Das Thema dieser Arbeit lautet „Stimmregister und Stimmqualität“ und soll folgendermaßen behandelt werden: Die beiden Begriffe „Stimmregister“ und „Stimmqualität“ sollen definiert werden, und es soll untersucht werden, wodurch Stimmregister und Stimmqualitäten gekennzeichnet sind und wodurch sich verschiedene Register und verschiedene Qualitäten voneinander unterscheiden. Das Ziel dieser Vorgehensweise ist es, die beiden Begriffe gegenüberzustellen und aufgrund der erhaltenen Ergebnisse zum einen voneinander abzugrenzen, zum anderen aber auch zueinander in Beziehung zu setzen. Damit soll verdeutlicht werden, dass die Begriffe „Stimmregister“ und „Stimmqualität“ keinesfalls gleichgesetzt werden können, aber dass diese Begriffe auch – wie schon ihre Definitionen zeigen werden – miteinander in Beziehung stehen. Die Begriffsklärung und der Vergleich der beiden Begriffe dient der Übersichtlichkeit, da diese Begriffe in der Literatur oft derart vermengt werden, daß es zu Verwirrungen kommt.
Inhalt
1. Einleitung: Fragestellung und Aufbau der Arbeit
2. Was ist ein Stimmregister, welche Register gibt es, und wodurch 6 unterscheiden sie sich ?
2.1. Definitionen
2.2. Grundlagen der Stimmbildung
2.3. Physiologische Faktoren
2.4. Akustische Faktoren
2.5. Aerodynamische Faktoren
2.6. Zusammenfassung
3. Stimmqualität
3.1. Definitionen
3.2. Laryngeale Settings
3.2.1. Flüstern
3.2.2. Rauhe Stimmqualität
3.2.3. Beatmete Stimmqualität
3.3. Supralaryngeale Settings
3.3.1. Settings auf der Längenachse
3.3.1.1. Absenken und Anheben des Larynx
3.3.1.2. Vorstülpen der Lippen
3.3.1.3. Labiodentalisierung
3.3.2. Settings auf der Breitenachse
3.3.2.1. Beteiligung der Lippen
3.3.2.2. Beteiligung der Zunge
3.3.2.3. Beteiligung der Gaumenbögen
3.3.2.4. Beteiligung des Pharynx
3.3.2.5. Beteiligung des Unterkiefers
3.3.3. Velopharyngeale Settings
3.4. Settings der Muskelspannung
3.5. Zusammenfassung
4. Gegenüberstellung der Begriffe „Stimmregister“ und „Stimmqualität“
4.1. Abgrenzung des Begriffs „Stimmregister“ vom Begriff „Stimmqualität“
4.2. Beziehungen zwischen Stimmregistern und Stimmqualitäten
4.3. Zusammenfassung
5. Schluß: Zusammenfassung und Ausblick
Literaturverzeichnis
1. Einleitung: Fragestellung und Aufbau der Arbeit
Das Thema dieser Arbeit lautet „Stimmregister und Stimmqualität“ und soll in den nächsten Kapiteln folgendermaßen behandelt werden: Die beiden Begriffe „Stimmregister“ und „Stimmqualität“ sollen definiert werden, und es soll untersucht werden, wodurch Stimmregister und Stimmqualitäten gekennzeichnet sind und wodurch sich verschiedene Register und verschiedene Qualitäten voneinander unterscheiden. Das Ziel dieser Vorgehensweise ist es, die beiden Begriffe gegenüberzustellen und aufgrund der erhaltenen Ergebnisse zum einen voneinander abzugrenzen, zum anderen aber auch zueinander in Beziehung zu setzen. Damit soll verdeutlicht werden, daß die Begriffe „Stimmregister“ und „Stimmqualität“ keinesfalls gleichgesetzt werden können, was verschiede Autoren dennoch tun, aber daß diese Begriffe auch - wie schon ihre Definitionen zeigen werden - miteinander in Beziehung stehen. Die Begriffsklärung und der Vergleich der beiden Begriffe dient der Übersichtlichkeit, da diese Begriffe in der Literatur oft derart vermengt werden, daß es zu Verwirrungen kommt.
Zunächst werden in Kapitel 2, Abschnitt 2.1 einige Definitionen des Begriffs „Stimmregister“ angeführt und diskutiert, aus denen hervorgehen soll, was genau unter einem Stimmregister zu verstehen ist. Es handelt sich um einen bestimmten Frequenzbereich, der durch eine charakteristische, wahrnehmbare Klangfarbe gekennzeichnet ist. Bevor ich jedoch auf die verschiedenen Register selbst eingehe, werden in Abschnitt 2.2 als erstes die physiologischen und physikalischen Grundlagen der Stimmbildung erläutert, damit deutlich wird, wie die menschliche Stimme erzeugt wird und wie sie zusammengesetzt ist. Dazu werden die myoelastisch-aerodynamische Theorie der Sprachproduktion sowie die physikalischen Grundlagen erklärt, die für die akustische Beschreibung eines Schallsignals von Bedeutung sind. Der Grund hierfür ist die Tatsache, daß jede Wahrnehmung aufgrund akustischer Faktoren erfolgt, das heißt, für eine bestimmte wahrgenommene Klangfarbe existieren bestimmte akustische Korrelate. Diese akustischen Faktoren sind natürlich wiederum abhängig von physiologischen Gegebenheiten.
Danach sollen die unterschiedlichen Registerbegriffe, die in der Literatur zu finden sind, gegenübergestellt und übersichtlich dargestellt werden, um so herauszufinden, welche verschiedenen Register es gibt und wodurch sie sich unterscheiden. Dabei handelt es sich um das Modalregister, das Falsettregister und das Strohbaßregister, die durch physiologische, akustische und aerodynamische Faktoren charakterisiert werden können. Diese drei Ebenen werden in den Abschnitten 2.3 bis 2.5 behandelt, aus denen hervorgehen soll, welches Register durch welche physiologischen, akustischen und aerodynamischen Merkmale gekennzeichnet ist. Außerdem werden die drei Ebenen gegenübergestellt, um zu zeigen, inwieweit sie sich gegenseitig beeinflussen oder voneinander abhängig sind. Dabei ist es so, daß die physiologische Ebene am wichtigsten ist, da sie sowohl die akustischen als auch die aerodynamischen Faktoren beeinflußt und nicht umgekehrt. Die aerodynamischen Faktoren beeinflussen ebenfalls die akustische Ebene. Änderungen auf der akustischen Ebene sind wiederum wahrnehmbar und beeinflussen somit die perzeptive Ebene, also die hörbare Klangfarbe der Stimme.
Bevor ich jedoch auf die perzeptive Ebene der Stimmregister im speziellen zu sprechen komme, gehe ich in Kapitel 3 zunächst auf den Begriff „Stimmqualität“ im allgemeinen ein, indem ich zuerst in Abschnitt 3.1 einige Definitionen dieses Begriffs anführe und einander gegenüberstelle. Eine Stimmqualität ist demnach eine Klangfarbe, die die Stimme eines Sprechers charakterisiert und dafür sorgt, daß er unter mehreren Sprechern identifiziert werden kann. Andererseits kann eine bestimmte Stimmqualität auch eingesetzt werden, um eine bestimmte Situation zu signalisieren.
Dann soll erläutert werden, durch welche Faktoren verschiedene Stimmqualitäten gekennzeichnet sind und wodurch sie sich voneinander unterscheiden. Dabei handelt es sich um laryngeale, supralaryngeale und muskuläre Faktoren, die in den Abschnitten 3.2 bis 3.4 beschrieben werden. Es soll jedoch nicht auf die Qualität einzelner Laute eingegangen werden, sondern auf die durchgehende Qualität der Stimme eines bestimmten Sprechers beziehungsweise auf die Stimmqualität in einer bestimmten Situation. Weiterhin sollen auch keine angeborenen und damit unveränderlichen und auch keine krankheitsbedingten physiologischen Gegebenheiten, die die Stimmqualität beeinflussen können, behandelt werden, sondern ausschließlich Faktoren, die durch den individuellen Gebrauch der Sprechwerkzeuge vom Sprecher kontrolliert werden können. Dabei können die wahrnehmbaren Stimmqualitäten, die auf den laryngealen Faktoren und damit auf der Phonation selbst beruhen, relativ gut durch Beschreibungsbegriffe bestimmt werden. Sehr schwer ist es dagegen, die hörbaren Veränderungen in der Stimmqualität zu beschreiben, die durch supralaryngeale Faktoren hervorgerufen werden, da diese artikulatorischen Faktoren Auswirkungen auf die akustische Ebene haben, die nur sehr schwer auf die perzeptive Ebene übertragbar sind. Bei den muskulären Faktoren hängt es davon ab, ob diese mit der Phonation oder der Artikulation in Beziehung stehen.
Die Gegenüberstellung und Unterscheidung der Begriffe „Stimmregister“ und „Stimmqualität“ erfolgt schließlich in Kapitel 4, in dem die beiden Begriffe zum einen voneinander abgegrenzt und zum anderen zueinander in Beziehung gesetzt werden. Dadurch soll nicht nur deutlich werden, wodurch sich die beiden Begriffe unterscheiden, sondern auch, welche Beziehungen es zwischen ihnen gibt. Es soll also gezeigt werden, daß die einzelnen Stimmregister auch unterschiedliche wahrnehmbare Stimmqualitäten aufweisen und um welche es sich dabei handelt.
Im 5. Kapitel werden die wichtigsten Ergebnisse noch einmal zusammengefaßt, und es soll geklärt werden, wo diese Ergebnisse eingesetzt werden können und wozu die Klärung und Abgrenzung der Begriffe „Stimmregister“ und „Stimmqualität“ dient.
2. Was ist ein Stimmregister, welche Register gibt es, und wodurch unterscheiden sie sich ?
In diesem Kapitel werden in Abschnitt 2.1 zunächst einige Definitionen des Begriffs „Stimmregister“ angeführt, aus denen hervorgehen soll, was genau unter einem Stimmregister zu verstehen ist, wodurch es gekennzeichnet ist und wodurch sich einzelne Stimmregister voneinander unterscheiden. Danach gehe ich in Abschnitt 2.2 auf die physiologischen und physikalischen Grundlagen der Stimmbildung ein, damit zuerst deutlich wird, wie die menschliche Stimme erzeugt wird und wie sie zusammengesetzt ist. Dazu werde ich die myoelastisch-aerodynamische Theorie der Sprachproduktion sowie die physikalischen Grundlagen erklären, die für die akustische Beschreibung eines Schallsignals von Bedeutung sind. Außerdem werden in Abschnitt 2.2 die unterschiedlichen Registerbegriffe, die in der Literatur zu finden sind, einander gegenübergestellt, um sie so gleichzusetzen oder auch voneinander abzugrenzen. Dadurch soll herausgefunden werden, wie viele verschieden Register es gibt - nämlich weitaus weniger als es Begriffe dafür gibt - um welche es sich dabei handelt, wodurch sie gekennzeichnet sind und wodurch sie sich unterscheiden. Im wesentlichen handelt es sich dabei um das Modalregister, das Falsettregister und das Strohbaßregister, über die sich die meisten Autoren, wenn auch mit unterschiedlichen Bezeichnungen, einig sind. Charakterisiert werden können die Register durch physiologische, akustische und aerodynamische Faktoren, durch die sie sich auch voneinander unterscheiden. Dies wird in den Abschnitten 2.3 bis 2.5 behandelt, wobei außerdem die drei Ebenen gegenübergestellt werden, um herauszufinden, ob und inwieweit die einzelnen Faktoren sich gegenseitig beeinflussen oder voneinander abhängen.
2.1. Definitionen
Es existiert eine Reihe von Definitionen des Begriffs „Stimmregister“, die sich in ihrer Aussage darüber, wodurch ein Register gekennzeichnet ist, kaum voneinander unterscheiden. Böhme (1978:71) liefert eine recht ausführliche Definition, aus der auch hervorgeht, woher der Begriff stammt:
„Die Bezeichnung „Stimmregister“ stammt vom Register der Orgel, einer Reihe von Tönen mit gleichem Klangcharakter. Stimmregister sind eine Reihe von aufeinanderfolgenden, gleichartigen Tönen. Ihr gleichartiger Klang ist durch ein bestimmtes konstantes Verhalten der Obertöne bedingt. Sie werden durch bestimmte Einstellungen im stimmgebenden Apparat hervorgerufen.“
Hollien (1974:125f) definiert ein Register als „[...] a series or range of consecutively phonated frequencies which can be produced with nearly identical vocal quality and that ordinarily there should be little or no overlap in fundamental frequency [...] between adjacent registers“.
Abercrombie (1967:100) ist nicht ganz dieser Meinung: „[...] registers are different qualities arising from differences in the action of phonation [...]“. Er läßt dabei unerwähnt, daß es sich bei Registern um aufeinanderfolgende Stimmfrequenzen handelt und setzt die Begriffe „Register“ und „Qualität“ gleich.
Luchsinger und Arnold (1965) liefern eine ähnliche Definition wie Hollien, und beschreiben ein Register als „ a series of consecutive voice tones of equal timbre“. Der Begriff „timbre“ kann dabei mit der Bezeichnung „Klangfarbe“ übersetzt werden, die aus der Musikwissenschaft stammt und in erster Linie den Charakter der Singstimme bezeichnet.
„Akustisch ist unter der Klangfarbe einer (Sing-)Stimme die Art der Zusammensetzung eines Tons aus dem Grundton und seinen verschiedenen Obertönen zu verstehen“ (Böhme, 1978:73).
Dabei wird zwischen „offenem und gedecktem Singen“ (Luchsinger und Arnold, 1949:65) unterschieden, wobei dem offenen Singen eine helle Klangfarbe und dem gedeckten Singen eine dunkle Klangfarbe entspricht. Die Begriffe „hell“ und „dunkel“ beziehen sich nicht auf die wahrgenommene Tonhöhe und sind demnach nicht mit den Bezeichnungen „hoch“ und „tief“ zu verwechseln. Ein und dieselbe wahrgenommene Tonhöhe kann also sowohl eine helle als auch eine dunkle Klangfarbe haben, während unterschiedliche Tonhöhen auch dieselbe Klangfarbe haben können.
Beim „In-die-Höhe-Singen“ ändert sich die Klangfarbe allerdings zwischen dem d‘ und dem f‘ von hell in dunkel. Die Töne werden also „gedeckt“, wobei sich die zunächst offene Mundstellung der geschlossenen immer weiter annähert. Sinn und Zweck dieser Gesangstechnik, die erstmals im Jahre 1830 von dem Tenor Duprez angewandt wurde und daraufhin „zu einer wahren Revolution des Singens führte“, erklären Luchsinger und Arnold (ebd.) durch die Tatsache, daß „nur unterhalb des c‘ alle Vokale in vollkommener Reinheit hervorgebracht werden können“. Nach Überschreiten dieses Punktes muß der Sänger die Stimme decken, um noch reine Vokale bilden zu können. Dies erfolgt durch eine Vergrößerung des Ansatzrohres (das gesamte, oberhalb der Stimmlippenebene gelegene Raumsystem) sowie gleichzeitiges Absenken des Kehlkopfes. Luchsinger und Arnold (ebd.)
definieren das gedeckte Singen als „jene sehr geringe Verdunkelung der Vokale in höherer Tonlage zur Vermeidung zu heller Klangfarbe und zur Erleichterung des Registerausgleichs unter Tiefstellung des Kehlkopfs und gleichzeitiger Verbreiterung des Ansatzrohres“. Die ausführlichste Definition stammt von Nadoleczny (1925), der den Begriff Register folgendermaßen erklärt:
„Unter Register verstehen wir eine Reihe von aufeinanderfolgenden, unter sich gleichartigen Stimmklängen, die das musikalisch geübte Ohr von einer sich daran anschließenden Reihe ebenfalls unter sich gleichartiger Klänge an bestimmten Stellen abgrenzen kann. Ihr gleichartiger Klang ist durch ein bestimmtes, konstantes Verhalten der Obertöne bedingt. Diesen Klangreihen entsprechen an Kopf und Brust bestimmte, objektiv und subjektiv wahrnehmbare, von der Resonanzbreite der zugehörigen Körperhöhlen abhängige, Vibrationsbezirke (Abstrahlungsbezirke). Die Stellung des Kehlkopfes ändert sich beim Übergang von einer solchen Klangreihe zur nächsten beim Natursänger stärker als beim Kunstsänger. Die Register sind hervorgerufen durch einen bestimmten, ihnen zugehörigen Mechanismus der Klangerzeugung, bei dem die Koppelung zwischen Kehlkopf, Ansatzrohr und der Luftröhre (mit Lunge), also zwischen oberen und unteren Lufträumen, die Hauptrolle spielt. Eine Anzahl jener Klänge kann jeweils in zwei angrenzenden Registern (aber nicht immer in der gleichen Stärke) hervorgebracht werden: amphotere Klänge. Zum Sprechen in der Umgangssprache können alle drei Register dienen, jedoch darf man die Verwendung der Bruststimme und etwa noch der Mittelstimme dabei als normal ansehen.“
Ein Stimmregister kann demnach definiert werden als eine Reihe aufeinanderfolgender Stimmfrequenzen, die alle mit der gleichen Klangfarbe oder Stimmqualität produziert werden. Die Begriffe „Klangfarbe“ und „Stimmqualität“ möchte ich dabei gleichsetzen, auch wenn die Stimmqualität in der Literatur gelegentlich über quantitative wahrnehmbare Merkmale wie Tonhöhe, Lautstärke oder Dauer definiert wird. Quantitativ deshalb, weil sie zum Beispiel auf einer Skala als höher / tiefer, lauter / leiser oder länger / kürzer bewertet werden könnten. Solche Merkmale möchte ich bei der Beschreibung der Klangfarbe außer acht lassen.
Der Begriff „Register“ geht auf den Gesangslehrer Garcia (1878) zurück und wird in der Literatur häufig in Verbindung mit der Singstimme verwendet, auf die ich in meiner Arbeit allerdings weniger eingehen möchte.
Allgemein bezieht sich die Beschreibung eines Registers auf bestimmte physiologische Eigenschaften der Stimmlippen bei der Stimmbildung, die sich von denen in anderen Registern unterscheiden. Daher möchte ich zunächst die physiologischen und physikalischen Grundlagen der Stimmbildung erläutern, bevor ich auf die verschiedenen Registerbegriffe eingehe.
2.2. Grundlagen der Stimmbildung und Begriffsklärung
In diesem Abschnitt soll zum einen beschrieben werden, wie die menschliche Stimme überhaupt erzeugt wird, welche physiologischen und physikalischen Voraussetzungen dafür notwendig sind und wie sie zusammengesetzt ist. Zum anderen sollen die unterschiedlichen Registerbegriffe geklärt werden, die in der Literatur zu finden sind.
Die Erzeugung der Stimme bedarf zunächst der Schallerzeugung, eines sogenannten Schallsignals, das durch eine Schwingung der Stimmlippen erfolgt. Die Stimmlippen befinden sich im Kehlkopf (Larynx), der den Rachen (Pharynx) mit der Luftröhre verbindet. Der Begriff Stimmlippen (Plicae vocales) wird in der Literatur oft mit dem Begriff Stimmbänder (Ligamenta vocalia) gleichgesetzt, bezeichnet jedoch strenggenommen die Stimmfalten, die von der Innenfläche des Schildknorpels (Cartilago thyroidea) bis zum vorderen Fortsatz der Stellknorpel (Cartilages arytenoideae) reichen und die Stimmbänder sowie den Stimmuskel (Musculus vocalis) beinhalten. Der Schildknorpel liegt im vorderen Bereich des Larynx und besteht aus zwei Platten, die in der vorderen Mitte miteinander verbunden sind und von außen ertastet werden können. Der paarige Stellknorpel befindet sich im hinteren Teil des Larynx. Die Stimmbänder sowie der Stimmuskel, der ihre Eigenschwingung reguliert, spannen sich etwa in Höhe des 5. Halswirbels zwischen Schild- und Stellknorpeln aus (Moll, 1993:269ff).
Abb. 1: Das Kehlkopfskelett (nach Schwegler, 1996:205)
a) von der Seite, b) von vorne, c) von hinten
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
In Abschnitt 2.3 werde ich auf weitere Muskeln eingehen, die an der Spannung und der Stellung der Stimmbänder beteiligt sind. Verschiedene Ansichten des Kehlkopfs sind in den Abbildungen 1 und 2 zu sehen. In der Abbildung 2 ist der Schildknorpel nur in seinen Umrissen dargestellt, so daß die Stimmlippen sichtbar sind.
Abb. 2: Transparente Darstellung des Kehlkopfs (nach Schumacher, 1989:169)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Der Mechanismus der Schallerzeugung mit Hilfe der Stimmlippen wird durch die sogenannte myoelastisch-aerodynamische Theorie der Sprachproduktion von van den Berg (1958) erklärt. Diese Theorie geht davon aus, daß die Stimmlippenschwingung durch einen Luftstrom hervorgerufen wird, der aus der Lunge und durch die Luftröhre in den Kehlkopf gelangt, während die neuro-chronaxische Theorie davon ausgeht, daß jede Schwingung durch Nervenimpulse induziert wird (Husson, 1950), wofür es jedoch keinen experimentellen Beweis gibt. Zudem ist es unwahrscheinlich, daß sich die Muskeln, die für die Stimmbandspannung zuständig sind, unter der Nervenkontrolle so rasch anspannen können. So müßten sie beispielsweise für das c‘‘‘ 1024 Mal pro Sekunde kontrahieren, was nach der Physiologie der Nerven unmöglich ist. Außerdem sind die Fasern anatomisch gesehen nicht für eine seitliche Bewegung orientiert (Luchsinger und Arnold, 1949:24).
Bei der Phonation, der (stimmhaften) Anregung der Stimmlippenschwingung, wird also ein pulmonaler, das heißt aus der Lunge kommender Luftstrom im Kehlkopf durch die Funktionsweise der Stimmlippen derart modifiziert, daß durch die Schwingung zunächst ein Schallsignal entsteht, welches wiederum als Anregungssignal zur Produktion von Sprache oder auch anderen vokalen Äußerungen wie zum Beispiel Gesang oder Schreien dient. Die Schwingung, die die Stimmlippen bei der Phonation erzeugen, ist eine quasiperiodische, das heißt eine annäherungsweise als periodisch anzunehmende sowie nichtsinusförmige Schwingung.
Die Phonation erfolgt in der Regel beim Ausatmen, obwohl im Prinzip auch beim Einatmen eine Stimmlippenschwingung erzeugt werden kann (Kohler, 1995:53). Durchströmt die Luft bei geöffneten Stimmbändern jedoch eine Engstelle im Mund- oder Rachenraum, so entsteht dort eine Reibung und damit ein Rauschen im Anregungssignal. In diesem Fall spricht man von stimmloser Anregung.
Die myoelastisch-aerodynamische Theorie erklärt die Vorgänge bei der Phonation folgendermaßen: In der Ausgangsstellung sind die Stimmbänder leicht gespannt, und die Ritze zwischen den Stimmbändern, die als Glottis bezeichnet wird, ist geschlossen. Im gesamten Bereich der Sprechorgane, der von der Lunge bis zur Abstrahlung an der Mundöffnung reicht, stellen die Stimmbänder grundsätzlich die engste Stelle dar. Sie teilen die Sprechorgane in das subglottale System mit der Lunge, den Bronchien und der Luftröhre bis zum Larynx und das supraglottale System, das Rachen-, Mund- und Nasenraum umfaßt. Das supraglottale System wird auch als Vokaltrakt bezeichnet, da hier das Anregungssignal zum Sprachsignal geformt wird.
Bei geschlossenen Stimmbändern resultiert der subglottale Druck aus der Differenz des Luftdrucks im subglottalen System und des atmosphärischen Luftdrucks außerhalb des Körpers des Sprechers. Dieser Druck reicht aus, um die Stimmbänder zu öffnen, so daß nun Luft durch die Glottis nach außen strömen kann. Die von der Spannung der Stimmbänder herrührende Rückstellkraft bewirkt, daß die Stimmbänder nur so weit geöffnet werden, daß Luft hindurchströmen kann. Der Querschnitt der Glottis ist also geringer als der Querschnitt oberhalb und unterhalb des Larynx, so daß die Luft mit sehr hoher Geschwindigkeit hindurchströmt. Dadurch entsteht im Bereich der Stimmbänder ein Unterdruck, die sogenannte Bernoullikraft, die quer zur Strömungsrichtung wirkt und die Rückstellkraft verstärkt. Bernoulli- und Rückstellkraft zusammen sind stärker als der subglottale Druck, so daß sich die Stimmbänder wieder aufeinander zu bewegen und sich die Glottis abrupt schließt.
Durch die daraus resultierende Unterbrechung des Luftstroms fällt natürlich auch die Bernoullikraft weg, so daß die Ausgangsstellung wieder erreicht ist und der Zyklus erneut beginnen kann. Diese periodische Unterbrechung des Luftstroms durch die Stimmlippenschwingung ist als akustisches Signal, das Phonationssignal wahrnehmbar. Durch das abrupte Schließen der Glottis entsteht im Phonationssignal eine Ecke, die letztendlich dafür verantwortlich ist, daß in stimmhaften Sprachsignalen sehr hohe Frequenzen (bis zu mehreren kHz) auftauchen können.
Die Stimmlippenschwingung erzeugt niemals einen einfachen, reinen Ton, sondern immer einen aus mehreren Teiltönen bestehenden sogenannten komplexen Ton, der daher als Klang zu bezeichnen ist. Der tiefste Teilton - der aber nicht notwendigerweise der stärkste sein muß - wird als Grundton bezeichnet, die anderen Teiltöne als Obertöne. Sind ihre Schwingungszahlen ganzzahlige Vielfache der Schwingungszahl des Grundtones, so werden sie als harmonische, im anderen Fall als unharmonische Obertöne bezeichnet, jedoch ergibt nur das ganzzahlige und damit harmonische Frequenzverhältnis der Teilschwingungen die Periodizität und damit einen Klang. Eine aperiodische Schwingung, die ein unharmonisches Frequenzverhältnis aufweist, wird nicht als Klang, sondern als Rauschen bezeichnet.
Die Teilschwingungen, die mit ganzzahligen Perioden in die Grundschwingung passen, sind dann zueinander in Phase, wenn sie am Anfang jeder Grundschwingung einen gemeinsamen positiven Nulldurchgang haben, wobei Nulldurchgang bedeutet, daß die Amplitude gleich null ist. Als Amplitude wird die maximale Auslenkung einer Schwingung bezeichnet. (Neppert und Pétursson, 1986:32f).
Die im Sprachschall vorkommenden Schwingungen weichen von der Sinusform ab, können aber so aufgefaßt werden, als seien sie aus mehreren Sinusschwingungen unterschiedlicher Frequenz und Amplitude zusammengesetzt (Neppert und Pétursson, 1986:28). So kann ein komplexes Sprachsignal in eine Reihe von Teilschwingungen zerlegt und durch die beiden Spektren Amplitude und Phase dargestellt werden. Das Amplitudenspektrum gibt an, mit welcher Intensität die einzelnen Teilfrequenzen vertreten sind. Diese Reihe von Teilschwingungen wird nach ihrem Entdecker, dem Mathematiker J. B. Fourier, als Fourierreihe bezeichnet (Kohler, 1995:47).
Die pro Sekunde gemessene Anzahl der einzelnen Schwingungszyklen des Grundtones wird als Sprachgrundfrequenz F0 des Signals bezeichnet und wird durch die Voreinstellung der Stimmbänder und die Stärke des subglottalen Drucks gesteuert. Mit der Grundfrequenz korreliert die wahrgenommene Tonhöhe, jedoch nur, wenn Periodizität vorliegt. Ein solcher Schwingungszyklus wird als eine Sprachgrundperiode bezeichnet, die Dauer T0 einer solchen Grundperiode heißt Grundperiodendauer (Neppert und Pétursson, 1986:34f).
Bei der normalen Sprachproduktion sind folgende Organe beteiligt: die Lunge, die wie ein Blasebalg funktioniert, die Luftröhre, durch die Luft in den Larynx strömt, der wiederum als Generator für den Schall dient, und die Hohlräume, die als Resonanzsystem dienen. Alle diese Organe bilden eine Einheit, die im Grunde nicht in ihre Einzelteile zerlegt werden kann, jedoch ist es nicht möglich, die Funktion der gesamten Einheit zu verstehen, ohne die einzelnen Komponenten zu kennen.
Das zentrale Organ dieser Einheit ist der Larynx, da hier der Schall entsteht. Der akustische Widerstand der Hohlräume direkt oberhalb des Larynx, der auch als glottaler Widerstand oder glottale Impedanz bezeichnet wird, resultiert aus dem Verhältnis von subglottalem Druck und Geschwindigkeit des pulmonalen Luftstroms im Moment des Übergangs vom Larynx in die Luft außerhalb des Körpers. Diese Geschwindigkeit wiederum scheint von der Formantstruktur des Sprachsignals abzuhängen: sie ist hoch für die Formanten und niedrig für Frequenzen zwischen den Formanten (van den Berg, 1958:227).
Bei den Formanten handelt es sich um Teilschwingungen mit besonders starker Intensität. Es sind Frequenzen, die der Eigenfrequenz des Ansatzrohrs entsprechen, also Schwingungen, deren Wellenlängen besonders gut mit den geometrischen Gegebenheiten des Ansatzrohrs zusammenpassen. Diese Schwingungen werden vom Vokaltrakt unterstützt, indem er in Resonanz gerät, also mitschwingt, so daß sie auch als Resonanzfrequenzen bezeichnet werden. Für die Wahrnehmung erzeugen sie so eine spezifische Klangfarbe (Neppert und Pétursson, 1986:254).
Resonanzen treten dann auf, wenn die Schallwelle eine Länge hat, bei der am offenen Ende des Vokaltrakts die Schallschnelle einen Maximalwert erreicht und der Schalldruck null ist und am geschlossenen Ende die Schallschnelle null ist und der Schalldruck einen Maximalwert erreicht. Dies ist der Fall, wenn ein ungeradzahliges Vielfaches einer Viertelwelle genau in das Ansatzrohr paßt (Fant, 1970:210). Die Schallschnelle ist die Geschwindigkeit, mit der sich die einzelnen Teilchen bewegen und ist nicht mit der Schallausbreitungsgeschwindigkeit zu verwechseln.
Normalerweise sind die Formanten zum Ende hin nicht mehr ganz scharf abgegrenzt, da hier ein Energieverlust stattfindet. Bei hohen Formanten wird er hervorgerufen durch Abstrahlung der Energie von den Lippen an die Luft außerhalb des Körpers, bei mittleren Formanten durch Friktion an engen Stellen des Vokaltrakts und bei niedrigen Formanten durch Mitschwingen der Wände der Hohlräume und besonders des Halses (van den Berg, 1958:227). Bei geöffneter Glottis verlieren die Formanten ebenfalls Energie in Richtung Glottis, Luftröhre und Lunge (ebd.:229).
Bei hoher Geschwindigkeit des Luftstroms im Moment des Übergangs, die bei den Formantfrequenzen auftritt, ist der glottale Widerstand der Hohlräume ebenfalls hoch, so daß ein sehr hoher subglottaler Druck nötig ist, damit die Luft vibriert. Die Frequenz wiederum hängt von der Masse und Dichte der Stimmlippen ab, deren Form veränderlich ist. Im Falsettregister beispielsweise sind die Stimmlippen sehr dünn aufgrund ihrer hohen Spannung, die hervorgerufen wird durch Kontraktion des Musculus cricothyroideus, der die Stimmlippen streckt und damit verlängert. Im Modalregister wird die Spannung erzeugt durch Kontraktion des Musculus vocalis, und der Teil der Stimmlippen, der in Schwingung gerät, ist größer als im Falsettregister. Die schwingende Masse ist größer, und daher ist auch die Amplitude der Schwingungen größer (Sonninen, 1956).
Die Funktionsweise des Schallgenerators auf der Basis der myoelastisch-aerodynamischen Theorie ist nun folgendermaßen zu realisieren (van den Berg, 1958:239ff): Die Frequenz dieses Generators entspricht der Frequenz der Stimmlippenschwingung und ist abhängig von einer Reihe von Faktoren, die ebenfalls voneinander abhängig sind. Bei diesen Faktoren handelt es sich um die Masse des schwingenden Teils der Stimmlippen, die Spannung des schwingenden Teils der Stimmlippen, den glottalen Widerstand, den Wert des BernoulliEffekts sowie den subglottalen Druck.
Das Schließen der Glottis wird durch drei Faktoren herbeigeführt: durch den Abfall des subglottalen Drucks, ausgelöst durch das Entweichen subglottaler Luft, durch die von der Spannung der Stimmbänder herrührende Rückstellkraft, die dazu führt, daß sich die Glottis schließt und schließlich durch die entweichende Luft, die einen Unterdruck herbeiführt, der dort am größten ist, wo ihre Geschwindigkeit ebenfalls am größten ist, nämlich an der Stelle mit dem geringsten Querschnitt. Bei konstantem durchschnittlichem subglottalem Druck hängt die durchschnittliche Geschwindigkeit des Luftstroms durch den Larynx vom durchschnittlichen Luftwiderstand des Larynx und der Hohlräume ab (ebd.:240).
Das Öffnen der Glottis vollzieht sich normalerweise schneller als das Schließen, wobei der Öffnungsquotient das Verhältnis zwischen Dauer der Öffnungsphase und Dauer der Verschlußphase ausdrückt. Bei einem Öffnungsquotienten >1 ist also die Öffnungsphase länger als die Verschlußphase und bei einem Öffnungsquotienten <1 ist die Öffnungsphase kürzer als die Verschlußphase. Bei einem hohen Öffnungsquotienten sind nur wenige harmonische Obertöne zu erwarten, während bei einem kleinen Öffnungsquotienten die Zahl der harmonischen Obertöne sehr hoch sein kann (ebd.:241).
Bei verschiedenen Stimmregistern handelt es sich demnach um unterschiedliche Arten der Phonation, also der (stimmhaften) Anregung eines Sprachsignals, denen verschiedene Grundeinstellungen der Stimmbänder entsprechen.
Allerdings ist es so, daß manche Autoren nicht von verschiedenen Registern sprechen, sondern grundsätzlich alle Arten der Phonation unter dem Begriff „Stimmqualität“ zusammenfassen, während andere Autoren die verschiedenen Stimmqualitäten in Gruppen einteilen, von denen eine Gruppe dem entspricht, was wiederum andere Autoren als Register bezeichnen. Wie die Begriffe „Stimmregister“ und „Stimmqualität“ voneinander abgegrenzt werden können, wird in Kapitel 4 behandelt.
Eine solche Verwirrung wird durch den „Überfluß an Begriffen und deren mehrdeutigen Gebrauch“ (Mörner, Fransson und Fant, 1963:18) begünstigt, und es wurden insgesamt 107 Bezeichnungen von Mörner, Fransson und Fant (ebd.) aufgelistet. Generell kann man aber sagen, daß sich die Unterscheidung von Registern nur auf laryngeale Gegebenheiten bezieht, während für die Stimmqualität auch supralaryngeale Faktoren ausschlaggebend sind. Um verschiedene Register beschreiben zu können, muß zunächst von einer neutralen Phonation ausgegangen werden, das heißt von einem Register, das beim normalen Sprechen verwendet wird, so daß die anderen Register in Relation zu diesem Register beschrieben werden können.
Wie schon aus der weiter oben zitierten Definition von Nadoleczny hervorgeht, wird dieses Register zum Beispiel als Bruststimme bezeichnet. Andere Begriffe hierfür sind Modalregister oder, in der englischsprachigen Literatur, chest register, modal voice / register oder heavy register. Im allgemeinen werden darüber hinaus noch zwei weitere Register beschrieben, die zusammen mit dem Modalregister die drei Hauptregister bilden: Das Falsettregister wird auch als Kopfstimme, head register, falsetto voice / register, loft register oder light register bezeichnet und zeichnet sich durch eine Grundfrequenz aus, die im Durchschnitt höher ist als die des Modalregisters. Das Strohbaßregister nennt man auch Knarrstimme oder Laryngealisierung, und es taucht in der englischsprachigen Literatur als vocal fry, glottal fry, creaky voice oder pulse register auf. Seine Grundfrequenz liegt im Durchschnitt unter der des Modalregisters, und seine Töne sind im Klangcharakter dem Orgelton ähnlich und reichen vom e′ bis in die Kontraoktave hinunter (Luchsinger und Arnold, 1949:51). Eine Übersicht über die verschiedenen Register und ihre dazugehörigen
Bezeichnungen findet sich in der Tabelle 1.
Tabelle 1: Übersicht der Register und ihrer Bezeichnungen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Eine ausführlichere Unterteilung, die zum einen zwischen musikalischer und physiologischer Ebene und zum anderen zwischen männlichen und weiblichen Registern unterscheidet stammt von Luchsinger und Arnold (1949:52). Die Autoren unterscheiden in musikalischer Hinsicht die Brust-, Mittel- und Kopfstimme und bei Männern darüber das Falsettregister, was hier auch Randstimme oder Randregister genannt wird. Das Falsettregister und die Kopfstimme werden also nicht gleichgesetzt. Beim Mittelregister, das auch als Mischstimme bezeichnet wird, handelt es sich um die sogenannten amphoteren Töne, die sowohl im Brust- als auch im Kopfregister produziert werden können.
In physiologischer Hinsicht unterscheiden Luchsinger und Arnold den Strohbaß sowie erneut die Brust-, Mittel- und Kopfstimme und darüber die Fistelstimme bei Männern sowie das Pfeifregister bei Frauen und Kindern. Dieses geht auf Leopold Mozart, den Vater W. A. Mozarts zurück und wird auch als Flageolet bezeichnet. Es beginnt beim d′′′ und reicht teilweise bis zum c′′′′, bei Kindern gelegentlich sogar bis zum g′′′′.
Van Deinse (1981:38) geht noch einen Schritt weiter und sagt, daß Männer gar kein Kopfregister haben, sondern nur das Brust-, das Mittel- und das Falsettregister, während Frauen kein Falsettregister haben, sondern nur das Brustregister, das allerdings kleiner ist als bei Männern, das Mittel- und das Kopfregister sowie zusätzlich das sogenannte kleine Register (little oder minor register) und das Pfeifregister.
Trotz dieser vielfachen Uneinigkeit bezüglich Art und Anzahl der Register sowie ihrer Unterscheidung nach Geschlecht und Alter hat sich die Drei-Register-Theorie bei den meisten Autoren durchgesetzt. Auch ich möchte mich in dieser Arbeit auf die drei - meiner Meinung nach - wichtigsten Register beziehen, nämlich das Modal-, das Falsett- und das Strohbaßregister und alle anderen Register - vor allem auch aus Platzgründen - außer acht lassen.
Musikalisch gesehen entsprechen die drei Register Strohbaß, Modal und Falsett den Stimmlagen Baß, Bariton und Tenor bei den Männerstimmen sowie Alt, Mezzo und Sopran bei den Frauenstimmen (Luchsinger und Arnold, 1949:51).
Wie schon erwähnt, wird jedes Register zum einen durch spezifische laryngeale Gegebenheiten beeinflußt, die bei der Phonation beteiligt sind. Dabei handelt es sich um physiologische Faktoren. Zum anderen resultieren daraus aber auch aerodynamische Faktoren sowie akustische Faktoren, die die einzelnen Register kennzeichnen und sowohl durch die physiologischen als auch durch die aerodynamischen Faktoren beeinflußt werden. Das Modalregister ist dabei das Register, in dem die Phonation üblicherweise erfolgt, das heißt, es weist auf jeder dieser drei Ebenen die Parameter auf, die für das normale Sprechen charakteristisch sind. Die für die einzelnen Register charakteristischen physiologischen, akustischen und aerodynamischen Faktoren sollen in den folgenden drei Abschnitten beschrieben werden.
2.3. Physiologische Faktoren
Bei der Stimmbildung sind niemals nur einzelne Muskeln, sondern fast immer ganze Muskelgruppen beteiligt. Dieses Muskelsystem, das für den Mechanismus der Stimmbildung zuständig ist, kann in drei Gruppen unterteilt werden (nach Schiebler und Schmidt, 1991:466ff):
1) Die inneren Kehlkopfmuskeln stehen in direkter Verbindung zur Stimmbildung, indem sie die beiden Stellknorpel (Cartilagines arytenoideae), kurz Aryknorpel genannt, bewegen. Diese Knorpel regulieren durch Drehung die Stellung und Spannung der Stimmbänder, die sich von der Innenfläche des Schildknorpels (Cartilago thyroidea) an der Vorderseite des Kehlkopfs bis zu den Aryknorpeln an der Hinterseite des Kehlkopfs erstrecken. Am Processus vocalis, dem nach vorne zeigenden Fortsatz jedes Aryknorpels, ist das Stimmband befestigt, und am hinteren Fortsatz, dem Processus muscularis, sind die inneren Kehlkopfmuskeln befestigt. Entsprechend ihrer Funktion werden die Innenmuskeln des Kehlkopfes in Erweiterer (Abduktoren) und Verenger (Adduktoren) der Stimmritze unterteilt. Der Musculus cricoarytenoideus posterior erweitert durch Kontraktion die Stimmritze und spannt außerdem die Stimmbänder. Der Musculus cricoarytenoideus lateralis ist sein Gegenspieler, der die Stimmbänder entspannt und in eine Stellung bringt, die für die Flüstersprache charakteristisch ist: die vorderen zwei Drittel der Glottis sind geschlossen, und das hintere Drittel zwischen den Aryknorpeln bleibt geöffnet. Um auch diesen Teil der Stimmritze zu schließen, bedarf es einer Kontraktion des Musculus arytenoideus obliquus und transversus, der die Stellknorpel einander nähert und so die Glottis vollständig verschließt, aber die Stimmbänder auch wieder anspannt. Ein weiterer Muskel, der die Stimmritze ebenfalls verengt und die Stimmbänder spannt, ist der Musculus thyroarytenoideus externus und internus, dessen innerer Teil auch als Musculus vocalis bezeichnet wird und der vor allem für die feinere Spannung der Stimmbänder und damit für die Tonhöhe verantwortlich ist und zusammen mit den Stimmbändern die Stimmlippen bildet.
2) Der Musculus cricothyroideus gehört zu den äußeren Kehlkopfmuskeln, die am Schildknorpel befestigt sind und ist im Gegensatz zu den inneren Kehlkopfmuskeln nur bei der Spannung und Dehnung der Stimmbänder beteiligt und reguliert damit im wesentlichen die Höhe der Stimme. Bei seinem Funktionsausfall ist die Anspannung der Stimmbänder unmöglich, so daß in einem solchen Fall keine hohen Töne mehr hervorgebracht werden können. Sein Gegenspieler ist der Musculus thyrohyoideus, der die Stimmbänder erschlaffen läßt.
3) Die dritte Gruppe bildet die Kehlkopfmuskulatur im weiteren Sinn, die den Kehlkopf als Ganzes bewegt oder ihn mit dem Zungenbein, der Rachenmuskulatur und dem Brustbein verbindet. Diese Muskeln dienen einerseits zur Fixierung des Kehlkopfes, andererseits zu dessen Schluckbewegung sowie zur Veränderung der supraglottalen Resonanzräume, was für die Registereinteilung und Klangfarbenänderung der Stimme wichtig ist (Luchsinger und Arnold, 1949:45).
Damit ist der Larynx ein sehr bewegliches Organ, das je nach Beanspruchung seine Lage verändern kann. So hebt er sich beispielsweise beim Schlucken oder beim Einatmen in die Höhe, während er sich beim Ausatmen wieder senkt. Ebenso hebt er sich bei hohen und sinkt bei tiefen Tönen, so daß es für alle Vokale verschiedene Stellungen gibt, und zwar in steigendem Maße vom u zum i, wobei die Kehlkopfbewegung bei einer ausgebildeten und geschulten Singstimme im allgemeinen geringer ist (Luchsinger und Arnold, 1949:47).
Bei der Spannung der Stimmbänder unterscheidet Laver (1980:110) zwischen passiver und aktiver Spannung. Die passive Spannung der Stimmbänder erfolgt durch Kontraktion des Musculus cricothyreoideus, der als äußerer Kehlkopfmuskel für die Grobeinstellung zuständig ist, während die aktive Spannung durch Kontraktion des Musculus vocalis erfolgt, der als Stimmbandmuskel die Feineinstellung und damit die Eigenschwingung der Stimmbänder regelt. Außerdem beeinflußt die aktive Spannung auch die Dicke und Länge der Stimmlippen und kann so einen vollständigen Verschluß der Stimmritze herbeiführen (Moll, 1993:270). Die Funktionen dieser beiden Muskeln haben eine weitere Bedeutung für die akustische Ebene, so daß ich später darauf zurück kommen werde.
Weitere physiologische Faktoren die die unterschiedlichen Register beeinflussen, sind Länge und Weite der Stimmritze, Länge und Dicke der Stimmlippen sowie deren Schwingungsmuster. Messungen dieser Parameter können zum Beispiel mit Hilfe von Röntgenaufnahmen, Photographien oder Filmaufnahmen der Stimmlippen, Kehlkopfspiegelungen (Laryngoskopien) oder Stroboskopien des Kehlkopfs (Laryngostroboskopien) durchgeführt werden.
Bei der Laryngoskopie wird die Zunge vorgezogen und ein Spiegel bis zum Zäpfchen (Uvula) vorgeschoben, der das Bild seitenrichtig wiedergibt (Pschyrembel, 1994). Dies ist auch möglich mit Hilfe eines Endoskops, eines schlauch- oder röhrenförmigen Instruments, das mit einem optischen System, bestehend aus Objektiv und Okular, einer Beleuchtungseinrichtung und zusätzlich einer Spül- und Absaugevorrichtung sowie Kanälen zum Einführen von speziellen Instrumenten (für operative Eingriffe) ausgestattet ist.
Um die Bewegungen der Stimmlippen zu beobachten, ist die Laryngostroboskopie, die im Jahre 1866 von Doepler erstmals durchgeführt wurde (Luchsinger und Arnold, 1949:30), jedoch besser geeignet: Das Stroboskop erzeugt in regelmäßigen Abständen kurze Lichtblitze, deren Frequenz variiert und so mit der Stimmlippenschwingung synchronisiert werden kann (Pschyrembel, 1994). Diese Lichtblitze werden entweder mit Hilfe einer rotierenden Lochscheibe erzeugt, so daß der Lichtstrahl, der den Kehlkopf beleuchtet, in einer bestimmten Frequenz unterbrochen wird, oder man verwendet eine intermittierende Beleuchtung, wobei die Lichtquelle entsprechend einer gewünschten Frequenz pulsiert (Luchsinger und Arnold, 1949:31). Produziert nun beispielsweise eine Versuchsperson einen Ton mit 128 Schwingungen in der Sekunde, so liefert die gewöhnliche Kehlkopfspiegelung nur ein
ziemlich unscharfes Bild der Stimmlippen. Werden dagegen 128 Lichtblitze pro Sekunde in den Kehlkopf gebracht, so zeigen die Stimmlippen einen (scheinbaren) Stillstand. Bei zum Beispiel 127 Lichtblitzen kann man als Folge der Interferenz eine (Schein-)Schwingung pro Sekunde beobachten. Ist also die Frequenz der Lichtblitze geringer als die der Stimmlippenschwingung, nimmt man eine wesentlich verlangsamte Schwingung wahr, die sich aus den einzelnen wahrgenommenen Stellungen zusammensetzt (ebd.:30). Dabei ist es wichtig, daß die Frequenz der Lichtblitze möglichst nahe an die Frequenz der Stimmlippenschwingung herankommt.
Das Problem sowohl bei der Spiegelung als auch bei der Stoboskopie besteht in der Tatsache, daß die Stimmlippenschwingung bei einem ausgehaltenen Ton untersucht wird und so von der Singstimme auf die Sprechstimme geschlossen wird (Böhme, 1978:96). Der Mangel an solchen Untersuchungen, die sich mit der Länge und Dicke der Stimmlippen, ihren Schwingungsmustern sowie deren Bezug zu den Stimmregistern befassen, kann auf zwei Probleme zurückgeführt werden. Zum einen ist es schwierig, Versuchspersonen zu finden, die sich freiwillig dazu bereit erklären, die unangenehme Prozedur einer Spiegelung oder Stroboskopie des Kehlkopfs über sich ergehen zu lassen. Das andere Problem stellen die photographischen Untersuchungen dar, die zwar weniger unangenehm, dafür aber ziemlich ungenau sind, da die Distanz zwischen Linse und Stimmlippen variabel und normalerweise unbekannt ist. Sie variiert nicht nur je nach Versuchsperson aufgrund anatomischer Größenunterschiede, sondern auch je nach Frequenz bei ein und derselben Versuchsperson, da sich der Larynx mit Änderungen in der Frequenz anheben oder absenken kann. Daher sind die Größenverhältnisse einzelner Aufnahmen nicht unbedingt einheitlich, was die Auswertung der Aufnahmen erschwert (Hollien, 1960:150f).
Die Dimensionen, die Fant (1970:266) der Stimmritze während der Phonation im Modalregister zuordnet, sind eine Länge von 12 mm, eine maximale Weite von 2,5 mm bei normalem Stimmgebrauch und eine Tiefe von 2 - 5 mm in die Richtung, aus der der Luftstrom kommt. Länge und Dicke der Stimmlippen im Modalregister werden von Hollien (1974:135) als sehr variabel beschrieben. Die Länge reicht von sehr kurz bis sehr lang, wobei die Änderung im Durchschnitt 5 mm beträgt, aber es wurden auch schon Variationen in der Länge bis zu 10 mm beobachtet. Die Dicke reicht ebenfalls - entsprechend der Länge - von sehr dick bis sehr dünn, das heißt, die Stimmlippen können im Modalregister zwischen sehr kurz und dick und sehr lang und dünn variieren. Diese Änderungen wirken sich wiederum auf die Grundfrequenz aus, beziehungsweise stehen sie in Beziehung zu Änderungen in der Grundfrequenz, die zu den akustischen Faktoren zählt. Darauf werde ich im nächsten Abschnitt genauer eingehen.
Die Stimmlippen im Strohbaßregister beschreibt Hollien (ebd.) als sehr kurz und dick, so wie bei einer sehr niedrigen Grundfrequenz im Modalregister. Sie werden rechts und links von den Taschenfalten des Kehlkopfs (plicae ventricularis oder plicae vestibularis) überlappt, beziehungsweise sie kommen mit ihnen derart in Kontakt, daß eine dicke, kompakte, aber nicht notwendigerweise angespannte Struktur entsteht, bevor die Phonation erfolgt:
„In the production of this type of phonation we suggest that (1) the vocal folds when adducted are relatively thick and apparently compressed, (2) the ventricular folds are somewhat adducted also, and (3) the inferior surfaces of the false folds actually come in contact with the superior surfaces of the true vocal folds. Thus, an unusually thick, compact (but not necessarily tense) structure is created prior to the initiation of phonation“ (Hollien, Moore, Wendahl und Michel, 1966:247).
Die Stimmlippen sind im Falsettregister sehr lang und dünn, genauso wie bei einer sehr hohen Grundfrequenz im Modalregister (Hollien, 1974:135).
Auch die unterschiedlichen Schwingungsmuster der Stimmlippenbewegung sind charakteristisch für die einzelnen Register. Der Schwingungszyklus des Modalregisters ist gekennzeichnet durch einen relativ schnellen Onset, gefolgt von einer kurzen offenen Periode, in der die Glottis vollständig geöffnet ist, einem längeren Schließvorgang und schließlich einer kurzen geschlossenen Periode. Natürlich können alle diese Parameter je nach Frequenz und/oder Intensität variieren, aber sie unterscheiden sich immer von denen der anderen beiden Register (Timke, von Leden und Moore, 1958).
Das Schwingungsmuster im Strohbaßregister zeichnet sich durch ein schnelles Öffnen und eine ebenso schnelle Schließbewegung aus, der eine sehr lange geschlossene Periode folgt (ebd.). Der Impuls fällt auf Null ab, bevor der folgende Impuls angeregt wird. Die Tatsache, daß im Strohbaßregister die Taschenfalten des Kehlkopfs mit den Stimmlippen in Kontakt kommen, ist es möglich, daß ihre Position die Bewegung der Stimmlippen dämpft (Laver, 1980:123). Unter anderem kann dies dazu führen, daß nur der vordere Teil der Stimmlippen an der Schwingung beteiligt ist (Catford, 1964:32).
Im Falsettregister ist eine große, sprecherabhängige und auch geschlechtsabhängige Variation bezüglich des Schwingungsmusters möglich. Charakteristisch für dieses Register sind eine längere Öffnungsphase, wobei die Öffnung der Glottis aber sehr schmal ist, eine reduzierte Amplitude der Stimmlippenschwingung und/oder eine nur teilweise geschlossene Periode, während der sich die Stimmlippen nicht vollständig berühren (Rubin und Hirt, 1960).
Zusammenfassend kann man sagen, daß sich die Stimmlippen im Modalregister in neutraler Stellung beziehungsweise in „Normalstellung“ befinden, da bei dieser Stellung die Phonation üblicherweise erfolgt, während sie im Falsett- und im Strohbaßregister von dieser Stellung abweichen. Ihre Ausmaße können in diesem Register von sehr lang und dünn bis sehr kurz und dick variieren, sie schwingen annähernd periodisch und es herrscht eine mittlere Spannung. Nach einem relativ schnellen Onset folgt eine kurze offene Periode, ein längerer Schließvorgang und schließlich eine ebenfalls kurze geschlossene Periode.
Das Falsettregister ist gekennzeichnet durch sehr lange und dünne Stimmlippen sowie eine hohe Spannung der Stimmbänder, während die Stimmlippen im Strohbaßregister kurz und dick sowie eher ungespannt sind.
Für die Stimmlippenschwingung im Falsettregister ist eine längere Öffnungsphase sowie eine nur teilweise geschlossene Periode charakteristisch, während das Strohbaßregister durch eine schnelle Öffnungsphase und eine ebenso schnelle Schließbewegung gekennzeichnet ist, der eine sehr lange geschlossene Periode folgt.
Eine Übersicht dieser Zusammenfassung ist in der Tabelle 2 dargestellt.
Tabelle 2: Übersicht über die physiologischen Unterschiede im Strohbaß-, Modal- und Falsettregister (nach Hollien, 1974:135)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2.4. Akustische Faktoren
Zu den akustischen Faktoren, durch die die einzelnen Register gekennzeichnet sind, gehören die Sprachgrundfrequenz, gemessen in Hertz (Hz), die als Tonhöhe wahrgenommen wird sowie der Schall(druck)pegel, gemessen in Dezibel (dB), der sich als wahrgenommene Lautstärke äußert, allerdings immer in Abhängigkeit von der Frequenz. Damit ist die Lautstärke eine subjektiv empfundene Größe des Schalls und wird in der Einheit phon gemessen. Die untere Hörschwelle liegt bei 0 phon und die Schmerzschwelle bei 130 phon. Um beispielsweise einen Lautstärkepegel von 100 phon wahrzunehmen, muß bei einer Frequenz von 1000 Hz der Schallpegel bei 100 dB liegen, bei einer Frequenz von 20 Hz bei 125 dB und bei einer Frequenz von 4000 Hz bei etwa 88 dB (Fellbaum, 1984:93ff).
Die Grundfrequenz einer sprachlichen Äußerung kann durch eine Frequenzanalyse, zum Beispiel mit Hilfe eines Sonagraphen ermittelt werden, einem Gerät zur Herstellung von Spektrogrammen mittels Tonbandaufzeichnungen, den sogenannten Sonagrammen. Diese machen den Frequenzverlauf des Grundtones sowie der einzelnen Formanten entlang der Zeitachse sichtbar, indem die Schwingungsanteile eines Sprachsignals auf dem Registrierpapier eine dem Logarithmus ihrer spektralen, das heißt frequenzabhängigen Energieverteilung proportionale Schwärzung hervorrufen. Die Spektralintensität (Amplitude) läßt sich am Grad der Schwärzung auf dem Sonagramm erkennen.
Für eine Frequenzanalyse wird wahlweise ein schmalbandiges („enges“) oder breitbandiges („breites“) elektrisches Filter benutzt, dessen Durchlaßbereich kontinuierlich über das Frequenzgebiet von 80 - 8000 Hz verschoben werden kann. Hinsichtlich des zeitlichen sowie spektralen Auflösevermögens gilt die sogenannte Unschärferelation, derzufolge eine hohe spektrale Auflösung, die durch ein schmalbandiges Filter erreicht wird, eine geringe zeitliche Auflösung, das heißt eine große zeitliche Unschärfe zur Folge hat. Bei Verwendung eines Breitbandfilters sind dagegen die aufeinanderfolgenden Stimmtonimpulse deutlich als senkrechte Linien zu erkennen sind, da hier eine bessere zeitliche Auflösung vorliegt. Dafür ist jedoch die Frequenzauflösung bei Schmalbandfiltern besser und bei Breitbandfiltern schlechter. So gestattet das Schmalbandfilter die Isolierung der Harmonischen innerhalb des Frequenzbereichs, was mit Hilfe eines breitbandigen Filters wiederum nicht gelingt (Böhme, 1978:120f).
Die durchschnittliche Grundfrequenz männlicher Sprecher liegt nach Hollien und Michel (1968:602) im Modalregister etwa zwischen 94 und 287 Hz (in ihrem Experiment reichte sie bei den Versuchspersonen von 71 bis 561 Hz), während die Frequenz weiblicher Sprecher zwischen 144 und 538 Hz (im Experiment von 122 bis 798 Hz) variieren kann. Nach Cooper und Sorensen (1981:166) ist die durchschnittliche weibliche Grundfrequenz etwa 1,7 mal höher als die Durchschnittsfrequenz von Männern. Fant (1970:242) nimmt eine Grundfrequenz zwischen 60 und 240 Hz (im Durchschnitt bei 120 Hz) bei einer durchschnittlichen Länge des männlichen Vokaltrakts von 17,5 cm an. Die Grundfrequenz von Frauen liegt ihm zufolge etwa eine Oktave darüber, bei durchschnittlich 220 Hz, jedoch nimmt er an, daß die Formanten bei Frauen ebenfalls nur 17% über denen der Männer liegen. Durch eine Erhöhung der weiter oben beschriebenen aktiven Spannung durch Kontraktion des Musculus vocalis werden die Stimmlippen länger und dünner und die Grundfrequenz steigt an (Laver, 1980:110). Daraus kann man schlußfolgern, daß ein Nachlassen der aktiven Spannung die Stimmlippen kürzer und dicker werden läßt und die Grundfrequenz verringert. Demzufolge ist die Grundfrequenz im Strohbaßregister niedriger und im Falsettregister höher als im Modalregister.
Auch eine Erhöhung der ebenfalls weiter oben beschriebenen passiven Spannung durch Kontraktion des Musculus cricothyroideus läßt die Grundfrequenz zunächst ansteigen (ebd.), jedoch nur bis zu einem bestimmten Grad. Wenn die passive Spannung darüber hinaus erhöht wird, hört die Schwingung entweder auf, oder es findet eine Transition zum Falsettregister statt (van Deinse, 1981:37).
Van Deinse (ebd.) erklärt solche Registerübergänge durch das Vorhandensein der Obertöne. Die Stimmlippen produzieren einen Grundton und eine Reihe von Obertönen, die dafür sorgen, daß die Stimme eine Klangfarbe hat, die mit der Struktur des Vokaltraktes korrespondiert. Wenn nun die Grundfrequenz erhöht wird, ändert sich ab einer bestimmten Tonhöhe die Stellung des Kehlkopfes und damit des Resonators, so daß sich auch die Klangfarbe der Stimme ändert, indem neue Obertöne produziert werden. Dies ist der Übergang zum nächsthöheren Register.
Die durchschnittliche Grundfrequenz von Männern liegt nach Hollien und Michel (1968:602) im Strohbaßregister zwischen 24 und 52 Hz (im Experiment zwischen 7 und 78 Hz) und die von Frauen zwischen 18 und 46 Hz (im Experiment zwischen 2 und 78 Hz). Im Falsettregister liegen die durchschnittlichen Werte zwischen 275 und 634 Hz für Männer (im Experiment zwischen 156 und 795 Hz) und zwischen 495 und 1131 Hz für Frauen (im Experiment zwischen 210 und 1729 Hz).
Man sieht, daß sich die Frequenzbereiche der einzelnen Register teilweise überschneiden. Die Unterschiede in der Höhe der Grundfrequenz im Modal- sowie im Falsettregister zwischen männlichen und weiblichen Sprechern hängen in erster Linie mit den anatomischen Gegebenheiten zusammen, die sich bei Mann und Frau unterscheiden. Frauen haben im Durchschnitt kürzere Stimmlippen, die schneller schwingen und so auch eine höhere Frequenz erzeugen (Klatt und Klatt, 1990:825).
Eine Zusammenfassung der absoluten Werte, die im Experiment von Hollien und Michel (1968:602) gemessen wurden findet sich in der Tabelle 3, die durchschnittlichen Frequenzwerte sind in der Tabelle 4 zu sehen.
Tabelle 3: Im Experiment gemessene Sprachgrundfrequenz von Männern und Frauen im Modal-, Falsett- und Strohbaßregister (nach Hollien und Michel, 1968:602)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 4: Durchschnittliche Sprachgrundfrequenz von Männern und Frauen im Modal-,
Falsett- und Strohbaßregister (nach Hollien und Michel, 1968:602)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Wie man in beiden Tabellen sieht, besteht im Strohbaßregister überhaupt kein beziehungsweise kaum ein Unterschied zwischen männlichen und weiblichen Frequenzwerten. Die Grundfrequenz von Frauen ist in diesem Register im Durchschnitt sogar niedriger. Die genannten anatomischen Unterschiede scheinen also für das Strohbaßregister keine Rolle zu spielen.
Diese Werte können nun in Beziehung gesetzt werden zu den bereits beschriebenen physiologischen Faktoren, da anzunehmen ist, daß Änderungen auf der physiologischen Ebene auch mit Änderungen auf der akustischen Ebene einhergehen.
So hat Hollien (1960) eine Untersuchung durchgeführt, um herauszufinden, inwieweit Frequenzänderungen mit Änderungen der Länge der Stimmlippen zusammenhängen. An dieser Untersuchung nahmen 20 Versuchspersonen teil: 10 männliche und 10 weibliche Sprecher, davon jeweils fünf Sprecher mit sehr tiefer und fünf Sprecher mit sehr hoher durchschnittlicher Sprachgrundfrequenz. Jede Versuchsperson produzierte vier Töne in einer für sie angenehmen Lautstärke, davon drei im Modal- und einen im Falsettregister. Zuvor wurde jedoch die gesamte Frequenzreichweite für jede Versuchsperson ermittelt, so daß es sich bei den vier Tönen um den 10%-, 25%-, 50%- und 85%-Punkt - gemessen in Halbtönen über dem niedrigsten Ton, den die betreffende Versuchsperson produzieren konnte - innerhalb des jeweiligen Frequenzbereiches handelte. Anhand eines Referenztons aus einer Stimmpfeife konnten die Versuchspersonen vorher die betreffenden Tonhöhen einüben, so daß sie korrekt produziert werden konnten. Anschließend wurden die Stimmlippen bei der Phonation des gewünschten Tons mit einer Kamera gefilmt. Aus den Filmaufnahmen wurden anschließend die Sequenzen ausgewählt, in denen die Stimmlippen am deutlichsten zu sehen waren und mit Hilfe eines Filmprojektors auf eine Tischplatte projiziert, so daß die Stimmlippenlängen ausgemessen werden konnten. Die Ergebnisse der Messungen sind in der Tabelle 5 aufgelistet, wobei fehlende Einträge besagen, daß in diesen Fällen die Filmaufnahmen unbrauchbar waren, so daß keine Messungen vorgenommen werden konnten. Obwohl die hier zur Verfügung stehenden Daten sehr begrenzt sind, lassen sich dennoch Zusammenhänge zwischen Grundfrequenz und Länge der Stimmlippen feststellen.
Man kann sagen, daß sich innerhalb jeder Versuchspersonengruppe mit steigender Länge der Stimmlippen auch die Grundfrequenz erhöht, wohingegen jedoch die weiblichen Versuchspersonen, deren durchschnittliche Grundfrequenz höher ist als die der männlichen, eine geringere Stimmlippenlänge aufweisen als die männlichen Versuchspersonen. Ebenso weist innerhalb eines Geschlechts die Gruppe mit der höheren durchschnittlichen Grundfrequenz eine geringere Stimmlippenlänge auf als die Gruppe mit der niedrigeren Grundfrequenz.
Tabelle 5: Länge der Stimmlippen von Männern und Frauen im Modal- und Falsettregister (nach Hollien, 1960:154)
Länge der Stimmlippen in Millimeter
Modalregister Falsettregister
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Dies erscheint zunächst als Widerspruch, da einerseits ein Sprecher mit kürzeren Stimmlippen eine höhere durchschnittliche Sprachgrundfrequenz aufweist, aber andererseits ein Sprecher durch Verlängerung seiner Stimmlippen seine Grundfrequenz erhöht. Dies läßt sich jedoch folgendermaßen erklären: Generell haben Frauen kürzere Stimmlippen und demzufolge auch eine höhere durchschnittliche Sprachgrundfrequenz als Männer, da kürzere Stimmlippen schneller schwingen (Klatt und Klatt, 1990:825). Ihre höhere Grundfrequenz wird also in erster Linie durch die geringeren Ausmaße ihrer Stimmlippen bestimmt, wobei dieser Vergleich zwischen zwei verschiedenen Sprechern stattfindet.
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