Diese Seminararbeit beschäftigt sich mit dem Thema, warum Investoren nach finanzieller Beratung suchen. Dabei wird versucht, finanzielle Beratung aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten und die Beweggründe von Investoren zur Nutzung von Beratung herauszufinden.
Diese Frage ist weniger trivial und profan, als sie vielleicht auf den ersten Blick zu sein scheint. So suggerieren mehrere Studien, dass finanzielle Beratung keine Vorteile mit sich bringt, dass diese im Gegenteil sogar nachteilig für jene sein könnte, die sie in Anspruch nehmen. Die Renditen und die risikoadjustierten Renditen von Handelskonten unter Aufsicht eines Beraters sind schlechter als die selbstverwalteter Handelskonten, was auf unterschiedliche problematische Faktoren (wie etwa das Agentenproblem) zurückzuführen ist. Andererseits bringt finanzielle Beratung auch gewisse Vorteile mit sich, wie etwa verstärkte Diversifizierung und professionellere Verhaltensweisen auf den Finanzmärkten. Diese Vorteile könnten theoretisch Gründe darstellen, warum finanzielle Beratung in Anspruch genommen wird, denn trotz der Problematiken könnten vor allem stark unterdurchschnittliche Anleger davon profitieren. Das tun sie jedoch nicht, denn vor allem ältere, erfahrenere, einkommensstärkere Investoren nutzen Berater, während diejenigen, die von den Beratern am ehesten profitieren könnten, zum Beispiel aufgrund von Selbstüberschätzung oder Unterhaltungslust keine Beratung suchen.
Im Endeffekt stellt sich heraus, dass finanzielle Beratung aus rationaler finanzwirtschaftlicher Sicht schwer zu rechtfertigen ist und die stärksten Argumente für die Inanspruchnahme in subjektiveren Variablen, wie etwa den psychologischen Gründen für das menschliche Verlangen nach Beratung, zu finden sind. Eine genaue Auseinandersetzung mit den erwähnten Aspekten ist Gegenstand dieser Arbeit mit dem Ziel, am Ende eine präzise und umfassende Darstellung der Gründe für die Inanspruchnahme finanzieller Beratung abgeben zu können.
Das erste Kapitel beschäftigt sich mit Problemen finanzieller Beratung. Das zweite Kapitel untersucht positive Aspekte der Finanzberatung. Das dritte Kapitel bietet Aufschluss über die kundenbezogene Wirksamkeit finanzieller Beratung. Das vierte Kapitel erläutert Gründe für die Inanspruchnahme finanzieller Beratung.
Einleitung
Diese Seminararbeit beschäftigt sich mit dem Thema, warum Investoren nach finanzieller Beratung suchen. Dabei wird versucht, finanzielle Beratung aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten und die Beweggründe von Investoren zur Nutzung von Beratung herauszufinden. Diese Frage ist weniger trivial und profan, als sie vielleicht auf den ersten Blick zu sein scheint. So suggerieren mehrere Studien, dass finanzielle Beratung keine Vorteile mit sich bringt, dass diese im Gegenteil sogar nachteilig für jene sein könnte, die sie in Anspruch nehmen. Die Renditen und die risikoadjustierten Renditen von Handelskonten unter Aufsicht eines Beraters sind schlechter, als die selbstverwalteter Handelskonten, was auf unterschiedliche problematische Faktoren (wie etwa das Agentenproblem) zurückzuführen ist. Andererseits bringt finanzielle Beratung auch gewisse Vorteile mit sich, wie etwa verstärkte Diversifizierung und professionellere Verhaltensweisen auf den Finanzmärkten. Diese Vorteile könnten theoretisch Gründe darstellen, warum finanzielle Beratung in Anspruch genommen wird, denn trotz der Problematiken könnten vor allem stark unterdurchschnittliche Anleger davon profitieren. Das tun sie jedoch nicht, denn vor allem ältere, erfahrenere, einkommensstärkere Investoren nutzen Berater, während diejenigen, die von den Beratern am ehesten profitieren könnten, zum Beispiel aufgrund von Selbstüberschätzung oder Unterhaltungslust keine Beratung suchen. Im Endeffekt stellt sich heraus, dass finanzielle Beratung aus rationaler finanzwirtschaftlicher Sicht schwer zu rechtfertigen ist und die stärksten Argumente für die Inanspruchnahme in subjektiveren Variablen, wie etwa den psychologischen Gründen für das menschliche Verlangen nach Beratung, zu finden sind. Eine genaue Auseinandersetzung mit den erwähnten Aspekten ist Gegenstand dieser Arbeit mit dem Ziel, am Ende eine präzise und umfassende Darstellung der Gründe für die Inanspruchnahme finanzieller Beratung abgeben zu können.
Struktur
Das erste Kapitel beschäftigt sich mit Problemen finanzieller Beratung. Das zweite Kapitel untersucht positive Aspekte der Finanzberatung. Das dritte Kapitel bietet Aufschluss über die kundenbezogene Wirksamkeit finanzieller Beratung. Das vierte Kapitel erläutert Gründe für die Inanspruchnahme finanzieller Beratung.
Aufgrund der besseren Lesbarkeit wird in dieser Seminararbeit das generische Maskulinum verwendet. Es sei jedoch angemerkt, dass sich diese Formulierung, soweit nicht explizit erwähnt, gleichwertig auf beide Geschlechter bezieht. So inkludiert beispielsweise die Bezeichnung „Berater“ auch „Beraterinnen“ oder die Bezeichnung „Kunden“ auch „Kundinnen“.
1. Probleme finanzieller Beratung
Investitionsfragen an einen Profi zu delegieren, der sich mit solchen Themen intensiv beruflich auseinandersetzt, scheint aus Investorensicht zunächst vorteilhafter zu sein, als diese Dinge in die eigene Hand zu nehmen. Dass diese Annahme in der Wissenschaft allerdings durchaus umstritten ist, suggeriert, dass das nicht unbedingt zutreffen muss. Es zeigt sich sogar, dass finanzielle Beratung für jene, die sie in Anspruch nehmen, negative Konsequenzen haben kann. Diese Problematik wird in diesem Abschnitt der Seminararbeit näher erläutert.
1.1 Rentabilität finanzieller Beratung
Ein Anhaltspunkt, warum Menschen finanzielle Beratung nutzen, könnte die theoretisch höhere Rentabilität ihrer Portfolios durch die Inanspruchnahme von Beratung sein. Tatsächlich zeigt sich aber, je nachdem wie praxisnah eine Studie aufgebaut ist, dass Beratung die Rendite sogar deutlich negativ zu beeinflussen scheint. Dieser Umstand wird im Folgenden näher erklärt.
1.1.1 Überrenditen durch Empfehlungen
Die erste Frage, die sich im Kontext der finanziellen Beratung stellt, ist, ob Berater überhaupt Aktienpreise richtig abschätzen können und ob Beratung an sich in diesem Sinne einen empirisch nachvollziehbaren Wert aufweist. Es gibt durchaus Theorien, die dies bestreiten. Die Random-Walk-Hypothese etwa geht davon aus, dass im Sinne streng effizienter Kapitalmärkte Aktienkurse einem zufälligen Pfad folgen und der Versuch, diesen Pfad zu prognostizieren, sinnlos ist.[1] In der Praxis kommt die wissenschaftliche Literatur zu anderen Ergebnissen. Womack untersuchte die Empfehlungen der vierzehn größten US-amerikanischen Aktienmakler und fand signifikante Zusammenhänge zwischen Kaufempfehlungen und steigenden Aktienpreisen beziehungsweise Verkaufsempfehlungen und fallenden Aktienpreisen. So stiegen zum Kauf empfohlene Aktien durchschnittlich um rund 5% in den Monaten nachdem die Kaufempfehlung ausgesprochen worden war. Umgekehrt fielen zum Verkauf empfohlene Aktien sogar um 11%.[2] Der bedeutsame Unterschied zwischen der Reaktion auf eine Kaufempfehlung und der Reaktion auf eine Verkaufsempfehlung lässt sich darauf zurückführen, dass erstere sieben Mal häufiger ausgesprochen wurden. Dies liegt daran, dass Verkaufsempfehlungen höhere Kosten für die Aktienmakler bedeuten, da diese eine Verschlechterung der Beziehungen zu den betreffenden Unternehmen bedeuten. Deswegen werden Verkaufsempfehlungen genauer überprüft und unter höheren Vorsichtsmaßnahmen ausgegeben.[3] Die Erkenntnisse von Womack zeigen, dass Empfehlungen einen signifikanten Wert aufweisen, was suggeriert, dass dieser Wert auch von denjenigen ausgeschöpft werden kann, an die sich diese Ratschläge richten.
1.1.2 Theoretischer Nutzen der Beratenen
Dabei werden aber mehrere Faktoren vernachlässigt. Die Berater erwarten sich für ihren Analyseaufwand natürlich eine Entschädigung, diese wird in Form von Gebühren an die Endkunden weiterverrechnet. Ein realer Nutzen für die Beratenen entsteht erst dann, wenn nach Abzug der Gebühren signifikante Überrenditen gegenüber dem Marktindex erzielt werden können. Diese praxisnahe Fragestellung wurde von Barber et al. wissenschaftlich überprüft. Dabei wurden über 360000 Aktienempfehlungen von 269 Aktienmaklern und 4340 Aktienanalysten untersucht.[4] Barber et al. fanden heraus, dass bei einer Auswahl der am meisten bevorzugten Aktien durchschnittliche jährliche Überrenditen von 4,13% gegenüber dem Marktindex erzielt werden konnten.[5] Das scheint zunächst die Ergebnisse von Womack zu unterstreichen. Allerdings wird zur Erreichung derartiger Überrenditen vorausgesetzt, dass die Investoren ihr Portfolio täglich aktualisieren. Diese Annahme ist gemäß Barber et al. nicht realistisch, da nicht erwartet werden kann, dass sich die Investoren jeden Tag ausführlich damit beschäftigen und es außerdem vermutlich eine gewisse Zeit dauert, bis sie mehrere Empfehlungen abgeglichen haben und daraus ihre Schlüsse gezogen haben.[6] Diese beiden Faktoren wurden separat untersucht. Dabei zeigte sich sowohl bei der unregelmäßigen Adjustierung des Portfolios, als auch bei täglicher Adjustierung und verzögerter Meinungsbildung, dass nur mehr minimale Überrenditen gegenüber dem Marktindex erreicht werden konnten. Bei anschließender Berücksichtigung von Handelsgebühren lagen diese Überrenditen statistisch nicht mehr signifikant über dem Marktindex.[7]
1.1.3 Praktischer Nutzen der Beratenen
In einer neueren Studie von Hackethal et al. zeigte sich, dass Investoren, die finanzielle Beratung in Anspruch nahmen, nicht nur keine signifikanten Überrenditen erzielten, sondern sogar signifikant schlechtere Ergebnisse lieferten als jene ohne Beratung. In dieser wissenschaftlichen Untersuchung wurden, im Gegensatz zu den vorher erwähnten Studien, tatsächliche Handelskonten von Personen jeweils mit Beratung und ohne Beratung analysiert und gegenübergestellt.[8] Dabei zeigte sich, dass die selbstverwalteten Handelskonten jährliche Renditen von 12,9% aufwiesen, während die beratenen Kunden nur 7,9% erzielten. Dies könnte zunächst nur ein Indiz darstellen, dass hier geringere Renditen durch ein viel geringeres Risiko erzielt wurden, was einen effizienteren Trade-Off zwischen Rendite und Risiko darstellen könnte, als das bei den selbstverwalteten Konten der Fall ist. Das wird mittels der Sharpe-Ratio überprüft.[9] Die Sharpe-Ratio stellt eine Kennzahl dar, die sowohl Risiko als auch Rendite berücksichtigt. Dabei gilt, je höher die Sharpe-Ratio, desto besser stellt sich das Verhältnis zwischen Rendite und Risiko dar. Fällt etwa das Risiko bei gleicher Rendite, steigt die Sharpe-Ratio, selbiges passiert, wenn die Rendite bei gleichem Risiko steigt.[10] Nach Überprüfung der Renditen durch die Sharpe-Ratio zeigte sich, dass bei den beratenen Kunden diese Kennzahl niedriger war als bei den selbstverwalteten Handelskonten. Somit stellten sich die beratenen Handelskonten als äußerst unvorteilhaft dar – allerdings könnte das theoretisch auch daran liegen, dass nur finanziell unerfahrene Kunden die Beratung in Anspruch nahmen und diese trotz der schlechteren Werte nach wie vor davon profitieren konnten. Diese Vermutung stellte sich aber als falsch heraus – es waren vor allem ältere, erfahrene Kunden, die die Beratung in Anspruch nahmen.[11] Dieser Punkt wird an späterer Stelle in dieser Seminararbeit, im dritten Kapitel, noch genauer erklärt.
1.2 Das Agentenproblem
Die Ursache der unvorteilhaften Ergebnisse für beratene Handelskonten könnte ein Agentenproblem zwischen dem Berater und dem Beratenen darstellen. Die Agententheorie als Teil der neo-institutionalistischen Finanzierungstheorie beschreibt asymmetrische Informationsverteilungen zwischen den Parteien, wobei die besser informierten Parteien das auf Kosten der geringer informierten Parteien ausnützen können.[12] Diese Situation trifft in diesem Fall ein, denn den professionellen Beratern stehen oft finanziell weniger geschulte Kunden gegenüber. Die Vorteilsergreifung der asymmetrischen Informationsbeziehung durch die Berater könnte sich in mehreren Phänomenen manifestieren, von denen die zwei in der Literatur am häufigsten beschriebenen im Anschluss kurz erläutert werden.
1.2.1 Ermunterung zu exzessivem Handel
Das Gehalt der Berater besteht zu großen Teilen aus Provision, die sie erhalten, wenn sie den Kunden Produkte verkaufen. Daher bestehen für die Berater Anreize, die Kunden zu exzessivem Handel anzuregen. Tatsächlich fanden Hackethal et al. heraus, dass die monatlichen Umsatzraten der beratenen Accounts circa doppelt so hoch waren wie die des Durchschnitts. Die Umsatzraten bestimmten sich dabei aus der Summe der Transaktionsvolumina aller Käufe dividiert durch den durchschnittlichen Wert des Handelskontos in einem Monat. Dieser Ansporn zu exzessivem Handel durch die Berater und die daraus resultierenden höheren Handelskosten sind gemäß Hackethal et al. Teil der Erklärung, warum beratene Handelskonten schlechter abschneiden als selbstverwaltete.[13]
1.2.2 Verkäufe von unpassenden Finanzprodukten
Eine zweite Manifestation des Agentenproblems stellen die von Inderst und Ottaviani untersuchten Verkäufe von unpassenden Finanzprodukten dar. Sie stellten fest, dass Finanzberater meist mehrere Aktivitäten ausführen, die schlecht miteinander vereinbar sind, wie etwa nach Kunden werben und ihnen gleichzeitig adäquate Produkte zu verkaufen. Das führt zu einem Nachteil auf Kundenseite, denn sie bekommen oft Produkte verkauft, die ihren Anforderungen nicht optimal angepasst sind. Indem Firmen hier strikte Standards, Richtlinien und mitunter auch Strafen implementieren, können die Anreize, unpassende Finanzprodukte zu verkaufen, zwar kleiner werden, damit erhöhen sich aber andererseits auch die Kosten für die Aufsicht erheblich. Der Kunde trägt in beiden Fällen Kosten, sei es durch den Kauf von unpassenden Finanzprodukten oder durch hohe Aufsichtskosten der Berater.[14]
Nach den beschriebenen Problemen mit finanzieller Beratung und der in der Praxis festgestellten gravierend nachteiligen Leistungsmerkmalen von beratenen Handelskonten ist evident, dass die Kernfragestellung dieses Textes, warum Investoren nach finanzieller Beratung suchen, nicht so einfach und trivial zu beantworten ist, wie sie zunächst scheint. Deswegen scheint es ratsam, das Thema aus einem anderen Blickwinkel zu beleuchten. Es wurden durchaus positive Effekte finanzieller Beratung festgestellt, die vielleicht erklären, warum Investoren nicht völlig irrational handeln, wenn sie finanzielle Beratung in Anspruch nehmen. Diese positiven Effekte werden im nächsten Abschnitt der Seminararbeit genauer untersucht.
2. Positive Aspekte finanzieller Beratung
Bei all den Problematiken, die im vorigen Abschnitt behandelt wurden, gibt es durchaus Eigenschaften von Finanzberatung, aus denen den Konsumenten ein Nutzen erwachsen könnte. Gäbe es keinerlei positiven Seiten, wäre es nicht ersichtlich, warum ein derart breites Serviceangebot von finanzieller Beratung auf dem Markt verfügbar ist. Vor allem stark unterdurchschnittliche Anleger mit geringer Erfahrung könnten theoretisch trotz des Agentenproblems nach wie vor von den geringeren Renditen der Berater profitieren. Im Folgenden werden Vorteile bei der Diversifizierung von Handelskonten und somit Vorteile der Risikostreuung, sowie Vorteile durch die Verhinderung nachteilhafter Verhaltensweisen beschrieben. Diese könnten vor allem für stark unterdurchschnittliche Anleger Anreize zur Inanspruchnahme von Beratung darstellen.
[...]
[1] Vgl. Steiner et al. 2012, S. 228
[2] Vgl. Womack 1996, S. 164
[3] Vgl. Womack 1996, S. 165f.
[4] Vgl. Barber et al. 2001, S. 533
[5] Vgl. Barber et al. 2001, S. 561
[6] Vgl. Barber et al. 2001, S. 534
[7] Vgl. Barber et al. 2001, S. 534f.
[8] Vgl. Hackethal et al. 2012, S. 509
[9] Vgl. Hackethal et al. 2012, S. 514
[10] Vgl. Dowd 2000, S. 211
[11] Vgl. Hackethal et al. 2012, S. 514ff.
[12] Vgl. Guserl und Pernsteiner 2015, S. 41
[13] Vgl. Hackethal et al. 2012, S. 513ff.
[14] Vgl. Inderst und Ottaviani 2009, S. 883ff.
- Quote paper
- Paul Nopp (Author), 2018, Warum suchen Investoren finanzielle Beratung?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/446375
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