnten (Winkler, 1996). Ebenfalls haben die Mütter Angst um ihre Kinder, wenn sie eine stationäre Behandlung wahrnehmen und können sich dort weniger auf die Genesung konzentrieren (ebd.).
Notwendig sind Angebote, bei denen Mutter und Kind gleichermaßen in die Therapie, Behandlung und Betreuung integriert werden (Girrulat, 2014), sodass die Mutter sich konzentrieren und das Kind in Sicherheit wissen kann (Winkler, 1996). Durch Stressfaktoren wie Entzug, Therapie, Beratung, Erziehung, Betreuung der Kinder, usw. befindet sich die Frau oft in einer Krisensituation, die auch ein Stressfaktor ist. Dies wirkt sich auf die Erziehung und Kinder aus, weshalb „die Mitbehandlung von Kindern [...] sowohl den Bedürfnissen der Kinder als auch der Mütter entgegenkommen [kann]“ (Winkler, 1996, S.46). Bei Erziehungsthemen ist es daher sinnvoll, nicht nur die Mütter zu fördern, sondern auch die Kinder mit einzubeziehen, da bereits manifestierte Verhaltensweisen oder -störungen sowie Erfahrungen des Kindes zu beachten sind. Während die Mutter stationär betreut wird und einen Entzug macht, können parallel Defizite in der Entwicklung der Kinder behandelt werden (ebd.). Schwerpunkt für die Mutter bei einer Therapie mit Kindern sind die Vermittlung von pflegerischen Aspekten der Erziehung und das Erlernen von einer adäquaten und konstruktiven Umgangsweise (Girrulat, 2014). In diesen Einrichtungen sind die Frauen aufgefordert, sich mit Erfahrungen und Traumata auseinanderzusetzen, sodass sich etwas an ihrem Lebens- und Erziehungsstil ändern kann. Problematiken wie Scham und Reue, können in solchen Angeboten nicht verhindert werden, daher ist zu erwähnen, dass in stationären Angeboten mit Kindern Mütter ihre Erziehungsstile darlegen müssen und sich häufig für diese schämen. Wegen unerwarteter Reaktionen verlassen Mütter häufig die Therapie, dabei ist zu bedenken, dass die Frauen nicht gezwungen werden können, Angebote wahrzunehmen und gewartet werden muss, bis sie bereit sind, Hilfe aufzusuchen und anzunehmen (ebd.).
Soer & Stratenwerth (1991) erwähnen das Projekt IGLU - ein warmer Platz für eine kalte Welt - von Palette e.V., die eine Beratungsstelle für Eltern und ihre Kinder anbietet: Hier wird ein frühzeitiger Kontakt mit Eltern und werdenden Eltern angestrebt, um alles Lebensnotwendige, wie Wohnungssuche, materielle Versorgung oder auch Substitutionsbehandlung zu besprechen und zu regeln (ebd.). Helfen sollen Informations- und Weiterbildungsangebote im Bereich der Säuglingspflege, der Versorgung, von Erziehungsthemen etc., um den Eltern eine bestmögliche Unterstützung bieten zu können. Ein regelmäßiger Kontakt zu der Familie spielt eine wichtige Rolle, um den Eltern bei der Gestaltung des Alltags zu helfen, die gesundheitliche und soziale Entwicklung der Kinder zu beobachten und notwendige Hilfe für spezielle Problematiken zu bieten. Im Ganzen geht es um den Aufbau eines sozialen Netzwerkes für die Familie mit dem Ziel des Empowerments7 (ebd.).
Notwendig sind Einrichtungen, bei denen Mütter unabhängig von strukturellen Bedingungen entscheiden können, ihre Kinder mit in die Behandlung zu integrieren (Winkler, 1996). Derzeit gibt es kaum solche Angebote, weshalb das Behandlungssystem sich zugunsten der Mütter ändern müsste, um neue Angebote zu schaffen sowie bereits vorhandene Einrichtungen zu erweitern (ebd.).
4.7 Fallbeispiele und Erfahrungen von abhängigen Müttern
Im Folgenden werden extreme, ältere Erfahrungen abhängiger Mütter mit Interventionsmaßnahmen verschiedener Institutionen von Soer und Strathenwerth (1991) dargestellt, um einen Überblick zu geben, in welchen Situationen sich die Frauen befinden und was für Probleme auftreten können.
Eine drogenabhängige Mutter, die im Krankenhaus ihr Kind zur Welt gebracht hat, berichtet:
Ich glaube, die hatten im Krankenhaus auch gar nicht soviel Erfahrung damit. Und es wird auch nicht groß geforscht in diesem Bereich. Es wird einfach gesagt: `Hören Sie lieber mit dem Stillen auf, dem Kind zuliebe8.´ Ich hab´ mich im Krankenhaus sowieso oft wie eine totale Rabenmutter gefühlt. (Soer & Stratenwerth, 1991, S.23).
Zu merken ist, dass die Frau wohl kaum Verständnis, Akzeptanz sowie Zeit von den Ärzten/-innen bekommen hat. Als ihr Neugeborenes auf der Säuglingsstation lag und die Frage im Raum stand, ob sie ihre Tochter mit nach Hause nehmen darf, wurde ihr gesagt, dass sie „die perfekte Hausfrau mit dem perfekten Haushalt“ (Soer & Stratenwerth, 1991, S.29) sein müsse. Geholfen oder erklärt, wie genau sie das erreichen kann, hat ihr jedoch niemand (ebd.).
Die Mutter wusste, dass durch ihre Lebenseinstellung und ihren Konsum ihr Kind ab sofort viel Erziehung und Zuwendung benötigt, da es ansonsten schnell den Anschluss verliert (ebd.). In ihrer Erziehung bemerkte sie, wie sich ihre Haltung auf ihr Kind auswirkte, z.B., indem sie ihre Tochter dabei beobachtete, wie sie sich ein Band um den Arm gewickelt hatte9 (ebd.).
Ein weiteres Fallbeispiel beschreibt eine Mutter, die es schaffte, vor der Geburt ihrer Kinder clean zu werden und diese acht Jahre ohne Suchtmittel aufzog (ebd.). Durch missverstandene Lärmstörungen und ihrer Vorgeschichte mit Methadon, Morphin, Heroin und Alkohol wurde das Jugendamt auf sie aufmerksam und ein Mitarbeiter führte regelmäßige Kontrollen durch, „einfach so, ohne Voranmeldung stand er vor der Tür“ (Soer & Stratenwerth, 1991, S.126). Er überprüfte z.B., ob die Kinder um acht Uhr morgens ihr Frühstück bekommen hatten. Das Jugendamt forderte sie auf, Therapiegespräche wahrzunehmen, wenn sie das Sorgerecht behalten wolle. Nach ihren Angaben befand sich die dafür vorgesehene Klinik fast zwei Stunden entfernt, welchen Weg sie regelmäßig mit ihren Kindern auf sich nahm, wobei die kleinen Kinder diese lange Fahrerei und Warterei eher negativ aufnahmen und sich störend oder unruhig verhielten. Problematisch war, dass sie keine Chance hatte, die Kinder anderweitig betreuen zu lassen. Letztendlich wurden die Kinder in einer Pflegefamilie untergebracht und die Mutter hatte im Anschluss einen Rückfall (ebd.).
Zu betonen ist das Verhalten des Jugendamtes und dessen Umgang mit der Mutter. Durch verweigerte Chancen, unangemeldete Besuche, nicht genügender Kooperation und eventueller Drohungen wurde es der Mutter erschwert, ihre Erziehung in einem angemessenen Maß zu beweisen und zu verbessern. Nicht nur das Jugendamt, sondern auch andere Einrichtungen und Institutionen müssen nicht nur den Blick auf die Kinder haben, sondern auch ein entsprechend kompetenter Umgang mit den Eltern muss gewährleistet werden.
5 Anforderungen
5.1 Anforderungen an die Profession Soziale Arbeit
Für die Arbeit mit süchtigen Frauen und Müttern, sowie für die allgemeine Suchthilfe ist es notwendig, gewisse Kompetenzen als Fachkraft mitzubringen.
Nach Heinzen-Voß & Ludwig (2016) haben Angebote der Suchthilfe selten differenzierte Angaben in Bezug auf das Geschlecht und keine geschlechtergerechten Formulierungen (Patient, Klient etc.). Da die Sprache die wichtigste Kommunikationsform ist, wird im Umgang mit Frauen nach Sensibilität gefragt. Notwendig im Habitus sind Eigenschaften wie Respekt, Empathie, Parteilichkeit und Solidarität (ebd.). In einer Betreuung stehen an erster Stelle das Vertrauen zwischen Klientin und Berater/-in und der Rahmen eines sicheren Schutzraumes, bei dem die Möglichkeit besteht, von Stress wegzukommen (Siebler, 2011). Eine Zusammenarbeit kann nur gelingen, wenn über Erfahrungen, Ängste und Problemlagen gesprochen wird, sodass der/die Berater/-in die Möglichkeit hat, die aktuelle Situation zu akzeptieren und somit das Vertrauensverhältnis zu stärken, um dann gemeinsam eine Lösungsstrategie zu erarbeiten (Heinzen-Voß & Ludwig, 2016).
Vogt & Winkler (1996) meinen, dass aufgrund von Frauen erlebter Gewalt und gängigen Vorwürfen der Gesellschaft in Bezug auf Mutterschaft und Abhängigkeit die Akzeptanz eine wesentliche Voraussetzung ist, um mit Abhängigen zu arbeiten. Denn eine Konfrontation, eine Verurteilung oder ein reservierter Kommunikationsstil schrecken Frauen eher ab (ebd.). Gefragt sind eine Standfestigkeit des Beratenden, die dazugehörige Geduld und eine positive Grundhaltung, um eine für Frauen ansprechende und vertrauenswürdige Atmosphäre zu schaffen, bei der die Lage, die Übersichtlichkeit, die Ausstattung und der Empfang der Einrichtung integriert ist (Vogt, 1996). Förderlich ist es, eine spezielle Ausbildung zu haben, um Eltern erklären zu können, was Kinder Suchtkranker in ihrer Erziehung benötigen (Barnowski-Geiser, 2011).
Mütter überlegen lange, ob sie eine Einrichtung aufsuchen sollen und welche Konsequenzen, wie z.B. die Inobhutnahme des Kindes, auftreten können (Vogt & Winkler, 1996). Kommen sie zu dem Entschluss, sich Hilfe zu suchen, kann ein harter Umgangston, bei dem auf Vorurteile, Benachteiligungen, Gleichgültigkeiten und Unverständnisse von Schwangerschaft, Mutterschaft und Kindererziehung aufmerksam gemacht wird, kontraproduktiv sein (ebd.). Zusätzlich wird gesagt, dass Hilfesuchende, die sozial unsicher sind und Schwierigkeiten haben, sich Hilfe zu suchen, auch weniger Unterstützung bekommen als eine Person, die eine starke soziale Kompetenz besitzen (Fydrich & Sommer, 2003).
Wilde (2014) erwähnt, dass Experten oft so wirken, als würden sie es besser wissen und Behörden häufig Stigmatisierungsgefühle vermitteln, wenn sie Entscheidungen alleine treffen. Bei Behandlungen und Betreuungen mit Frauen ist es wichtig, sie und ihre Lage zu akzeptieren (Winkler, 1996). Sie sollen nicht bemitleidet, bevormundet oder gar abgestempelt werden, sondern es ist zu respektieren, dass Frauen Zeit benötigen, um sich an den Rahmen des Suchthilfesystems zu gewöhnen (ebd.).
Nach Wilde (2014) lassen sich die essenziellen Kompetenzen zusammenfassen in 1. der Anerkennung der Eltern, da sie biografisch relevante Bezugspersonen für das Kind sind und ihnen diese Position nicht genommen werden darf; 2. der Perspektivklärung, bei der die verständliche Aufklärung und Einbindung der Eltern der Perspektiven und Möglichkeiten, wie Inobhutnahme im Vordergrund steht; 3. der Informationstransparenz, damit Informationen, die an Parteien weitergegeben, auch den Eltern bewusst gemacht werden; 4. der angemessenen Fehlertoleranz, um Beteiligten zu erlauben, auch Fehler machen zu dürfen, ohne eine Abwertung zu bekommen und 5. die Reflektion der Resonanz, um mit Hilfe von kollegialer Beratung oder Supervision Fälle zu besprechen und zu evaluieren (ebd.).
Wichtig sind neue drogenpolitische Konzepte, kollegiale Beratungen und Supervisionen innerhalb des Beratungsteams, um professionelle Ansätze für die Praxis zu erlangen (Wilde, 2014). Darüber hinaus muss festgelegt werden, was die Gesellschaft zu leisten hat, damit die Eltern oder die Mutter mit ihren Kindern eine richtige Chance in der heutigen Welt bekommen können (Soer & Stratenwerth, 1991).
5.2 Anforderungen für die Zukunft der Suchthilfe
Die Zusammenarbeit mit Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, den Eltern und ihren Kindern ist notwendig, um neue Handlungsmöglichkeiten und Lebensräume, wie Elternschulen, Krabbelgruppen etc., zu schaffen (Soer & Stratenwerth, 1991). Frauen und Männer sind unterschiedlich zu betrachten und zu behandeln, daher ist wünschenswert, dass Einrichtungen und Institutionen ihre Umgangsweise überdenken und erneuern (ebd.). Denn mit einer Empathie besteht die Chance, dass Frauen weniger Angst haben, solche Angebote wahrzunehmen. (Vogt & Winkler, 1996).
Nach Wilde (2014) ist ein häufiges Problem, dass Eltern und Experten verschiedener Institutionen unterschiedliche Vorstellungen haben, welche Hilfe für das Kind geeignet ist. Bei der Zusammenarbeit mit dem Jugendamt und den Eltern kommt bspw. häufig das Thema der Fremdunterbringung zur Sprache (ebd.).
Mütter finden sich häufig in einer untergeordneten Rolle, bei der sie kein Mitspracherecht haben (ebd.). Ein Paradox ist, dass Mütter in der Betreuung persönliche und private Interaktionen wie Sympathie und Akzeptanz benötigen, um sich in der Einrichtung den Betreuern/-innen öffnen zu können, der förmliche Kontakt der Fachkräfte aber eine Schutzmaßnahme ist, um der Klientel gefühlsmäßig nicht zu nahe zu kommen. Eine „Zusammenarbeit kann allerdings nur gelingen, wenn eine Vertrauensbasis geschaffen werden konnte und diese bedarf einer mitmenschlichen Begegnung zwischen Fachkräften und Eltern“ (Wilde, 2014, S. 57). Daher ist davon auszugehen, dass, wenn Fachkräfte es schaffen, Eltern als gleichberechtigte Menschen zu respektieren, sie nicht abwertend zu behandeln, ihnen die Veränderungsbereitschaft zuzutrauen und nur die problematischen Verhaltensweisen ansprechen, die Zusammenarbeit eklatant verbessert wird (ebd.).
In der heutigen Drogenarbeit gibt es etliche Einrichtungen und Angebote, die das Ziel verfolgen, Menschen mit ihrer Sucht bzw. einer Abhängigkeit zu helfen. Dabei gibt es unterschiedliche Arten der Unterstützung, um dieses Ziel zu verfolgen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2: Inhaltliche Typologie sozialer Beziehungen
Nach Deimel (2013, S.43), lassen sich soziale Unterstützungen in verschiedene Kategorien einteilen (siehe Tab. 2). Es geht um erhaltene soziale Unterstützungen, die in einem Zeitraum wahrgenommen wurden, Aufklärung und Vermittlung von Unterstützungsressourcen und der Vermittlung von Emotionen (Fydrich & Sommer, 2003) (Deimel, 2013). Teilweise realisieren heutige Angebote diese sozialen Unterstützungsmaßnahmen, jedoch ist es wichtig, die Angebote im Sinne der Gesellschaft zu modernisieren und individuell auf die Klientel abzustimmen (ebd.).
Im Bereich der Prävention gilt für die Zukunft, dass sich
unter der Perspektive, dass der Konsum von Drogen Teil der modernen Gesellschaft ist und sich auch durch (abstinenzorientierte) Prävention nicht völlig eliminieren läßt, […] [sich] für die Zukunft ein akzeptierender Präventionsansatz [...] entwickeln [muss], der dies berücksichtigt. (Rausch, 1991, S.152).
[...]
1 Exzessiver Alkoholkonsum, mit der Tendenz zur Bewusstlosigkeit
2 Abruptes Absetzen von Suchtmitteln
3 Substitut ist ein Ersatzmedikament für Heroinkonsumenten/-innen.
4 Allgemeinen Sozialen Diensten
5 Methode der Einzelfallbetreuung zur Realisierung einer individuellen Versorgung mit Hilfe von Systemen des Sozial- und Gesundheitswesens
6 Soziales Geschlecht
7 Hilfe zur Selbsthilfe
8 Wirkstoff der Drogen überträgt sich auf die Muttermilch und gelangt, in geringen Dosen während des Stillens, in das Kind
9 Abbinden des Armes, um sich eine Injektion zu geben
- Arbeit zitieren
- Vanessa Schuster (Autor:in), 2019, Anforderungen an die Soziale Arbeit mit drogenabhängigen Müttern. Verbreitete Probleme und hilfreiche Interventionsmaßnahmen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/447040
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