Die allgemeine Rechtsphilosophie und ihre teils theoretischen, teils praxisrelevanten Implikationen sind keine neuartigen Erfindungen des Zeitalters, das wir als die Aufklärung bezeichnen. Rechtphilosophie und philosophische Reflexionen, die sich auf Rechte, Pflichten, Gesetze und Verordnungen beziehen, haben eine lange europäische und außereuropäische Tradition. Allgemeine und besondere Rechtsetzungen und die dazugehörigen Vor- und Nachreflexionen finden wir im europäischen Raum bereits bei den alten Griechen der Antike, sowie bei den Römern. Im europäischen Geschichtsverlauf gab es seitdem eine Vielzahl an Autoren, Schreibern und Gelehrten, welche sich sozialrelevante Gedanken über Rechte, Gesetze, Moral und Sittlichkeit machten.
Welche Bedingungen müssen mitgedacht werden, damit sich die Negation von Recht, Moral und Sittlichkeit nicht weiterhin verwirklichten? Welche Gesetze und Rechte sind sinnvoll, damit kein Chaos in der Bevölkerung entstünde? Wie können Herrschaftstechniken gesetzlich konserviert werden, damit die Untertanen Untertanen bleiben?
Wir können philosophische Reflexionen, was Rechte und Gesetze seien, wie sie funktionieren und umgesetzt werden können als vermittelte Reaktionen auf Unrecht, unmoralisches Verhalten, Verbrechen und unvernünftigen Handlungen auffassen. Doch woher kommt der Wille zum Recht? Der Wille zum Gesetz? Der Wille zur sozialen Ordnung? Gerade in der praktischen Philosophie, und die Rechts- und Staatsphilosophie wird der praktischen Philosophie zugeordnet, wollen wir grundlegende Antworten auf praxisrelevante Fragen finden, die zum Problem geworden sind, oder besser noch: wir wollen nicht nur Fragen beantworten, sondern Lösungen finden, welche real praktische Probleme, Konflikte und Delikte zu lösen beabsichtigen.
Inhalt
Einleitende Sätze und Vorüberlegungen
Idealistische Reflexionen vom Wert der Philosophie
Anthropologische Reflexionen
Die Sphäre des abstrakten Rechts und die Idee des zoon politikon
Das abstrakte Recht und das Eigentum
Doppelbedeutung des Eigentumsbegriffs
Literaturverzeichnis
Einleitende Sätze und Vorüberlegungen
Die allgemeine Rechtsphilosophie und ihre teils theoretischen, teils praxisrelevanten Implikationen sind keine neuartigen Erfindungen des Zeitalters, das wir als die Aufklärung bezeichnen. Rechtphilosophie und philosophische Reflexionen, die sich auf Rechte, Pflichten, Gesetze und Verordnungen beziehen, haben eine lange europäische und außereuropäische Tradition. Allgemeine und besondere Rechtsetzungen und die dazugehörigen Vor- und Nachreflexionen finden wir im europäischen Raum bereits bei den alten Griechen der Antike, sowie bei den Römern. Im europäischen Geschichtsverlauf gab es seitdem eine Vielzahl an Autoren, Schreibern und Gelehrten, welche sich sozialrelevante Gedanken über Rechte, Gesetze, Moral und Sittlichkeit machten. Welche Bedingungen müssen mitgedacht werden, damit sich die Negation von Recht, Moral und Sittlichkeit nicht weiterhin verwirklichten? Welche Gesetze und Rechte sind sinnvoll, damit kein Chaos in der Bevölkerung entstünde? Wie können Herrschaftstechniken gesetzlich konserviert werden, damit die Untertanen Untertanen bleiben? Wir können philosophische Reflexionen, was Rechte und Gesetze seien, wie sie funktionieren und umgesetzt werden können als vermittelte Reaktionen auf Unrecht, unmoralisches Verhalten, Verbrechen und unvernünftigen Handlungen auffassen. Doch woher kommt der Wille zum Recht? Der Wille zum Gesetz? Der Wille zur sozialen Ordnung? Gerade in der praktischen Philosophie, und die Rechts- und Staatsphilosophie wird der praktischen Philosophie zugeordnet, wollen wir grundlegende Antworten auf praxisrelevante Fragen finden, die zum Problem geworden sind, oder besser noch: wir wollen nicht nur Fragen beantworten, sondern Lösungen finden, welche real praktische Probleme, Konflikte und Delikte zu lösen beabsichtigen. Die Bedingungen für verbrecherisches, unmoralisches und unsittliches Handeln sollen mithilfe der reflexiven Tätigkeit verändert werden, damit sich negatives Verhalten nicht destruktiv auf andere Individuen, die Sozialität, auf die Natur und das Gesamtwohl auswirken.
Rechtsphilosophie im Allgemeinen war und ist verbunden mit Reflexionen auf das Politische und mit der Sozialphilosophie. In allen drei Philosophiebereichen ist die Sozialität, das gemeinschaftliche und gesellschaftliche Leben, das über- und intersubjektive Miteinanderleben das wesentliche Zentrum der Reflexionen. Weil wir nicht als isolierte Einzellebewesen überleben können und uns notwendig in sozialen Beziehungen und gesellschaftlichen Verhältnissen befinden, erscheint auch das Denken, welches die Organisation von vielen miteinander interagierenden Lebewesen thematisiert, reflexiv durchdringt und einsichtsvoll durchleuchtet unumgänglich und notwendig zu sein. Deswegen werde ich mich in dieser Hausarbeit mit der hegelischen Rechts- und Staatsphilosophie beschäftigen, um die darin lesbaren Antworten kritisch zu überprüfen, die uns Hegel mit seiner praktischen Philosophie gegeben hat. Gedanken, die mir wichtig erscheinen, werde ich weitestgehend sinngemäß reformulieren, um danach problematische Gedankengänge Hegels nicht nur zuzustimmen. Dafür will ich im Verlaufe der Arbeit die Fragen klären, welches anthropologische Verständnis Hegel von menschlichen Lebewesen hatte? Wie er die Freiheit des Willens der Menschen bestimmte und welche Implikationen Hegel explizierte, wenn er die Menschen als freie Lebewesen denkt? Weil wir die praktische Philosophie Hegels auch als besondere Anthropologie verstehen können, will ich im Weiteren den Fragenkomplex mehr oder minder klären, wie der subjektive und der objektive Geist in Verbindung stehen? Welches Verhältnis Freiheit, die Sphäre des Rechts, der Moralität und der Sittlichkeit miteinander eingehen? Was es speziell mit der Kategorie des Eigentums auf sich hat? Und ob es angemessen ist, vom Eigentum als von der ersten praktischen Kategorie auszugehen, um weitere Kategorien zu entwickeln?
Weil die Bearbeitung der Thematik vorläufig auf diese Hausarbeit begrenzt ist, werde ich versuchen mich hauptsächlich auf die Primärquelle zu beziehen, also auf den hegelischen Text selbst, sodass ich das dort Reflektierte und Aufgeschriebene mit meinem Verständnis zu durchdringen versuche und somit eine Art von Selbstvergewisserung anstrebe. Meine hiesige Arbeit ist keine vergleichende Studie, keine systematische Grundlegung und hat kein Anspruch auf Vollständigkeit, da eine vollkommene Erforschung, Durchdringung, Kritik und Darstellung der Thematik und der dort reflektierten Inhalte weitere Bücher füllen könnten. Deswegen beschränke ich mich auf mir wichtig erscheinende Inhalte und Gedanken, die in Bezug zu dem Thema der kritischen Anthropologie wesentlich sind.
Hegel wollte den „Fortschritt der Rechtsvernunft in der Geschichte“ formulieren und argumentierte gegen Hugo und Savigny, welche zu einem Klassizismus neigten, das römische Recht zu revitalisieren.[1] Wie Hegel bereit in seiner Vorrede beschreibt, ist die philosophische Behandlung der Fragen des Rechts und der Juristerei eine notwendig verschiedene Behandlung als die Fachdisziplinen es zeitigen.[2] Die philosophische Arbeit ist es dabei als aufklärende „Begriffswissenschaft“ die Vernünftigkeit der Rechtsbestimmungen zu erkennen, sie in allgemeinverständliche Begriffe zu bringen und die gesellschaftlichen Institutionen als eine geschichtliche Notwendigkeit zu rechtfertigen. In diesen Institutionen soll angeblich die tätige geistige Vernunft praktisch aktiv sein, um die Gesellschaft zu organisieren. Dabei wurzelt Hegels Argumentation in dem historisch gewachsenen Vernunftrecht, welches in der europäischen Rechtstradition die Bestimmungen des Naturrechts implizierte bzw. explizierte. Es ist der „Versuch einer Vermittlung von Vernunftrecht und historisch-positiver Rechtslehre.“[3] Die Analyse ist wesentlich formgebunden, denn durch eine philosophisch-wissenschaftliche Form sollen die Rechtsinhalte und vernünftig erscheinenden Gesetzesverordnungen auf den Begriff gebracht werden. Dabei wird Geschichte als Fortschrittsgeschichte betrachtet, wie es viele der damaligen Aufklärer gesehen haben und der Fortschritt erstreckte sich auf moralische, rechtliche, theoretische, praktisch gesellschaftliche Bereiche.[4] Ebenso wurden Fortschritte in der individuellen als auch kollektiven Selbstorganisation, in den Selbstreflexionen, Selbsterfahrungen und Selbsterkenntnissen thematisiert und die aufklärerische Erkenntnisabsicht bleibt weiterhin: das Bewusstmachen der geistigen Entwicklung in der Welt sowie in den Gesellschaften. Ziel der hegelischen Analyse ist nicht nur der Besitz der bereits existierenden Wahrheiten, der Gesetze und Rechtssetzungen, sondern das durchdenkende Begreifen des vernünftigen Inhalts durch eine vernünftige Form. Es ist kein Stehenbleiben beim Gegebenen, sondern ein aktives Sich-aneignen des Gegebenen, ein begreifendes Durchdringen des Bestehenden und Gesetzten, um sich durch die freie Tätigkeit des Denkens die Wahrheit dessen zu vergegenwärtigen. „Die Substanz des Rechten und Sittlichen“[5] will von Hegel mithilfe des begreifenden Denkens erforscht werden. Denkend wollen wir verstehen, was ist. Und das was ist, ist im Prozess, ist Werdendes, ist Entwicklung, doch auch das was geworden ist gleichsam die Resultate des Werdens, das Daseiende, das Dasein selbst wollen wir verstehen. Dieses selbstständige Denken ist bereits eine Verwirklichung der menschlichen Freiheit, welche wiederum durch das Denken sich auf die Suche begibt, den „Grund der Sittlichkeit“ zu finden. Dabei geht es Hegel um keine Neubegründung oder um einen gänzlich neuen Entwurf des Rechts, des Juristischen, Ethischen und Sozialen, vielmehr untersucht er bereits gewordenes und etabliertes Recht, sowie die bereits vorhandene Moralität und Sittlichkeit als auch den geschichtlich geworden Staat als eine sich realisierende Idee des gemeinsamen Zusammenlebens und versucht die Elemente, welche ihm in seiner praktischen Philosophie erscheinen, in ihrer Wahrheit zu begreifen. Vorbild für sein Projekt war vermutlich die von Platon geschriebene Politeia mit der dort beschriebenen Ständegesellschaft. In dieser wurde eine Ständepolitik beschrieben und die Menschen sollten in gewissen Berufsständen aktiv sein. Diese waren charakterisiert durch Menschen mit Sachkompetenz, Qualifikationsnachweisen und dem politischen Willen dem Gemeinwohl zu dienen.[6] Anders als bei Platon, der für die Politikgestaltung Philosophen auserkoren hatte, damit sie als Staatsakteure wesentlich Verantwortung für die Allgemeinheit übernehmen sollten, gedenkt Hegel den Philosophen keine staatsanleitende Rolle zu. Philosophen seien auch keine Verfassungskonstrukteure, sondern kritische Prüfer der tatsächlichen Staats- und Rechtsentwicklung, ob die Prinzipien, Gesetze und Verordnung des politischen Apparates mit den Prinzipien der Vernunft und der Freiheit übereinstimmten.[7] Denn die Reflexionstätigkeit der Vernunft will die Gesetze der sittlichen Welt erkundschaften und somit die immanenten Richtlinien, Gesetze, Regeln und Strukturen des menschlichen Miteinanderlebens erforschen und aufzeigen. Dafür ist das Buch geschrieben, deswegen beschäftige ich mich damit.
Anfänglich unterscheidet Hegel zweierlei Arten von Gesetzen: 1. Gesetze der Natur (wirken auch unabhängig vom Menschen und auch ohne, dass die Menschen sie wissen müssen) 2. Gesetze des Rechts (menschengemachte Gesetze, „von Menschen Herkommendes“)[8] Die allgemeinen Naturgesetze werden in den Naturwissenschaften erforscht, ermittelt, bestimmt und sind, wenn sie einmal entdeckt und anerkannt sind, unverrückbar und gesetzt, wohingegen bei den Rechtsgesetzen ein intellektueller Streit möglich sei,[9] weil es bei den Rechtsverordnungen keine Eineindeutigkeit gibt, und menschengemachte Rechte und Gesetze interpretations- und interessensabhängig sind. Um der subjektiven Willkürlichkeit vorzubeugen, findet jedoch ein Kampf im Geiste[10] statt, damit die richtige Bestimmung des Rechts allgemeingesellschaftliche Geltung erlangen kann. Etabliertes Recht ist somit abhängig von Konventionen und Vermittlungsprozessen rechtssetzender Akteure, abhängig von Formungen und Umformungen, von Kompromissen und geistigen Aktivitäten. Denn „der wahrhafte Gedanke ist keine Meinung über die Sache, sondern der Begriff der Sache selbst.“[11] Doch für das Erkennen des Begriffs der Sache bedarf es des Denkens und im Sinne Hegels soll das Denken wissenschaftlichen Charakter annehmen. So wie auch die Grundlagen des Staates sich auf Vernunft und Wissenschaft berufen sollen, damit eine vernünftige und gesittete Staats- und Rechtsentwicklung möglich sei. Somit sollen die Allgemeinheit und Bestimmtheit der menschengemachten Rechtsgesetze, der sittlichen Normen vermittelt und bestimmt werden, nicht durch subjektive Zwecke oder Meinungen getrübt sein und nicht von subjektiven Gefühlen oder partikularen Überzeugungen beeinflusst werden.[12]
Idealistische Reflexionen vom Wert der Philosophie
Für Hegel ist die Philosophie die Wissenschaft, welche sich mit Begriffen, Ideen und der Vernunft beschäftigt, sie erörtert, vernünftige Ideen erkundschaftet, expliziert und vermittelt.[13] Die Idee sei die Verwirklichung des Begriffs und gleichsam die Einheit von Begriff und Dasein.[14] Indem wir eine Idee begreifen, sodass wir sie mit dem Verstande auch geistig verstehen, sind wir befähigt eine Idee in Begriffe zu begreifen, wodurch eine vermittelnde Übersetzung vom Noch-nicht-Begriffenen ins wirklich Begriffene geschieht. Indem wir die Idee, welche selbst bereits eine Verkörperung des Begriffs im Dasein ist, begreifen, verstehen und formulieren wird die Idee gleichsam durch die Sprache verdoppelt, versinnlicht, veräußerlicht, zur Anschauung gebracht und quasi materialisiert. Hegel schreibt: „der Begriff (nicht das, was man oft so nennen hört, aber nur eine abstrakte Verstandesbestimmung ist) allein ist es, was Wirklichkeit hat und zwar so, dass er sich diese selbst gibt.“[15] und weiter schreibt er: „Alles, was nicht diese durch den Begriff selbst gesetzte Wirklichkeit ist, ist vorübergehendes Dasein, äußerliche Zufälligkeit, Meinung, wesenlose Erscheinung, Unwahrheit, Täuschung usf.“[16] Der Begriff selbst produziert gleichsam Gestaltungen seiner selbst. Er erhält in den idealistischen Reflexionen sozusagen einen abstrakten Subjektcharakter, der selbstständig verursacht, bewirkt, handelt und Gestaltungen hervorbringt. Diese Gestaltungen sind Verwirklichungen des Begriffs in der Erscheinungswelt, die Hegel Ideen nennt. Die Nichterkenntnis des Begriffs in der Erscheinungswelt ist das Andere von der Erkenntnis des Begriffs in der Erscheinungswelt, weil sie das Nichtbegreifen des Begriffs ist. Das Begreifen des Begriffs ist die Erkenntnis des Begriffs sowie die eigentliche Bewusstmachung des Begriffs, welche gleichsam die Idee der Sache sprachlich verkörpert, denn Hegel unterscheidet explizit zwischen der Verwirklichung des Begriffs, welche das im konkreten Dasein Befindliche als Gestaltung ist, und der Erkenntnis des Begriffs, was die geistige Aktivität des selbstbewusstwerdenden Geistes intendiert[17], der den wirklichen Begriff der Sache sowie sich selbst erkennt, indem er das Andere, also die Erkenntnis der Sache sowie die Erkenntnis von sich selbst mithilfe von Sprache und Begriffswerkzeugen nicht von sich abstößt und in sich sowie durch sich in ein Medium entstehen lässt. Indem wir die Verwirklichung des Begriffs d.h. die materielle Gestaltung, die uns sinnlich affizierende Erscheinung, das real Gewordene wieder erkennen und sprachlich vermitteln, übersetzen wir die Erkenntnis von der Verwirklichung des Begriffs in eine begriffegebrauchende Wahrheit. Indem wir den Begriff einer Sache erkennen und sprachlich übermitteln, geben wir der Idee einer Sache eine sprachliche Verkörperung, welche wir schreiben, lesen oder hören können.[18] Die Verkörperung der Begriffe ist gleichsam die Verwirklichung der Begriffe in der Erscheinungswelt. Weil der Begriff sich verkörpert, verwirklicht er sich als das, was er ist. Weil ein Baum sich als Baum verwirklicht, verkörpert er die Idee des Baumes, die im Samen bereits als Begriff beinhaltet ist.[19] Die Idee wird vom Ansichsein Fürsichsein. Die Idee erscheint dann als die Vereinigung von Begriff und Dasein, als eine konkrete Realität. Wenn der Baum wirklicher Baum geworden ist, ist er eine Manifestation und eine Verwirklichung des Begriffs als Baum. Hegel schreibt: „Die Einheit des Daseins und des Begriffs, des Körpers und der Seele ist die Idee. Sie ist nicht nur Harmonie, sondern vollkommene Durchdringung.“[20] Soweit die idealistische Perspektive Hegels. Und weiterhin stellt er implizit die Fragen, die für die kritische Anthropologie relevant sind: Was ist der Begriff des Menschen? Was ist die Idee des Menschen, also die Verwirklichung des Begriffs des Menschen? Was macht die Menschen zu Menschen, und wie gelingt es den Menschen mit ihrem immanenten Begriff identisch zu werden, das heißt verwirklichter Begriff und lebendige Idee im lebensweltlichen Dasein zu sein? Was macht die Menschen menschlich?
Anthropologische Reflexionen
Um allgemein die Grundgedanken Hegels in Bezug auf das Recht, die Moralität und die Sittlichkeit zu verstehen, bin ich gewillt, das anthropologische Verständnis herauszuarbeiten, welches sich in den Einleitungsreflexionen befinden. Er geht von den Subjekten aus und entwickelt aus der Analyse des subjektiven Geistes die Kategorien des objektiven Geistes. Hegel definiert die Menschen, im Unterschied zu anderen natürlichen Lebewesen, als geistige Lebewesen[21], weil sie die Fähigkeiten des Denkens, des Wollens, des Kommunizierens und des Erschaffens besitzen, allesamt Fähigkeiten der Freiheitsverwirklichung sind und diese Fähigkeiten aktivieren können, um sich geistig zu betätigen. Als geistige Lebewesen sind wir freie Lebewesen, weil wir uns als frei bestimmen. Hegel schreibt sinngemäß, dass die Freiheit des Willens eine Grundbestimmung des Willens[22] und dass die Willensaktivität selbst bereits eine besondere Weise des Denkens sei.[23] Das Denken selbst ist eine geistige Tätigkeit und als solche als eine aktiv gewordene Fähigkeit zu betrachten. Der Geist ist Geist, weil er denkt. Er denkt, weil er denken will und er will, weil er denkt. Das Denken übersetzt sich gleichsam ins Dasein, vermöge des Willens, welcher als „Trieb, sich Dasein zu geben“ imstande ist.
Denken und Wollen sind in einer wechselseitig sich beeinflussenden und bestimmenden Relation. Das Denken will und der Wille denkt. Das Denken will sich verkörpern (in Sprache, ins Dasein, in Stoffformungen) und der Wille verkörpert das Denken. Weil das Denken sich verkörpert, wollte es sich verkörpern und weil der Wille sich denkt, will er sich denken als freier Wille, der durch das Denken sich selbst will. Somit durchdringen Denken und Wollen einander, Reflexion und Handeln, Theorie und Praxis. Sie sind unabtrennbar miteinander verbunden und verweisen jeweils aufeinander. Sie sind geistige Tätigkeiten, wodurch der Geist geistig bleibt und sich in der Praxis als praktisch wollender und handelnder Geist verwirklicht. Diese Trias von Denken, Wollen und Freiheit sind gleichsam die anfänglichen Grundbestimmungen der Grundlinien für seine praktische Philosophie, welche noch vor den ersten offiziellen Kategorien durchreflektiert werden. Es sind gewissermaßen die Vorkategorien, welche theoretische und praxisrelevante Beschreibungen des subjektiven Geistes darstellen, bevor Hegel dann zu dem abstrakten Recht sowie zum objektiven Geist kommt und die ersten praxisrelevanten Kategorien für das Miteinanderleben von einer Vielzahl an Subjekten erläutert.
Der praktische Geist ist jedoch bereits in seinen Vorkategorien aktiv. Er schreibt: „Das praktische Verhalten fängt dagegen beim Denken, beim Ich selbst an und erscheint zuvörderst als entgegengesetzt, weil es nämlich gleich eine Trennung aufstellt. Indem ich praktisch tätig bin, das heißt handele, bestimme ich mich und mich bestimmen heißt, eben einen Unterschied setzen.“[24]
Und so können wir sagen, dass der praktische Geist sowohl aktiv im Denken als auch in der Willensaktivität ist, der sich selbst hervorbringt und sich als wollend und frei bestimmt. Der Geist bestimmt seinen Willen, indem der Geist seinen Willen bestimmen will. Der Wille bestimmt sich als wollend, weil er ebenso denkend praktischer Geist ist und sich im Dasein als praktisch verwirklicht, weil er sich praktisch verwirklichen will. Die praktische Verwirklichung des Geistes, der Vernunft und der Ideen sind somit verbunden mit dem Denken, dem Wollen und der vernünftigen Freiheitsverwirklichung. Und so schreibt Hegel: „Wer sich nicht gedacht hat, ist nicht frei. Wer nicht frei ist, hat sich nicht gedacht…“[25] Dieses Denken, Wollen und die Freiheitsverwirklichung ist für Hegel subjektverbunden. Weil erst die Subjekte sich als konkrete Subjekte bestimmen können und sich somit unterscheiden von der unterschiedslosen Unbestimmtheit.[26] Indem ich mich bestimme, negiere ich zugleich die Unbestimmtheit meiner selbst und indem ich mich als etwas oder jemand bestimme, bejahe ich die Bestimmung meiner selbst als nicht mehr unbestimmt. „ich will nicht nur, ich will etwas.“[27] In der konkreten Bestimmung, welche zugleich auch Begrenzung bedeutet, unterscheide ich mich vom Unbestimmten dadurch, dass ich nicht mehr das Unbestimmte bin, weil ich mich selbst als etwas Bestimmtes bestimme. Dies ist die Besonderung des Subjekts, welches sich aus der unterschiedslosen Unbestimmtheit in ein besonderes Dasein erhebt, mit der Aufgabe sich wieder ins Allgemeine zu versenken. „Der Wille ist die Einheit dieser beiden Momente“ (des Allgemeinen und des Besonderen)[28] Wodurch eine Selbstbestimmung des Ichs realisiert werden kann, weil jede Bestimmung zugleich eine Verneinung der Unbestimmtheit ist und somit als Negation des Nichtbestimmten angesehen werden kann. Jede Bestimmung ist ebenso eine Beschränkung oder Begrenzung als positive Setzung, sodass jede Bestimmung die Bejahung der Besonderung ist, also die Bejahung des Nicht-mehr-identisch-Seins des Bestimmten mit dem Unbestimmten. Dadurch stiftet die Bestimmung des Subjekts eine besondere Identität, indem das Selbstbestimmende sowie das Selbstbestimmte sich unterscheidet von dem, was es nicht mehr als Unbestimmtes ist, von den anderen Individuen, der Allgemeinheit, des Einerleis. Freiheit bedeutet hierbei eine „sich in sich vermittelnde Tätigkeit“, welche eine „Rückkehr in sich selbst“ ermöglicht.[29] Dies ist die Verbundenheit und die gegenseitige Durchdringung von Allgemeinem und Besonderem, von Unbestimmtem und Bestimmtem, von Gemeinschaft und Subjekt. Und so schreibt Hegel: „die Freiheit liegt also weder in der Unbestimmtheit noch in der Bestimmtheit, sondern sie ist beides.“[30] Von hier aus kommt er auf den Begriff der Selbstbestimmung. Das Selbstbestimmen geht einher mit äußeren und inneren Bildungsprozessen gleichsam durch die Produktion seiner selbst, damit die Vernunft an sich auch für sich verwirklicht werde und sei. Menschliche Bildungsprozesse durch ein „Hinausgehen aus sich, aber ebenso durch das Hineinbilden in sich“[31] manifestieren die innere als auch die nach außen gebrachte, durch Tätigkeiten praktizierte Vernunft. Es ist gewissermaßen ein doppelter Bildungsprozess. Doch der an sich freie Wille als natürlicher, unmittelbarer Wille ist auch verbunden mit Trieben, Begierden und Neigungen.[32] Das wir Triebe, Begierden und Neigungen besitzen, ist etwas Bestimmtes, aber was der konkrete Inhalt zur Triebbefriedigung sei, ist etwas Unbestimmtes und Allgemeines. Ein mir angehöriger Trieb zum Beispiel kann auf verschiedene Arten befriedigt werden und ebenso durch verschiedene Inhalte. Was konkret die Inhalte und die Arten zur Triebbefriedigung sind, geschieht durch den Akt des Beschließens bzw. des Entscheidens und durch das aktiv konkretisierende Tätigsein. Erst wenn der Wille sich entscheidet oder tatsächlich etwas Bestimmtes beschließt, ist er ein beschließender Wille und als solcher, für Hegel, erst wirklicher Wille.[33] Aber die Menschen können sich nicht vervollkommnen, wenn sie sich nur mit ihrer natürlichen Triebbefriedigung begnügen. Die Reflexion, die Besinnung und Mäßigung in der Triebbefriedigung „reinigt denselben auf diese äußerliche Weise von seiner Rohheit und Barberei.“ „Dies Hervortreiben der Allgemeinheit des Denkens ist der absolute Wert der Bildung.“[34] Das vernünftige Denken sowie die mäßigende Besonnenheit kultivieren gleichsam die natürlichen Triebe und inhärenten Begierden. Indirekt schreibt Hegel, dass die Quelle der Glückseligkeit somit nicht nur in der bloßen hemmungslosen Triebbefriedigung zu finden sei, sondern die Menschen erst durch Reflexion, theoretische und praktische Selbstständigkeit und vernünftige, das heißt moralische und sittliche Tätigkeit den Genuss der Glückseligkeit wahrlich verspüren können. Durch die „denkende Intelligenz“ wird der Wille erst freier Wille, der sich selbst reflektiert, und nicht Willkür, sondern ebenso ein die Allgemeinheit reflektierender, frei sich entscheidender, und selbsttätig danach handelnder Wille ist, der etwas will, weil er es denkt und etwas denkt, weil er es will. Der Freiwollende denkt sich selbst als wollend und frei und indem er sich durch das Denken gestaltet, durch einen doppelten Bildungsprozess, sowohl im Inneren etwas bildet und kultiviert als auch etwas medial veräußerlicht, und somit auch etwas im äußeren Dasein gestaltet, negiert er den Prozess des Sich-Gestaltenlassens, der unbedachten Fremdbestimmung, der unreflektierten Kommandoumsetzung und des bloßen Befehleausführens. „Dies Selbstbewusstsein, das durch das Denken sich selbst als Wesen erfaßt und damit eben sich von dem Zufälligen und Unwahren abtut, macht das Prinzip des Rechts, der Moralität und aller Sittlichkeit aus.“[35] Und der allgemeine wie auch individuelle, der soziale wie auch subjektive, der absolute wie auch irdische Zweck ist die Glückseligkeit,[36] die Freiheit und die praktizierte vernünftige Friedfertigkeit.
Die weiteren Reflexionen sind Reflexionen, wie die miteinander lebenden Menschen menschlicher werden und im Sinne vernünftiger Praxis vernünftig miteinander leben können, ohne sich die Köpfe einzuschlagen, ohne zu betrügen, zu stehlen, zu foltern oder Vorteile zum Schaden Anderer sich anzueignen. Recht, Moralität und Sittlichkeit sind praktisch gewollte Resultate geistiger Aktivität, welche nicht nur dekonstruierend oder destruktiv sind, sondern neu produzierend, weiterentwickelnd, verarbeitend und erweiternd. Dafür entwickelt Hegel Kategorien, die aufeinander aufbauen und miteinander in gewissen Beziehungen stehen. Weil es eine Fülle an Kategorien ist, will ich im Weiteren der Arbeit mir zuerst allgemein die Kategorie des abstrakten Rechts anschauen, um konkret dann auf die erste Kategorie, die des Eigentums einzugehen, welche für mein Dafürhalten problematisch erscheint, weil die Argumentation Hegels nicht klar und deutlich und an gewissen Stellen unrichtig erscheint.
Die Sphäre des abstrakten Rechts und die Idee des zoon politikon
„Die Idee des Rechts ist die Freiheit und um wahrhaft aufgefasst zu werden, muss sie in ihrem Begriff und in dessen Dasein zu erkennen sein.“[37] Es ist eine indirekte Bestimmung der Idee des Menschen als freie Lebewesen. Da die allgemeinen Rechte etwas von Menschen Herkommendes sind und die Rechte die Freiheit der Menschen zum Hauptinhalt haben, sind die Rechte im Wesentlichen dafür nützlich die Freiheit der Menschen zu begründen, zu legitimieren und Bedingungen zu ermöglichen, damit die Menschen ihre Freiheit positiv nutzen können. Dabei denkt Hegel Freiheit nicht als völlig willkürliche Tätigkeit oder Untätigkeit, nicht als Destruktivität oder Beliebigkeit, sondern als aktives Tätigsein im Sinne der Vernunft. Und die Vernunft in praktischer Hinsicht äußert sich bei Hegel im Recht, in Moral und Sittlichkeit. Dies sind wiederum Einschränkungen, welche wir uns als freie Lebewesen gegeben haben, damit die Freiheit aller freiheitsfähigen Lebewesen positiv und vernünftig verwirklicht werden kann, ohne dabei andere Lebewesen zu schädigen, zu missbrauchen, zu betrügen oder zu töten. Und die Geschichte der Rechtssetzung ist auch verbunden mit der Geschichte des Politischen und der Staatsentwicklung. Für Hegel war es vernünftig, weil notwendig, weil real geschichtlich so geschehen, dass die Menschen, als sie begannen in größeren Gemeinschaften und Gesellschaften zu leben, so etwas wie Staaten und Nationen haben entstehen lassen, weil diese, so Hegel, eine Wirklichkeit der sittlichen Idee seien.[38] Sodass die Menschen, welche sich zu größeren Gemeinschaften und Gesellschaften entwickelten, sich dahingehend organisierten, dass sie anfingen, politisch wirksam zu werden, damit nicht nur die Individualbelange, die Privatinteressen oder subjektiven Tätigkeiten, sondern auch die Interessen des Gemeinwohls, des Kollektivs, der Gemeinschaft und der Gesellschaft, allgemein die Interessen im Sinne des sozialen Miteinanders geregelt und gesichert werden. Deswegen sind Staaten menschliche Konstrukte, als solche Ausdruck der menschlichen Freiheit, welche wiederum auf Gesetze und Rechte rückwirken und die Freiheit der Menschen beschränken, um die soziale Ordnung zu konservieren. Positiv ist das Recht, weil es in Staaten Legitimität beansprucht und von denen im Staatsdienst aktiven Subjekte legitimiert wurde. Dadurch erhalten die verschiedenen Rechtssetzungen gesetzliche Autorität, jene das soziale Chaos, unmoralisches Verhalten und das allgemeine Unrecht verhindern sollen. Dabei sind heutzutage die Rechtssysteme von Nation zu Nation, von Staat zu Staat verschiedene, abhängig von der geschichtlichen Entwicklung, den Rechtsbedingungen, den Einflussgruppen, der Klassenstruktur und den unterschiedlichen Interessen der rechtssetzenden Subjekte. Und Hegel wusste bereits, dass die konkreten und allgemeinen Rechtsbestimmungen, Gesetze, Grundsätze als auch Institutionen, in denen die Rechts- und Gesetzessetzung stattfinden, historisch bedingt seien, sie also in einem geschichtlichen Entwicklungsprozess integriert sind; manche Rechte und Gesetze historisch vielleicht notwendig waren, manche Rechte und Gesetze jedoch in der historischen Entwicklung der Staaten und der Gesellschaften selbst obsolet, überflüssig und zwecklos werden, weil die allgemeine Entwicklung der Gesellschaften im historischen Prozess es zeitigt, dass die Entwicklung der Rechte sowie der Gesetze nicht in Stillstand verharrt.[39]
Hegel glaubte, dass die Gesetze im Staat fast allesamt vernünftig seien, weil der Staat selbst eine politische Veräußerung der praktischen Vernunft sei. Die Gesetze sind vernünftig, weil sie die Freiheit sicherten und von jedem vernünftigen Subjekt als vernünftig erkannt werden können. Doch auch wenn die Subjekte die Gesetze noch nicht als vernünftig erkannt hätten, so gelten manche Gesetze trotzdem im Staat, sodass sie, so Hegel, von keiner Willkür oder Zufälligkeit bestimmt seien, sondern aus Gründen der Notwendigkeit existierten, die in der praktischen Vernunft wurzelten.[40] Wir könnten hierbei kritisch anmerken, dass die Idee des Staates als vernünftige Institution für die Verwirklichung von Freiheit für alle Lebewesen nicht unmittelbar identisch mit der realpraktischen Staatsaktivität war und ist, da die Staatsbediensteten durch Partikularinteressen, Wirtschaftsabhängigkeiten oder Privilegiensicherungen häufig für Dienste eingespannt sind, welche nicht dem sozialen Allgemeinwohl, der humanistischen Sozialität und der sozialen Gerechtigkeit dienen. Realpraktisch und konkret leben wir in keinen ideellen Staaten, da das kapitalistische Wirtschaften und damit einhergehend die Staatsaktivitäten der kapitalistischen Nationen die wenigen Kapitalbesitzer systematisch übervorteilen und die Vielen, die Arbeiter und Kapitalnichtbesitzer, die Arbeitskraftverkäufer und Armen allzu häufig vernachlässigen.
Wenn Hegel vom Staat spricht, verallgemeinert er unterschiedliche praktische Staatsaktivitäten zu einer Idee vom Staat, der Staat in seiner abstrakten Bestimmung. Doch realpraktisch gibt es nicht nur einen Staat, sondern unterschiedliche Staaten, Rechtssysteme und Staatsinteressen, die sich mitunter in Konflikten mit anderen Staaten befinden. Der zugrunde liegende Begriff des Staates ist dabei vermutlich allen Staaten ein Gemeinsames, doch die Gestaltung bzw. die Verwirklichung des Begriffs als Idee des Staates ist von Staat zu Staat unterschiedlich gestaltet, ausformuliert und praktiziert. Und dennoch sind die Staaten in Wandlung und Entwicklung begriffen, sie entwickeln sich durch die Aktivität des objektiven Geistes und bleiben nicht identisch mit sich selbst, weil sie sich im historischen Prozess befinden. So existiert auch eine Nichtidentität der Staaten untereinander, weil der eine Staat nicht gleichzusetzen mit den anderen Staaten ist. Staat ist nicht gleich Staat. Doch der Begriff des Staates als die Wirklichkeit der sittlichen Idee, die Idee der Freiheitsverwirklichung in rechtlicher, moralischer und sittlicher Hinsicht ist allen Staaten immanent, doch in verschiedenen Ausgestaltungen existent. So wie der Begriff des Menschen allen Menschen im Dasein immanent ist, freies, vernünftiges und sittliches Lebewesen zu sein, so ist und wird doch die Ausprägung bzw. Verkörperung des Begriffs als der Idee des Menschen unterschiedlich in der materiellen Erscheinung manifestiert, verkörpert und realisiert. Der Begriff des Menschen ist uns das Gemeinsame, die Verkörperungen und Gestaltungen als manifestierte Ideen im realen Dasein der Menschen sind verschiedene. Der Begriff ist die immanente Einheit der Pluralität und die Pluralität ist die Vielfalt der Gestaltungen durch die verschiedenen Verkörperungen des Begriffs vom daseienden Menschen als Idee. Und weil wir als Gemeinschaften und als Gesellschaften nicht als singuläre Lebewesen existieren, sondern notwendig für unser subjektives und kollektives Leben und Überleben mit anderen Individuen, Gruppen und Gesellschaftsakteuren interagieren, kommunizieren, produzieren und in Relation miteinander existieren, können wir die irdischen Subjekte nicht ohne Gemeinschaft und die Gemeinschaft bzw. die Gesellschaft nicht ohne die relationale Verbindung der Subjekte denken. Die Subjektstrukturen sind von gesellschaftlichen und sozialen Dynamiken mitgeprägt, sowie die Gesellschaftsstrukturen nicht existierten, wenn nicht Subjekte sie gemeinsam und aktiv gestalteten. Um eine organisierte Gesellschaftsgestaltung in halbwegs geordneten Bahnen verlaufen zu lassen, existiert das politische Element in der Gesellschaft, damit die Handlungsanleitungen, Handlungsverbote und Ordnungsreflexionen einen rechtlichen und gesetzlichen Rahmen erhalten. Dass die politischen Herrschaften in der Geschichte und heutzutage jedoch häufig beeinflusst, benutzt und instrumentalisiert wurden und werden, von Privilegierten und Wohlhabenden, von Reichen und Privatinteressierten, von Wirtschaftakteuren und Nichtpolitikern steht hier in dieser Arbeit gerade nicht im Hauptfokus. Hier geht es im Weiteren um das Verhältnis zwischen subjektiven und objektiven Geist, die Beziehung zwischen Individuum und organisiertem Zusammenleben von Individuen, welches sich in der hegelschen Darstellung entwickelt hat und im abstrakten Recht seine erste offizielle praktische Kategorie formuliert.
Das abstrakte Recht und das Eigentum
Das Subjekt ist Subjekt als Person, weil es nicht abtrennbar von seinem selbstständigen Denken, seinem vernünftig sich realisierenden Willen und seiner individuellen, auf Sittlichkeit bezogenen Freiheitsverwirklichung ist, sodass das freie Subjekt einen aktiven, mit dem Denken notwendig verbundenen Willen innehat oder besser noch, weil es genauso handelt, wie es seinem wirklichen Willen entsprechend tätig ist. Der Wille selbst hat bestimmte Inhalte und gewisse Zweckbestimmungen, welche auf etwas gerichtet sind, was der Wille erreichen, bewirken, bekommen oder realisieren will.[41] Wir können hierbei von einer gewissen Willensteleologie sprechen.[42] Dadurch wird das Subjekt als Person bestimmt, doch nicht jedes Subjekt ist gleichzeitig Person.[43] Tiere und Pflanzen zum Beispiel sind jeweils als konkrete Lebewesen Subjekte, aber für Hegel keine Personen.[44] Hegel glaubte, dass erst die Persönlichkeit uns rechtsfähig werden lässt und umgekehrt kann man sagen, dass alle Subjekte die keine Personen sind, also Tiere und Pflanzen für Hegel keine Rechte hatten, zumindest keine menschlichen Rechte. Solch Denkungsart zeitigt jedoch in ihren Konsequenzen eine grobe Versachlichung anders gearteter Lebewesen, die nicht selbst über sich entscheiden können, sondern ihr Lebensrecht erst erhalten, weil sie für die Bedürfnisbefriedigung der Menschen besessen, instrumentalisiert, ausgebeutet, missbraucht und hingeschlachtet werden (Vulgärteleologie). Er schreibt: „Ein solches Äußerliche ist auch das Lebendige (das Tier) und insofern selber eine Sache.“[45] Und kurz zuvor schreibt er: „Das von dem freien Geiste unmittelbar Verschiedene ist für ihn und an sich das Äußerliche überhaupt – eine Sache, ein Unfreies, Unpersönliches und Rechtloses.“[46] oder er schreibt: „Tiere haben kein Recht auf ihren Körper.“ „Die Tiere haben sich zwar im Besitz: ihre Seele ist im Besitz ihres Körpers; aber sie haben kein Recht auf ihr Leben, weil sie es nicht wollen.“[47] In solch Formulierungen tritt eine zynisch anthropozentrische Ansicht zutage, welche sämtliche anders gearteten Lebewesen auf diesem Planeten zu verdinglichten Nutzlebewesen degradiert, herabstuft, entwürdigt und dreist behauptet, dass diese Lebenssubjekte, weil sie keine menschlichen Personen seien, nicht das Recht auf ihr eigenes Leben hätten, weil sie sich nicht so denken und wollen können, wie die Menschen. Diese Aussagen sind grobe Fehler in der praxisrelevanten Ansicht, ein fataler, ein schrecklicher Defekt der hegelischen Perspektive. Und aus Tierschutz- und Umweltschutzrechtlicher Perspektive hochmütiges Gerede, was den Menschen bzw. das Geistige im Menschen als etwas der Natur Erhabenes klassifiziert, welches über das Natürliche herrscht und andere Naturlebewesen besitzt, statt sich als ein integraler Teil der Natur zu betrachten, welches notwendiger Weise auf die Natur angewiesen ist, damit die materiellen Grundbedürfnisse mehr oder minder befriedigt werden können. Wir Menschen sind nicht das Anderer der Natur, nicht die Herren oder Herrscher der Natur, sondern Teil des ökologischen Prozesses, die wir uns im Stoffwechsel mit der Natur befinden und sie uns versorgt und nicht umgekehrt. Wir haben zwar Kultur entwickelt als unsere zweite Natur, aber die Bedingung für unsere kulturelle Entwicklung ist die Natur, denn ohne die Natur gäbe es die menschliche Kultur nicht. Wir als Menschen sind notwendig auf die Natur angewiesen, die Natur ist nicht auf die Menschen angewiesen. Menschen existieren, weil davor die Natur existierte und der Missbrauch an der Natur ist ein Missbrauch der menschlichen Freiheit, die nicht im Sinne der praktischen Vernunft geschieht, sondern massive Rechtsbrüche, eigenwillige Vorteilsaneignungen und heftige Naturschäden generieren, die einen destruktiven anstatt konstruktiv vernünftigen Charakter zeitigen. Die Sichtweise von Hegel auf Natur, Pflanzen und Tiere als Subjekte seiende Nichtpersonen, die unfrei, unpersönlich und rechtlos seien, ist, ehrlich gesprochen: repressiv, unmodern, hochmütig, zynisch und rückschrittlich, nicht weil er sie nicht als Personen betrachtete, sondern weil er Ihnen das Ihnen innewohnende Lebensrecht kurzerhand absprach, ihre Berechtigung hier auf Erden am Leben zu sein, einfach negierte, mit der flapsigen Begründung, dass sie nicht denken und dadurch sich auch nicht wollen könnten. Doch wenn man Tiere ängstigt, sie jagt, sie bedroht oder sie quält, sie gewaltsam einfangen will, dann ist eindeutig ein Lebensinstinkt zu beobachten, ein unbedingter Lebens- und Überlebenswille, eine Angst eingesperrt zu werden, eine Angst vor Schmerzen, vor Grausamkeiten und Folterungen, eine instinktive Todesangst und ein unbedingter Wille lebendig zu bleiben. Dass er dies, als ein so hellsichtiger Denker so dreist missachtet hat, ist unerträglich, weil diese herrische, anthropozentrische und irrsinnige Geisteshaltung, nicht Hegels Denken im Allgemeinen, sondern die Geisteshaltung, aus der heraus er schrieb, welche die Natur zu unterwerfen und zu beherrschen beabsichtigte, dieses teilweise falsche, weil emphatielose und herrische Denken ist heutzutage leider noch nicht verschwunden und, verbunden mit dem ökonomischen Produktionsprozess, verantwortlich für so viele Naturzerstörungen weltweit, für großflächige Waldrodungen, für massive Umweltverschmutzungen, für die raffgierige Ressourcenausbeutung, für die industriellen Massentötungen an Tieren in den Fleischproduktionsanlagen, für grauenvolle Tierexperimente für pharmazeutische und kosmetische Produkte, die im Eigentlichen schändliche Folterungen, skrupellose Knebelungen und mitleidlose Quälerei darstellen, und die Tiere wirklich so behandelt werden, als seien sie bloßer Sachbesitz, seelenlose Gegenstände, mit dem die Menschen machen könnten, was sie wollten, und das nennen sie dann die menschliche Freiheit oder Erkenntnisfortschritt, Forschung oder Eigentum.
Doch genug zur ersten Falschheit Hegels in der Kategorie des Eigentums.
Das abstrakte Recht für Hegel als Recht für Personen, ist eine Möglichkeit, welche durch konkretes Handeln verwirklicht werden kann, weil es in moralischer und sittlicher Hinsicht durch Erlaubnisse und Befugnisse erlaubt ist. Die Freiheit ist so gedacht, dass wir frei handeln, indem wir gemäß vernünftiger Rechtssetzungen, gemäß vernünftiger Reflexionen und Urteile handeln, gemäß der Moralität und der Sittlichkeit. Diese moralisch und sittlich konkreten Handlungen tatsächlich zu verwirklichen, ist ethisches Gebot und im allgemeinen und besonderen Recht, in der Rechtswissenschaft und in der Juristerei, wird darauf geachtet, dass es keine Rechtsverletzungen gibt. „Es gibt daher nur Rechtsverbote [negative Handlungsorientierungen, Einschränkungen des Handelns] und die positive Form von Rechtsgeboten hat ihren letzten Inhalt nach das Verbot zugrunde liegen.“[48]
Im weiteren werde ich die Doppelbedeutung des Eigentums bei Hegel explizieren und versuche in meiner Rekonstruktion der hegelischen Perspektive sowohl die positiven als auch die negativen Aspekte seiner Betrachtsweise herauszuarbeiten, damit in einem dialektischen Denkprozess nicht nur die einseitige Betrachtungsweise obsiegt, sondern durch einen doppelten Blick, das Richtige als auch das Falsche in seiner Darstellung gelichtet wird.
Doppelbedeutung des Eigentumsbegriffs
Die Doppelbedeutung des Eigentumsbegriffs besagt bei Hegel, dass er Eigentum sowohl als Eigentum von der Person denkt, wie auch als Eigentum von Sachen. In seiner Schrift benennt er es an einer Stelle ziemlich klar[49], doch im ganzen Kapitel laviert er ständig hin und her, sodass es dem Leser so vorkommt, als ob er seine eigene Unterscheidung selbst nicht konsistent durchhält, sodass eine Begriffsunklarheit und eine Uneindeutigkeit entsteht, die etwas verwirrt und undeutlich erscheint. Doch nun zum ersten Eigentumsbegriff: das innere Eigentum oder das Eigentum des Selbst. In der antiken Zeitrechnung gab es noch eine Sklavenhaltergesellschaft. Dort waren die Sklaven sich nicht selbst Eigentum, sondern das Eigentum ihrer Sklavenhalter, das Eigentum fremder Personen. Sie wurden wie den „freien“ Menschen unterworfene Tiere gehalten, hatten keine persönlichen Rechte, wie die anderen als Menschen anerkannten Bewohner der Polis oder des römischen Reiches, und mussten in menschenunwürdigen Verhältnissen schuften, mühselige Sklavenarbeit verrichten, wobei sie drangsaliert, geknechtet, bedroht, missbraucht, ausgebeutet und erniedrigt wurden. Sie waren unfrei, Unpersonen und rechtlos, weil sie nicht als Subjekte mit Personenstatus angesehen wurden, sondern als persönlicher Besitz von denen, die sich Sklaven finanziell leisten konnten, den Reichen und „Vornehmen“, den antiken Aristokraten und den Vermögenden. Doch es scheint, das Hegel der Sklaverei nicht ganz abgeneigt war, denn er schrieb: „Solange nur nach dem Begriff an sich gefragt wird, kann man nicht sagen, die Sklaverei sei unrichtig.“[50] und im Zusatz schrieb er: „Hält man die Seite fest, dass der Mensch an und für sich frei sei, so verdammt man damit die Sklaverei. Aber dass jemand Sklave ist, liegt in seinem eigenen Willen, so wie es im Willen eines Volkes liegt, wenn es unterjocht wird. Es ist somit nicht bloß ein Unrecht derer, welche Sklaven machen oder welche unterjochen, sondern der Sklaven und Unterjochten selbst.“[51] Solche Sprüche könnten wir auch als die intellektuell verschleierte Arroganz Hegels deuten, der den Schwächeren bzw. den Beherrschten die Schuld daran gibt, dass sie schwach und beherrscht seien und sich auch frei dazu entschließen könnten: nicht mehr schwach, nicht mehr beherrscht, also stark, Nichtsklave und ununterjocht zu sein. Dieser offensichtliche Zynismus erscheint als ein fataler Herrenzynismus, welcher aus einer Geisteshaltung heraus geurteilt worden ist, die selbst vermutlich kein fremdbestimmenden Zwang erlebt hat, welchen Sklaven erlebten, nicht weil sie dem Zwang und der Gewalt freiwillig zustimmten, nicht weil sie schwach sein und beherrscht werden wollten, sondern weil sie grausam von den Sklavenhaltern bedroht wurden, weil sie beleidigt, gedemütigt, entwürdigt, gewaltsam gepeitscht, weil sie psychisch tyrannisiert, verbal attackiert, physisch verletzt und erniedrigt wurden, weil ihnen Furcht und Angst eingejagt wurde, durch Waffengewalt oder Nahrungsentzug, durch Tyrannei oder Fremdbestimmung, und so furchtbare Angst und angstvolle Furcht erlitten, sie mit Todesängsten kämpfen mussten, um das existenzielle Überleben zu sichern. Die Ansichten Hegels zur Sklaverei erscheinen als dreist und sind missachtend, aus einer gefühlslosen Herren- und Herrscherperspektive geurteilt und somit rückschrittlich, zynisch, reaktionär, hochmütig und nicht mehr zeitgemäß. Doch die Denker des Zeitalters der Aufklärung wollten sich durch Reflexion und Bewusstmachung ihres Wesens gerade aus der Verknechtung der Menschen durch den Menschen befreien. Mit Hegel gedacht, und das ist die erste Bedeutung seines Eigentumsbegriffs,[52] wandelt sich die Bedeutung des Eigentums von anderen Menschen in eine Art von Selbsteigentum, Eigentum meiner Selbst oder inneres Eigentum, das was mir selbst zu eigen ist, weil kein anderer, kein Sklavenhalter und kein Herr mehr der Eigentümer meiner selbst ist, sondern ich mir selber Eigentümer von mir geworden bin. Freies Individuum zu sein, bedeutet somit nicht im Besitz von anderen Individuen zu sein, sondern über sich selbst zu verfügen, Eigentum seiner Selbst zu sein, sich selbst als tätiges und freies Wesen zu bestimmen. Und die Selbstbestimmung geschieht durch das Denken, Wollen und Handeln im Sinne der praktischen Vernunft, die stets verbunden ist mit moralischen und sittlichen Werten und Handlungen. Es ist kein instrumenteller oder technischer Gebrauch der Vernunft, sondern ein moralischer und sittlicher Gebrauch der Vernunft in pragmatischer Absicht. Eigentum im Sinne von Selbsteigentum oder auch inneren Eigentum bedeutet also, dass ich mir selbst Besitz bin, sowohl der Körper, die Seele und der Geist mir gegeben worden sind und sie kein Anderer als Besitz beanspruchen darf. Mein Eigentum bin ich mir selber, sowohl auf materieller als auch auf psychisch geistiger Ebene, ich verfüge über mich als Selbst als Jemand, worüber kein anderer verfügt und auch nicht verfügen darf, sodass ich mir selber sowohl materielles als auch psychisches Eigentum bin und kein Eigentum eines Anderen. Soweit der erste Eigentumsbegriff Hegels als das Eigentum dessen, was einem Subjekt als Person zueigen, ihm oder ihr eigentümlich ist: die Gaben, Talente, Fähigkeiten, internen Vermögen, Fertigkeiten und Kenntnisse.[53] Wodurch durch die Anwendung von Fähigkeiten auch produktive Veräußerlichungen geschehen, sodass das innere Eigentum auch veräußerlicht, versachlicht und vergegenständlicht werden kann. (z.b. in Bücher oder Kunstwerke, durch organisierte Wissensvermittlung oder Predigten)
Der zweite Eigentumsbegriff, das Eigentum von Sachen ist schon komplizierter zu betrachten. Der Besitz von Sachen geht ein her mit dem Erwerb von Sachen, mit der Besitzergreifung und der Besitznahme[54], die auch gewaltsam vonstatten gehen kann und in der Geschichte oft gewaltsam vonstatten ging. Im Erwerb von Sachen oder in der Besitzergreifung wird zuvor Äußeres vermeinigt, es wird „mein“ Eigentum, sodass es nicht mehr das Eigentum eines anderen sein kann.[55] Dies bezieht Hegel auf äußeres materielles Eigentum, Eigentum von Gegenständen, Grund und Boden, Immobilien, Produktionsmittel, Naturlebewesen, Tiere, Pflanzen, Landschaften usf. Er schrieb vom „absoluten Zueignungsrecht des Menschen auf alle Sachen.“[56] Alles das, was außerhalb der eigenen Subjektivität existiert und nicht unmittelbar als inneres Eigentum gelten kann, kann dennoch, so Hegel, als Eigentum in persönlichen Besitz ergriffen werden, sodass die Unterscheidung von Mein und Dein bei Hegel nicht nivelliert wird. Und es ist ein materielles Mein und Dein, mein Land, meine Bäume, meine Pflanzen, meine Tiere, meine Landschaften, mein Naturbesitz, sodass die Anderen sich entweder etwas anderes suchen mussten oder leer ausgingen. Dieses Denken, was Hegel hier beschreibt, ist das Denken, welches glaubte, dass die Natur, die ursprünglich niemanden gehörte und zugleich allen Menschen und Tieren und Pflanzen für ihr Leben zur Verfügung stand, das dieses uns allen Gemeinsame, uns allen gemeinsam Gegebene, den Menschen Untertan gemacht werden sollte, sodass sie aufgeteilt und die Teile persönlich angeeignet, privatisiert, in persönliches Eigentum verwandelt wurden und dadurch erst, durch die Besitzergreifung natürlicher Regionen und Lebewesen in privates Eigentum, die allgemeine Geschichte von Reichtum und Armut begann. Die Geschichte von Besitzern und Eigentumslosen, die Geschichte von Privateigentum und Ungerechtigkeit. Die Geschichte von denen, die sich einfach genommen haben, was sich andere nicht trauten zu nehmen. Die Geschichte, bei denen einige sich die Naturlebewesen aneigneten, habhaft wurden, und andere nichts hatten, besitzlos waren und noch unterworfen wurden, damit sie die Felder und das Land der Landbesitzer bearbeiteten.[57] Doch die Ersten, die etwas wie den Boden oder das so und so große Stück Land besessen haben, sie waren die zufällig Ersten gewesen, wie Hegel schreibt,[58] und weil sie den Boden für sich vereinnahmten und als Privateigentum deklariert hatten, als das Eigentum einzelner Personen, durfte es keinem Anderen mehr gehören, weil die Anderen es nicht zufällig als Erste für sich vereinnahmt hatten.[59] Die Tätigkeit des Besitzergreifens selbst geschieht durch Anwendung von „physischer Stärke, der List, der Geschicklichkeit, der Vermittlung überhaupt, wodurch man körperlicherweise etwas habhaft wird.“[60] Das Besitzergreifen als Äußeres vereinnahmende Tätigkeit sei selbst erst die Bedingung für privates materielles Eigentum. „Mechanische Kräfte, Waffen, Instrumente erweitern den Bereich meiner Gewalt.“[61] Hier spricht Hegel aus, dass die Gewaltanwendung, die Körperliche, Verbale, die Psychische und zum Teil auch die Waffengewalt, instrumentelle Mittel seien, damit sich etwas privat angeeignet werden könne. Hegel sprach sich zudem noch gegen das Gemeinschaftseigentum aus, befürwortete unkritisch das Privateigentum, und machte allgemein das Eigentum zu der ersten offiziellen Kategorie in seiner Rechts- und Staatstheorie, sodass wir sagen können, dass Hegel zum Teil zwar die Subjekte als Personen emanzipieren, in dem er die Personen sich selbst Eigentum sein lassen wollte, durch seinen materiellen Eigentumsbegriff aber, bei dem der materielle Besitz ebenso Verwirklichung der Freiheit sei, er ein konservativer Eigentumstheoretiker war, aber kein Sozialist. Seine Sichtweise auf Eigentum und auf Privateigentum ist reaktionär, unvollständig, und mit vielen liberalen Implikationen, welche in der Ideologie des Wirtschaftsliberalismus in der kapitalistischen Produktionsordnung ihre Anwendung finden. Als ein „Apologet des Privateigentums“[62] schien er auch die Idee des kollektiven Eigentums zu belächeln und schrieb davon als wäre die sozialistische Anschauung einer gerechteren Gesellschaft, basierend auf gleichen Vorraussetzungen, kollektivem Besitz von Naturgütern, Grund und Boden, Produktionsinstrumenten und gemeinsamer Güterproduktion ein frommer Wunsch: „Die Vorstellung von einer frommen oder freundschaftlichen und selbst erzwungenen Verbrüderung der Menschen mit Gemeinschaft der Güter und der Verbannung des privatrechtlichen Prinzips kann sich der Gesinnung leicht darbieten, welche die Natur der Freiheit des Geiste und des Rechts verkennt und sie nicht in ihren bestimmten Momenten erfasst.“[63] Hegels Reflexionen wären keiner weiteren Aufmerksam wert, wenn sie nicht die Implikationen enthielten, weswegen wir heutzutage in der kapitalistischen Epoche leben, in der wir leben, und diese liberalen Implikationen treten heutzutage in ihrer inhärenten Brutalität offen zutage. Massive Ungleichheit von Armen und Reichen aufgrund von tradierten Eigentumsverhältnissen, unreflektierte Gewaltanwendungen von Seiten des Staates bis hin zu drakonischen Strafen zur scheinbaren Ordnungssicherung[64], die damit einhergehenden, präventiv kontrollierenden Überwachungstätigkeiten, um Aufständen und Revolten vorzubeugen, neoliberales Wirtschaften und Regieren mit massiven Folgeschäden für Tiere, Menschen und Umwelt. Die unreflektierte Versachlichung von Tieren und Naturlebewesen, die Hegel beschrieb, sie als materiellen Besitz anzusehen, ist nicht weit von der rohen und repressiven Verdinglichung von lebendigen Subjekten entfernt, da diese der Freiheit anderer untergeordnet werden und mechanisch funktionalisiert, instrumentalisiert und heutzutage grausam schikaniert und hingeschlachtet werden, millionen- und milliardenfach, beinahe weltweit. Dieses überhebliche Verhalten gegenüber natürlichen Lebewesen drückt sich in einem Zusatz aus: „Mensch Herr über alles in der Natur – nur durch ihn Dasein als der Freiheit“ Seine Reflexionen sind aus einer anthropozentrischen Sichtweise geschrieben, wo die Menschen die vermeintlichen „Herren der Welt“ seien, die angebliche Krone der Schöpfung, sie die Tiere und andere Naturlebewesen je nach ihren Bedürfnissen besitzen, gebrauchen oder verkaufen könnten, weil sie, mit Hegels Worten, kein Lebensrecht besäßen und somit diese Aussage eine absolute Arroganz und zynische Überheblichkeit der Menschen gegenüber der eigenen Naturwüchsigkeit und anderen natürlichen Lebewesen darstellt. Hegel war stets um die Vernunft bemüht, aber manche Sätze mit Bezug auf Tiere, Sklaven und Eigentum, gerade in seiner praktischen Philosophie, sind von einer verblendenden Irrationalität geprägt, die nur schwer zu ertragen ist. Weil gerade seine Sichtweise Implikationen beinhaltet, die den Wirtschaftsliberlismus in dem kapitalistischen Produktionssystem ideologisch rechtfertigen, haben wir mit Hegels praktischer Philosophie kein, und wenn, dann nur ein unbefriedigendes positiv theoretisches Instrument, die gesellschaftlichen Verhältnisse zu verändern. Er idealisierte den Staat, rechtfertigte das Privateigentum, und verschleierte die Ausbeutungs- und Unterdrückungsprozesse von Seiten der Vermögenden[65] und des Staates als rechtsmäßige Tätigkeit freier und fleißiger Lebewesen zum Wohle des organisierten und gesicherten Zusammenlebens und das im Namen der Vernunft. Und weil bei Hegels Systematik eine Kategorie stets die darauffolgende Kategorie bedingt, können wir sagen, die Gedanken Hegels konsequent zu Ende gedacht, dass wir erst moralisch und sittlich sein können, wenn wir Eigentum besitzen, das heißt, er macht den Besitz von gegenständlichem Eigentum zur Vorraussetzung von einer rechtlichen, moralischen und sittlichen Gesellschaft. Erst wenn wir Eigentum besitzen als die Versachlichung der eigenen Freiheit, könnten die Menschen angeblich moralisch und sittlich sein und Hegel denkt Eigentum nicht nur als inneres Eigentum, nicht nur als Selbsteigentum, sondern auch als materielles Eigentum, als Besitztum von äußeren Gegenständen, Sachen, Dingen, Tieren, Naturgegenständen, Geld und diese Sichtweise, die den privaten Besitz von Sachen und Dingen zur Bedingung für moralisches und sittliches Handeln macht, ist meines Erachtens eine intellektuelle Verirrung im Denken, eine idealistische Verschleierung mit negativen, weil irrationalen Implikationen, ein als vernünftig maskierter Ausdruck eines teils falschen Bewusstseins, weil grobe und folgenschwere Fehler in der Anschauung zu finden sind. Doch soziale Gerechtigkeit, Tier- und Umweltschutz, Abschaffung von Kinderarbeit, Zwangsprostitution, staatlicher Repression und gesellschaftlicher Manipulation, sowie der Aufbau einer gerechteren Gesellschaft mit sozialen, humanistischen, friedlichen und geistigen Prinzipien und Werten ist noch nicht vollendet und die Verwirklichung der Vernunft und der Freiheit in der Gesellschaft und in der Welt geht weiter. Doch gerade die Verwirklichung von Vernunft und Freiheit in der gesamten Gesellschaft wird behindert und diese Hindernisse liegen offensichtlich in der Ökonomie. Und um ein aufgeklärtes Verständnis von den ökonomischen Verhältnissen zu erlangen, dürfen wir nicht bei Hegels praktischer Philosophie stehen bleiben, sondern müssen Marx, die Marxisten und weitere sozialistische Denker und Denkerinnen um Rat, Einsicht und Lösungen fragen.
Literaturverzeichnis
- G.W.F. Hegel – Grundlinien der Philosophie des Rechts, Werk 7, Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 1970
- Klassiker auslegen „G.W.F. Hegel – Grundlinien der Philosophie des Rechts, Hrsg. Von L. Siep, De Gruyter Verlag GmbH, 2014, „Vernunftrecht und Rechtsgeschichte“ von L.Siep
- Walter Jaeschke: „Hegel Handbuch. Leben-Werk-Schule“ Verlag J.B. Metzler, Stuttgart Weimar, 2010
- F. Engels: „Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates“ Dietz Verlag Berlin, 1977
[1] In „Vernunftrecht und Rechtsgeschichte“ von L.Siep in Klassiker auslegen: „G.W.F. Hegel – Grundlinien der Philosophie des Rechts, De Gruyter Verlag GmbH, 2014, vgl. s. 7
[2] G.W.F. Hegel – Grundlinien der Philosophie des Rechts, Werk 7, Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 1970 vgl. s. 12
[3] In „Vernunftrecht und Rechtsgeschichte“ von L.Siep in Klassiker auslegen: „G.W.F. Hegel – Grundlinien der Philosophie des Rechts, De Gruyter Verlag GmbH, 2014, vgl. s. 10
[4] ebenda. Vgl. s. 19
[5] G.W.F. Hegel – Grundlinien der Philosophie des Rechts, Werk 7, Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 1970 vgl. s. 14
[6] In „Vernunftrecht und Rechtsgeschichte“ von L.Siep in Klassiker auslegen: „G.W.F. Hegel – Grundlinien der Philosophie des Rechts, De Gruyter Verlag GmbH, 2014, vgl. s. 24
[7] ebenda vgl. 24
[8] G.W.F. Hegel – Grundlinien der Philosophie des Rechts, Werk 7, Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 1970 vgl. s. 16
[9] ebenda vgl. s. 16
[10] ebenda vgl. s.16 Zusatz
[11] ebenda. s.17
[12] ebenda. vgl. s. 32
[13] ebenda. Vgl. s.29
[14] ebenda. vgl. s. 30
[15] ebenda. s. 29
[16] ebenda. s. 29
[17] ebenda. vgl. s. 29
[18] ebenda. vgl. s. 29
[19] ebenda. vgl. s.30
[20] ebenda. s. 30
[21] ebenda. vgl. s. 46
[22] ebenda. vgl. s. 46
[23] ebenda. vgl. s. 47
[24] ebenda. s. 47
[25] ebenda. s. 51
[26] ebenda. vgl. s.52
[27] ebenda. s. 53
[28] ebenda vgl. s. 55
[29] ebenda. vgl. s. 56
[30] ebenda. s.57
[31] ebenda. s. 62
[32] ebenda. vgl. s. 62
[33] ebenda. vgl. s. 63-64
[34] ebenda. s. 71
[35] ebenda. s. 72
[36] ebenda. vgl. s. 73
[37] ebenda. s. 30
[38] ebenda. vgl. s. 398
[39] ebenda. vgl. s. 37
[40] ebenda vgl. s. 43
[41] ebenda. vgl. s. 92
[42] M. Quante: „Die Persönlichkeit des Willens“ als Prinzip des abstrakten Rechts“ in Klassiker auslegen „G.W.F. Hegel – Grundlinien der Philosophie des Rechts, Hrsg. Von L. Siep, De Gruyter Verlag GmbH, 2014, s.74
[43] G.W.F. Hegel – Grundlinien der Philosophie des Rechts, Werk 7, Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 1970 vgl. s. 94
[44] ebenda. vgl. s. 95
[45] ebenda. s. 107
[46] ebenda. s. 103
[47] ebenda. s. 111
[48] ebenda. s. 97
[49] ebenda. s. 102
[50] ebenda. vgl. s. 125
[51] ebenda. s. 126
[52] ebenda. vgl. s. 104
[53] ebenda. vgl. s. 104
[54] ebenda. vgl. s. 119
[55] ebenda. vgl. s. 114
[56] ebenda. vgl. s. 106
[57] Hierzu empfohlen: F. Engels: „Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates“ Dietz Verlag Berlin, 1977
[58] G.W.F. Hegel – Grundlinien der Philosophie des Rechts, Werk 7, Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 1970 vgl . s. 114
[59] ebenda vgl. s. 114
[60] ebenda. s. 115-116
[61] ebenda. s. 120
[62] Walter Jaeschke in „Hegel Handbuch. Leben-Werk-Schule“ Verlag J.B. Metzler, Stuttgart Weimar, 2010, s. 378
[63] ebenda. s. 108
[64] ebenda. vgl. s. 382
[65] ebenda. vgl. s. 353 f.
- Arbeit zitieren
- Alexej Licharew (Autor:in), 2018, Rechtsphilosophische Reflexionen bei Hegel. Der Mensch als freies Lebewesen in den Grundlinien zur Philosophie des Rechts, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/446843
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