Das königliche Portrait als herrschaftlicher Kommunikationsträger am Beispiel zweier Monarchen und dessen persönliche und geschichtliche Auswirkungen ist Thema dieser Arbeit. Was haben Richard II. von England (1377-1399), der letzte Plantagenet im England des späten 14. Jahrhunderts und Marie-Antoinette (1755-1793), Königin von Frankreich und österreich-französische Capet-Witwe, wie sie im Laufe der Französischen Revolution (1789–1799) despektierlich genannt wurde, miteinander zu tun und weswegen vereine ich sie nun in dieser Arbeit?
Es gibt es tatsächlich einige Parallelen, die beide für mein Thema auszeichnen. Sie wurden von ihren Zeitgenossen als exzessiv, extravagant und kapriziös beschrieben, zwei im Luxus schwelgende Monarchen, die sich - und ihrem Volk - ihren aufwendigen Lebensstil und die schönen Dinge, mit denen sie sich umgaben, einiges kosten ließen. Hochmut kommt vor dem Fall sagt man, und tatsächlich folgte dem zunächst kometenhaften Aufstieg dieser beiden jungen Monarchen die Entmachtung, tiefste Demütigung und schließlich gar die Elimierung der Person.
Die literarischen und geschichtlichen Aufzeichnungen ließen Richard und Marie-Antoinette über Jahrhunderte in keinem guten Licht erscheinen, ja, man kann sagen, es wurde kein gutes Haar an ihnen gelassen. In beiden Fällen wird das harsche geschichtliche Urteil mittlerweile von der neueren Literatur zaghaft hinterfragt, dennoch bleibt es in den Köpfen der Allgemeinheit bestehen. Und dabei könnte man es belassen, wären da nicht die Kunstwerke. Denn beiden war auch ein exquisiter, innovationsfreudiger Kunstsinn gemeinsam, welcher sich unter anderem in einer Reihe von Portraits zeigt, in denen sie sich in Szene setzten und damit der Nachwelt als Auftragsgeber wertvolle künstlerische Neuerungen bescherten. Diese von ihnen mitgeprägten Werke zeigen Aspekte ihrer Persönlichkeit und ihres Wirkens, die für sich sprechen und sich somit der Vereinnahmung von außen entziehen. Mit diesen Portraits hinterließen uns die beiden Monarchen ein persönliches Andenken. Dieses will ich exemplarisch anhand von jeweils zwei Portraits veranschaulichen, die uns Richard II. und Marie-Antoinette und deren Auffassung von Königtum quasi aus erster Hand näher bringen: das Westminster-Portrait und das Wilton Diptychon von Richard II. und zwei von Elisabeth Vigée-Lebrun gemalte Portraits von Marie-Antoinette (Marie-Antoinette en Chemise und Marie-Antoinette et ses Enfants).
Gliederung
1. Einleitung
1.1. Hofkultur und Herrscherbild im Kontext
1.2. Sakrales Königtum im Bilde
1.3. Richard II. und Marie-Antoinette: Zwei Stiefkinder der Geschichte
2. Richard II.: Der höchste Anspruch soll des Königs sein!
2.1. Richard II.: Schöngeistiger Märtyrer, absolutistischer Visionär oder verweichlichter Despot?
2.2. Ein Bild zwingt in die Knie: Das Portrait von Westminster Abbey
2.3. Das Wilton Diptychon: Rückzugsort eines Königs
2.4. Der kunstgeschichtliche Fußabdruck Richards II.
3. Marie-Antoinette: Eine Königin erklärt sich zur Privatperson
3.1. Schwestern im Geiste: Königliche Muse und Künstlerin
3.2. Marie-Antoinette en Chemise: ein Skandal!
3.3. Schadensbegrenzung: Marie-Antoinette et ses enfants
3.4. Marie-Antoinette im Licht Vigée-Lebruns: Dummchen, IT-Girl oder mutige Rebellin?
4. Zusammenfassung
4.1. Der Zerrspiegel der Geschichte: Welche Sicht ist die rechte?
4.2. Fazit: Wer wendet sich an wen, warum und mit welchen Konsequenzen?
5. Bibliographie
6. Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
Das königliche Portrait als herrschaftlicher Kommunikationsträger am Beispiel zweier Monarchen und dessen persönliche und geschichtliche Auswirkungen ist Thema dieser Arbeit. Was haben Richard II. von England (1377-1399), der letzte Plantagenet im England des späten 14. Jahrhunderts und Marie-Antoinette (1755-1793), Königin von Frankreich und österreich-französische Capet-Witwe, wie sie im Laufe der Französischen Revolution (1789–1799) despektierlich genannt wurde, miteinander zu tun und weswegen vereine ich sie nun in dieser Arbeit?[1]
In ihrer Persönlichkeit könnten beide nicht unterschiedlicher sein:
Ersterer ein tief gläubiger, englischer Monarch aus dem späten Mittelalter, der mit seinem Amt und seinem absoluten Herrschaftsanspruch fest verbunden war und dessen Gemütsverfassung zunehmend schwermütiger wurde, die Andere eine zunächst lebensfrohe, unbeschwerte junge Königin zur Zeit des französischen Rokoko, die erst am Ende ihrer Tage eine notgedrungene Reifung erfuhr. Abgesehen davon, dass Widersprüchliches den Geist bekanntermaßen anregt, gibt es tatsächlich einige Parallelen, die beide für mein Thema auszeichnen. Sie wurden von ihren Zeitgenossen als exzessiv, extravagant und kapriziös beschrieben, zwei im Luxus schwelgende Monarchen, die sich - und ihrem Volk - ihren aufwendigen Lebensstil und die schönen Dinge, mit denen sie sich umgaben, einiges kosten ließen. Hochmut kommt vor dem Fall sagt man, und tatsächlich folgte dem zunächst kometenhaften Aufstieg dieser beiden jungen Monarchen die Entmachtung, tiefste Demütigung und schließlich gar die Elimierung der Person. Beiden wurde ihr, in großem Pomp inszenierter royaler Auftritt, ihre Großspurigkeit, ihr Eigensinn, aber auch ihre Entschiedenheit, Dinge anders als von ihnen erwartet zu machen, am Ende zum Verhängnis. Am Hof hatten beide mächtige Feinde, die sich ihre Schwächen und ihre Unerfahrenheit zunutze machten und so die öffentliche Meinung instrumentalisierten. Im Fall Richards war es sein Cousin Henry Bolingbroke, der 1399 die Krone an sich riss, den König stürzte und ins Gefängnis verbannte, wo er 1400 starb. Ob Henry dabei seinen Cousin aktiv ermorden ließ oder dessen Tod billigend in Kauf nahm, ist ungeklärt.[2] Es heißt, der König sei im Kerker verhungert. Die Ordnung blieb dabei, zumindest nach außen, weitgehend erhalten.[3] Im Fall Marie-Antoinettes verzichteten das Volk und seine Vertreter auf die Wahrung dieses äußeren Scheins. Bei ihrer Verurteilung und anschließender Hinrichtung entlud sich - trotz pro forma Verhandlung durch das Revolutionstribunal - der aufgestaute Volkshass ungehemmt.[4] An dieser Stelle sei auf die Stellvertreterposition Marie-Antoinettes hingewiesen, die sie am Ende einnahm. Sie war nicht die Herrscherin. Sie war die Frau des regierenden Königs Ludwig XIV., dessen Schwäche und Beeinflussbarkeit jedoch kein Geheimnis war. Am Ende steigerte sich die Handlungsunfähigkeit des Königs zur absoluten Schockstarre, sodass die Königin das Zepter übernehmen und die notwendigen Entscheidungen treffen musste.[5]
Die literarischen und geschichtlichen Aufzeichnungen ließen Richard und Marie-Antoinette über Jahrhunderte in keinem guten Licht erscheinen, ja, man kann sagen, es wurde kein gutes Haar an ihnen gelassen. In beiden Fällen wird das harsche geschichtliche Urteil mittlerweile von der neueren Literatur zaghaft hinterfragt, dennoch bleibt es in den Köpfen der Allgemeinheit bestehen. Und dabei könnte man es belassen, wären da nicht die Kunstwerke. Denn beiden war auch ein exquisiter, innovationsfreudiger Kunstsinn gemeinsam, welcher sich unter anderem in einer Reihe von Portraits zeigt, in denen sie sich in Szene setzten und damit der Nachwelt als Auftragsgeber wertvolle künstlerische Neuerungen bescherten. Diese von ihnen mitgeprägten Werke, zeigen Aspekte ihrer Persönlichkeit und ihres Wirkens, die für sich sprechen und sich somit der Vereinnahmung von außen entziehen. Mit diesen Portraits hinterließen uns die beiden Monarchen ein persönliches Andenken. Dieses will ich exemplarisch anhand von jeweils zwei Portraits veranschaulichen, die uns Richard II. und Marie-Antoinette und deren Auffassung von Königtum quasi aus erster Hand näher bringen: das Westminster-Portrait und das Wilton Diptychon von Richard II. und zwei von Elisabeth Vigée-Lebrun gemalte Portraits von Marie-Antoinette (Marie-Antoinette en Chemise und Marie-Antoinette et ses Enfants).[6]
Herrscherbilder haben eine klare Funktion, die über eine bloße Abbildung weit hinausgeht. Sie sollen den König oder die Königin in ihrem heiligen Auserwähltsein widerspiegeln und so durch göttliche Legitimation über den Normalsterblichen erheben. Sie haben also die Macht, diese in ihrem Amt zu bestätigen oder aber zu schwächen. Am Beispiel dieser beiden jungen Monarchen soll eine Gegensätzlichkeit aufgezeigt werden, die zu einem ähnlich tragischen Ende führte, wenngleich beide in ihrer Vorgehensweise und ihren Motiven unterschiedlicher nicht sein könnten. Richard II. war einem heiligen Königtum zutiefst verbunden und scheiterte letztendlich an dem Versuch, diese sakrale Amtsauffassung im kämpferischen England zu etablieren. Ganz im Gegensatz dazu widersetzte sich die junge, an den lockeren Umgang am Wiener Hof gewöhnte Marie-Antoinette der Etikette und den Gepflogenheiten am altehrwürdigen französischen Hof und negierte die Pflichten ihres Amtes, was sich auch in ihrer Bildkultur widerspiegelte. Diese Arbeit soll aufzeigen, dass die junge Königin damit die Büchse der Pandora öffnete. Beide Monarchen ereilte am Ende ein ähnliches Schicksal und die Bilder hatten, wie ich aufzeigen werde, ihren Part in dieser Entwicklung, ob sie nun aus purer Notwendigkeit dem Amt gegenüber, aus Kalkül oder Eitelkeit, aus Machtbedürfnis oder auch einfach aus sorgloser Nonchalance entstanden waren.
Bilder - vor allem Herrscherportraits – haben eine Macht.[7] In stürmischen Zeiten des Umbruchs, wie wir sie in beiden Fällen vorfinden, kann diese als Zünglein auf der Waage auf die Geschehnisse einwirken. Dasselbe Bild, das den Monarchen zunächst erhöht, kann ihn anschließend zu Fall bringen, ihm aber wiederum im Laufe der Geschichte auch seine Ehre retten. Im Interessenskampf der Festigung, bzw. der Abschaffung der absoluten Monarchie, bedienten sich sowohl das königliche als auch das parlamentarische Lager der Macht der Bilder und setzten sie für ihre Zwecke ein. Wie dieses bildliche Erbe zu bewerten ist, ob es den Dargestellten eher gedient oder geschadet hat, soll hier ebenfalls Thema sein. Denn wie Aby Warburg einst hervorhob, sind Bilder nicht „nur passiv, sondern stets auch gegenüber dem Betrachter handelnde Objekte”.[8]
Diese Portraits dienen uns, indem sie eine direkte, unverfälschte Sprache sprechen, auch als Zeitzeugen, die den Betroffenen eine Art posthume Stimme verleihen. Denn diese Werke waren am Ort des Geschehens anwesend und haben dieses mit beeinflusst. Sie waren Teil einer Inszenierung und hatten ihren Part darin, sei es in einem Nebenschauplatz oder gar als Hauptakteur mitten im Zentrum. Ob im bahnbrechenden Schaffensdrang auf dem Weg nach oben, im opulenten Erfolgsrausch auf dem Zenit oder aber in der wehmütigen Ahnung des nahenden Abgesangs entstanden: Bilder spiegeln die Möglichkeiten und Grenzen ihrer Entstehungsumstände wieder. Die Motive oder Personen sind in den Bildern nicht nur passiv abgebildet, sie entfalten eine aktive Wirkkraft, die oft erst durch ihr Nachleben im Laufe der Zeit in vollem Ausmaß sichtbar wird, so Warburg.[9] Sie können also direkt Zeugnis ablegen über das Geschehen, über die Person und deren Wirken, welche mit der Geschichte, die ja bekanntlich von den Siegern geschrieben wird, oft nicht konform geht.[10] Historische und literarische Aufzeichnungen können uns als Indizien dienen, sind aber durch die geschichtliche Brisanz – gerade in diesen beiden Fällen - auch kritisch zu hinterfragen. Selbst in der scheinbar objektiven wissenschaftlichen Forschung finden sich Subjektivismen: durch Nichtbeachtung, indem Aussagen und Personen in einem einseitigen Licht gesehen und analysiert werden, oder aber, indem dieselbe Sichtweise immer und immer wieder wiederholt und weitergegeben wird, bis sie sich als scheinbare Tatsache festgesetzt hat und gar nicht mehr hinterfragt wird.
Die vier ausgesuchten Bildbeispiele liefern uns schlüssige Hinweise aus erster Hand, interessieren uns also nicht nur in ihrer posthumen Bedeutung, quasi als Nachlass der Betroffenen, sondern fungieren vielmehr, neben den beiden königlichen Repräsentanten, um die es hier geht, als wesentliche Hauptfiguren dieser Arbeit. Bei Richard II. können wir davon ausgehen, dass er seine Bildkonzeption weitgehend im Alleingang entwickelte, bzw. mit einem uns unbekannten Künstler[11], während der Entstehungspozess im Fall Marie-Antoinettes wohl ein synergetischer Austausch zwischen zwei ungewöhnlichen avantgardistischen Frauen war, weswegen hier eine weitere handelnde Person hinzukommt: Elisabeth Vigée-Lebrun, die Portraitistin der Königin.[12] Aufgabe dieser Arbeit wird es also sein, die Rolle der Bilder im jeweiligen Zeitgeschehen zu untersuchen und vielleicht bislang Verborgenes über die beiden Abgebildeten und ihr Amt ans Licht zu bringen.
Angesichts der vielen Zeitabschnitte und noch mehr Protagonisten, werde ich Beschreibung und Forschungsstand in ihrem jeweiligen Kontext integrieren, um den Lesefluss zu erhalten. Informationen zu Herrscherbild und Königtum sollen, soweit sie thematisch relevant sind, ebenso mit hineinfließen wie Erkenntnisse aus der Bildwissenschaft und der Rezeptionsästhetik.[13]
1.1. Hofkultur und Herrscherbild im Kontext
Für die Herausbildung einer Hofkultur im späten Mittelalter war eine Niederlassung in einem administrativ-geführten Zentrum Voraussetzung.[14] An diesem königlichen Hof wurden feierliche Audienzen und Hoftage abgehalten, sowie inszenierte Huldigungen und Belehnungen, welche eine emotionale und de facto Anbindung der Adligen an die königliche Macht etablieren sollten.[15] Das Hofzeremoniell folgte genau festgelegten Spielregeln und enthielt unausgesprochene Botschaften, welche von der Zeremonialgeschichte und der noch relativ jungen Residenzen-Forschung untersucht werden.[16] Bilder, insbesondere Herrschaftsportraits, hatten dabei einen wichtigen Part, der weniger in der akkuraten Wiedergabe des Herrschers lag, als vielmehr in der Präsentation eines Idealbildes voller Zeichen, Symbole und Botschaften, welche von den Zeitgenossen verstanden wurden, die wir hingegen erst entschlüsseln müssen.[17]
Von beiden Monarchen existieren zahlreiche Portraits. Dies mag aus heutiger Sicht als Beweis für deren ausgeprägten Hang zur Selbstdarstellung gedeutet werden, war aber ein wesentlicher Bestandteil des königlichen Amts und unerlässlich für die dynastische Weitergabe und Festigung des herrschaftlichen Anspruchs. Denn der Herrscher verewigt sich nicht nur durch seine Taten, er tut dies auch durch die Kunstwerke, denen er seinen persönlichen Stempel aufdrückt. Als Verlängerung seiner Person und seines Amtes hinterlässt er der Nachwelt diese als persönliches Erbe. Die Erinnerungskultur hatte im Mittelalter eine hohe gesellschaftliche Bedeutung. Durch Abbildungen, Namensnennung oder andere identifizierende Elemente wie Inschriften, Wappen oder Embleme sollte die Memoria der Person, ihrer Taten und ihres Amtes erhalten bleiben.
Richards Konterfei finden wir auf diversen Miniaturen, Münzen oder Siegeln, die für unser Thema jedoch nicht aussagekräftig sind, da es meist schablonierte Kopien nach bereits vorhandenen Vorlagen sind, bei denen der Monarch selbst nicht zugegen war.[18] Es sind uns drei großformatige Portraits bekannt, die seine Regentschaft überlebt haben: Das Westminster Portrait, Das Wilton Diptychon und als Plastik die bronzene Grablege in Westminster Abbey, die hier aber nicht Thema ist.[19]
Von Marie-Antoinette sind in einem Zeitraum von sechs Jahren ab 1778 insgesamt 30 Portraits von der Malerin Elisabeth Vigée-Lebrun entstanden. Davon werden hier zwei besonders Aussagekräftige exemplarisch behandelt: Marie-Antoinette en Chemise und Marie-Antoinette et ses Enfants.
Unser neuzeitlicher Blick unterscheidet nicht zwischen der privaten Person des Königs und seinem königlichen Amt. Ernst Kantorowicz erforschte 1957 in seiner Studie The King’s Two Bodies. A Study in Mediaeval Political Theology (Die zwei Körper des Königs. Eine Studie zur politischen Theologie des Mittelalters) die Trennung zwischen dem politisch-herrschaftlichen Staatskörper und dem individuellen Körper, also zwischen dem Amt und der Privatperson des Königs.[20] Daran anknüpfend fügte Kristin Marek einen dritten, heiligen Königskörper hinzu, den bereits Marc Bloch in seinem Buch Les rois thaumaturges (Die wundertätigen Könige) thematisiert hatte.[21]
Diesen drei Körpern soll hier ein Vierter hinzugefügt werden, dem sich vor allem Aby Warburg immer wieder gewidmet hat und der für das Thema dieser Arbeit wesentlich ist. Die Rede ist von dem unsichtbaren Körper, der aus der Memoria, aus der Überlieferung gewebt wird und sich im Laufe der Jahre immer weiter verdichtet und sich durch Gerüchte, Geschichten und Spekulationen zu einem sehr mächtigen Gebilde formieren kann, welches zunehmend ein Eigenleben entwickelt.[22] Denn neben den real existierenden äußeren Formen, verdichten sich Bilder in den Köpfen der Menschen als innere Bilder und entwickeln sich somit weiter, bis sie ein kollektives Eigenleben erhalten, deren Nachhall, wie Aby Warburg es nannte, wir bis heute erleben.[23] Solche Werke, die im Laufe der Jahrhunderte eine Zeitreise als Trägermedium erfahren, bezeichnete Warburg als Bilderfahrzeuge, was impliziert, dass sie nicht nur den ihnen innewohnenden Inhalt transportieren, sondern im Extremfall als Hülle fungieren, auf die jeder seine eigenen Vorstellungen projiziert.[24] So zogen z. B. die Werke Raphaels das gesamte Spektrum menschlicher Gefühle an: bis ins 19. Jahrhundert hinein galt Raphael als größter Maler aller Zeiten, von seinen Bewunderern sogar als Il divino (der Göttliche) bezeichnet und seine Sixtinische Madonna war die ruhige Reinheit in Person, die Intellektuellen und expressionistischen Maler hatten mit ihrem kritischen Blick der Moderne ganz andere Worte für sie.[25]
Die Präsenz der beiden Monarchen in den vier Körpern soll hier an besagten Werken veranschaulicht werden, jeweils an einem intimen und einem, das eher repräsentativen Zwecken, also dem Amt, dient. Das Westminster-Portrait und Marie Antoinette et ses Enfants fallen als offizielle Staatsportraits unter die Rubrik politischer Körper, wohingegen Marie-Antoinette en Chemise die französische Königin ganz privat wie eine Bürgerin zeigt und somit in die Kategorie natürlicher Körper einzureihen ist. Das Wilton Diptychon wiederum stellt Richard II. in einen sehr komplexen historischen und mystischen Kontext, der den Forschern allerlei Rätsel aufgibt und bislang nur teilweise geklärt werden konnte. Meine Zuordnung dieses kryptischen Werks in die Kategorie heiliger Körper soll den Raum hinter dem Bildraum öffnen und somit eine erweiterte Sichtweise ermöglichen. Das Konzept der unterschiedlichen Körper veranschaulicht die persönliche oder königliche Präsenz in den Bildkörpern, deren rituelle Verstärkung durch ihre Einbindung in eine höfische Inszenierung und die mögliche Entwicklung eines Eigenlebens, das den ursprünglichen Intentionen vielleicht längst entfremdet ist. Denn die offensichtlichen und verborgenen Botschaften der Bilder wurden mitunter durch gezielte Stimmungsmache verstärkt oder verdreht, was deren Rolle im brisanten Zeitgeschehen offenbart. Diese einmal überlieferten Sichtweisen halten sich zum Teil hartnäckig bis heute. Dies liegt nicht zuletzt an unserem aufgeklärt-intellektuellen Blick, der eine vorurteilsfreie Sichtweise, vor allem auf eine privilegierte Gesellschaftsform und auf ein royales Selbstverständnis sehr erschwert. Die Wahrheit, wenn es sie denn in den Wirrnissen der Geschichte geben kann, ist in den uns überlieferten Bildern verborgen, liegt aber dennoch im Auge des Betrachters, das demnach besonders wachsam schauen sollte. Dafür ist der kulturhistorische Kontext wichtig, in den das Bild und die handelnden Personen eingebunden waren, dem ich mich hier annähern möchte. Anhand der ausgesuchten Bildbeispiele werde ich der Politik der Zeichen nachgehen, die sich sowohl in den Kunstwerken selbst, als auch in den höfischen Handlungsabläufen finden, in welchen die Bildwerke eingebunden waren. Dabei wird es themengemäß weniger um Stilanalysen und künstlerische Finessen gehen, - auch wenn diese herausragend sein mögen - als um deren Bildaussage, gesellschaftspolitische Bedeutung und Auswirkung auf das Geschehen.[26] Nur da, wo die Qualität– wie im Fall des Wilton Diptychons – von seiner inhaltlichen Aussage nicht zu trennen ist, soll sie Gegenstand der Betrachtung sein. Dennoch wird der Fokus bei beiden Monarchen unterschiedlich sein: Im Falle Richards II. geht die Forschung mittlerweile davon aus, dass er seine Portraits inhaltlich selbst konzipiert oder zumindest stark mitgeprägt hat.[27] Eine genauere ikonographische Aufschlüsselung im Vergleich zur vorhandenen Kunstlandschaft soll deren Innovationen und somit Richards aktiv betriebene Kunstpolitik aufzeigen. Die Rolle von Marie-Antoinette im künstlerischen Schaffensprozess dürfte im Vergleich eine eher passive gewesen sein, im Sinne, als dass sie sich als Muse und Modell für die Künstlerin Vigée-Lebrun zur Verfügung stellte. Ihre aktive Rolle bestand aber sehr wohl darin, diesen Bildern Kraft ihres Amtes und ihrer Persönlichkeit eine Bühne zu ermöglichen, was durchaus Mut erforderte. Deshalb liegt das Augenmerk hier vor allem auf der Bildaussage, deren psychologische Wirkung und die sich daraus ergebenden Konsequenzen. In beiden Fällen ist es die Frage nach den dahinterliegenden Motiven, die besonders interessiert, also welche Botschaft beide Monarchen mit ihrer Bildpolitik aussandten.
1.2. Sakrales Königtum im Bilde
Um das Thema dieser Arbeit in der Tiefe zu erfassen, braucht es ein Verständnis jenes heiligen Königtums, das eine wesentliche Grundlage sowohl der angelsächsischen als auch der französischen Weltordnung bis zur französischen Revolution bildete, uns aus heutiger säkularisierter Sicht aber fremd ist.[28] Das Sakrale Königtum beruht auf einem frühmittelalterlichen Heilsgedanken, wonach der königliche Herrscher mit Wunderkräften ausgestattet ist und direkt und ohne Mittler im Dienste Gottes stand.[29] Dieses von Gott legitimierte Königtum geht auf die frühen Anfänge Englands und deren northumbrischen Könige Edwin und Oswald zurück, sowie dem Einfall der Nordmänner, welche den Wodanskult um die drei skandinavischen Könige Olaf von Norwegen, Knut von Dänemark und Erich von Schweden nach England brachten. Die Würdigung der „im Kampf mit den Heiden gefallenen königlichen Märtyrer” vereinte schließlich die beiden verfeindeten Lager - die heidnischen Nordmänner mit ihrem unerschütterlichen Glauben an Thor und die angelsächsischen Christen- so ist es zumindest überliefert.[30] In Ermangelung schriftlicher Aufzeichnungen (vor allem auf Seiten der Skandinavier), bleibt hier allerdings einiges im spekulativen Bereich. Es ist aber davon auszugehen, daß Elemente der skandinavischen Königsverehrung sich mit den christlichen Ritualen durchmischten und so in die gemeinsame Kulturlandschaft einflossen.[31] Der Heiligenverehrung der Märtyrerkönige Edmund der Märtyrer (9. Jahrhundert) und Edward der Bekenner (11. Jahrhundert) begegnen wir im Wilton Diptychon wieder, wo sie eine für die Bildaussage tragende, symbolträchtige Rolle einnimmt, weswegen diese Geschichte aus den Anfängen des englischen Reichs und einer gemeinsamen Herrschergeneologie hier Erwähnung findet.[32] Über zahlreiche Eroberungen und kulturelle Wechselwirkungen zwischen Skandinavien, Frankreich und England entwickelten sich im Laufe mehrerer Jahrhunderte wesentliche Elemente aus diesen Anfängen zu einem heiligen, mittlerweile christlichen Großkönigtum kontinentaler Prägung, das bis in die frühe Neuzeit hinein wirkt.[33] Ein wesentlicher Bestandteil für die Wahrung der göttlichen Ordnung im alltäglichen Leben ist demnach die priestergleiche Stellung, die den König in der Folge zu einem Stellvertreter der himmlischen Instanz auf Erden machte:
„Dem Amt des Königs lag ein metaphysischer Gehalt zugrunde, der auf sakralen Grundlagen wie der Königskrönung beruhen. Diese ist eine kirchlich-sakrale Weihe mit Krönungseid und gipfelt im Gottesgnadentum. In England ergab sich daraus seit dem 12. Jh. die Gabe zu heilen.“[34]
Richard II. nahm diese göttliche Mission und die „Aufladung des Somas des Königs als Mitglied einer geheiligten Abstammungsgemeinschaft und als einer individuell geheiligten Person“ offensichtlich sehr ernst.[35]
Ab dem 13. Jahrhundert tauchte in der Umkehr zum unantastbaren, wunderheilenden König der rex inutilis, der unnötige, unheilbringende König auf, der verjagt werden oder anders unschädlich gemacht werden musste, um die gestörte Ordnung wieder herzustellen.[36] Die Widersacher Richards aus dem Lancaster-Lager bedienten sich dieser Argumentation des menschlichen Versagens, indem sie den body natural des Königs desavouierten. (Dieses Gelingen erscheint umso unverständlicher, als daß England sich im wirtschaftlichen Aufschwung befand.) Um allerdings die Tötung eines gesalbten Königs zu rechtfertigen, bedurfte es eines größeren Vergehens, eines, das den body politic beschädigte.[37] Johannes von Salisbury hatte 1159 Policraticus, einen englischen Fürstenspiegel veröffentlicht, der als erste große Staatstheorie des Mittelalters gilt: darin sieht er den Tyrannenmord als ultimo ratio gegen den tyrannus quoad exercitionem (dem ungerechten Herrscher), insbesonders im Falle einer Verletzung des gegenseitigen Treuebündnisses, gerechtfertigt.[38] Genau einen solchen Verrat hatte Henry Bolingbroke durch seinen königlichen Cousin 1387 erfahren, als dieser ihn verbannt und seiner Besitztümer beraubt hatte, wodurch sich ersterer sicherlich in seinem späteren Handeln legitimiert sah.[39]
Die königliche Unantastbarkeit, bzw. im Umkehrschluss die König-Werdung als reversibler Prozess spielt hier eine wichtige Rolle.[40] Ist der Geist erst einmal aus der Flasche, bekommt die Ein- und Absetzung von Königen also eine Beliebigkeit, so kann es zu einem regelrechten Verschleiß kommen, wie ihn England im Verlauf der Rosenkriege erlebte.[41]
„Man kann einen Menschen zum König machen? Nun, dann ist nichts so natürlich wie die Tatsache, dass man ihn auch wieder in den Zustand des Normalmenschen zurückbefördern kann.“[42]
Aufgabe des Königs war vor allem die Heerführung zur Landverteidigung/-gewinnung und zur Sicherung des Friedens. Die Suche nach dem Schuldigen im Fall von Glücksverlust entspringt einem zutiefst menschlichen Bedürfnis nach emotionaler Entladung und der König als irdische Anlaufstelle Gottes, als Verantwortlicher auf Erden, auf dem alle Hoffnung ruht, bietet sich hierfür förmlich an. Sobald sich Unmut breit macht, verkehrt sich der kindliche Glaube an eine königliche Allheilmacht mit aller Wucht in sein Gegenteil. Im selben Maße, wie das Subjekt der Erwartung zunächst erhöht wird, muss es im Falle einer Enttäuschung dieses Anspruchs als Sündenbock herhalten, an dem sich der Volkszorn entlädt. Dieser Stellvertreter-Mechanismus, der auf tiefliegenden religiös-psychologischen Dynamiken beruht, wurde in Bezug auf das Sakrale Königtum von René Girard untersucht und von Wolfgang Palaver folgendermaßen verdeutlicht:
„Spontan nehmen wir an, dass sich im Königtum genau das Gegenteil eines Sündenbocks zeigt. Im König symbolisiere sich die oberste politische und meist auch religiöse Macht, während der Sündenbock als Ausgestoßener oder Getöteter den untersten Rang innerhalb der menschlichen Gemeinschaft einnehme. Gibt es einen größeren Unterschied als den zwischen König und ausgestoßenem Opfer? Diese spontane Einschätzung bleibt aber zu oberflächlich.“[43]
Das Königliche als Element der Verehrung steht demnach in direktem Zusammenhang mit seiner zukünftigen Opferung. In Girards Auffassung wird dem König die Macht vom Volk quasi nur gestundet, also vorübergehend gewährt und kann jederzeit wieder entzogen werden, wenn Gottes Segen es sich anders überlegt und zum Nächsten weiterwandert.
„Der König regiert nur kraft seines künftigen Todes; er ist nichts anderes als ein Opfer, ein zum Tode Verurteilter, der seiner Hinrichtung harrt.“[44]
Diese Sichtweise mag dem modernen Menschen äußerst befremdlich erscheinen:
„Das Element der Opferung kann soweit an den Rand gedrückt werden und verschwinden, bis wir es mit einer modernen Form der politischen Souveränität zu tun haben, die den Zusammenhang mit dem Sündenbockmechanismus kaum mehr erkennen lässt und die für unser anfängliches Erstaunen über den Zusammenhang von Königtum und Sündenbockmechanismus verantwortlich ist.“[45]
Tatsächlich aber ist diese Dynamik auch heute noch aktiv. Für ein Verständnis der Geschehnisse um die Französische Revolution ist sie unerlässlich. Das Schicksal Marie-Antoinettes erschließt sich uns nur, wenn wir den Zusammenhang von Sakralem Königtum, Sündenbock und Opferung des Königlichen verstehen. Die Opferung eines Stellvertreters dient dazu, den Frieden innerhalb der Gemeinschaft wieder herzustellen und so das Überleben der Allgemeinheit zu sichern. Um die Eindeutigkeit des Sündenbocks als Verursacher der Krise zu gewährleisten, also Ambivalenzen, Grauzonen oder Zweifel erst gar nicht aufkommen zu lassen, muss immer ein Teil der Wahrheit ausgeklammert oder verschleiert werden:
„Im Sündenbockmechanismus ist das Opfer von einer doppelten Übertragung betroffen. Es gilt einerseits als absolut böse, d. h. als Verursacher der Krise, wird andererseits als absolut gut, d. h. als Friedensstifter, erfahren. Diese beiden sich widersprüchlichen Momente können vom religiösen Denken nicht in seiner vollen Janusköpfigkeit nachgeahmt werden, denn dadurch würden bloß wieder Verwirrung und Instabilität ins Spiel kommen, die dem eigentlichen Ziel des religiösen Denkens - klare Ordnung, feste Differenzen und Harmonie – entgegen stehen.“[46]
Der königliche Nimbus weitete sich auch auf Gegenstände aus, wofür sich Bilder auf Grund ihrer starken symbolischen Aussagekraft und ihrer unmittelbaren Anschaulichkeit besonders gut eigneten.[47] Das Phänomen der Idiolatrie, aber auch im Gegenzug dazu der Ikonoklasmus zeigt, welches Ausmaß dieser Heilsglaube annehmen kann. Bei letzterem werden Bilder stellvertretend für eine Instanz, einen Glauben oder eine Person zu einem Objekt des Hasses, das zerstört werden muss.[48]
Warburg sah als erster in den Bildern nicht nur einen abgebildeten Gegenstand, sondern lebendige Wesen, die dem Betrachter auch etwas antun können:[49]
“In Warburgs Denken sind Bilder niemals passiv, sondern stets gegenüber dem Betrachter handelnde Objekte.”[50]
Bilder haben demnach die Macht, den Betrachter zu “verunsichern” oder gar zu “ängstigen”.[51]
Im Fall Marie-Antoinettes können wir davon ausgehen, dass sich die Königin durch die freizügigen Portraits förmlich für die Rolle des Sündenbocks anbot.
Das Phänomen der Zusammenrottung Aller gegen Einen macht das Objekt nun zum Sinnbild des Hasses, auf das sich der geballte Volkszorn richtet und so jegliches Vorgehen rechtfertigt.[52] Der Rachefeldzug steigerte sich bei Marie-Antoinette bis zum Lynch Mob . Hierfür braucht es eine bereits zuvor erfolgte Überschreitung einer Schamgrenze im Geiste: eine solche wurde über Spottverse und Karikaturen erprobt und die freizügigen Portraits stellen für dieses Überschreiten, wie ich aufzeigen werde, eine weitere Einladung dar.
1.3. Richard II. und Marie-Antoinette: Zwei Stiefkinder der Geschichte
Sowohl Richard als auch Marie-Antoinette fanden sich bereits in sehr jungen Jahren unmittelbar, also ohne darauf vorbereitet zu sein, auf einem sehr mächtigen Thron wieder - ohne ihr Zutun - vielleicht sogar gegen ihren Willen, vom Schicksal dazu bestimmt: Richard II. durch den unerwarteten Tod seines Vaters, des Schwarzen Prinzen, Marie-Antoinette durch die Heiratspolitik ihrer Mutter Maria-Theresia. Beide stammten, im Vergleich zu ihrem Herrscherland, aus einem gänzlich anderen kulturellen Hintergrund. Marie-Antoinette verlebte am Wiener Hof eine unbeschwerte Kindheit mit vergleichsweise lockeren Gepflogenheiten, Richard II. fühlte sich dem kultivierten Ursprungsland der Plantagenets, Frankreich, zugehörig, daß für ihn stets Vorbildfunktion hatte. Beide Monarchen hatten ihr Amt jeweils in einer äußerst instabilen und brisanten Zeit inne, was in beiden Fällen zu einem fundamentalen Umbruch und zur Errichtung einer konstitutionellen Monarchie führte (diese erodierte in Frankreich im Zuge des Radikalisierungsprozesses 1793 zu einer Revolutionsdiktatur). Ihre Herkunft bescherte den beiden eine fast aussichtslose Ausgangsposition, die es ihnen erschwerte, das Vertrauen ihres Volkes zu gewinnen. Richard II., indem er einer französischen Dynastie entstammte, mit der er offen sympathisierte, während sein Land sich im Krieg gegen die Franzosen befand und Marie-Antoinette aus dem österreichischen Habsburger-Feindesland, der man am Höhepunkt der Eskalation sogar Spionage unterstellte.[53] Ein wichtiger Punkt in der dramatischen Entwicklung scheint mir der Umstand zu sein, dass sich beide nicht mit der ihnen zugedachten Rolle der stillen Unterwürfigkeit unter der Hand von mächtigen Beratern begnügten, sondern stattdessen ihre eigenen Vorstellungen und Vorlieben durchsetzen. In den Augen ihrer Zeitgenossen bedeutete das, dass sie ihren Platz nicht kannten oder schlimmer noch: sie akzeptierten ihn nicht. Sie wollten offensichtlich einen Unterschied machen, Dinge verändern und nach eigenem Willen gestalten, der Welt einen eigenen Stempel aufdrücken und somit ihrem Amt (Richard) oder ihrem inneren Sein (Marie-Antoinette) auf unverwechselbare Weise Ausdruck verleihen. Dies taten sie durch ihren Lebensstil, ihren exquisiten Geschmack, ihren Sinn für Eleganz und vor allem durch die Kunstwerke, die ihre Schönheit, ihre Außergewöhnlichkeit und ihre Erhabenheit widerspiegeln sollten.
In einer Zeit der Unruhe, im Fall Marie-Antoinettes gar der Not und des Hungers schwelgten beide in offensichtlicher Opulenz, zelebrierten ungehemmt ihre feingeistigen und kostspieligen Vorlieben und brachten damit ihre Widersacher und das Volk gegen sich auf.
Beide waren sie jung und unerfahren, hatten machtvolle Gegner, die sich im entscheidenden Moment gegen sie wandten und die Macht an sich rissen. Diese Dynamik sollte den beiden jungen Herrschern zum Verhängnis werden. In einer Zeit, da der Glaube an den göttlichen Ursprung von königlicher Macht ins Wanken geriet, verwandelten sich die Signalwirkung des royalen Purpurs und die königliche Inszenierung in eine Gefahr. Auch die Aussage und Funktion der Bilder verkehrten sich im Zuge des jeweiligen Machtwechsels in ihr Gegenteil. Wohnte ihnen zunächst eine übermächtige Kraft inne, so wurden sie in der Folge zur verhassten Manifestation von Hoffart, Macht und Überhöhung, die es zu bekämpfen oder gar zu vernichten galt. Die königliche Aura der Dargestellten war in beiden Fällen einem schleichenden, aber zunehmenden Zersetzungsprozess ausgesetzt, der mit der ihnen anhaftenden Reputation zu tun hatte. Der unangenehme, für keine Nation akzeptable Geruch des Scheiterns klebte an beiden Regenten und so hatten sie zunehmend die Rolle von ungeliebten, aber notgedrungen geduldeten Kindern inne, die man weder anerkennen noch ganz verleugnen kann. Als unrühmliches Kapitel der Geschichte, das gerne unter den Teppich gekehrt worden wäre, schämte man sich ihrer und verleugnete sie, um eine eventuelle Schuldfrage gar nicht erst aufkommen zu lassen. Die Geschichte ging dementsprechend mit beiden nicht gerade zimperlich um und die Nachwelt tendiert dazu, die einmal geformte Meinung kritiklos zu übernehmen.[54] Einige Diffamierungen sind längst entlarvt, halten sich aber - nicht zuletzt durch ihre griffige Polemik - hartnäckig im Volksbewusstsein, so wie der vermeintliche Kuchenspruch von Marie-Antoinette, der im schulischen Alltag nach wie vor gelehrt wird, ja, sogar Kunststudenten als Beweis für die charakterliche Unzulänglichkeit Marie-Antoinettes dient, wie selbst bei einem Vortrag erfahren.[55] Richard II. verschwand mehr oder weniger im geschichtlichen schwarzen Loch des Vergessens oder aber teilte mit Marie-Antoinette den negativen geschichtlichen Leumund, den seine Nachfolger naturgemäß schürten.
Im nationalen Geschehen kann eine solche Sichtweise zu einem regelrechten Dogma werden, eine Art Tabu, an dem niemand rütteln darf. Eine kleine Episode im Zuge der Recherchen zu dieser Arbeit zeigt, wie sehr die einmal gesetzte Intention, die Erinnerungskultur dieses Königs für die Nachwelt auszulöschen, in der Fachwelt und in Englands Bevölkerung nach wie vor wirksam ist: Eine kunstgeschichtliche Führung durch die Gräber von Westminster Abbey wurde kurz vor der Doppelgrablege von Richard und Anna von Böhmen mit den Worten abgebrochen: “Dieser König ist nicht wichtig und hat England nur geschadet.” (so geschehen bei einem Besuch der Verfasserin dieser Arbeit im Oktober 2016).
Tatsache ist, beide Monarchen mussten ihren königlichen Rang in jungen Jahren gegen den Tod eintauschen und beide haben durch mächtige Widersacher nicht nur Amt und Leben, sondern auch ihre Reputation verloren.
2. Richard II.: Der höchste Anspruch soll des Königs sein!
Richard II., letzter König aus der französischstämmigen Dynastie der Anjou-Plantagenet war von 1377 bis zu seiner gewaltsamen Absetzung im Jahre 1399 durch seinen Cousin Henry Bolingbroke, König von England. Am 14. Februar 1400, mit nur dreiunddreißig Jahren, verstarb er unter unklaren Umständen in Gefangenschaft auf Schloss Pontefract, Yorkshire.[56] Auch die genauen Hintergründe seiner Amtsenthebung bleiben bis heute ungeklärt.
Die scheinbare Rechtmäßigkeit des Vorgangs wurde aufwendig und minutiös demonstriert, sowohl zur Zeit des Geschehens selbst, als auch posthum im Zuge der York-, Lancaster- und Tudornachfolge.[57] (Ob dieser Anschein einer kritischen Hinterfragung standhält, bleibt aber fraglich.)[58]
Die Abdankungsszene Richard II. wird in den Aufzeichnungen des zeitgenössischen Chronisten Jean Froissart als sehr würdevoll und friedlich beschrieben.[59] Nun kann Froissart wohl als der Choreograph des Ritter- und Königtums gesehen werden und es war ihm mit Sicherheit nicht daran gelegen, sich mit seiner Klientel anzulegen, weswegen dieser doch sehr glatte – und vielleicht auch geschönte Bericht - mit Skepsis betrachtet werden muss.[60] In England gilt der glücklos endende Monarch in der geschichtlichen wie literarischen Überlieferung als gescheitert, während er in Frankreich höchstes Ansehen genießt:
„Französische Pamphletisten geißelten in den folgenden Jahrzehnten die Engländer oft als »Königsmörder«.[61]
Vor allem in der englischen Geschichtsschreibung wurde der Ruf Richards systematisch diskreditiert, indem er als krankhaft egomanischer, unzurechnungsfähiger Tyrann beschrieben wird.[62] Für seine adeligen Widersacher dürfte er ein unbequemer Regent gewesen sein, der seine eigenen Vorstellungen hatte:[63]
„(...) the Lancastrian deposition articles complained in 1399 that Richard II would not accept advice in Council, sharply censuring those who attempted to give it (...) the issue of counsel was especially important to the king´s oppents for the public dimension it possessed, introducing questions of national interest.“[64]
Obwohl Richard seine ersten Jahre in Aquitanien, Frankreich verbrachte, war er vermutlich der erste englische König aus dem Haus Plantagenet, der Englisch als Muttersprache sprach:
“Educated in a European style for the first four years of his life, Richard would bring a new sense of class and civility to the English throne. He probably spoke French first and foremost but also learnt English, the language that was rapidly becoming the main tongue of the English nobility.”[65]
Nach dem unerwarteten Tod seines Vaters, dem legendären schwarzen Prinzen, wurde Richard trotz umstrittener Thronfolge König von England. Die posthume Verfügung seines mächtigen verstorbenen Großvaters, König Edward III. und der königliche Rat unter seinem Onkel, John von Gaunt, ermöglichten dem Zehnjährigen die Thronbesteigung. Mit vierzehn bewältigte er seine erste schwere Krise, den Bauernaufstand (Peasants Revolt) durch mutige Verhandlungen, wie es heißt. Einige von Richards engen Beratern wurden damals erschlagen und auch das Leben des Königs war angeblich bedroht.[66] Richard erzielte anfangs durchaus diplomatische und militärische Erfolge, die das Ansehen des jungen Königs zunächst stärkten.
Die Geschicke von Frankreich und England waren trotz kriegerischer Entzweiung durch dynastische und territoriale Verflechtungen und durch Heiratsverbindungen eng aneinander gekoppelt.
So heiratete Richard 1382 Anna von Böhmen, die Tochter von Kaiser Karl IV., dem wohl mächtigsten Herrscher jener Zeit, und es war offenbar eine erfüllte Ehe.[67] Der kunstaffine, mit den europäischen Höfen eng verbundene Schwiegervater, sollte dem jungen Monarchen als großes Vorbild dienen.[68] Die Ehe mit Anna galt selbst bei seinen Widersachern als ausgesprochen innig.[69] Die tiefanhaltenden Gefühle, die der Monarch für seine Ehefrau hegte (er blieb ihr Zeit seines Lebens in Liebe verbunden und hielt ihr Andenken hoch), lässt sich mit seiner später kolportierten charakterlichen und geistigen Verfassung nur schwer vereinbaren, gilt eine solch tiefe Liebesfähigkeit doch gemeinhin als der erste Indikator für eine gesunde Psyche. Aber als Anna von Böhmen 1394 kinderlos starb, versank der junge König in eine tiefe Trauer, von der er sich, wie es heißt, niemals ganz erholte.[70]
Obwohl der stattliche Monarch körperlich durchaus in der Lage gewesen wäre, sich als kriegführender König mit seinem berühmten Großvater zu messen, entschied er sich dagegen. Richard II. war kein Krieger-König. Vielmehr wurde er als friedensaffine Taube wahrgenommen. Er gilt als der englische König, der sich mehr um Frieden als um Krieg bemüht hat, auch das widerspricht dem von ihm überlieferten charakterlichen Bild.[71] Er betrieb eine kluge, frankophile Außenpolitik, die seine Landsleute aber oft vor den Kopf stieß. So traf er sich 1396 mit seinem französischen Gegner Charles VI. zu Friedensverhandlungen. Die Ehe mit dessen Tochter, der siebenjährigen Prinzessin Isabella von Valois, sollte als Teil eines Abkommens einen 28-jährigen Waffenstillstand mit Frankreich garantieren, bescherte dem König aufgrund ihrer Jugend aber ein ernstzunehmendes Problem bezüglich der nicht gegebenen dynastischen Absicherung:[72]
“The crux of Richard's uncertainty and fear derived from the succession and the fact that the 30 year-old king had no heir and had just married a seven year old French princess! Two families possessed strong claims to succeed Richard II (…)”[73]
Doch offensichtlich glaubte der Monarch, für die Regelung seiner Erbfolge noch genügend Zeit zu haben und widmete sich ganz dem künstlerischen Aufschwung, der Literatur, der Musik, und den Vergnügungen. Verfeinerte Sitten, ein luxuriöser Lebensstil und die Förderung der schönen Künste nach dem Vorbild der von ihm so bewunderten französischen Hofkultur waren Charakteristiken des englischen Hofs unter Richard. Die englische Hofkultur erlangte unter seiner Regentschaft eine kulturelle Blüte, wie sie erst wieder am Hof der Tudorkönige möglich sein wird.
Er führte die erste königliche Signatur ein, zelebrierte in der Banketthalle in Westminster Feste mit extravagantem Essgeschirr, verfeinerten Sitten und bestickten Taschentüchern – ein Accessoire, das von ihm erfunden wurde, so heißt es:[74]
“Richard constructed the first royal bathhouse, may well have invented the pocket handkerchief and used a spoon for the first time.”[75]
Die höfische Kunst unter Richard II. beschränkte sich aber keineswegs auf ein bloßes Nachahmen eines französisch-burgundischen Vorbilds.[76] Vielmehr erleben wir die Herausbildung einer eigenständigen, englischen Kunstsprache, die sich von den dominanten französischen Vorbildern emanzipierte: Hier sei vor allem der Beitrag von Malcom Vale zu Burgund und England erwähnt: England: Simple Imitation or Fruitful Reciprocity? in der er die Frage stellt: „Imitierte England Burgund und hatte es das überhaupt nötig? Oder war es umgekehrt oder vielleicht reziprok? “ [77]
Eine wichtige kulturpolitische Zäsur und für die Identitätsbildung eines englischen Nationalgefühls unerlässlich war die Erhebung von Englisch zur Amtssprache. Der große spätmittelalterliche Dichter Geoffrey Chaucer veranschaulicht diesen Wechsel zu Englisch als herrschende Sprache.[78] Für Richard II. war die Kunst auch ein Mittel, sich abzuheben, eine Klarstellung der Klassenunterschiede, ein Statement als geheime Sicherung der in Bedrängnis geratenen Hocharistokratie. Die höfische Repräsentation – und damit die Kunstpolitik – richtete sich zu jener Zeit in erster Linie an die adeligen Standesgenossen und nicht an die Untertanen im eigenen Territorium.[79] Keine Frage: wichtig war, sich das Beste und Edelste leisten zu können und dies auch zu zeigen.[80]
Richards personelle Machtstruktur zwischen den Interessen von Parlament und Hochadel sollte Zeit seiner Regentschaft äußerst problematisch und fragil bleiben, gespickt von Intrigen, Demütigungen und versteckten oder offenen Attacken, die sich 1387 in einer offenen Auseinandersetzung mit seinen Abgeordneten im Lords Appellant Strike entluden:
“The ultimate humiliation came with the execution of four of Richard's favourite knights, including the beloved Burley. Richard and his queen had both begged for his life to be spared. For a man like Richard this kind of event, and the humiliation that accompanied it, would never be forgotten.”[81]
Als er mit zweiundzwanzig offiziell volljährig war, setzte er sich gegen die Bevormundung zur Wehr und verübte Vergeltungsakte inklusive Beschlagnahmungen gegen seine Widersacher, wie zum Beispiel gegen den Earl von Arundel oder seinen Cousin Bolingbroke, der ihn später zu Fall bringen und sich als Heinrich IV. die Krone aufsetzen wird. Diese Zeit, vor allem aber das sogenannte Revenge Parliament 1397 ging als Tyrannei Richards II. in die englische Geschichtsschreibung ein, wobei jene damals von Chronisten betrieben wurde, die sich von heutigen Historikern grundlegend unterscheiden.
[...]
[1] Anjou-Plantagenet: 1154 bis 1399 englisches Königshaus in direkter Linie, bis 1485 in den Nebenlinien Lancaster, York und anschließend Tudor. Bedeutendste Dynastie des Mittelalters neben den Kapetingern, Ottonen, Saliern und Staufern. Kapeting/Haus Capet: fränkischstämmiges Adelsgeschlecht, ab dem 13. Jahrhundert Könige von Frankreich, ältestes existierende europäische Herrschergeschlecht
[2] Zur geschichtlichen Situation, siehe u.a. Spieß 2008 und Berg 2003
[3] „The change of king in 1399, though sometimes termed a 'revolution', was in reality, more a coup d'état. There was no great upheaval in society. The ruling élite remained much the same, as only the hard-line Ricardians were sidelined.“ Richard II and the Crisis of Authority by Professor Nigel Saul (Last updated 2011-02-17):
http://www.bbc.co.uk/history/british/middle_ages/richardii_crisis_01.shtml
[4] siehe S. 74
[5] Siehe S. 73
[6] Unbek. Meister: Wilton-Diptychon, um 1395, 2 Tafeln à 45,7 × 29 cm, Tempera auf Eiche, National Gallery, London Unknown Artist: Portrait of Richard II, 1390, 279 × 380, Oil on panel, Westminster Abbey, Elisabeth Vigée-Lebrun: Portrait von Marie-Antoinette en chemise, 1783, Öl auf Leinwand, 89,8 x 72, Privatbesitz Élisabeth Vigée-Lebrun: Marie Antoinette et ses enfants, 1787, Öl auf Leinwand, 104 x 82 cm, Schloss von Versailles
[7] Zur Macht der Bilder, siehe auch Aby Warburg: „Du lebst und tust mir nichts“ Rösch 2010, S. 106
[8] Schneider 2012, S. 114
[9] Rösch 2010, S. 35; Hensel 2011
[10] Zur Frage von Bildern als historische Quellen, siehe u.a: Burke 2010, S. 15
[11] Dillian 2015, S. 40 und S. 109
[12] Elisabeth Vigée-Lebrun (1755 -1842): französische Malerin, Portraitistin des französischen und später des europäischen Adels, dem Klassizismus zugeordnet.
[13] Aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen hervorgegangen, sieht die Bildwissenschaft das Bild als ein Mittel zur Kommunikation mit eigener Wirkkraft. Bildwissenschafter beziehen das Umfeld mit ein, in dem Bilder erzeugt, eingesetzt und wahrgenommen werden. Die Rezeptionsästhetik widmet sich dem Prozess der Wahrnehmung und der wechselseitigen Beziehung von Betrachter und Bild: Kemp 1992; Belting 2001; Belting 1983; Bredekamp 2003
[14] „ (...) eine nationale« Einheit im Spätmittelalter (...), die es in Wirklichkeit nicht gab. Keines der Reiche, denen unsere Aufmerksamkeit gilt, stellte um 1400 eine wirkliche Einheit dar: es waren weitgehend Gebilde, die man am ehesten als »Anspruchsgebiete« Idealvorstellungen bezeichnen kann, Idealansprüche, die jedoch bereits weitgehend theoretisch akzeptiert wurden allerdings nur bis zu einem gewissen Grad. Gegenüber der immer wieder auftauchenden Vorstellung einer homogenen Herrschaft sei nachdrücklich darauf hingewiesen, daß überall die effektive Herrschaftsausübung auf einer Vielfalt von sich überschneidenden und auch unzusammenhängenden Herrschaftsrechten basierte.“ Graus 1987, S. 25
[15] Rösener 2008, S. 13
[16] Althoff 1993, S. 27-49; Paravicini 2012
[17] Warnke 2011
[18] Whittingham 1971, S. 12
[19] „There are many crowned images of Richard II. on seals, in manuscripts and on charters, but these are not 'portraits'. Three large-scale representations, however, are known from the last decade of the reign.“ https://www.history.ac.uk/richardII/portraits.html
[20] Kantorowicz 1992
[21] Marek 2009; Bloch 1998
[22] Die Idee des kollektiven Unbewussten, bzw. des kollektives Gedächtnis geht auf den Soziologen Durckheim (1858-1917) zurück und wurde von Carl Gustav Jung (1875-1961) in seinen Werken näher untersucht. Rösch 2010, S. 2; Schneider 2012, S. 7-9
[23] Rösch 2010, S. 35
Wie mächtig die mentale bildliche Wirkkraft sein kann und wie sehr sie wiederum im Lauf der Zeit eine Art Geistwesen gleich einem Phantom entwickeln kann, zeigt sich am Beispiel von Leonardo Da Vincis Schlacht von Anghiari. Obwohl das Werk an sich gar nicht mehr existiert, hat es dennoch eine nachhaltige Wirkung im Geiste. https://www.welt.de/kultur/history/article13918046/Spuren-von-Leonardos-Schlachtengemaelde-entdeckt.html (aufgerufen am 25. 5. 2018)
[24] Rösch 2010, S. 54
[25] Raphael: Sixtinische Madonna 1512-13, 2010x2695, Öl auf Holz, Gemäldegalerie Alte Meister Dresden: „ Sie trägt zur Welt ihn: und er schaut entsetzt In ihrer Gräu’l chaotische Verwirrung, In ihres Tobens wilde Raserei“ Schopenhauer 1958, Bd 2, S. 693; Schöne 1958, S. 5
[26] Aby Warburg erweiterte als einer der ersten Kunstwissenschafter den Blick auf die sozio-kulturellen Hintergründe, unter denen ein Werk entstanden ist. Rösch 2010, S. 35
[27] Dies ist am Beispiel der Effegies belegt, die Richards minutiöse Konzeption und seine Handschrift und Denkweise aufzeigt: Die außergewöhnlich feine Kupferschmied-Arbeit ist unter Aufsicht des Hofarchitekten Henry Yvele entstanden, wurde aber von Richard konzipiert. Er suchte persönlich die Vorlagen für die Abbilder aus, die ihn und Anna als inniges Paar nebeneinander liegend, Hand in Hand zeigen Nicholas Broker /Godfrey Prest: Doppelgrabmal Richard II und Anne, um 1395, Bronze, Westminster Abbey, London; siehe auch Dillian 2015, S. 40 und S. 109
[28] Wie lebendig dieser Glaube heute noch ist und nach wie vor Grundlage des englischen Königshauses ist, wird hier verdeutlicht: Erkens 2013, S. 1-2
[29] „In England wurde die Skrofelheilung durch Handauflegen des Königs bis 1714, in Frankreich sogar bis 1825 unter Charles X. praktiziert, was die Bedeutung dieses tiefsitzenden Glaubens bezeugt.“ Bloch 1998
[30] Hoffmann 1975, S. 22
[31] ebenda
[32] ebenda
[33] ebenda
[34] Brunner 1954, S. 281 und 285
[35] Marek 2009, S. 150
[36] Solche Absetzungen wurden im späteren Verlauf oft rituell gestaltet, wie zum Beispiel in Kastilien 1465 bei einem inszenierten Sturz Heinrichs IV., indem das Volk eine Holzpuppe anklagte und vom Thron stieß. Rexroth 2005, S. 248- 251
[37] „Richard war in einem Machtkampf unterlegen, sein Gegner war eine Gruppe des Hochadels; eine wichtige Rolle spielte Erzbischof Arundel. Gelehrte Juristen hatten eine Fülle von Anklagepunkten zusammengestellt, die den König als Tyrannen (das Wort taucht allerdings bloß bei Chronisten auf) darstellen sollten. Wenn die Absetzung Eduards II. im Jahr 1327 noch weitgehend mit dessen Unfähigkeit begründet worden war, so wurde die Absetzung Richards mit seiner Mißwirtschaft, der Zerstörung der Freiheit und des Rechtes begründet (wozu noch die persönliche Unzuverlässigkeit des Königs hinzukam).“ Graus 1987, S. 17- 21
[38] Genet 2004, S. 86; Salisbury, S. 358
[39] „The final crisis was provoked by his treatment of the house of Lancaster. In 1398 Richard banished his cousin Henry Bolingbroke, John of Gaunt's son, of whom he was jealous. In the following year, on Gaunt's death, he seized the latter's estates, extending Bolingbroke's exile to life. To the nobility, these were actions that threatened the entire landed élite, for if Henry Bolingbroke was not safe, then who was?“ http://www.bbc.co.uk/history/british/middle_ages/richardii_crisis_01.shtml
[40] Rexroth 2005, S. 245
[41] Unklarheiten in der Erbfolge nach dem Tod Richards II. führten von 1455-1485 zu den Rosenkriegen (Wars of the Roses) zwischen den beiden rivalisierenden englischen Adelshäusern York und Lancaster, beides Nebenzweige des Hauses Plantagenet. Dabei fielen die männlichen Linien dieser Häuser den Kriegen fast gänzlich zum Opfer.
[42] Rexroth 2005, S. 254
[43] Palaver 2002, S. 360-61
[44] ebenda, S. 350
[45] ebenda, S. 361-2
[46] Palaver 2002, S. 360-61
[47] Gegenstände oder Körper mit hoher sakraler Bedeutung und symbolischer Macht ermöglichen eine „physische Beziehung“, eine „Übertragung politischer und religiöser Macht“. Schmitt 1992, S. 19
[48] Warnke 1988; Bredekamp1975
[49] Schneider 2012, S. 105
[50] ebenda, S. 114
[51] ebenda, S. 9
[52] „Alle Institutionen entspringen nach Girard der rituellen Wiederholung des Sündenbockmechanismus. Im Ritus wird der Sündenbockmechanismus bewußt wiederholt, um den Frieden innerhalb der Gemeinschaft immer wieder neu zu stärken. Die rituelle Wiederholung ist von jener Verkennung um das tatsächliche Geschehen gekennzeichnet, die ganz allgemein für den Sündenbockmechanismus typisch ist. Wie für den Lynchmob das eigene gewalttätige Tun und die relative Unschuld des Opfers verborgen bleibt, verschleiert auch der Ritus die Wahrheit.“ Palaver 2002, S. 360-61
[53] Siehe S. 73, 74 und 85
[54] So wurde Marie Antoinette von der Geschichtsschreibung u.a. als „hirnlose und unverantwortliche Frau“ bezeichnet. Hobsbawm 2004, S. 121, oder im besten Fall als „hübsch, frivol und unklug“. Soboul 1988, S. 74
[55] Darauf angesprochen, die Armen hätten kein Brot, soll Marie-Antoinette geantwortet haben: „Wenn sie kein Brot haben, dann sollen sie doch Brioche [Gebäck] essen.“ Dieser Ausspruch wurde bereits Jahre vor Marie Antoinettes Thronbesteigung von Jean-Jacques Rousseau zitiert: « Je me rappelai le pis-aller d’une grande princesse à qui l’on disait que les paysans n’avaient pas de pain, et qui répondit: Qu’ils mangent de la brioche! » (deutsch: „Endlich erinnerte ich mich des Notbehelfs einer großen Prinzessin, der man sagte, die Bauern hätten kein Brot, und die antwortete: Dann sollen sie Brioche essen!“) Rousseau 1782 bis 1789, Bd. 6. Es könnte sich also um eine Wanderanekdote handeln, die auch schon der ersten Frau von Ludwig XIV. in den Mund gelegt wurde.
[56] Am 18.11.2010 erschien dazu folgende Meldung online:
„Relikte von König Richard II entdeckt: In den Archiven des Museums entdeckte Krzysztof Adamiec (...) diverse Relikte des Königs Richard II., der im Mittelalter über England regiert hatte und in der Westminster Abbey zur letzten Ruhe gebettet worden war. Als dieses Grab im Jahr 1871 geöffnet wurde, war auch Scharf zugegen. Dem viktorianischen Zeitgeist entsprechend wollte auch er wissen, ob Richard wirklich durch den Hieb einer Axt starb (er tat es nicht – vielmehr verhungerte er wohl im Kerker seines Nachfolgers Henry IV)“ https://www.spektrum.de/news/relikte-von-koenig-richard-ii-entdeckt/1054891
[57] „Bei der Begründung der Absetzung des Königs von England ging man von dessen Krönungseid aus und warf ihm Mißwirtschaft und Verschleuderung von Königsgut vor, übermäßige Besteuerung und Druck auf Beamte, Verhandlungen mit dem Papst, Eingriffe in die Zusammensetzung des Parlamentes, Mißachtung des Rates und des Parlamentes sowie seine persönliche Unzuverlässigkeit. Den Kernpunkt der Anschuldigungen bildeten Anklagen wegen Beugung des Rechtes durch den König, die nicht nur allgemein formuliert, sondern durch Erwähnung einzelner Übergriffe illustriert wurden. Der formale Maßstab, mit dem der König gemessen wurde, war sein Krönungseid, das alte Recht (die Magna Charta wird ausdrücklich erwähnt) und die allgemeine Idealvorstellung eines Königs.“ Graus 1987, S. 17
[58] „Die Absetzung Richards II. hat zwar eine lange Vorgeschichte in dem Machtkampf der Könige von England mit dem Hochadel und den Kirchenfürsten; sie war aber letztlich eine AdhocAktion, unmittelbar hervorgerufen durch die Konfiskation des Erbes von John of Gaunt, erleichtert durch die Abwesenheit des Königs in der entscheidenden Phase. Als Heinrich von Lancaster in England landete, wurde Richard, von großen Teilen seines Heeres verlassen, am 19. August 1399 bei Flint gefangengenommen, im Tower eingekerkert und am 29. September gezwungen, dem Thron zu entsagen. Am folgenden Tage wurde noch die formale Absetzung des Königs beschlossen wer sie eigentlich beschlossen hat, ist nicht ganz klar. Während die ältere Forschung ohne weiteres von einer Absetzung Richards durch das Parlament sprach, ist die neuere Geschichtsschreibung gegenüber der Bestimmung der Versammlung als Parlament skeptisch. Die offizielle Aufzeichnung über die Absetzung des Königs ist in diesem Punkt, wohl nicht unabsichtlich, zweideutig: Sie spricht einerseits klar von einer Versammlung, die sich propter factum parliamenti versammelt habe, weicht aber im weiteren der Bezeichnung Parlament aus, spricht von Status et populus. (Die Einsetzung Heinrichs IV., gleichfalls eines Enkels Eduards III., allerdings aus der Nebenlinie, erfolgte am folgenden Tage eindeutig vor dem Parlament). Am 14. Februar 1400 starb der abgesetzte König in Pontrefact Castle: schon den Zeitgenossen waren die Umstände seines Todes unklar, und viele behaupteten, Richard sei im Gefängnis ermordet worden (...)“ Graus 1987, S. 17
[59] „Richard was brought down and came into the hallvested and arrayed as a king, wearing an open mantle and with the sceptre in his hand and the crown with which he had been crowned upon his head. No one stood at his side or supported him when he began to speak, uttering these words in the hearing of all: Ì have been sovereign of England, duke of Aquitaine and lord of Ireland for some twenty-two years, and this sovereignity, lordship, sceptre, crown and heritage I resign fully and unreservedly to my cousin Henry of Lancaster, asking hin in the presence of you all to take this sceptre in taken posession.” Froissart, S. 461-462
[60] Ainsworth 1999, S. 56
[61] „Richards Begräbnis wurde zwar als eine Art von Staatsakt zelebriert, der Leichnam aber in einem unbedeutenden Dorf (Langley) bestattet erst Heinrich V. ließ die Gebeine in Westminster, in dem von Richard selbst bestimmten Grab, beisetzen. Ein Monument setzte Richard II. Shakespeare in seinem ersten »Königsdrama«.“ Graus 1987, S. 17
[62] Siehe Seite 33
[63] „In the 1380s, as he grew to manhood, his influence on affairs gradually increased. There was a touch of haughtiness in his spirit, and he took a principled stand on the prerogative. For example, in 1386, when criticised in parliament for his choice of advisers, he said that he would not dismiss one scullion from his kitchen at their request.“Richard II and the Crisis of Authority by Professor Nigel Saul (Last updated 2011-02-17) http://www.bbc.co.uk/history/british/middle_ages/richardii_crisis_01.shtml
[64] ebenda
[65] ebenda
[66] Walsingham 1863, S. 285-315
[67] Anlässlich der Hochzeit ließ Richard eine Krone in Paris anfertigen. 1402 kam diese mit der Aussteuer von Heinrich des IV. Tochter Blanche/Blanka nach Bayern und befindet sich heute in der Münchner Residenzschatzkammer. Stratford 2014, S. 1
[68] Karl IV: Kaiser des römisch-deutschen Reichs, eine der größten Herrscherpersönlichkeiten des Spätmittelalters. Am Pariser Hof erzogen, nutzte er seine kulturelle Tätigkeit und die höfische Kunst für die politische Propaganda, um das Familienvermögen und seine Macht zu vermehren.
[69] Barron 2015, S. 19
[70] ebenda
[71] Clauss 2013, S. 251
[72] Barron 2015, S. 22
[73] http://www.bbc.co.uk/history/british/middle_ages/richardii_reign_01.shtml Die beiden Familien Mortimer und Lancaster lösten in der Folge den erbitternden Erbefolgekrieg (War of the Roses) aus.
[74] Zur Geschichte des Taschentuchs, siehe Stow 1995, S. 221-235
[75] http://www.bbc.co.uk/history/british/middle_ages/richardii_reign_01.shtml
[76] „England war, wie Frankreich, (...) ein sehr altes Königreich mit einer eigenen Hofstruktur und Kultur, während das Valois-, dann Habsburgerregierte Burgund erst ein kürzlich gegründetes Herzogtum war, wenn auch mit sehr prunkvollen Regenten.“ Vale 2010, S. 440 Harvey sieht im England des 14. Jahrhunderts sogar eine gewisse Überlegenheit gegenüber dem Kontinent: „The greatest part of England was, by the opening of Edward IIIs reign, a highly civilized country. Embroidered hangings, clothes (...) illuminated books, were produced to a standard of exquisite quality hardly ever equalled, and in western Europe, never excelled.“ Harvey 1978, S. 42 Rieckert provoziert mit der These: „In the end, it was not the Channel that saved English art (from the French Gothic flame), but the sturdiness of the English temperament, which refused to surrender to fads but insisted on taking time to weigh the new elements and consider what, if anything, is wanted of them.“ Rickert 1965, S. 7 -8
[77] „While English monarchs did not need to turn to Burgundy for models on which to base their courts, the sheer size of the Burgundian establishment, and it´s conspicious splendour, brought an additional factor into the process wherby power was translated into practice, in part through display. Yet, there were perhaps further affinities between the courts of England and Burgundy, especially after the re-making of the Anglo-Burgundian alliance in 1468 (...).“ Vale 2010, S.454
[78] Geoffrey Chaucer (1342/1343-1400), verfasste die Canterbury Tales erstmalig in der Volkssprache und erhob dadurch das Mittelenglische zur Literatursprache. Die englische Dichtung vor ihm war vorwiegend auf Latein, Französisch oder Anglonormannisch.
[79] Welzel 2002, S. 98
[80] „Pomp served power; pomp was not for pomp´s sake“ Vale 2010, S. 456
[81] http://www.bbc.co.uk/history/british/middle_ages/richardii_reign_01.shtml
- Quote paper
- Catherine Thurner (Author), 2018, Die bildpolitische Inszenierung von Richard II. von England und Marie-Antoinette von Frankreich und ihre Auswirkung auf Amt, Person und Geschick der Dargestellten, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/446775
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