Um den einheitlichen Binnenmarkt und freien Warenverkehr innerhalb Europas zu fördern, wurde 1968 das Europäische Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen (EuGVÜ) abgeschlossen, das am 1. März 2002 durch die sogenannte Brüssel-I-Verordnung (EuGVVO) abgelöst worden ist. Der Text dieser Verordnung stimmt inhaltlich fast vollständig mit dem Vertragstext des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (LugÜ) überein.
Während sich der räumliche Anwendungsbereich der EuGVVO auf die Mitgliedsstaaten der EU erstreckt, erfasst jener des LugÜ zusätzlich – mit Ausnahme des Fürstentums Liechtenstein – die EFTA-Staaten. Die Absicht hinter diesen Abkommen und Verordnungen ist die Schaffung einer einheitlichen Zuständigkeitsregelung in Handels- und Zivilsachen im eurointernationalen Raum, die mittels verschiedener Zuständigkeits- und Rechtshängigkeitsvorschriften zu mehr Rechtssicherheit führt. Zudem soll dank vereinfachten Verfahren zu einer rascheren unkomplizierteren Anerkennung von ausländischen Entscheiden gelangt werden können.
Am 12. Dezember 2012 haben das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union die EU-Verordnung Nr. 1215/2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen verabschiedet (nEuGVVO), eine Neufassung der Brüssel-I-Verordnung.
Zwar wird durch die Stärkung von Gerichtsstandsvereinbarungen, dem Wegfall von Exequaturverfahren und die Berücksichtigung von Verfahren in Drittstaaten eine nochmalige Verbesserung der Rechtssicherheit beabsichtigt, doch mit dem Inkrafttreten der Verordnung erfährt ebendieser eurointernationale, einheitliche Rechtsraum zugleich eine Aufspaltung in zwei Teile: Im einen Teil findet die nEuGVVO Anwendung. Im anderen gelten weiterhin das LugÜ bzw. die EuGVVO.
Inhaltsverzeichnis
- § 1 Einleitung
- I. Ausgangslage
- II. Fragestellung und Zielsetzung
- III. Aufbau
- IV. Der gemeinsame Hintergrund von LugÜ und EuGVVO
- § 2 Rechtshängigkeit
- I. Begriff und Bedeutung
- II. Beginn und Ende der Rechtshängigkeit
- III. Wirkungen
- IV. Die parallele Rechtshängigkeit
- § 3 Die Bestimmungen zur Rechtshängigkeit im LugÜ
- I. Voraussetzungen
- a) Verschiedene Vertragsstaaten
- b) Parteiidentität
- c) Anspruchsidentität
- d) Zuständigkeit als Voraussetzung?
- II. Eintritt
- III. Wirkung
- IV. Zusammenfassung
- § 4 Bekannte Schwierigkeiten der Rechtshängigkeit
- I. Forum Shopping und Forum Running
- a) Forum Shopping
- b) Forum Running
- c) Kritik
- II. Auslegung der Partei- und der Anspruchsidentität
- a) Partei- und Anspruchsidentität
- b) Kritik
- III. Zuständigkeitsvereinbarungen
- a) Begriff
- b) Einschränkungen
- c) Kritik
- IV. Torpedo-Klagen
- a) Begriff
- b) Mögliche Motive
- c) Mögliche Handhabung unter geltendem Recht
- § 5 Die Bestimmungen zur Rechtshängigkeit nach nEuGVVO
- I. Motive zur Revision
- II. Voraussetzungen der Rechtshängigkeitssperre
- a) Verschiedene Mitgliedsstaaten, Partei- und Anspruchsidentität
- b) Zuständigkeit als Voraussetzung?
- c) Verfahren in Drittstaaten
- III. Eintritt
- IV. Wirkungen der Rechtshängigkeit
- V. Würdigung der neuen Bestimmungen
- a) Bezüglich Torpedo-Klagen
- b) Umfang der Prüfung von ausschliesslichen Gerichtsstandsvereinbarungen
- c) Mögliches Verfahren zur Bestimmung der Zuständigkeit
- d) Litispendenzregelung für hängige Verfahren in Drittstaaten
- § 6 Zusammenfassung und Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Masterarbeit untersucht die parallele Rechtshängigkeit im Kontext des Lugano-Übereinkommens und der Neufassung der Brüssel-I-Verordnung. Ziel ist es, die Bestimmungen beider Rechtsinstrumente zu vergleichen und kritisch zu analysieren, insbesondere im Hinblick auf praktische Schwierigkeiten wie Forum Shopping und Torpedo-Klagen.
- Parallele Rechtshängigkeit nach LugÜ und nEuGVVO
- Vergleich der Rechtshängigkeit im LugÜ und der nEuGVVO
- Analyse von Problemen wie Forum Shopping und Torpedo-Klagen
- Auslegung der Partei- und Anspruchsidentität
- Bedeutung von Zuständigkeitsvereinbarungen
Zusammenfassung der Kapitel
§ 1 Einleitung: Dieses Kapitel legt den Grundstein der Arbeit, indem es die Ausgangslage beschreibt, die Forschungsfrage und die Zielsetzung präzisiert und den Aufbau der Arbeit erläutert. Es skizziert den gemeinsamen Hintergrund des Lugano-Übereinkommens (LugÜ) und der Europäischen Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO), um den Kontext der folgenden Analysen zu schaffen. Der Fokus liegt auf der Vorbereitung des Lesers für die detaillierte Betrachtung der Rechtshängigkeit im Kontext der beiden Rechtsinstrumente.
§ 2 Rechtshängigkeit: Dieses Kapitel definiert den Begriff der Rechtshängigkeit und seine Bedeutung im internationalen Zivilprozessrecht. Es analysiert den Beginn und das Ende der Rechtshängigkeit sowie deren Wirkungen. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf dem Phänomen der parallelen Rechtshängigkeit, das im Zentrum der weiteren Kapitel steht. Das Kapitel dient als Grundlage für das Verständnis der komplexen Rechtslage und bildet die Basis für den Vergleich der Regelungen im LugÜ und der nEuGVVO.
§ 3 Die Bestimmungen zur Rechtshängigkeit im LugÜ: Hier werden die konkreten Voraussetzungen für die Rechtshängigkeit nach dem Lugano-Übereinkommen detailliert untersucht. Dies beinhaltet die Prüfung der Anforderungen an verschiedene Vertragsstaaten, Partei- und Anspruchsidentität, sowie die Frage, ob Zuständigkeit eine Voraussetzung ist. Das Kapitel analysiert den Eintritt der Rechtshängigkeit und deren Wirkungen, gefolgt von einer zusammenfassenden Würdigung der Bestimmungen. Der Fokus liegt auf der systematischen Darstellung der Rechtslage und ihrer Implikationen für die Praxis.
§ 4 Bekannte Schwierigkeiten der Rechtshängigkeit: Dieses Kapitel befasst sich mit praktischen Problemen im Zusammenhang mit der Rechtshängigkeit, insbesondere Forum Shopping und Forum Running. Es analysiert die Auslegung der Partei- und Anspruchsidentität sowie die Rolle von Zuständigkeitsvereinbarungen und Torpedo-Klagen. Der Abschnitt bietet eine kritische Auseinandersetzung mit den bestehenden Herausforderungen und deren Auswirkungen auf die Effizienz und Gerechtigkeit des internationalen Zivilprozesses. Es werden verschiedene Lösungsansätze und deren Grenzen diskutiert.
§ 5 Die Bestimmungen zur Rechtshängigkeit nach nEuGVVO: Dieses Kapitel widmet sich den Regelungen der Neufassung der Brüssel-I-Verordnung bezüglich Rechtshängigkeit. Es untersucht die Motive für die Revision, die Voraussetzungen der Rechtshängigkeitssperre und deren Wirkungen. Im Vergleich zum LugÜ werden die Unterschiede und Gemeinsamkeiten herausgearbeitet, wobei der Fokus auf der Bewertung der neuen Bestimmungen im Hinblick auf Probleme wie Torpedo-Klagen, ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen und die Bestimmung der Zuständigkeit liegt. Die Auswirkungen auf Verfahren in Drittstaaten werden ebenfalls analysiert.
Schlüsselwörter
Parallele Rechtshängigkeit, Lugano-Übereinkommen, Brüssel-I-Verordnung, Rechtshängigkeitssperre, Forum Shopping, Forum Running, Parteiidentität, Anspruchsidentität, Zuständigkeit, Gerichtsstandsvereinbarung, Torpedo-Klagen, Internationales Zivilprozessrecht.
Häufig gestellte Fragen zur Masterarbeit: Parallele Rechtshängigkeit im LugÜ und der nEuGVVO
Was ist der Gegenstand dieser Masterarbeit?
Die Masterarbeit untersucht die parallele Rechtshängigkeit im Kontext des Lugano-Übereinkommens (LugÜ) und der Neufassung der Brüssel-I-Verordnung (nEuGVVO). Sie vergleicht und analysiert kritisch die Bestimmungen beider Rechtsinstrumente, insbesondere im Hinblick auf praktische Schwierigkeiten wie Forum Shopping und Torpedo-Klagen.
Welche Themen werden in der Arbeit behandelt?
Die Arbeit behandelt folgende Themenschwerpunkte: Parallele Rechtshängigkeit nach LugÜ und nEuGVVO, Vergleich der Rechtshängigkeit in beiden Rechtsinstrumenten, Analyse von Problemen wie Forum Shopping und Torpedo-Klagen, Auslegung der Partei- und Anspruchsidentität sowie die Bedeutung von Zuständigkeitsvereinbarungen.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit gliedert sich in sechs Paragraphen: §1 Einleitung (Ausgangslage, Fragestellung, Aufbau, gemeinsamer Hintergrund von LugÜ und EuGVVO); §2 Rechtshängigkeit (Begriff, Bedeutung, Beginn, Ende, Wirkungen, parallele Rechtshängigkeit); §3 Bestimmungen zur Rechtshängigkeit im LugÜ (Voraussetzungen, Eintritt, Wirkung, Zusammenfassung); §4 Bekannte Schwierigkeiten der Rechtshängigkeit (Forum Shopping, Forum Running, Auslegung der Partei- und Anspruchsidentität, Zuständigkeitsvereinbarungen, Torpedo-Klagen); §5 Bestimmungen zur Rechtshängigkeit nach nEuGVVO (Motive zur Revision, Voraussetzungen, Eintritt, Wirkungen, Würdigung der neuen Bestimmungen); §6 Zusammenfassung und Ausblick.
Was versteht man unter paralleler Rechtshängigkeit?
Parallele Rechtshängigkeit beschreibt die Situation, in der in verschiedenen Staaten gleichzeitig Verfahren über denselben Anspruch zwischen denselben Parteien anhängig sind. Die Arbeit untersucht, wie das LugÜ und die nEuGVVO diese Situation regeln.
Welche Probleme werden im Zusammenhang mit der Rechtshängigkeit analysiert?
Die Arbeit analysiert insbesondere die Probleme des Forum Shopping (strategische Wahl des Gerichtsstands) und Forum Running (Verlagerung des Verfahrens in einen günstigeren Gerichtsstand), die Auslegung der Partei- und Anspruchsidentität, die Rolle von Zuständigkeitsvereinbarungen und die Handhabung von Torpedo-Klagen (Klagen, die primär darauf abzielen, das Verfahren in einem anderen Staat zu beeinflussen).
Wie werden die Bestimmungen des LugÜ und der nEuGVVO verglichen?
Die Arbeit vergleicht die Voraussetzungen für die Rechtshängigkeitssperre, den Eintritt der Rechtshängigkeit und deren Wirkungen nach LugÜ und nEuGVVO. Sie hebt Unterschiede und Gemeinsamkeiten hervor und bewertet die Neuerungen der nEuGVVO kritisch.
Welche Schlussfolgerungen zieht die Arbeit?
Die Arbeit zieht Schlussfolgerungen zum Vergleich der Rechtshängigkeit nach LugÜ und nEuGVVO, analysiert die Wirksamkeit der Regelungen zur Vermeidung von Missbrauch und bietet einen Ausblick auf zukünftige Entwicklungen im internationalen Zivilprozessrecht.
Welche Schlüsselwörter sind relevant für die Arbeit?
Die relevanten Schlüsselwörter sind: Parallele Rechtshängigkeit, Lugano-Übereinkommen, Brüssel-I-Verordnung, Rechtshängigkeitssperre, Forum Shopping, Forum Running, Parteiidentität, Anspruchsidentität, Zuständigkeit, Gerichtsstandsvereinbarung, Torpedo-Klagen, Internationales Zivilprozessrecht.
- Citation du texte
- Matias Rodriguez Herran (Auteur), 2013, Die parallele Rechtshängigkeit gemäss dem Lugano-Übereinkommen und der revidierten Brüssel-I-Verordnung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/444283