Diese Arbeit beschäftigt sich mit der typologischen Einordnung der Kategorie von gemischten Wahlsysteme. Die Einordnung dieser Mischwahlsysteme ist insofern relevant, weil erstens zwischen den führenden Vertreter*innen des Fachs kein Konsens über eine einheitliche Einordnung existiert, teilweise erfolgt sogar eine gegensätzliche Einordnung einzelner Systeme. Zweitens münden viele Bestrebungen der etablierten Demokratien um eine Reform ihrer Wahlsysteme in der Einführung von Varianten gemischter Wahlsystemen, aber auch die Transitdemokratien wie z.B. in Osteuropa und die Nachfolgestaaten der Sowjetunion entscheiden sich zunehmend für diese Form von Wahlsystemen. Drittens sind die gemischten Wahlsysteme für die Politikwissenschaft und die Vergleichende Lehre von großer Bedeutung, da hier die zahlreichen Effekte der unterschiedlichen Elemente auf der Mikro- und Makroebene hervorragend analysiert werden können.
Die Arbeit will folgende Frage beantworten: Warum ist die zweidimensionale Typologie der gemischten Wahlsysteme von André Kaiser besser als die eindimensionalen Typologien geeignet, die gemischten Wahlsysteme einzuordnen und ihre Mikroeffekte, insbesondere den Strategieeffekt, für die wissenschaftliche Zwecke zu untersuchen? Wie lässt sich diese Annahme empirisch am Beispiel der „Leihstimmenkampagnen“ der deutschen Bundestagswahlen von 1972 und 1982 belegen?
Die Fachwissenschaftler*innen der Wahl- und Wahlsystemforschung sind sich einig, dass neben vielen weiteren Merkmalen eines demokratischen Verfassungsstaats zwei essentielle Bestandteile zu einem jeden zeitgenössischen demokratischen System gehören. Diese sind ein Parlament und ein demokratisches Wahlrecht, die die Repräsentation und die Verwirklichung des Willens des Volks zusammen mit weiteren strukturellen Elementen erst ermöglichen und somit die Legitimität und Rechtmäßigkeit des gesamten politischen Systems gewährleisten. Umstritten ist allerdings die typologische Einordnung von Mischwahlsystemen, die die Zusammensetzung der Parlamente durch die Bestimmung des Wahlsystems festlegen und deren technische Elemente ausschlaggebend für die angestrebte Funktion eines Wahlsystems sind.
Die verfügbaren technischen Elemente lassen sich miteinander in vielfältiger Weise zu zahlreichen unterschiedlichen Typen von Wahlsystemen kombinieren. Die demokratischen Systeme unterscheiden sich folglich auch anhand ihrer Wahlsysteme und deren vorgesehenen und erwarteten Funktionsweisen voneinander.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die typologische Einordnung der Wahlsysteme
- Mehrheits- und Verhältniswahl
- Typologien zur Einordnung der gemischten Wahlsysteme
- Die Typologie von Shugart und Wattenberg
- Die Typologie von André Kaiser
- Das Deutsche Bundestagswahlsystem und seine Einordnung
- Die Kritik und Defizite der eindimensionalen Typologien
- Die zweidimensionale Typologie von André Kaiser zur Erfassung von Mikroeffekten
- Die Erfassung der Mikroeffekte des Deutschen Bundestagwahlsystems anhand der Typologie von Kaiser
- Der Strategieeffekt bei gemischten Wahlsystemen
- Strategisches Handeln im Kontext der Leihstimmenkampagnen bei den Bundestagswahlen von 1972 und 1982
- Fazit und Schlusswort
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht die typologische Einordnung gemischter Wahlsysteme, insbesondere die zweidimensionale Typologie von André Kaiser. Sie analysiert die Stärken dieser Typologie im Vergleich zu eindimensionalen Ansätzen und deren Eignung zur Erfassung von Mikroeffekten, speziell des Strategieeffekts. Die empirische Überprüfung erfolgt anhand der Leihstimmenkampagnen deutscher Bundestagswahlen.
- Typologische Einordnung gemischter Wahlsysteme
- Vergleich eindimensionaler und zweidimensionaler Typologien
- Analyse des Strategieeffekts in gemischten Wahlsystemen
- Empirische Untersuchung anhand der deutschen Bundestagswahlen (1972 und 1982)
- Bewertung der Typologie von André Kaiser
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung führt in die Thematik der typologischen Einordnung von Wahlsystemen ein und betont die Bedeutung von Parlament und demokratischem Wahlrecht für demokratische Systeme. Sie hebt die Uneinigkeit unter Fachwissenschaftlern bezüglich der Einordnung gemischter Wahlsysteme hervor und benennt die Relevanz dieser Fragestellung aufgrund von Wahlsystemreformen in etablierten und Transitdemokratien. Das deutsche Bundestagswahlsystem wird als Beispiel für die Komplexität und die Notwendigkeit einer differenzierten Typologie genannt. Die Forschungsfrage wird formuliert: Warum ist die zweidimensionale Typologie von André Kaiser besser geeignet, gemischte Wahlsysteme und deren Mikroeffekte zu analysieren?
1. Die typologische Einordnung der Wahlsysteme: Dieses Kapitel beschreibt die grundlegenden Wahlsystemtypen Mehrheits- und Verhältniswahl und deren jeweilige Zielsetzungen (getreues Abbild der Bevölkerung vs. Regierungsbildung). Es verdeutlicht die Herausforderungen der Einordnung gemischter Wahlsysteme, die Elemente beider Typen kombinieren und weder eindeutig dem einen noch dem anderen zugeordnet werden können. Die zunehmende Verbreitung gemischter Systeme, beispielsweise in Bolivien, Japan, Italien, Neuseeland und Venezuela, wird hervorgehoben.
2. Die Typologie von André Kaiser: Dieses Kapitel präsentiert die zweidimensionale Typologie von André Kaiser als Alternative zu eindimensionalen Ansätzen. Es wird die Kritik an den eindimensionalen Typologien und deren Defizite im Hinblick auf die Erfassung von Mikroeffekten diskutiert. Das deutsche Bundestagswahlsystem dient als empirisches Beispiel für die Anwendung und die Vorteile der zweidimensionalen Typologie. Die Kapitel fokussiert die Stärken und Schwächen der bestehenden Typologien.
3. Die Erfassung der Mikroeffekte des Deutschen Bundestagwahlsystems anhand der Typologie von Kaiser: Dieses Kapitel konzentriert sich auf den Strategieeffekt im deutschen Bundestagswahlsystem als Folge der Doppelkandidatur und der Mischung von Selektionsregeln. Es analysiert das strategische Handeln von Parteien im Kontext der Leihstimmenkampagnen der SPD und CDU für die FDP bei den Bundestagswahlen von 1972 und 1982 als empirisches Beispiel für den Strategieeffekt und dessen Auswirkungen auf die Zusammensetzung des Bundestages. Die Analyse zeigt wie die zweidimensionale Typologie von Kaiser dieses Phänomen besser erklären kann als eindimensionale Ansätze.
Schlüsselwörter
Gemischte Wahlsysteme, Typologie, André Kaiser, Mehrheitswahl, Verhältniswahl, Strategieeffekt, Leihstimmenkampagnen, Bundestagswahlen, Mikroeffekte, Demokratie, Wahlsystemreform, Vergleichende Politikwissenschaft.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Arbeit: Typologische Einordnung gemischter Wahlsysteme
Was ist das Thema der Arbeit?
Die Arbeit befasst sich mit der typologischen Einordnung gemischter Wahlsysteme, insbesondere der zweidimensionalen Typologie von André Kaiser. Sie analysiert die Stärken dieser Typologie im Vergleich zu eindimensionalen Ansätzen und deren Eignung zur Erfassung von Mikroeffekten, speziell des Strategieeffekts. Die empirische Überprüfung erfolgt anhand der Leihstimmenkampagnen deutscher Bundestagswahlen.
Welche Wahlsystemtypen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt Mehrheits- und Verhältniswahlsysteme sowie gemischte Wahlsysteme, die Elemente beider Typen kombinieren. Ein Schwerpunkt liegt auf der Einordnung und Analyse gemischter Systeme.
Welche Typologien werden verglichen?
Die Arbeit vergleicht eindimensionale Typologien zur Einordnung von Wahlsystemen mit der zweidimensionalen Typologie von André Kaiser. Es wird die Kritik an den eindimensionalen Ansätzen und deren Defizite im Hinblick auf die Erfassung von Mikroeffekten diskutiert.
Was sind Mikroeffekte und welcher Mikroeffekt wird speziell untersucht?
Mikroeffekte sind Auswirkungen von Wahlsystemen auf das strategische Verhalten von Wählern und Parteien. Die Arbeit konzentriert sich auf den Strategieeffekt, insbesondere im Kontext von Leihstimmenkampagnen.
Welche Rolle spielen die deutschen Bundestagswahlen?
Die deutschen Bundestagswahlen, speziell die Wahlen von 1972 und 1982, dienen als empirisches Beispiel zur Analyse des Strategieeffekts und zur Überprüfung der Eignung der Typologie von André Kaiser. Die Leihstimmenkampagnen der SPD und CDU für die FDP werden als Fallstudien verwendet.
Was ist die zentrale Forschungsfrage der Arbeit?
Die zentrale Forschungsfrage lautet: Warum ist die zweidimensionale Typologie von André Kaiser besser geeignet, gemischte Wahlsysteme und deren Mikroeffekte zu analysieren?
Welche Vorteile bietet die Typologie von André Kaiser?
Die Arbeit argumentiert, dass die zweidimensionale Typologie von André Kaiser im Vergleich zu eindimensionalen Ansätzen besser geeignet ist, die Komplexität gemischter Wahlsysteme und deren Mikroeffekte, wie den Strategieeffekt, zu erfassen.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit umfasst eine Einleitung, Kapitel zur typologischen Einordnung von Wahlsystemen, zur Typologie von André Kaiser, zur Erfassung von Mikroeffekten am Beispiel des deutschen Bundestagswahlsystems und ein Fazit.
Welche Schlüsselbegriffe sind relevant für die Arbeit?
Schlüsselbegriffe sind: Gemischte Wahlsysteme, Typologie, André Kaiser, Mehrheitswahl, Verhältniswahl, Strategieeffekt, Leihstimmenkampagnen, Bundestagswahlen, Mikroeffekte, Demokratie, Wahlsystemreform, Vergleichende Politikwissenschaft.
Für wen ist diese Arbeit relevant?
Diese Arbeit ist relevant für Wissenschaftler*innen der Politikwissenschaft, insbesondere der vergleichenden Politikwissenschaft und Wahlsystemforschung, sowie für alle, die sich für das Funktionieren und die Analyse von Wahlsystemen interessieren.
- Arbeit zitieren
- Jian Omar (Autor:in), 2018, Typologische Einordnung der Gemischten Wahlsysteme. Makro- und Mikroeffekte in der vergleichenden Forschung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/446039