Carl Diem (1882-1962) war nicht nur eine herausragende, weltweit geachtete und einflussreiche Persönlichkeit des deutschen und olympischen Sports, sondern auch ein Sportfunktionär, der immer wieder im Kreuzfeuer der Kritik stand. So war Carl Diem 1936 Organisator der Olympischen Spiele in Berlin gewesen, die für den Missbrauch des Sports durch die Nationalsozialisten benutzt wurden. Es ist jedoch anzunehmen, dass Carl Diem die wirklichen Absichten NS-Führer nicht erkannte. Erste Bedenken gegen die Person Diems setzten jedoch bereits nach dem zweiten Weltkrieg ein und führten vor allem 1947 bei der Errichtung der Sporthochschule Köln zu Widerständen. Der „politische Sturm“ um Carl Diem bereitete der Sporthochschule besonders im ersten und zweiten Semester große Schwierigkeiten und hielt sie in ihrer Entwicklung auf. Schon kurz nach der Bekanntgabe der Hochschulöffnung traten vereinzelte Bedenken auf, dass Diem die Hochschule unpolitisch
führen würde.
Inhalt
1 Einleitung
2 Wildungs Kritik am Anfang einer Kampagne gegen Diem
3 Die ersten Vorbehalte gegen Diem
3.1 Whites Einspruch gegen Diem
3.2 Dixons Mithilfe
3.3 Die Resolution des Zonen- Erziehungsrat
3.4 Die Zustimmung des Kultusministerium
4 Die zweite Kampagne gegen Diem
4.1 Der Presseartikel gegen Diem: Vorwurf des Militarismus
4.2 Diems Rechtfertigung
4.3 Die Rehabilitierung Diems
5 Fazit
6 Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Carl Diem (1882-1962) war nicht nur eine herausragende, weltweit geachtete und einflussreiche Persönlichkeit des deutschen und olympischen Sports, sondern auch ein Sportfunktionär, der immer wieder im Kreuzfeuer der Kritik stand.
Diem war Vorsitzender des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (1908-1913), Generalsekretär des Organisationskomitees für die in Berlin 1916 vorgesehenen Olympischen Spiele, Prorektor der Deutschen Hochschule für Leibesübungen Berlin (1920-1933) und Generalsekretär des Deutschen Reichsausschusses für Leibesübungen, des ersten Dachverbandes des deutschen Sports seit seiner Gründung 1917 bis 1933. Als Generalsekretär des Deutschen Reichsausschusses für Leibesübungen (DRA) war er an vielen Entwicklungen mitbeteiligt, die eine erhebliche Besserstellung des Sports in der Gesellschaft zur Folge hatten. Seinen weltweiten Ruf als „Mister Olympia“ erwarb er sich durch seine Tätigkeit als Generalsekretär des Organisationskomitees der Olympischen Spiele 1936 in Berlin. Nach den Olympischen Spielen war Diem weiterhin für den Sport tätig und bekleidete mehrere Ämter, unter anderem war er Leiter der Auslandsabteilung des Nationalsozialistischen Reichsbundes für Leibesübungen (NSRL) und damit sowohl für die Belange der deutschen Sportler außerhalb Deutschlands als auch für die internationalen Beziehungen des NSRL zuständig. Nach dem Krieg gehörte er den Vorständen des Nationalen Olympischen Komitees (NOK) und des Deutschen Sportbundes (DSB) an, fungierte einige Zeit (1949-1954) als Sportreferent der Bundesregierung und war Gründungsrektor der Deutschen Sporthochschule in Köln; er wurde zum Professor ernannt und erhielt mit dem Großen Bundes-Verdienstkreuz eine herausragende Auszeichnung von staatlicher Seite. Zu den großen Leistungen Diems zählen nicht nur seine Tätigkeiten als Organisator, Manager und Sportfunktionär, sondern auch seine publizistischen und wissenschaftlichen Arbeiten. Er schrieb über 50 Bücher – darunter eine zweibändige „Weltgeschichte des Sports“ – hunderte von Aufsätzen und hielt zahlreiche Vorträge. Viele Städte und Gemeinden in Deutschland haben wegen seiner Verdienste Straßen, Plätze, Sportstätten und Preise nach Carl Diem benannt (vgl. P. Röthig 2004, S. 140 f.).
In den vier Abschnitten der deutschen Geschichte, in denen Diem wesentlich die Entwicklung von Gymnastik, Turnen, Spiel und Sport in Deutschland prägte, wurde er aber auch immer wieder kritisiert: In den 1920er Jahren von den Turnern, weil Diem den internationalen, olympischen Sport förderte; im „Dritten Reich“ von den Nationalsozialisten, die Diem als „weißen Juden“ beschimpften, weil er Verbindungen zu jüdischen Mitarbeitern und Studenten unterhielt; in den 1950er Jahren von der DDR, weil er als Vertreter der als „revanchistisch“ angesehenen Politik Adenauers angesehen wurde; von einigen ehemaligen Arbeitersportlern und -funktionären in der SPD, weil er beim Aufbau des Sports in der Bundesrepublik Deutschland das Prinzip der Fachverbände favorisierte. In den letzten Jahren hat sich immer wieder eine öffentliche Debatte am Verhalten Diems im „Dritten Reich“ entzündet. So wurde beispielsweise mit Hinweis auf Diems Veröffentlichungen in der Zeitung „Das Reich“ kritisiert, er hätte der nationalsozialistischen und militaristischen Ideologie dieser Zeit näher gestanden, als von ihm zugegeben wurde. Im Mittelpunkt dieser Kritik steht eine Ansprache, die Diem im Frühjahr 1945 vor Angehörigen der Hitlerjugend und des Volkssturms auf dem Reichssportfeld in Berlin hielt und in der er versucht haben soll, seine Zuhörer für den „Heldentod“ zu begeistern. Diese jüngere kritische Diskussion um Diem hat dazu geführt, dass in einigen Städten nach Carl Diem benannte Straßen und Plätze nun wieder umbenannt werden (vgl. ebd.).
Erste Bedenken gegen die Person Diems gab es jedoch schon gleich nach dem zweiten Weltkrieg und führte vor allem 1947 bei der Errichtung der Sporthochschule Köln zu Widerständen. Die vorliegende Arbeit befasst sich daher näher mit der kritischen Gründungsphase der Sporthochschule Köln, an der Diem im Alter von 65 Jahren zum Leiter ernannt wurde. Der „politische Sturm“ gegen die Person Diems bereitet der Sporthochschule besonders im ersten und zweiten Semester große Schwierigkeiten und hält sie in ihrer Entwicklung auf. Schon kurz nach der Bekanntgabe der Hochschulöffnung treten vereinzelte Bedenken auf: Fritz Wildung befürchtet, dass Diem die Kölner Hochschule unpolitisch führen werde. Wildung veröffentlichte seine Kritik in einem Presseartikel vom 19.05.1947 und steht daher am Anfang einer Kampagne gegen Diem, die dann ab Juni 1947 bis zum Ende des Jahres in voller Stärke geführt wurde. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich also zuerst mit dem Presseartikel von Wildung. Anschließend werden dann die ersten Vorbehalte gegen Diem durch den Einspruch des Kontrolloffiziers White, die letztendlich zum Gründungsaufschub der Sporthochschule geführt haben, näher betrachtet. Und das dritte Kapitel untersucht, wie Diem sich in einer zweiten Kampagne gegen die Vorwürfe des Militarismus aus der „Rheinischen Zeitung“ rechtfertigte.
Diese Arbeit bezieht sich vor allem auf die Literatur von Werner Körbs „Vorgeschichte und Gründung der Sporthochschule Köln (1946 – 1948)“. W. Körbs kannte den Gegenstand seines Themas aus unmittelbarer Anschauung. Er war bis zum Tode Diems (1962) einer seiner engsten Mitarbeiter. Er vertrat anschließend als Professor die Fächer Methodik und Geschichte der Leibesübungen und bekleidete mehrere Jahre das Amt des Rektors (vgl. W. KÖRBS 1986, S. 12).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.1: Portrait Carl Diem
Entnommen aus: www.gbg.kbs-koeln.de/ diem/urteil/diem.jpg
2. Wildungs Kritik am Anfang einer Kampagne gegen Diem
Nachdem die Hochschuleröffnung im Mai 1947 bekannt gegeben wurde, stiegt das öffentliche Interesse an: Bis Ende Mai waren etwa 600 schriftliche Anfragen eingegangen. Zur Aufnahmeprüfung wurden 250 Bewerber aus allen Besatzungszonen einberufen (vgl.a.a.O., S. 63).
Die Öffentlichkeit reagierte also fast einstimmig positiv. Vereinzelte Bedenken bezogen sich nicht so sehr auf dem akademischen Auftrag und den Bildungsplan der Hochschule als auf mögliche politische Gefahren. So der Beitrag von Fritz Wildung in „Der Sozialdemokrat“ vom 19.05.1947. Wildung war seit 1907 Redakteur der „Arbeiter-Turn-Zeitung“, sowie Leiter der Arbeiter-Turn- und Sportschule in Leipzig und 1912 Geschäftsführer der Zentralkommission für Arbeitersport und Körperpflege (vgl. a.a.O., S. 60). Nach 1945 stand Wildung als einer der Ersten als Sozialdemokrat und Sportler den Neuaufbauern zur Seite und befürchtete, dass Diem die Kölner Sporthochschule „unpolitisch“ führen werde (s. Abb.2):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.2: F. WILDUNG, Neue Hochschule für Leibesübungen, in: Der Sozialdemokrat Nr. 114/2 vom 19.5.47
Entnommen aus: W. KÖRBS 1986, S. 223
Wildung begründet seine Befürchtungen, dass Diem die Kölner Hochschule „unpolitisch“ führen werde, aus der Entwicklung der früheren Hochschule für Leibesübungen Berlin heraus und verwies auf die damalige Leitung der Studentenschaft, die zuletzt in den Händen der Nazianhänger lag und eine entsprechende Propaganda entfalteten. Diem selbst hatte zwar an dieser Entwicklung keinen Anteil, konnte aber als Prorektor der Deutschen Hochschule für Leibesübung Berlin die politische Entartung nicht verhindern. Wildung forderte daher ausdrücklich eine Instanz zur politischen Überprüfung der Sporthochschule Köln (vgl. ebd.).
Diem hat auf die Bedenken Wildungs, die er als eine Art politischer Pflichtübungen angesehen haben mag, sehr zurückhaltend reagiert (s. Abb.3):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.3: Brief DIEM an BUSCH vom 30.5.1947
Entnommen aus: W. KÖRBS 1986, S. 224
Letztendlich steht Wildungs Kritik am Anfang einer Kampagne gegen Diem, die dann ab Juni 1947 bis zum Ende des Jahres, wenn auch mit anderen Argumenten, in voller Stärke geführt wurde. Wildung selbst hat sich dann aber an der eigentliche Kampagne gegen Diem ab Mitte Juni 1947 nicht beteiligt.
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- Citation du texte
- Maria Priebst (Auteur), 2005, Der "politische Sturm" um Carl Diem als Leiter der Sporthochschule Köln, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/44407
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